- Weiße Frau (Gespenst)
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Die Weiße Frau ist ein Gespenst, das in mehreren Schlössern europäischer Adelsfamilien gespukt haben soll. Die ältesten Berichte über die Erscheinung stammen aus dem 15. Jahrhundert, die größte Verbreitung fand der Glaube an den Geist im 17. Jahrhundert. Obwohl Ähnlichkeiten zu anderen weiblichen Geistern des europäischen Volksglaubens – zum Beispiel der irischen und keltischen Banshee – bestehen, ist die weiße Frau ein Phänomen, das erst in der hochadligen Kultur der Frühen Neuzeit entstand und typisch für diese war. Die Wundergläubigkeit im Zeitalter der Gegenreformation ließ das Gespenst zu einem realen Faktor werden, das ebenso wie andere Standesattribute (Wappen, Abstammungssagen) die Bedeutung des Geschlechts unterstreichen konnte.
Die Sagen über die weiße Frau werden bis heute als Folklore verbreitet und in modernen Medien verarbeitet.
Inhaltsverzeichnis
Auftreten und Attribute
Die weiße Frau hat drei typische Kennzeichen:
- Sie wird immer als eine Angehörige der betroffenen Familie beschrieben, oft die Ahnmutter oder Letzte des Geschlechts,
- sie ist ein guter Geist, und
- sie zeigt wichtige bevorstehende familiäre Ereignisse wie Geburten und Todesfälle an.
Ihre Kleidung ist schneeweiß, wechselt aber in einigen Familiensagen zu schwarz, wenn sie Todesfälle anzeigt.
Literarische Überlieferung
Die bekannteste Sage über die Weiße Frau hat ihren Ursprung auf der Plassenburg ob Kulmbach und ist mit der Familie Hohenzollern verknüpft. Burgherrin Kunigunde, Witwe des Grafen Otto von Orlamünde, hatte sich in Albrecht den Schönen, Sohn des Nürnberger Burggrafen Friedrich IV., verliebt. Dieser ließ verbreiten, er würde sie heiraten, wenn nicht vier Augen im Wege stünden. Damit waren seine Eltern gemeint, die eine solche Verbindung ablehnten. Kunigunde missverstand jedoch die Nachricht und bezog sie auf ihre zwei Kinder, ein Mädchen von zwei und einen Jungen von drei Jahren. Sie stach den Kindern mit einer Nadel in den Kopf und tötete sie. Albrecht sagte sich daraufhin von ihr los. Kunigunde unternahm eine Pilgerfahrt nach Rom und erlangte vom Papst die Vergebung ihrer Sünde, mit der Auflage, ein Kloster zu stiften und dort einzutreten. Zur Buße rutschte sie auf den Knien von der Plassenburg in das Tal von Berneck und gründete das Kloster Himmelkron, in dem sie als Äbtissin starb. In einer lokalen Variante der Sage aus Himmelkron bestand das Kloster zur Zeit der Mordtat bereits und die beiden Kinder wurden darin begraben. Kunigunde hatte, auf den Knien rutschend, auf einem Hügel zwischen Trebgast und Himmelkron das Kloster erblickt und ist dort vor Erschöpfung gestorben. Nach ihrem Tod erschien sie als Weiße Frau, um den Hohenzollern, Nachkommen Albrechts, kommende Todesfälle und anderes bevorstehendes Unglück anzuzeigen.[1]
Die älteste schriftliche Fixierung dieser Geschichte findet sich in der „Chronologia Monasteriorum Germaniae praecipuorum“ des Kaspar Brusch von 1552, der die Gräber beider Kinder im Kloster Himmelkron gesehen haben will. Eine ähnliche Schilderung des Kindermordes überliefern der Melkendorfer Pfarrer Johann Löer in seiner gereimten Klosterchronik von 1559 und Rektor Enoch Widman in dem „Chronicon oder historische Beschreibung ... (der Stadt Hof)“ von 1592–1612. Die historische Kritik versuchte bereits seit dem 17. Jahrhundert, die reale Person ausfindig zu machen, die als Vorbild für die Sagenerscheinung diente. Neben der schuldbeladenen Gräfin Kunigunde von Orlamünde wurden vor allem zwei Persönlichkeiten diskutiert: die unglückliche Witwe Bertha von Rosenberg aus Böhmen, deren historische Person von heidnischen Überlieferungen von der Perchta überlagert wurde, und die ungarische Prinzessin Kunigunde, die erst mit König Ottokar II. von Böhmen und danach mit einem Herren von Rosenberg verheiratet war.[2]
Vorkommen in Deutschland
Die Weiße Frau von der Plassenburg ob Kulmbach - das "Hausgespenst" der Hohenzollern - wurde bereits 1486 erwähnt. Im Berliner Stadtschloss wurde sie erstmals 1628 erblickt und in den kommenden Jahrhunderten noch mehrmals gesehen. Zuletzt soll sie 1945, kurz vor der Zerstörung des Schlosses, aufgetaucht sein. In der Heidecksburg ob Rudolstadt, soll die Weiße Frau Prinz Louis Ferdinand von Preußen (ein Hohenzoller) im Grünen Salon erschienen sein, worauf er am nächsten Tag, dem 10. Oktober 1806, bei dem Gefecht bei Saalfeld fiel. Sie trat auch in anderen Schlössern des preußischen Königshauses Hohenzollern und seiner Nebenlinien auf, so in Ansbach und Bayreuth, wohin sie den Nachkommen ihres geliebten Albrechts des Schönen gefolgt ist. Die auf der Burg Lauenstein (Frankenwald) "wohnhafte" Weiße Frau wurde vom damaligen Eigentümer Anfang des 20. Jahrhunderts von der Plassenburg importiert, da sie wie letztere einst im Besitz der gleichen Familien Orlamünde und Hohenzollern gewesen war - ein frühes Beispiel für die Vermarktung eines bekannten Gespenstes.
Über eine weitere Weiße Frau wird von der Burg Hohenzollern berichtet. Als die Burg belagert wurde, soll sie unbehelligt nachts das Lager der Belagerer durchschritten haben. Sie ist nicht identisch mit der oben genannten Weißen Frau von der Plassenburg.
Auf dem Gothaer Schloss Friedenstein soll jedes Mal, wenn dem Herzogshaus ein Unglück oder ein Todesfall bevorstand, der Geist der verstorbenen Herzogin Dorothea Maria von Anhalt (Mutter des Schlosserbauers Ernst I. von Sachsen-Gotha-Altenburg) aus der Gruft unter der Schlosskirche emporgestiegen und nächtens wehklagend durch die Räume der Residenz gewandelt sein. Dabei konnte sie jedoch nur von denjenigen gesehen werden, die das kommende Unglück direkt betraf.[3]
Im Schloss Stettin will man die Erscheinung der 1620 als Hexe hingerichteten Jungfrau Sidonia von Borcke aus dem Fräuleinstift Marienfließ gesehen haben.
Hinter der Weißen Frau, die im Düsseldorfer Schloss spuken soll, von dem heute nur noch der Schlossturm steht, verbirgt sich die Erinnerung an Jakobe von Baden, die ebendort am 3. September 1597 ermordet aufgefunden wurde.
Um die Starkenburg in Heppenheim soll ebenfalls eine Weiße Frau geistern, die aus Trauer um ihren bei der Verteidigung der Burg gefallenen Gemahl noch heute jammernd und wehklagend durch die Umgebung der Burg streift. Sie erscheint angeblich meist kurz nach Sonnenaufgang als weiße, nebelhafte Gestalt.
Überliefert ist auch eine Sage der Weißen Frau, die in der Burg Wolfsegg in der Oberpfalz umgehen soll. Es gibt Mutmaßungen, dass es sich dabei um die Frau des Burgherrn Ulrich von Laaber, Klara von Helfenstein, handelt, die dieser töten ließ, nachdem sie sich auf eine Liebschaft mit einem anderen Mann eingelassen hatte.
Außerdem soll sie in Neuhaus in Böhmen, Burg Bentheim als "de witte Jüffer", Cleve, Coburg, Halle (Saale), Darmstadt, Tonndorf (Thüringen), Altenburg, Füchtorf, Leuchtenberg, Schloss Neuenburg (Freyburg), Ludwigsburg, Trier, Böddeken nahe Paderborn und noch anderswo gesehen worden sein.
Moderne Rezeption
Belletristik
- Die literarische Verarbeitung einer ähnlichen Erscheinung in Großbritannien liefert Wilkie Collins mit seinem Roman The Woman in White (1860) (deutsche Übersetzungen von C. Büchele (1862), Marie Scott (1891) als „Die weiße Frau“ und Arno Schmidt (1965) als „Die Frau in Weiß“).
- In der Tintenwelt-Trilogie von Cornelia Funke treten öfters Weiße Frauen auf. Besonders im dritten Band, Tintentod, spielen sie eine wichtige Rolle.
- Eine Sage um die weiße Frau inspirierte Otfried Preußler zu seinem Kinderbuch Das kleine Gespenst.
Musik
- Die Vorlage von Wilkie Collins wurde mit der Musik von Andrew Lloyd Webber im Jahr 2004 als Musical The Woman in White uraufgeführt.
Film
- Im Horrorfilm The Terror – Schloss des Schreckens aus dem Jahr 1963 stellt die beschriebene Legende ein Hauptmotiv dar.
- In der Kinder- und Jugendserie Frankensteins Tante von 1987 ist Mercedes Sampietro in der Rolle der Weißen Frau zu sehen.
- 1988 spielte Daryl Hannah im Kinofilm High Spirits – Die Geister sind willig! eine Weiße Frau.
- In Folge 1 der Serie Supernatural dreht sich die Handlung um eine sogenannte Woman in White (Frau in weiß). Diese wird dort jedoch als bösartig eingestuft und teilt sich lediglich einen ähnlichen Namen mit der weißen Frau.
Einzelnachweise
- ↑ Online-Ausgabe der Nürnberger Nachrichten mit der Nacherzählung der Sage
- ↑ Martin Wähler: Die Weiße Frau. S. 7-8 und 23 ff. Zu der Sage aus Himmelkron siehe www.himmelkron.de
- ↑ Andreas M. Cramer, Die Gothaer Sagen, Gotha 2005, S. 52
Literatur
- Julius Freiherr von Minutoli: Die Weiße Frau. Geschichtliche Prüfung der Sage und Beobachtung dieser Erscheinung seit dem Jahre 1486 bis auf die neueste Zeit. Duncker, Berlin 1850.
- Kraußold: Die weiße Frau, und der orlamündische Kindermord. Eine Revision der einschlagenden Dokumente . Deichert, Erlangen 1869.
- Petr Maťa: Svět české aristokracie (1500-1700). Nakladatelství lidové noviny, 2004, ISBN 80-7106-312-6
- Andreas Reichold: Die Ehrenrettung der Kunigunde von Orlamünde in "Sagen aus Bayerns Nordostgebieten". Hoermann Verlag, Hof, 1956/57
- Martin Wähler: Die Weiße Frau. Vom Glauben des Volkes an den lebenden Leichnam. Verlag Kurt Stenger, Erfurt, 1931
Weblinks
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