Vier von der Infanterie

Vier von der Infanterie
Filmdaten
Originaltitel: Westfront 1918
Produktionsland: Deutschland
Erscheinungsjahr: 1930
Länge: 97 Minuten
Originalsprache: Deutsch
Altersfreigabe: FSK 16
Stab
Regie: G.W. Pabst
Drehbuch: Ladislaus Vajda,
Peter Martin Lampel
Produktion: Seymour Nebenzal
Musik: Alexander Laszlo
Kamera: Fritz Arno Wagner,
Charles Métain
Schnitt: Wolfgang Loe-Bagier
Besetzung

Westfront 1918 (auch: Vier von der Infanterie) ist ein deutscher Antikriegsfilm von G.W. Pabst aus dem Jahr 1930.

Inhaltsverzeichnis

Handlung

Frankreich 1918. In den letzten Monaten des 1. Weltkriegs verbringen vier Infanteristen - der Bayer, der Student, Karl und der Leutnant – ein paar Ruhetage hinter der Front, wobei sich der Student in das französische Bauernmädchen Yvette verliebt. Wieder an der Front, erleiden die vier aufs Neue den Kriegsalltag mit Entbehrungen, Schmutz und Todesgefahr. Der Bayer, Karl und der Leutnant werden verschüttet, der Student gräbt sie aus. Später werden sie irrtümlich von eigener Artillerie beschossen und wieder rettet sie der Student: als Meldegänger riskiert er sein Leben, um die Einstellung des Feuers zu erwirken.

Karl erhält Heimaturlaub und erwischt prompt seine Frau im Bett mit einem Metzgergesellen. Verbittert und unversöhnt kehrt er an die Front zurück. Der Student wird im Nahkampf erstochen, nur noch seine Hand ragt aus dem Schlamm eines Granattrichters. Der Bayer wird bei der Abwehr eines französischen Angriffs schwer verwundet. Der Leutnant erleidet angesichts eines Panzerangriffs einen Nervenzusammenbruch. Pausenlos „Hurra“ schreiend salutiert er einem Leichenhaufen und wird in geistiger Umnachtung ins Feldlazarett eingeliefert. Karl kommt tödlich verletzt ins Lazarett. Im Fieber sieht er noch einmal seine Frau. Er stirbt mit den Worten „Wir sind alle schuld!“. Man deckt ihn zu, aber seine Hand hängt seitlich heraus. Ein neben ihm liegender französischer Verwundeter nimmt sie in die seine und sagt: „Feinde -nein – Kameraden.“ Die Schlusseinblendung „Ende“ ist mit einem Fragezeichen versehen.

Hintergründe

Um 1930 hatten in Deutschland Kriegsfilme Hochkonjunktur. Eine der wenigen Ausnahmen bildete Westfront 1918, der 7 Monate vor dem amerikanischen Antikriegsfilm Im Westen nichts Neues am 23. Mai 1930 in Berlin Premiere hatte. Das Drehbuch beruht auf dem Roman Vier von der Infanterie von Ernst Johannsen.

Stilistisch erreicht der Film einen erstaunlich hohen Grad von Realismus, vor allem in den Graben- und Kampfszenen. Die Monotonie des Sterbens verstärkt noch den beklemmenden Eindruck von Authentizität. Am genauesten kopiert wurden die dabei eingesetzten endlosen Kamerafahrten von Stanley Kubrick in seinem 1. Weltkriegsfilm Wege zum Ruhm. Daneben stehen „kleine“ stille Szenen, etwa wenn der Student quasi nebenher beobachtet, wie in einer Feldschreinerei am Fließband Grabkreuze angefertigt werden, oder wie Karls Mutter nicht ihren Platz in der Lebensmittelschlange verlassen will, wenn sie ihren Sohn wiedersieht.

Pabst wollte aber mehr als nur „Realismus“: „Ich ein Realist? Von meinem allerersten Film an habe ich realistische Themen gewählt, aber mit der Intention, resolut ein Stilist zu sein. ... Realismus muß ein Trampolin sein, von dem aus man immer höher springt; in sich hat er keinen Wert. Es geht darum, die Realität zu überwinden. Realismus ist ein Mittel, kein Ziel“. (zit. in: Bandmann/Hembus, S. 21). So verdeutlichen nicht die Kampfszenen, sondern die individuellen Schicksale der vier Soldaten Pabsts eigentliche pazifistische Aussage: Den Glauben an die Kraft der internationalen Solidarität der einfachen Menschen.

1933 wurde der Film verboten, weil er „eine ganz einseitige und deshalb unwahre Darstellung vom Krieg“ zeige und das „lebenswichtige Interesse des Staates, den Wehrwillen des Volkes aufrecht zu erhalten und zu stärken“ gefährden würde. (Text des Verbotsantrags im Deutsche Filminstitut)

Kritiken

  • „Neben allem, allem, was ich im Winter sah, ging ein Tonfilm dieser Tage mir am tiefsten: weil er das Gesicht des Krieges für Nichtteilnehmer am rüdesten entblößt. Der Eindruck übertäubt Wochen, Monate. Man sollte das an jedem Neujahrstag vorführen, einmal an jedem Jahresbeginn; in jedem Dorf, in jeder Schule; von Amts wegen, durch Gesetz. Was sind Theaterstücke?“ (Alfred Kerr im Berliner Tageblatt 1930, zit. in: Bandmann/Hembus, S. 19)
  • „Dem Drang zur wahrheitsgetreuen Wiedergabe des Grauens, der hier obwaltet, entwachsen zwei Szenen, die schon beinahe die Grenze des Aussagbaren überschreiten. Die eine: ein Einzelkampf endet damit, daß ein Infanterist vor aller Augen im Sumpf erstickt wird. (Daß man später noch eine Totenhand aus dem brodelnden Schlamm herausragen sieht, ist überflüssige Effekthascherei.) Die andere: das Frontlazarett in der Kirche mit Verstümmelten, Schwestern und Ärzten, die vor Erschöpfung kaum noch ihr Handwerk weiter betreiben können. Es ist, als seien mittelalterliche Marterbilder lebendig geworden“. (Siegfried Kracauer in der Frankfurter Zeitung 1930, zit. in: Bandmann/Hembus, S. 21)
  • „»Westfront 1918« ist der einzige den Krieg denunzierende Film, der der Armee jede Gefälligkeit verweigert - in dieser Hinsicht ist es ein reineres Werk als das von Milestone (gar nicht zu reden von dem entmutigenden Komplizentum mit dem idealen Soldaten, die man in den französischen Filmen dieser Zeit immer wieder antrifft)“. (Roger Boussinot: L'Encyclopédie du Cinema. Paris 1967)
  • „Der Kriegsfllm »Westfront 1918« ... verweigert sich ... noch der heimlichsten Verklärung des Krieges zur Stätte »menschlicher Bewährung«. Er erscheint als die Perfektion des Grauens, die er ist. Für vier Infanteristen zerbricht nach und nach der Sinnzusammenhang, in den für sie zunächst auch der Krieg noch einzuordnen war. Erscheinen sie anfangs noch als Handelnde, so gewinnt dann die anonyme Macht des Krieges immer mehr Gewalt über sie, bis ihre Identität völlig zerfällt: im Wahnsinn oder in einem absurden Tod. ... In kunstlosen, langsamen und ungleichmäßigen Fahrten tastet die Kamera das Schlachtfeld ab und enthüllt im epischen Nacheinander das Grauen. Dessen politische Ursache bleibt freilich außerhalb des Gesichtskreises der Kamera.“ (Ulrich Gregor, Enno Patalas: Geschichte des Films. 1895-1939. Bd. 1. Reinbek 1976, S. 141)
  • „Vor allem die grobschlächtige Inszenierung und Darstellung der heimatlichen Familiendramen und die sentimentale Beschwörung einer universalen Brüderschaft stören empfindlich in einem Film, der ... durch seinen harten Realismus beeindruckt, mit dem er die Monotonie und die Schrecken des Grabenkrieges aus deutscher Sicht schildert.“ (Liz-Anne Bawden (Hrsg.): rororo Filmlexikon. Bd. 3. Reinbek 1978, S. 761f.)
  • „Mit »Westfront 1918 haben wir den ersten der drei Tonfilme vor uns, mit denen G.W. Pabst ... seine im Stummfilm glanzvoll begonnene Karriere ... krönte, ehe er in die Mittelmäßigkeit und den Opportunismus verfiel.“ (Bandmann/Hembus, S. 19)

Literatur

  • Christa Bandmann, Joe Hembus: Westfront 1918. In: Dies.: Klassiker des deutschen Tonfilms. Goldmann, München 1980, S. 19 - 21, ISBN 3-442-10207-3
  • Marc Vanden Berghe: La mémoire impossible. Westfront 1918 de G.W. Pabst. Grande Guerre, soldats, automates. Le film et sa problématique vus par la 'Petite Illustration' (1931), Brussel, 2001 - text online in www.art-chitecture.net/publications.php [1]

Weblinks


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