- Wolynien
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Wolhynien (selten auch Wolynien, ukrainisch Волинь/Wolyn' , russisch Волынь/Wolyn' , polnisch Wołyń; in österr.-ungar. Zeit auch Lodomerien) ist ein historisches Gebiet in der nordwestlichen Ukraine. Es wird im Westen vom Bug, im Osten vom Dnipro begrenzt. Städte sind Kowel, Luzk, Novovolynsk, Riwne, Kremenez, Dubno, Sarny, Nowohrad-Wolynskyj, Korosten, Wolodymyr-Wolynskyj. Nur ein Teil des historischen Wolhynien entspricht der heutigen Oblast Wolhynien als ukrainischer Verwaltungseinheit.
Das historische Gebiet Wolhynien soll seinen Namen von der legendären, längst untergegangenen Stadt Wolin erhalten haben, die einst westlich des Bugs bei Wolodymyr-Wolynskyj lag und der Hauptsitz des ostslawischen Stammes der Wolhynier war. In österreichisch-ungarischer Zeit wurde der Name Wolodymyr zu "Lodomerien" eingedeutscht.
Inhaltsverzeichnis
Geographie und Geschichte
Anfänge - Kiewer Rus
Wolhynien ist Teil einer möglichen Urheimat der Ostslawen und ist das ursprüngliche Stammesgebiet der Wolynjanen, deren Zentrum die heute zerstörte Burg Wolyn war. Ab dem 9. Jahrhundert ist die Region Teil der Kiewer Rus, die Städte Halytsch und Wladimir-Wolynsk sind bedeutende Zentren des Reiches.
Unabhängigkeit
Durch den Tod Jaroslaws 1054 kommt es zu einer Teilung der russischen Konföderation der Stadtstaaten. Der Herrschaftsbereich Jaroslaws (1019-1054), das Kiewer Reich, wird unter seinen fünf Söhnen aufgeteilt. Es entstehen die Gebiete Kiew, Tschernigow (in der nördlichen Ukraine), Perejaslawl (heute Pereslawl-Salesski im Gebiet Jaroslawl), Smolensk und Wolhynien. Damit war Wolhynien selbständiges und eigenständiges Fürstentum, die Hauptstadt war Wladimir-Wolynsk.
Die Teilung führt allerdings zur Schwächung des Herrschaftsbereiches Jaroslaws und zu einer Isolierung in Europa. Die Erbfolge auf dem Kiewer Fürstenstuhl war nach dem Seniorratsprinzip geregelt. Dies bedeutet, dass stets der Senior (also der älteste Sohn) der Dynastie vorsteht. Durch den Tod des Kiewer Großfürsten ist somit immer ein Nachrücken der jüngeren Brüder erforderlich, was seit 1068 zu ständigen Bruderkriegen führte.
1078 wurde von Kiew aus das Bistum Wladimir gegründet, 1156 wurde von ihm das Bistum Halytsch (später Galizien) abgetrennt.
Litauische Epoche
12. Jahrhundert
Im 12. Jahrhundert stand Wolhynien unter der Herrschaft der Rurikiden (Romanowitsche). Ein wichtiges Bindeglied zwischen dem Kiewer Reich und der späteren Geschichte der Ukraine bildet die Geschichte des Fürstentums Galizien-Wolhynien. Im neu verbundenen Fürstentum Galizien-Wolhynien, im südlichen Grenzland des Kiewer Reiches, bildeten sich einige Besonderheiten heraus, die sich lange in der Geschichte der Ukraine hielten.
Das Fürstentum stand wie viele Fürstentümer der Ostslawen unter mongolischer Oberherrschaft, jedoch erheblich lockerer als im Nordosten. Gleichzeitig unterhielt man enge Beziehungen zu den Ländern Mitteleuropas. Dies bedeutete aber auch ständige Konflikte mit Polen und Ungarn, andererseits gab es aber intensive Handelsverbindungen, sowie Konsultationen in Politik und Kultur.
Als Fürsten von Wolhynien regierten:
- 1135-1142 Isjaslaw II.
- 1157-1170 Mstislaw II.
- 1173-1187 Roman der Große
1188 wird Wolhynien mit Galizien vereinigt und wird fortan von den Fürsten von Galizien und Wolhynien regiert.
Danilo
- 1215-1264 Danilo, Fürst von Galizien und Wolhynien.
Unter der Herrschaft Daniels erreichte das Fürstentum Wolhynien seinen Höhepunkt und wurde mit Galizien vereinigt. Der 1253 von einem päpstlichen Gesandten zum König der Rus (rex Russiae) gekrönte Daniel baute Kontakte zu den Nachbarn aus und ließ den Verbund Galizien-Wolhynien zu einem wichtigen Partner in Osteuropa werden.
Mit der Ernennung Daniels zum König beabsichtigte Papst Innozenz IV. seine Macht in der Region zu festigen. Mit der Krönung Daniels verband sich eine Kirchenunion und ein Kreuzzug gegen die Mongolen, welcher allerdings scheiterte und das Land den Mongolen tributpflichtig machte. Auch die angestrebte Kirchenunion hielt nur wenige Tage.
Heiratspolitik
So wie einst Jaroslaw der Weise knüpfte auch Daniel Verbindungen zu anderen Adelsgeschlechtern in Europa (Ungarn, Litauen und Polen). Durch die Heirat seines Sohnes Roman mit der Nichte des letzten Babenbergers wurde Daniel auch in Auseinandersetzungen um das Erbe des Herzogtums Österreich verwickelt. Wie schon sein Vater Roman hatte Daniel vorübergehend Kiew unter seine Kontrolle gebracht, den Großfürstentitel angenommen und Anspruch auf das Kiewer Erbe erhoben. Der Einfall der Mongolen machte jedoch diese Pläne zunichte.
- Metropolit von Kiew und Halytsch
Dennoch bestanden noch Verbindungen nach Kiew. Zu Beginn des 14.Jahrhunderts verlegte der Metropolit seinen Sitz von Kiew nach Wladimir im Nordosten der Kiewer Rus. Daraufhin durfte Daniels Enkel mit Genehmigung des Patriarchen von Konstantinopel eine selbstständige Metropolie (Bistum) in Halytsch gründen.
Innere Struktur des Fürstentum Galizien-Wolhynien
Im Fürstentum Galizien-Wolhynien zeigten sich erhebliche Gegensätze zur Kiewer Rus. Zum einem blieben die Städte hier ein wichtiger Faktor; so erlebte im Zusammenhang mit der Pax Mongolica der Handel zwischen Ost und West erneut einen erheblichen Aufschwung.
Die Städte Galiziens und Wolhyniens spielten eine bedeutende Rolle und nahmen am Aufschwung teil. Unter den Neugründungen waren Cholm (poln. Chełm) und Lemberg (Lwiw) die wichtigsten. Ebenso wie polnische und ungarische Herrscher riefen auch Daniel und seine Nachfolger deutsche Kaufleute und Handwerker ins Land, die recht früh einen bedeutenden Teil der städtischen Oberschicht ausmachten.
Aus den steppennahen Gebieten zogen Ostslawen und Armenier nach Westen, so dass manche Städte des Fürstentums von mehreren ethnisch-religiösen Gruppen bewohnt waren.
Die sozio-politische Struktur des Fürstentums Halytsch (Halycz) im 12. Jahrhundert war ebenso wenig auf den Fürsten ausgerichtet wie in Wladimir-Susdal und Wolhynien. Die ostslawischen Bojaren, der Adel, waren hier stärker an der Herrschaft beteiligt, was mit einer regionalen Verwurzelung und mit Einflüssen aus Polen und Ungarn zusammenhängen dürfte. Dieses ständische Element, das eine Zentralgewalt einschränkte, hatte allerdings auch Einfluss auf den politischen Zerfall Galiziens und Wolhyniens.
- 1289–1300: Mstislaw Danylowitsch, Fürst von Luzk
- –1315: Wladimir III., Fürst von Wolhynien
- 1308–1323: Andrei (Galizien), Fürst von Galizien und Wolhynien
- 1312: Vereinigung von Wolhynien und Galizien zu Galizien-Wolhynien.
Annexion durch Litauen
1320 wurde Wolhynien vom Großfürstentum Litauen annektiert; bis 1569 gehörte Wolhynien-Galizien zum litauischen, polnisch-litauischen bzw. zum polnischen Königreich.
1340 fällt das Rus-Fürstentum Halytsch-Wolhynien als Erbe an das Großfürstentum Litauen.
Dynastie Bolesław von Masowien
Im Verlaufe der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts wurden die Gebiete zum Streitobjekt ihrer westlichen Nachbarn. Im Jahre 1323 starb die regierende Dynastie aus, der Neffe des letzten Fürsten, Bolesław von Masowien, wurde Herrscher über Galizien-Wolhynien. Er war sowohl mit der polnischen als auch mit der litauischen Herrscherfamilie verwandtschaftlich verbunden. Als Bolesław von Masowien im Jahre 1340 wegen angeblicher Bevorzugung der Katholiken von seinen Bojaren vergiftet wurde, brach ein Kampf zwischen den beiden aufstrebenden osteuropäischen Großmächten um das Erbe Galiziens-Wolhyniens aus. Nach längeren Kriegen, mit wechselndem Erfolg, fiel der größte Teil des Fürstentums Halytsch und Cholm an Polen, Wolhynien, Podlachien und einige andere Gebiete fielen an Litauen.
Union von Polen-Litauen (1385/86)
Die Integration der ukrainischen Länder in das Großfürstentum Litauen vollzog sich langsamer als die Integration Galiziens in das Königreich Polen. Das Jahr der polnisch-litauischen Union (1385/1386) bedeutete jedoch einen Wendepunkt für Wolhynien.
Der litauische Großfürst Jagajlo heiratete die Thronerbin Hedwig, bestieg den polnischen Königsthron und nahm den römisch-katholischen Glauben an. Für die Litauer bedeutete dies, den Glauben der römischen Christen anzunehmen, die Ostlwawen (und somit auch Wolhynen) mussten ihre Zugehörigkeit zur Orthodoxie jedoch nicht aufgeben. Jagajlo eroberte 1387 Galizien wieder von den Ungarn zurück und konnte den Deutschen Orden 1410 bei Tannenberg entscheidend zurückschlagen.
Die polnisch-litauischen Union von 1385/86 bedeutete nicht den Untergang des Großfürstentums Litauen, zu dem Wolhynien gehörte, es blieb bis weit ins 15. Jahrhundert eigenständige Großmacht. Unter Großfürst Vytautas (1392-1430) erlebte Litauen einen Höhepunkt seiner Machtentfaltung. Vytautas versuchte seine Zentralgewalt zu festigen und die ukrainischen Fürstentümer und somit auch Wolhynien stärker zu integrieren. Die administrative Eingliederung Wolhyniens setzten seine Nachfolger fort, im religiösen und kulturellen Bereich aber blieb die traditionelle Toleranz erhalten.
Im Großfürstentum Litauen wurden die Privilegien des polnischen Adels zunächst nur auf Katholiken übertragen, so dass viel orthodoxe Adlige konvertierten. Dieser politische Druck zur Konversion zeigte sich vornehmlich in Litauen, in den ukrainischen Fürstentümern und in Wolhynien jedoch konnte der Adel bis Mitte des 16. Jahrhunderts eine Breite Schicht ostslawischer Orthodoxer halten. Im Jahre 1529 konnten diese komplizierten Rechte und Privilegien der einzelnen Stände im Großfürstentum Litauen fixiert werden. Das Statut verband westliche und ostslawische Elemente miteinander und blieb in seinen Grundzügen bis weit ins 19. Jahrhundert in Kraft.
In der polnisch-litauischen Realunion (1569 - 1793/95)
Ab 1569 gehörte Wolhynien zum polnisch-litauischen Staat, es entsteht die Woiwodschaft Wolynien (Wołyń) mit der Hauptstadt in Lutsk (Łuck), die bis 1795 Bestand haben sollen.
Russische Epoche
1793/95 - 1917
1793 wurde Wolhynien im Zuge der Teilungen Polen-Litauens in Ost und West geteilt, der Osten fiel 1793 mit der Zweiten Teilung Polens an Russland. Der Westen von Wolhynien kam dann nach der Dritten Teilung Polens 1795 ebenfalls zu Russland.
Durch die Freilassung der Leibeigenen durch den russischen Zaren entstand im Jahr 1861 ein plötzlicher Arbeitskräftemangel in Wolhynien. Viele Eigentümer konnten ihre Arbeitskräfte nicht mehr bezahlen und verkauften stattdessen ihr Land. So wurde die Ansiedlung von Deutschen, die schon in den 1830er Jahren begonnen hatte, massiv unterstützt. Vor allem 1862-64, aber auch bis in die 1890er Jahre strömten zahlreiche Deutsche ins Land, so dass 1914 ca. 250.000 Deutsche im Land lebten (Wolhyniendeutsche).
20. Jahrhundert
Im Laufe des Ersten Weltkrieges wurden vom 5.-15. Juli 1915 alle ca. 240.000 Deutschen des Gebietes zwangsausgesiedelt. Ein Großteil wurde nach Sibirien deportiert. 1918 durften die Bewohner zurückkehren, aber nur wenige hatten die finanziellen Möglichkeiten dazu. Bis 1924 sind ca. 120.000 Bewohner nach Wolhynien zurückgekehrt.
Durch eine Offensive der Mittelmächte kommt es zu Kämpfen in Wolhynien. Die neue Stellungsfront verläuft in Süd-Nord-Richtung von der Bukowina (Czernowitz österr.) durch Ost-Galizien und Wolhynien (Tarnopil russ., Dubno österr.) über Pinsk, Baranowitschi (heute Weißrussland) (beide deutsch), Smorgon, Dwinsk (beide russ.), die Düna abwärts bis zum Rigaischen Meerbusen.
1921 wird Wolhynien zwischen Polen (westlicher Teil) und der sowjetischen Ukraine (Osten) geteilt. Die Woiwodschaft Wolhynien wird wiedererrichtet. Die Region östlich und südöstlich von Lublin bis etwa Zamość wird auch Waldwolhynien genannt.
Als Folge der Aufteilung Polens im geheimen Zusatzprotokoll des Hitler-Stalin-Paktes wird Wolhynien 1939 erneut sowjetisch. Die ansässige deutsche Bevölkerung wird noch 1939 unter dem Motto Heimkehr ins Reich ins Wartheland im Deutschen Reich umgesiedelt. Die praktische Durchführung liegt bei der Volksdeutschen Mittelstelle (VoMi), einer SS-Organisation. In der Folge des Kriegsverlaufs wird es 1941 von Deutschland besetzt. In diesem Zusammenhang finden Massaker an den jüdischen Einwohnern statt.
Unter den Augen der deutschen Besatzung beginnen ab dem 11. Juli 1943 ukrainische Nationalisten in zahllosen Massakern, zunächst in Pawliwka, die polnische Zivilbevölkerung systematisch zu ermorden.
Nach Ende des Zweiten Weltkrieges fällt das gesamte Wolhynien an die Sowjetunion, die überlebenden Polen werden vertrieben. Ab April 1947 werden im Rahmen der sogenannten Akcja Wisła systematisch Ukrainer in das Gebiet Wolhyniens umgesiedelt.
Seit 1992 gehört Wolhynien zum größten Teil zur Ukraine, wobei es in die Verwaltungseinheiten der Oblast Wolhynien, der Oblast Riwne und der Oblast Schytomyr aufgeteilt ist, und zu einem kleineren Teil zu Weißrussland.
- 2003 - am 11. Juli Gedächtnisfeier und eine gemeinsame Erklärung beider Länder (Polen und Ukraine) zum Gedenken an die Opfer und zur Versöhnung in der zukünftigen Grenzregion der erweiterten EU.
Varia
Nach dieser Region wurde das Wolhynische Fieber benannt, eine bakterielle Infektion, die durch Parasiten übertragen wird.
Siehe auch
- Schtetl - (jiddisch für eine mehrheitlich jüdische Kleinstadt oder ein solches Stadtviertel)
- Galizien
- Reichskommissariat Ukraine / Generalbezirk Wolhynien-Podolien
Weblinks
- Wolhynien - Seite zur Familienforschung mit Geschichte der Wolhyniendeutschen
- Archivsammlung über Galizien und Wolhynien in pol. und ukr. Sprache
- Historische Karte
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