- Fritz-Dietlof von der Schulenburg
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Fritz-Dietlof Graf von der Schulenburg (* 5. September 1902 in London; † 10. August 1944 in Berlin-Plötzensee) war Verwaltungsbeamter und Widerstandskämpfer im Attentat vom 20. Juli 1944.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Persönliche Entwicklung
Fritz-Dietlof Graf von der Schulenburg war der vierte Sohn von Friedrich Graf von der Schulenburg, der zum Zeitpunkt der Geburt Militärattaché Deutschlands in London war, seine Mutter war Freda-Marie geb. Gräfin von Arnim. Schulenburg, seine vier Brüder und seine Schwester (Tisa von der Schulenburg) wuchsen wegen des Berufs des Vaters in verschiedenen Orten auf, unter anderem in Berlin, Potsdam, Münster sowie auf dem familieneigenen Schloss Tressow, Landkreis Nordwestmecklenburg. Die Kinder wurden zunächst von einer Privaterzieherin streng erzogen.
1920 machte von der Schulenburg das Abitur am Katharineum zu Lübeck und entschied sich danach, nicht im Sinne der Familientradition eine Offizierslaufbahn einzuschlagen, sondern studierte in Göttingen und Marburg Rechtswissenschaft. 1920 wurde er Mitglied des Corps Saxonia Göttingen.[1] Zweimal wurde er als Consenior ausgezeichnet.[2] 1923 legte er das Staatsexamen in Celle ab und wurde für die nächsten fünf Jahre Regierungsreferendar in Potsdam und Kyritz. 1924 unterbrach er für drei Monate sein Refendariat und reiste als Matrose auf einem Kohlendampfer nach Südamerika. 1928 schloss er seine Ausbildung ab und wurde Assessor in Recklinghausen.
Von der Schulenburg verstand sich als Teil einer nationalen Elite, die sich in erster Linie durch die staatstragenden Säulen Militär und Berufsbeamtentum definierte. Bürger außerhalb dieser Strukturen waren für ihn bestenfalls „Zivilisten“ oder einfach nur der Mob. Allerdings verstand sich diese Elite als sehr patriarchales System, in dem Beamte und Militärs gleichzeitig auch die Aufgabe hatten, zum Wohle des Volkes zu agieren. Auf Grund dessen beschäftigte sich von der Schulenburg mit Themen wie der Agrarverschuldung und der Bodenreform. Seine Vorstellungen vom Bauernstand und von sozialer Gerechtigkeit brachten ihm bald den Titel „Roter Graf“ bei seinen Kollegen ein. Hans Bernd Gisevius, Mitverschwörer des 20. Juli 1944, bezeichnet ihn als sozialistischen Grafen.[3] Allerdings hatte Schulenburg auch klar Stellung gegen jede bolschewistische Strömung bezogen.
Anschluss an die NSDAP
1930 kam es zu ersten direkten Kontakte mit der NSDAP, er wurde ab Februar 1932 Mitglied, zu etwa derselben Zeit, als auch die restliche Familie eintrat. Im selben Jahr wurde Schulenburg nach Ostpreußen versetzt, wo er auch aktiv am Aufbau des NS-Landvolk mithalf. Schulenburg galt als Anhänger des „norddeutschen“ Nationalsozialismus, der in erster Linie durch die Brüder Gregor und Otto Strasser gekennzeichnet war.
Im März 1933 wurde Schulenburg zum Regierungsrat in Königsberg ernannt und gewann sowohl als Beamter, als auch als Mitglied der NSDAP immer mehr an Einfluss. Er galt als Prototyp eines neuen „linken“ Führers in der NSDAP mit alter preußischer Tradition. Ebenfalls im März heiratete er Charlotte Kotelmann (1909–1991). Seine neuen Aufgaben waren zu dieser Zeit in erster Linie die Gleichschaltung der Beamten in seinem Einflussbereich und personelle Nachbesetzung durch Mitglieder der NSDAP. Schulenburg kam deswegen immer öfter in Konflikt mit seinem Vorgesetzten Erich Koch. Schließlich ließ er sich 1934 nach Fischhausen als Landrat versetzen. Die Konflikte mit Koch wurden im Lauf der Jahre immer stärker, so dass er 1937 vom Reichsinnenministerium als Polizeivizepräsident nach Berlin versetzt wurde. Sein direkter Vorgesetzter wurde Wolf-Heinrich von Helldorf, der selbst in der Partei als sehr leutselig und verschuldet auffiel. Helldorf wehrte sich lange gegen die Zuweisung Schulenburgs. Wider Erwarten verstanden sich die beiden sehr unterschiedlichen Beamten ausgezeichnet. Schon 1939 wurde Schulenburg zum stellvertretenden Oberpräsidenten von Ober- und Niederschlesien ernannt. Er wurde bereits zu diesem Zeitpunkt vom Regime als politisch unzuverlässig eingestuft und deshalb 1940 aus der NSDAP ausgeschlossen.
Kriegserfahrungen
Trotz der Vorbehalte der Beamten gegenüber den Plänen Hitlers und trotz des Schocks nach der Affäre um die Entlassung Werner von Fritschs (1938), bei der die alte Führung der Reichswehr praktisch gesäubert wurde, meldete sich Schulenburg mit Begeisterung zum Fronteinsatz. Ohnehin war nach Abberufung seines Vorgesetzten, des Gauleiters und Oberpräsidenten Wagner, seine Stellung als Regierungspräsident in Breslau unhaltbar geworden. Da er Leutnant der Reserve war, ging er zum Ersatzbataillon des Infanterie-Regiments 9 der 23. Infanterie-Division in Potsdam. Mit dieser Einheit zog er in den Russlandfeldzug und erhielt dort 1941 das Eiserne Kreuz (EK 1). Aber erst mit den Erfahrungen an der Front wurde er im Lauf der Jahre 1941 und 1942 zum Kritiker des Krieges. Während dieser Zeit wechselte er häufig seine Aufgaben, unter anderem durch Rückberufung in das von Herbert Backe geleitete Reichsamt für Agrarpolitik, Ordonnanzoffizier auf der Krim, und kam zuletzt zurück zum Ersatzbataillon nach Potsdam. Seine eigentliche Aufgabe sah er in der Organisation der Widerstandsbewegung und der gewaltsamen Beseitigung Hitlers.
Widerstandsbewegung
Schon früh beobachtete Schulenburg mit wachsender Sorge und Empörung die das Regime begleitenden Rechtswidrigkeiten und nahm Verbindung zu gleichgesinnten oppositionellen Kräften aus den verschiedensten Lagern auf. Er war es, der Stauffenberg für die Verschwörer gewann, und stand ihm fortan innerlich sehr nahe. Er war Mitglied eines Kreises höherer Beamter, die sich in erster Linie aus preußischen Adeligen rekrutierten. In diesem Kreis wurde auch mit „interner“ Kritik am Nationalsozialismus nicht gespart. Einer der wichtigsten Freunde wurde mit der Zeit Peter Graf Yorck von Wartenburg. Nach dem Attentat auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944 wird diese Gruppe auch als „Grafenkreis“, „Grafenclique“ oder „Grafengruppe“ bezeichnet. Die sich für den geschulten Verwaltungsbeamten abzeichnenden Krisen in der Versorgung, militärischen Führung und letztendlich der Umgang mit der Zivilbevölkerung in den eroberten Gebieten ließen Schulenburg zweifeln. Seine Grundeinstellung zum Nationalsozialismus änderte sich in dieser Zeit radikal. Bereits ab 1942 nahm er regelmäßig an den Treffen des Kreisauer Kreises teil. Eine weitere wichtige Triebfeder des Widerstands war die Forderung der Alliierten nach bedingungsloser Kapitulation und das daraus folgende Bestreben, eine totale militärische Niederlage zu vermeiden und zu einem so genannten Remis-Frieden zu kommen. In einem 1943 maßgeblich von Schulenburg mitverfassten Europaplan heißt es dazu:
„Das Besondere des europäischen Problems besteht darin, daß auf verhältnismäßig engem Raum eine Vielheit von Völkern in einer Kombination von Einheit und Unabhängigkeit zusammenleben soll. Ihre Einheit muß so fest sein, daß zwischen ihnen in Zukunft niemals wieder Krieg geführt werden wird und daß die Interessen Europas nach außen hin gemeinsam gewahrt werden können. … Die Lösung der europäischen Staaten kann nur auf föderativer Basis herbeigeführt werden, indem sich die europäischen Staaten aus freiem Entschluß zu einer Gemeinschaft souveräner Staaten zusammenschließen.“
– Schulenburg
Als Adeliger, Beamter und Offizier hatte Schulenburg Kontakte in alle Richtungen, die er im Laufe der Zeit zur Rekrutierung von Mitverschwörern nutzte. Aufgrund seiner vielfältigen Beziehungen – insbesondere zu den bürgerlichen Widerstandskreisen um Carl Friedrich Goerdeler und der sozialdemokratischen Gruppe (Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold) um Julius Leber – gilt er als wichtiger Vermittler. Bereits 1943 geriet er dabei in den Verdacht, gegen das Regime zu arbeiten und wurde eine Nacht lang verhaftet. Allerdings durch seinen besonderen Status und aufgrund seiner Beziehungen wurde er wieder freigelassen. Ihm wurde die Initiative für ein 1944 geplantes Bündnis des engeren Stauffenberg-Kreises mit den Kommunisten zugeschrieben.[4]
Umsturzversuch und Urteil
Schulenburg gehörte zum inneren Kreis der Widerstandskämpfer und war somit aktiv an der Planung der Operation Walküre beteiligt. Nach dem erfolgreichen Umsturz sollte er Reichsinnenminister werden.[2] Am 20. Juli 1944 befand sich Schulenburg in der Zentrale des Staatsstreiches, im Oberkommando der Wehrmacht.[2] Im Bendlerblock wurde er nach dem Misslingen des Vorhabens am selben Tag verhaftet. Am 10. August 1944 stand er mit Erich Fellgiebel, Berthold Schenk Graf von Stauffenberg, Alfred Kranzfelder und Georg Hansen vor dem Volksgerichtshof unter dem Vorsitz von Roland Freisler. In seinem Schlusswort nach dem Todesurteil erklärte er:
„Wir haben diese Tat auf uns genommen, um Deutschland vor einem namenlosen Elend zu bewahren. Ich bin mir klar, daß ich daraufhin gehängt werde, bereue meine Tat aber nicht und hoffe, daß sie ein anderer in einem glücklicheren Moment durchführen wird.“
– Schulenburg
Fritz-Dietlof Graf von der Schulenburg wurde noch am Tag des Urteils in Plötzensee gehenkt[5].
Ehrungen
Nach Entwürfen Tisa von der Schulenburgs wurde 1988 in der Dorfkirche Gressow eine gestaltete Gedenkkapelle für ihn eingerichtet.
Siehe auch
- Persönlichkeiten des 20. Juli 1944
- Geschlecht derer von der Schulenburg
- Friedrich Werner von der Schulenburg (Widerstandskämpfer)
Literatur
- Ulrich Heinemann: Ein konservativer Rebell. Fritz-Dietlof Graf von der Schulenburg und der 20. Juli. Siedler, Berlin 1990, ISBN 3-88680-373-2
- Johannes Hürter: Schulenburg, Fritz-Dietlof von der. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 23, Duncker & Humblot, Berlin 2007, S. 677.
- Albert Krebs: Fritz-Dietlof Graf von der Schulenburg. Zwischen Staatsraison und Hochverrat. Leibnis Verlag, Hamburg 1964
- Hans-Joachim Ramm: … stets einem Höheren verantwortlich. Christliche Grundüberzeugungen im innermilitärischen Widerstand gegen Hitler. Hänssler, Neuhausen u. a. 1996, ISBN 3-7751-2635-X
- Hans Bernd Gisevius: Bis zum bittern Ende. II. Band. Fretz & Wasmuth, Zürich 1946.
- Johannes Zechner: Wege in den Widerstand. Der 20. Juli 1944 in Mecklenburg-Vorpommern. In: Mecklenburgia Sacra. Jahrbuch für Mecklenburgische Kirchengeschichte. Jg. 7, 2004, ISSN 1436-7041, S. 119–133.
Weblinks
- Literatur von und über Fritz-Dietlof von der Schulenburg im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Literatur über Fritz-Dietlof von der Schulenburg in der Landesbibliographie MV
- Graf Fritz Dietlof in der Preussen-Chronik
- Foto als Soldat
- Fotos der am Attentat Beteiligten
Einzelnachweise
- ↑ Kösener Corpslisten 1960, 45, 677
- ↑ a b c Wolfgang von der Groeben: Verzeichnis der Mitglieder des Corps Saxonia Göttingen 1844 bis 2006. Düsseldorf 2006
- ↑ Hans Bernd Gisevius. Bis zum bittern Ende. II. Band. Zürich: Fretz & Wasmuth 1946, S. 381.
- ↑ Gisevius 1946: 279.
- ↑ Gerd R. Ueberschär: Für ein anderes Deutschland. Der deutsche Widerstand gegen den NS-Staat 1933-1945. Fischer, Frankfurt am Main 2006, ISBN 3-596-13934-1, S. 215 f.
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