Villa Hammerschmidt

Villa Hammerschmidt
Villa Hammerschmidt (2008)
Rückansicht von der Rheinseite gesehen
Detail aus der Eingangshalle der Villa
Speisezimmer der Villa

Die Villa Hammerschmidt in Bonn ist seit 1950 Amts- und Wohnsitz des Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland, seit 1994 nach Schloss Bellevue der Zweitamts- und -wohnsitz. Gelegen ist die Villa am Rheinufer direkt nördlich neben dem Palais Schaumburg, dem derzeit zweiten Amtssitz der deutschen Bundeskanzlerin. Sie ist Teil des Wegs der Demokratie.

Wegen ihrer Ähnlichkeit mit dem Weißen Haus in Washington, dem Amtssitz des amerikanischen Präsidenten, wird sie auch als „Weißes Haus von Bonn“ bezeichnet.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Der Kaufmann Albrecht Troost erwarb 1860 ein 17.329 m² großes Grundstück zwischen der Coblenzer Straße im Westen und dem Rhein im Osten. Ab 1861, möglicherweise erst 1862, begann Troost mit dem Bau einer ein- bis zweigeschossigen, spätklassizistischen Villa nach den Plänen des Architekten August Dieckhoff. Er bezog sie im Verlauf des Jahres 1863 mit seiner Frau und kaufte weitere Grundstücke hinzu. 1868 ging die Villa nach dem Tod der Ehefrau Troosts auf den Unternehmer Leopold Koenig über. Ebenfalls 1868 kam es zu einer ersten Erweiterung der Villa, die an der Rheinfront um ein Musikzimmer (südlich) und Speisezimmer (nördlich) ergänzt wurde. Bis 1871 wurde ein großes Souterrainzimmer nach Plänen von Ludwig Bohnstedt angebaut. Im selben Jahr war ein unterkellertes, ein- bis zweigeschossiges sowie 39 m langes Palmenhaus inkl. Kalt- und Warmhaus sowie Glaskuppel eingeweiht worden. Sein Salon wurde später auch als Billardzimmer benutzt. 1872 folgte der Bau eines für den Gärtner zu verwendenden Pförtnerhauses. Ein rund 50 m langes Stall- und Remisengebäude, das auch drei Pavillons umfasste, wurde etwa 1876 neu- bzw. umgebaut.

1878 kam es, unter Ausführung von Otto Penner, aber wieder nach Entwürfen von Ludwig Bohnstedt zu umfangreichen Umbauten und Vergrößerungen der Villa. Die Straßenfront wurde ebenso wie Teile der Seitenflügel abgebrochen. Die Rheinfront gewann im Ergebnis fast 20 m an Breite hinzu, die Straßenfront rund 15 m und die Gebäudetiefe wuchs um 9 m. Aus der bisherigen Hauptfassade wurde ein Mittelrisalit, das Erdgeschoss erhielt Mitteltür sowie einrahmende Fenster und das Obergeschoss Balustraden sowie drei Arkaden im Stil der italienischen Renaissance. Auch ein oben gelegenes Zwischengeschoss geht auf die von Penner ausgeführten Erweiterungen zurück. Dem mittleren Trakt wurden seitlich zwei offene und der Aussicht dienende, sogenannte Belvedere-Turmbauten aufgesetzt. Die Seitenflügel stockte Penner auf, und im unteren Geschoss entstanden Söller, Terrassen und eine große Freitreppe.

Um 1880 folgte der Bau der sogenannten Nibelungengrotte an der Rheinseite.[1] Der zusammen mit dem Park der benachbarten, ehemaligen Villa Selve (1872–1955) etwa fünf Hektar große Landschaftspark wurde 1888 durch den Hamburger Gartendirektor Rudolph Philipp Christian Jürgens angelegt.[2] [3] Rudolf Hammerschmidt, Geheimer Kommerzienrat und Fabrikant, wurde 1899 neuer Besitzer der Villa und ließ zwischen 1900 und 1902 eine „Muschelsaal“ genannte Marmorhalle errichten, die inklusive eines Verbindungstrakts eine Verbindung zwischen Wohn- und Palmenhaus schaffte. Der Marmorsaal diente saisonal auch als Wintergarten. Ionische Säulen und Rundbogenfenster schmücken den Verbindungsbau.

Nach Hammerschmidts Tod wurde die Anlage ab 1928 in zwölf Wohnungen aufgeteilt und vermietet, das Mobiliar und die Kunstsammlung wurden versteigert. Der Immobilienmakler Maur pachtete ab 1929 die Villa samt Grundstück und ließ einige Umbauarbeiten durchführen. Das Palmenhaus wurde in dieser Zeit abgerissen, der Muschelsaal verlor seine Funktion sowie den Großteil seiner wertvollen Ausstattung und wurde ebenfalls zum Wohngebäude. Die Terrassenaufbauten ließ Maur vergrößern. Die Besatzungsmächte beschlagnahmten die Villa, nachdem sie den Zweiten Weltkrieg unbeschadet überstanden hatte. Die Anlage, bestehend aus dem Haus, Nebengebäuden und dem Park am Rhein, wurde am 5. April 1950 von der Bundesrepublik Deutschland gekauft und zum Amtssitz des Bundespräsidenten bestimmt, der bis dahin noch auf der Schweinheimer Viktorshöhe lag. Bereits im Januar des Jahres hatten die dazu durchgeführten Umbauten begonnen. Die beschädigten Stuck- und Ornamentdecken der Villa wurden entfernt, historische Terrassenaufbauten ebenso wie die zwei charakteristische Türmchen abgerissen. Auf den zum Teil erhaltenen Mauern des ebenfalls abgetragenen Stall- und Remisengebäude entstand ein Gebäude des neuen Bundespräsidialamts.

Ende 1950[4] zog Bundespräsident Theodor Heuss in die Villa Hammerschmidt ein und nutzte sie im Gegensatz zu späteren Amtsinhabern auch als Wohnsitz. Die Nibelungengrotte im Park wurde auf seinen Wunsch entfernt. Unter anderem zwischen 1969 und 1984 kam es zu mehrfachen Umbauten der Villa, die jedoch die Raumdisposition unberührt ließen. Das Obergeschoss beherbergt die Privaträume des Bundespräsidenten. Im Erdgeschoss befinden sich die Repräsentationsräume, wie Empfangssaal, Kaminsaal, Speisesaal und Terrassenzimmer. Das derzeit dort befindliche Mobiliar wurde vom Schloss Wilhelmshöhe in Kassel zur Verfügung gestellt. Die vorherrschende Stilrichtung ist französisches Empire aus der Zeit um 1830. Üblicherweise werden die Einrichtungsgegenstände aus Leihgaben der Bundesländer sowie aus dem Fundus von Museen zusammengestellt. Auf der Rheinterrasse erhielten die Mitglieder eines neuen Bundeskabinetts in der Zeit der Villa als erster Dienstsitz ihre Ernennungsurkunde oder präsentierten sich gemeinsam mit dem Bundespräsidenten der Öffentlichkeit.

Seitdem 1994 Bundespräsident Richard von Weizsäcker den ersten Amtssitz des Bundespräsidenten ins Schloss Bellevue in Berlin verlegte, wird die Villa Hammerschmidt als zweiter Amtssitz genutzt. Ob sich das Staatsoberhaupt in Bonn aufhält, wird durch das Hissen seiner Standarte signalisiert; auf dem Dach ist hierzu ein Fahnenmast installiert.

Anderweitige Nutzung

Die Stadt Bonn bietet seit Mai 2011 die Möglichkeit zur standesamtlichen Trauung in den Räumen der Villa. Für das Jahr 2011 sind neun Termine mit jeweils maximal sieben Trauungen vorgesehen.[5]

Eigentümer

Kunst in der Villa

Zwei deutsche Maler (Bernard Schultze und Karl Otto Götz) als Vertreter der informellen Kunst sowie zwei deutsche Fotografen (Hugo Erfurth und August Sander) sind mit ihren Werken in der Villa vertreten. Im Juni 2007 wurde ein neues Kunstkonzept für die Villa Hammerschmidt vorgestellt und umgesetzt, an dem auch das Museum Ludwig in Köln mitwirkte.[6]

Literatur

  • Olga Sonntag: Villen am Bonner Rheinufer. 1819–1914, Band 1, Bouvier Verlag, Bonn 1998, ISBN 3-416-02618-7, S. 182–201 (Architekturbeschreibung und kunsthistorische Einordnung)
  • Olga Sonntag: Villen am Bonner Rheinufer. 1819–1914, Band 2, Katalog 1, Bouvier Verlag, Bonn 1998, ISBN 3-416-02618-7, S. 255–315 (Baugeschichte und Bauherren)
  • Andreas Denk, Ingeborg Flagge: Architekturführer Bonn. Dietrich Reimer Verlag, Berlin 1997, ISBN 3-496-01150-5, S. 83.

Weblinks

 Commons: Villa Hammerschmidt – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Olga Sonntag: Villen am Bonner Rheinufer. 1819–1914, Band 2, Katalog 1, Bouvier Verlag, Bonn 1998, ISBN 3-416-02618-7, S. 272
  2. Franklin Kopitzsch, Dirk Brietzke: Hamburgische Biografie – Personenlexikon, Google books
  3. Europäisches Gartennetzwerk – EGHN, Wege zur Gartenkunst in Europa: Rudolph P. C. Jürgens
  4. Weg der Demokratie
  5. Traumhochzeit in der Welt der Großen; Kölnische Rundschau, 23. Mai 2011
  6. Kunstkonzept der Villa Hammerschmidt
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