Volkswagenwerk Wolfsburg

Volkswagenwerk Wolfsburg
Kraftwerk des Volkswagenwerks Wolfsburg

Das Volkswagenwerk Wolfsburg ist das Stammwerk der Volkswagen AG. Es wurde ab Ende der 1930er Jahre errichtet, gleichzeitig mit einer neuen Stadt, die ursprünglich „Stadt des KdF-Wagens bei Fallersleben“ hieß und im Mai 1945 in Wolfsburg umbenannt wurde.

Teile des Werkes sind heute als Industriedenkmal geschützt.[1]

Am Jahresende 2010 waren im Werk Wolfsburg 50.000 VW-Mitarbeiter beschäftigt.[2]

Inhaltsverzeichnis

Entstehungsgeschichte

26. Mai 1938: Grundsteinlegung des Volkswagenwerkes durch Adolf Hitler. Vorne rechts Ferdinand Porsche

Das Werk wurde Produktionsstätte des von den Nationalsozialisten propagierten Volks-Wagens, des Automobils für das Volk. Grundlage für die Produktion war der am 22. Juni 1934 geschlossene Vertrag zwischen dem Reichsverband der deutschen Automobilindustrie und dem Fahrzeugkonstrukteur Ferdinand Porsche. Den Auftrag zur Suche eines geeigneten Standortes für die Produktionsstätte übernahm die KdF-Organisation (Kraft durch Freude). Da die Automobilindustrie an einer Subventionierung des Volkswagens kein Interesse hatte, beauftragte Hitler die Deutsche Arbeitsfront (DAF) mit dem Bau der größten Automobilfabrik Europas. Am 28. Mai 1937 wurde unter der Aufsicht von Robert Ley, dem Leiter der DAF, die „Gesellschaft zur Vorbereitung des Deutschen Volkswagens mbH“ (Gezuvor) gegründet. Ihr erstes und einziges Produkt sollte der „KdF-Wagen“ werden. Diese finanzierte den Werksaufbau vor allem aus dem Verkauf des 1933 beschlagnahmten Gewerkschaftsvermögens. 1938 hatte die Gezuvor nach etwas über halbjähriger Suche den zukünftigen Werksstandort gefunden.

Standort

Standort der Fabrik wurde die neu gegründete „Stadt des KdF-Wagens bei Fallersleben“. Sie entstand, auf dem Reißbrett geplant, mehr oder weniger rein zufällig aufgrund einer Bereisung durch den Geschäftsführer Bodo Lafferentz im ländlich geprägten und dünn besiedelten Gebiet bei der Gemeinde Fallersleben sowie dem Schloss Wolfsburg mit dem dortigen Schulenburgischen Gutshof. Dieser Standort im Urstromtal der Aller in der geografischen Mitte des Reiches bot verkehrsgünstige Anbindungen durch

Mit dem Bau der Werksanlagen wurden die drei Architektenteams Emil Rudolf Mewes (Köln), Fritz Schupp u. Martin Kremmer (Essen-Berlin) und Karl Kohlbecker (Gaggenau) gemeinschaftlich beauftragt. Sie entwarfen die rund 1,5 km lange Werksfront mit ihrem Verwaltungsgebäude auf dem nördlichen Ufer des Mittelland-Kanals, auf der südlichen Seite entstand die neue Stadt. Den Entwurf lieferte der junge österreichische Architekt Peter Koller.

Grundsteinlegung für das Werk war am 26. Mai 1938 durch Adolf Hitler unter Teilnahme von rund 70.000 Zuschauern und Beteiligten nationalsozialistischer Organisationen. Im Herbst 1939 standen die Fertigungshallen im Rohbau. Zu einer planmäßigen Produktion des Kdf-Wagens (150.000/Jahr) kam es aber nicht, da aufgrund der Vorbereitung der Wirtschaft auf den Krieg Spezialwerkzeugmaschinen fehlten. Der für die Produktion benötigte Stahl sollte größtenteils aus der neu gegründeten „Stadt der Hermann-Göring-Werke“ (Salzgitter) geliefert werden.

Produktionsbeginn und Zweiter Weltkrieg

Der im Zweiten Weltkrieg für die Wehrmacht produzierte VW-Kübelwagen

Ende der 1930er Jahre wurde der Betrieb aufgenommen. Werksleiter jener Gründungsjahre war der Anwalt Anton Piëch, der Schwiegersohn des VW-Käfer-Entwicklers Ferdinand Porsche. Die Produktion ziviler Güter rückte mit Ausbruch des Zweiten Weltkriegs jedoch völlig in den Hintergrund. Nun entstanden hier Fahrzeuge für Wehrmacht und SS: Zwischen August 1940 und April 1945 wurden 50.788 Kübelwagen und zusätzlich ab Herbst 1942 insgesamt 14.276 Schwimmwagen (Typ 166) hergestellt, bis nach dem letzten Luftangriff Anfang August 1944 die Typ 166-Produktion nicht weitergeführt werden konnte, da wichtige Karosseriepressen zerstört waren.[3] In einer „Geheimabteilung" im Keller der Halle I wurde die Vergeltungswaffe V1 gefertigt. Für die Reparatur von Junkers Ju 88-Flugzeugen der Luftwaffe baute VW Tragflächen, Seitenruder und Kabinen. Von 1940 bis 1945 mussten in der Rüstungsproduktion des Volkswagenwerkes etwa 20.000 Menschen Zwangsarbeit leisten, darunter Kriegsgefangene und Insassen der Konzentrationslager. Vom 8. April bis 11. Oktober 1942 wurde für Bauarbeiten ein KZ Arbeitsdorf angelegt.

Bei insgesamt fünf alliierten Luftangriffen, alle im Jahr 1944, war die „People's Car Factory near Fallersleben" Angriffsziel: am 8. und 29. April; am 20. und 29. Juni und am 5. August. Nach diesem letzten Angriff waren 8 Pressen schwer beschädigt und 50 Werkzeug- und Produktionsmaschinen zerstört. Im April 1945 rückten US-Truppen an und befreiten die Zwangsarbeiter im Werk. Nach dem Krieg waren 20 % der Werksbauten zerstört, 93 % der Maschinenausrüstung befand sich noch in verwendungsfähigem Zustand.[4]

Nach 1945

In den 1950er Jahren produzierte VW-Käfer, heute im AutoMuseum Volkswagen in Wolfsburg

Unter der britischen Militärregierung, vertreten durch Major Ivan Hirst, nahm das Werk noch im Jahr 1945 seine Tätigkeit wieder auf. Im Werk richteten Mechaniker der britischen Besatzungsarmee die Wolfsburg Motor Works ein, eine Instandsetzungseinrichtung für ihre kriegsbeschädigten Fahrzeuge. Daneben begann die Produktion des KdF-Wagens, von nun an Volkswagen genannt, während eine Hälfte der 6.000 Personen umfassenden Belegschaft Fahrzeuge herstellte und die andere Hälfte Kriegstrümmer wegräumte. Die Briten schickten einen Volkswagen der ersten Serie zur Begutachtung nach Großbritannien. Fahrzeugexperten dort befanden, dass das Fahrzeug nicht den technischen Erfordernissen eines Automobils entspräche und empfahlen, das Werk abzureißen. Die Militärregierung nahm das Werk trotzdem wieder in Betrieb, auch wegen der hier eintreffenden Flüchtlingsströme von Heimatvertriebenen. 1945 wurden fast 2.000 Volkswagen in Handarbeit gebaut, 1946 waren es bereits rund 10.000 Fahrzeuge. Die ersten 20.000 Nachkriegs-VWs erhielten allerdings nur die Behörden der Alliierten. Im Januar 1948 gab die Militärregierung die Werksleitung an Heinrich Nordhoff ab. 1949 wurde der Bund Treuhänder des Werks, der das Land Niedersachsen mit der Aufsicht betraute, nachdem Henry Ford II nicht zur Übernahme bereit war. Die Produktionszahlen wuchsen ab 1946 schnell; bereits 1955 wurde das millionste Fahrzeug hergestellt. Das Werk wurde in den Folgejahren wegen der großen Nachfrage an Fahrzeugen immer weiter ausgebaut. Bereits Mitte der 1950er Jahre zeigten sich die Grenzen der Expansionsmöglichkeiten in Wolfsburg, so dass neue Standorte notwendig wurden. Nach dem bereits seit 1938 bestehenden Werk Braunschweig wurde 1956 das neue Werk Hannover für die Fertigung des Transporters in Betrieb genommen.

Seit 1974

Golf-Produktion, 1978
VW-Beschäftigte beim Schichtwechsel, 1973

1974 begann im Wolfsburger Werk die Produktion des VW Golf, der die Nachfolge des VW Käfers antrat. In den 1980er Jahren wurde die vollautomatische Halle 54 mit Industrierobotern in Betrieb genommen, zur Jahrtausendwende wurde die Autostadt Wolfsburg eröffnet. Noch heute stellt das Heizkraftwerk mit seinen markanten vier Schornsteinen ein Charakteristikum für das 1939 entstandene Werk dar. Am 3. Juni 2007 beging Volkswagen das Jubiläum von 25 Millionen Golf mit einem großen Fest.

Literatur

  • Wolfgang Neß, Rolf Höhmann: Das Industriedenkmal Volkswagenwerk, hrsg. von der Stadt Wolfsburg, Institut für Zeitgeschichte und Stadtpräsentation (IZS), Simone Neteler (Red.), ecrivir Verlag, Hannover 2010, ISBN 978-3-938769-12-6
  • Historische-Landeskundliche Exkursionskarte von Niedersachsen, Blatt Wolfsburg, Erhard Kühlhorn, Hildesheim 1977, ISBN 3-7848-3626-7

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Wolfgang Neß, Rolf Höhmann: Das Industriedenkmal Volkswagenwerk (s. Literatur)
  2. Die Produktionsstandorte des Volkswagenkonzerns: Volkswagen AG: 50.000, Sitech: 1700 (Stand: 31. Dezember 2009)
  3. Bernd Wiersch: Die Käfer-Chronik, Die Geschichte einer Autolegende. S. 91, 2. Auflage. Delius Klasing, Bielefeld, ISBN 978-3-7688-1695-3
  4. Hans Mommsen, Manfred Grieger: Das Volkswagenwerk und seine Arbeiter im Dritten Reich, S. 954
52.4337510.779630555556

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