Wutkrankheit

Wutkrankheit
Klassifikation nach ICD-10
A82.- Tollwut [Rabies]
A82.0 Wildtier-Tollwut
A82.1 Haustier-Tollwut
A82.9 Tollwut, nicht näher bezeichnet
ICD-10 online (WHO-Version 2006)

Die Tollwut ist eine seit Jahrtausenden bekannte Virusinfektion, die bei Tieren und Menschen eine akute lebensbedrohliche Enzephalitis (Gehirnentzündung) verursacht. Synonyme sind Wutkrankheit, die Lyssa (griechisch λύσσα), die Rabies (lateinisch) und die Rage (französisch). Früher benutzte man synonym auch die Aquaphobie („Wasserfurcht“ – ein typisches Symptom der Erkrankung). Ausgelöst wird die Krankheit bei Menschen meist durch das Rabiesvirus.

Die meisten Arten warmblütiger Tiere können von diesem Virus infiziert werden, unter Pflanzenfressern ist es jedoch selten. Das stereotypische Bild eines tollwütigen Tieres ist der aggressive Hund mit Schaum vor dem Mund. Aber auch Katzen, Frettchen, Füchse, Dachse, Waschbären, Backenhörnchen, Stinktiere, Wölfe und die Fledertiere können tollwütig werden beziehungsweise die klassische Tollwut oder eine andere Form übertragen. Hinsichtlich der Fledertiere sind Vampirfledermäuse (Desmodus rotundus bzw. Desmodus spec.), bei insektenfressenden Fledertieren meist Fledermäuse (Microchiroptera) und bei fruchtfressenden Fledertieren meist Flughunde (sehr selten) diesbezüglich festgestellt. Hauptüberträger ist in den europäischen Ländern der Fuchs, während beispielsweise in Indien streunende Hunde als Hauptinfektionsquelle gelten. Eichhörnchen, andere Nagetiere und Kaninchen werden sehr selten angesteckt. Vögel bekommen sehr selten Tollwut, da ihre Körpertemperatur höher liegt als es für eine optimale Vermehrung des Virus notwendig ist. Tollwut kann sich auch in einer so genannten „paralytischen“ Form zeigen, bei welcher sich das angesteckte Tier unnatürlich ruhig und zurückgezogen verhält.

Etwa 55.000 Menschen sterben jährlich an Tollwut, die meisten davon in Indien.[1] Die Hälfte der Todesfälle weltweit betrifft Kinder und Jugendliche unter 15 Jahren. Ungefähr 10 Millionen Menschen werden jährlich nach einem Verdacht, sich der Tollwut ausgesetzt zu haben behandelt.[2]

Ohne vorherige Impfung und ohne Postexpositionsprophylaxe verläuft die Infektion innerhalb von 15 bis 90 Tagen – von einzelnen Ausnahmen abgesehen[3] – immer tödlich.[4]

Inhaltsverzeichnis

Erreger

Tollwut-Viren in einer Zelle, EM. Deutlich sichtbar sind die Negri-Körper.

Die verschieden ausgeprägte Tollwut wird Viren der Gattung Lyssaviren aus der Familie der Rhabdoviridae verursacht. Dabei handelt es sich um behüllte Viren von zylindrischer Form, deren Genom als einzelsträngige RNA mit negativer Polarität vorliegt. Dies steht im Gegensatz zu anderen Viren, die den Menschen befallen, die normalerweise eine kubische Symmetrie haben. Bei all diesen Erregern werden derzeit insgesamt sieben Genotypen unterschieden:

  • Genotyp 1: Rabiesvirus (RABV). Dieses Virus ist das klassische Tollwutvirus.
  • Genotyp 2: Lagos-Fledermausvirus = Lagos bat virus (LBV)
  • Genotyp 3: Mokola-Virus (MOKV)
  • Genotyp 4: Duvenhage-Virus (DUVV)
  • Genotypen 5 und 6: Europäisches Fledermaus-Lyssavirus = European bat lyssavirus (EBLV 1, 2)
  • Genotyp 7: Australisches Fledermaus-Lyssavirus = Australian bat lyssavirus (ABLV)

Ausgenommen Genotyp 2, sind bei allen anderen oben aufgezählten Genotypen Tollwutfälle beim Menschen beschrieben.

Die Transkription und Replikation der Viren finden im Zytoplasma der Wirtszelle innerhalb spezieller „Virenfabriken“ statt, den so genannten Negri-Körpern (benannt nach Adelchi Negri). Sie haben einen Durchmesser von 2–10 µm und sind typisch für die Tollwutinfektion, so dass sie als pathognomonisches Merkmal dienen.[5]

Übertragung

Das Virus ist im Speichel eines tollwütigen Tieres vorhanden und der Infektionsweg führt fast immer über einen Biss; 99,9 % der Fälle bei Menschen werden durch den Biss eines Hundes übertragen.[1] Aber auch kleinste Verletzungen der Haut und Schleimhäute können das Eindringen des Virus per Schmierinfektion bzw. Kontaktinfektion ermöglichen. In vitro ist eine Übertragung durch Schleimhäute vorgekommen. Möglicherweise geschah eine Übertragung in dieser Form bei Menschen, die von Fledermäusen bevölkerte Höhlen erforschten. Außer bei der Organtransplantation (3 Fälle in den USA[6] zu Beginn des Jahres 2004 und 3 Fälle in Deutschland Anfang 2005[7]), ist die Übertragung von Mensch zu Mensch bislang nicht beobachtet worden.

Von der Eintrittsstelle wandert der Virus schnell entlang der Nervenzellen in das Zentralnervensystem (ZNS). Der retrograde axonale Transport ist der wichtigste Schritt in der natürlichen Tollwut-Infektion. Die genauen molekulare Grundlage dieses Transportes sind noch nicht geklärt, aber es wurde nachgewiesen, dass das Protein P des Rabiesvirus mit dem Protein DYNLL1 (LC8) der leichten Kette von Dynein interagiert[8]. P agiert auch als Interferonantagonist, wodurch die Immunantwort abgemildert wird.

Vom ZNS breitet sich das Virus auch in andere Organe aus, so tritt es im Speichel von infizierten Tieren auf und kann sich dadurch weiter verbreiten. Oftmals tritt eine erhöhte Agressivität mit verstärktem Beissverhalten auf, welches die Wahrscheinlichkeit, das Virus weiter zu verbreiten erhöht.[9]

Krankheitsverlauf und Symptome

Krankheitsverlauf beim Menschen

Nach der Infektion eines Menschen durch den Biss eines infizierten Tieres bleibt das Virus für etwa drei Tage in der Nähe der Eintrittspforte, vermehrt sich dort und gelangt dann über das Innere der Nervenfasern der peripheren Nerven bis in das Rückenmark und schließlich ins Gehirn. Vom Zentralnervensystem aus breitet sich das Virus entlang peripherer Nerven und Hirnnerven unter anderem auch zu Speicheldrüsen und Tränendrüsen aus und wird mit deren Sekreten ausgeschieden.[10] Ist das Virus durch den Biss direkt in die Blutbahn gelangt, erreicht es das Zentralnervensystem sehr viel schneller. Nur während der mehr oder minder langen Frühphase, also in den ersten Stunden, ist noch eine postexpositionelle Impfung sinnvoll. Sobald das Virus das Gehirn erreicht hat, ist eine Impfung nicht mehr wirksam.

Die Inkubationszeit – also die Periode zwischen der Infektion und den ersten, grippeartigen Symptomen – beträgt meist zwischen ein und drei Monaten. Es wurden jedoch auch Inkubationszeiten von mehreren Jahren beschrieben.[11]

Tollwutpatient

Das Virus verursacht eine Enzephalitis (Gehirnentzündung), worauf dann die typischen Symptome erscheinen. Es kann auch das Rückenmark befallen, was sich in einer Myelitis (Rückenmarksentzündung) äußert. Bei der Übertragung durch einen Biss in Arm oder Bein äußern sich häufig zuerst Schmerzen an der gebissenen Extremität. Sensibilitätsverlust entsprechend der Hautdermatome ist regelmäßig beobachtet worden. Daher werden viele, vor allem atypische Krankheitsverläufe zunächst als Guillain-Barré-Syndrom falsch eingeschätzt. Bald danach steigern sich die zentralnervösen Symptome wie Lähmungen, Angst, Verwirrtheit, Aufregung, weiter fortschreitend zum Delirium, zu anormalem Verhalten, Halluzinationen und Schlaflosigkeit. Die Lähmung der hinteren Hirnnerven (Nervus glossopharyngeus, Nervus vagus) führt zu einer Rachenlähmung, verbunden mit einer Unfähigkeit zu sprechen oder zu schlucken – dies ist während späterer Phasen der Krankheit typisch. Der Anblick von Wasser kann Anfälle mit Krämpfen des Rachens und Kehlkopfs hervorrufen. Der produzierte Speichel kann nicht mehr abgeschluckt werden und bildet Schaum vor dem Mund. Die Hydrophobie und die Schluckbehinderung verhindern die Verdünnung des Virus, was seine Virulenz erhöht. Geringste Umweltreize, Geräusche und Licht führen zu Wutanfällen, Schreien, Schlagen und Beißen, wobei das hochkonzentrierte Virus schließlich übertragen wird.

Die Erkrankung kann auch in der „stummen“ Form verlaufen, bei der ein Teil der genannten Symptome fehlt. Jedoch findet sich unabhängig von der Verlaufsform bei der Bildgebung mit dem Kernspintomographen eine Aufhellung in der Region des Hippocampus und am Nucleus caudatus. Fast immer tritt zwei bis zehn Tage nach den ersten Symptomen der Tod ein. Mit Ausnahme des Kindes Jeanna Giese haben die wenigen Überlebenden schwerste Gehirnschäden davongetragen.[3]

Krankheitsverlauf beim Tier

An Tollwut können alle Säugetiere und bedingt auch Vögel erkranken. Die Inkubationszeit beträgt im Regelfall zwei bis acht Wochen. Die Krankheit dauert zwischen einem Tag und einer Woche und endet praktisch immer tödlich. Die Krankheit beginnt häufig mit Wesensveränderungen.

Tollwütiger Hund mit Lähmungen und Speichelfluss

Erkrankte Haushunde können dabei besonders aggressiv und bissig werden, sind übererregt, zeigen einen gesteigerten Geschlechtstrieb und bellen unmotiviert („rasende Wut“). Später stellen sich Lähmungen ein, die zu heiserem Bellen, Schluckstörungen (starkes Speicheln, Schaum vor dem Maul), Heraushängen der Zunge führen und infolge Lähmung der Hinterbeine kommt es zum Festliegen. Die Phase der „rasenden Wut“ kann auch fehlen und die Tollwut gleich mit den Lähmungserscheinungen beginnen („stille Wut“). Es kommen auch atypische Verläufe vor, die zunächst einer Magen-Darm-Kanal-Entzündung (Gastroenteritis) gleichen.

Bei der Hauskatze gleicht das klinische Bild dem des Hundes. Häufig zieht sich eine erkrankte Katze zurück, miaut ständig und reagiert aggressiv auf Reizungen. Im Endstadium kommt es zu Lähmungen.

Beim Hausrind zeigt sich eine Tollwut zumeist zunächst in Verdauungsstörungen, es kommt zu einer Atonie und Aufgasung des Pansens und Durchfall. Insbesondere bei Weidehaltung muss die Tollwut immer als mögliche Ursache für Verdauungsstörungen in Betracht gezogen werden. Später stellen sich Muskelzuckungen, Speicheln, ständiges Brüllen und Lähmungen der Hinterbeine ein. Bei kleinen Wiederkäuern wie Schafen und Ziegen dominiert die „stille Wut“, es können aber auch Unruhe, ständiges Blöken und ein gesteigerter Geschlechtstrieb auftreten.

Beim Hauspferd kann die Tollwut als „rasende Wut“ mit Rennen gegen Stallwände und Koliken oder als „stille Wut“ mit Apathie auftreten. Die „stille Wut“ kann mit einer Bornaschen Krankheit verwechselt werden.

Beim Hausschwein dominieren Aufregung, andauerndes heiseres Grunzen, Zwangsbewegungen und Beißwut.

Bei Vögeln ist die Krankheit sehr selten und äußert sich in ängstlichem Piepen, Bewegungsstörungen und Lähmungen.

Bei Wildtieren führt eine Tollwut häufig zum Verlust der Scheu vor dem Menschen. Dabei ist jedoch zu beachten, dass viele verstädterte Wildtiere wie Füchse und Waschbären diese ohnehin nicht mehr aufweisen.

Therapie

Es gibt kein bekanntes Heilmittel gegen Tollwut. Nach einer Infektion und Überschreitung der Frist für eine postexpositionelle Prophylaxe wurde in letzter Zeit eine Behandlung mit antiviralen Medikamenten, Virostatika, und zeitgleichem künstlichem Koma zur Stoffwechselreduzierung versucht. Diese Therapieversuche waren jedoch bisher nicht erfolgreich, da nur einige wenige Patienten eine solche Behandlung mit schwersten Gehirnschäden überlebten.[12] Als erster Mensch, der eine solche experimentelle Therapie nach einer Infektion weitestgehend ohne schwerwiegende Folgeschäden überstanden hat, gilt ein 15-jähriges Mädchen namens Jeanna Giese[13] aus den USA.[3]

Vorbeugung

Der Ausbruch der Erkrankung kann durch rechtzeitige Impfung verhindert werden. Die Tollwut verdammte ursprünglich jeden, der infiziert wurde, zum Tode. Louis Pasteur entwickelte 1885 die erste Tollwut-Impfung mit abgeschwächten Erregern und rettete durch eine Impfung am 6. Juli 1885 das Leben des Schäfers Joseph Meister, der von einem tollwütigen Hund gebissen worden war.[14]

Heutige Impfstoffe sind relativ schmerzlos und werden in den Arm, ähnlich wie eine Grippe- oder Wundstarrkrampf-Impfung, verabreicht. Sie bestehen aus inaktivierten Viren, welche in menschlichen (humanen) diploiden Zelllinien oder Hühnerfibroblasten angezüchtet werden.

Eine Impfung kann auch Stunden nach einem Biss noch erfolgreich sein. Für eine nachträgliche Impfung bleibt mehr Zeit, wenn die Wunde relativ weit vom Kopf entfernt ist und durch den Biss keine venösen Blutgefäße verletzt worden sind. Das Robert-Koch-Institut gibt folgende Richtlinie für die postexpositionelle Impfung vor:

Grad der Exposition Art der Exposition Immunprophylaxe
durch ein tollwutverdächtiges oder tollwütiges Wild- oder Haustier durch einen Tollwut-Impfstoffköder
I Berühren / Füttern von Tieren, Belecken der intakten Haut Berühren von Impfstoffködern bei intakter Haut keine Impfung
II Knabbern an der unbedeckten Haut, oberflächliche, nicht blutende Kratzer durch ein Tier, Belecken der nicht intakten Haut Kontakt mit der Impfflüssigkeit eines beschädigten Impfstoffköders mit nicht intakter Haut Impfung
III Jegliche Bissverletzung oder Kratzwunden, Kontamination von Schleimhäuten mit Speichel (z. B. durch Lecken, Spritzer) Kontamination von Schleimhäuten und frischen Hautverletzungen mit der Impfflüssigkeit eines beschädigten Impfstoffköders Impfung und einmalig simultan mit der ersten Impfung passive Immunisierung mit Tollwut-Immunglobulin (20 IE/kg Körpergewicht)

Von Fachleuten allerdings kann das tollwutverdächtige Tier eingefangen, in Quarantäne gebracht und unter veterinärmedizinischer Kontrolle beobachtet werden. Tritt nach 10 bis 14 Tagen keine Tollwut auf, war das Tier nicht befallen. Falls das Tier erkrankt, kann eine Virusdiagnostik durchgeführt werden. Bei der infizierten Person kann erst nach Ausbruch der Krankheit eine Diagnose gestellt werden.

Bei der vorbeugenden Impfung gegen Tollwut handelt es sich um einen Totimpfstoff, der meist aus inaktivierten Tollwut-Viren besteht, die die Krankheit nicht mehr auslösen können. Diese aktive Impfung wird in mehreren Dosen im Abstand von einigen Tagen bis Wochen in den Oberarm injiziert. Der genaue Impfplan ist präparatabhängig. Der Körper bildet nach der Injektion Antikörper gegen die Viren. Die Impfung muss ein Jahr nach dem ersten Impfzyklus einmal wiederholt und danach alle 5 Jahre aufgefrischt werden.

Bei einer Verletzung durch ein tollwutverdächtiges Tier wird zunächst eine passive Immunisierung mit fertigen Antikörpern gespritzt. Gleichzeitig wird mit der aktiven Impfung begonnen. Außerdem muss der Tetanus-Schutz kontrolliert werden. Hilfreich ist auch ein gründliches Waschen der Wunde mit Wasser und Seife, um so viel infektiöses Material wie möglich zu entfernen.

Mythos und Geschichte

In früheren Zeiten war die Tollwut von Mythen, Aberglauben und Irrtümern umgeben und schürte, da die Krankheit unweigerlich zum Tod führte, die Ängste und Phantasien der Menschen. Auch, dass die Tollwut vermeintlich durch Wölfe übertragen wurde, trug zur Legendenbildung bei, der Ursprung des Werwolfsglaubens beispielsweise wurzelt möglicherweise in der Tollwuterkrankung eines Menschen. Bereits in der Antike befassten sich Aristoteles und Euripides mit der Krankheit, in der griechischen Götterwelt waren Artemis, Hekate, Aktaion und Lykaon Verkünder, Verbreiter oder Opfer der Tollwut. Sirius, Hauptstern im Sternbild des Großen Hundes, verdankt seinen Namen der Legende, Wegbereiter der Seuche zu sein, im Hochsommer – an den Hundstagen (an denen Sirius in Sonnennähe steht; man nahm früher an, Sonne und Sirius würden in dieser Zeit zusammenwirken) – wurden Hunde, die man mit der Verbreitung der Tollwut in Verbindung brachte, gefoltert und geopfert. Im Mittelalter wurde, ausgehend von Augustinus, der Ursprung der Tollwut beim Teufel gesucht, der heilige Hubertus gilt seit dieser Zeit als Schutzpatron gegen die Tollwut.

Verbreitung und Bekämpfung

Tollwutfreie Länder

Tollwut ist in vielen Teilen der Welt enzootisch, lediglich einige Länder Nordeuropas, Australien, Neuseeland und Japan sind tollwutfrei.

Das Tollwut-Virus überlebt in weiträumigen, abwechslungsreichen, ländlichen Tierwelt-Reservoiren. Die obligatorische Impfung von Tieren ist in ländlichen Gebieten weniger wirksam. Schluck-Impfstoffe können in Ködern verteilt werden, was die Tollwut in ländlichen Gebieten Frankreichs, Ontarios, Texas', Floridas und anderswo erfolgreich zurückdrängte. Impfkampagnen können jedoch teuer sein, und eine Kosten-Nutzen-Analyse kann die Verantwortlichen dazu bringen, sich für Bestimmungen zur bloßen Eindämmung, statt zur völligen Beseitigung der Krankheit zu entscheiden.

Um die Verbreitung der Krankheit zu bekämpfen, besteht für den grenzüberschreitenden Reiseverkehr mit kleinen Haus- und Heimtieren (Hunde, Katzen, Frettchen) schon seit Langem eine allgemeine Impfpflicht gegen Tollwut. Die von Land zu Land sehr unterschiedlichen zusätzlichen Bestimmungen wurden für die Verbringung von Tieren innerhalb der Europäischen Union mit der Einführung des EU-Heimtierausweises ab dem 4. Oktober 2004 vereinheitlicht.

Deutschland

Warnung vor Wildtollwut in Deutschland

Zur Bekämpfung der Fuchstollwut wurden in den vergangenen Jahren so genannte Impfköder entweder von Jagdausübungsberechtigten ausgebracht oder, wie in einzelnen Bundesländern, großflächig aus Flugzeugen abgeworfen. Deutschland gilt seit April 2008 bei der Weltorganisation für Tiergesundheit (OIE) als tollwutfrei.[15] Während noch im Jahr 1980 insgesamt 6800 Fälle gemeldet wurden, waren es im Jahr 1991 noch 3500, im Jahr 1995 nur 855, im Jahr 2001 noch 50 und 2004 noch 12 gemeldete Fälle. Mit fünf Fällen 2004 am stärksten von der Tollwut betroffen war der Fuchs.

Vom 2. Quartal 2006 bis zum Dezember 2008 wurden in Deutschland keine Fälle von Tollwut bei Wild- oder Haustieren mehr gemeldet. Am 29. Dezember 2008 wurde jedoch im Landkreis Lörrach bei einem aus Kroatien importierten Hund amtlich die Tollwut festgestellt.[16]

Bei Fledermäusen werden regelmäßig Einzelfälle von Tollwuterkrankungen vom Typ 2 festgestellt. Die bei Fledermäusen vorkommenden Tollwuterreger sind jedoch eigenständige Virustypen. Sie werden als European Bat Lyssavirus (EBL) mit den Varianten 1 und 2 oder Europäisches Fledermaus-Tollwutvirus bezeichnet. In den Jahren 2005 bis 2007 wurden insgesamt 32 Fälle der Fledermaus-Krankheit in Deutschland erfasst.[17] Die Fledermaustollwut wird ebenfalls durch einen Virus der Gattung Lyssaviren ausgelöst, der aber nicht identisch mit dem Rabiesvirus ist; siehe dazu den Abschnitt Erreger.

Österreich

Dank seit den 1990er Jahren durchgeführter Maßnahmen gilt die Tollwut in Österreich als ausgerottet. Zwei in den Jahren 2004 und 2006 vermutete Tollwutverdachtsfälle bei Füchsen konnten entkräftet werden. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die Internationalen Tierseuchenorganisation haben Österreich am 28. September 2008 zum tollwutfreien Gebiet erklärt.[18][19]

Schweiz

Die Schweiz gilt seit 1999 als tollwutfrei. Die Krankheitsfreiheit wurde durch eine gezielte Fuchsimpfkampagne erreicht.[20][21]

Großbritannien

In Großbritannien trugen Hundelizenzen, Tötung von Straßenhunden, Maulkorbpflicht, strenge Quarantäne und vollständiges Importverbot von Tieren und andere Maßnahmen zur Ausrottung der Tollwut am Anfang des 20. Jahrhunderts bei.

Immer noch hat Großbritannien strenge Regulierungen bei der Einfuhr von Tieren. 1996 wurde eine einzelne Wasserfledermaus entdeckt, die mit dem europäischen Fledermaus-Lyssavirus 2 (EBL2) infiziert war. Im September 2002 wurde in Lancashire eine weitere Wasserfledermaus positiv auf EBL2 getestet wurde. Ein Fledermaus-Schützer, der von der angesteckten Fledermaus gebissen worden war, erhielt eine Postexpositionsbehandlung und erkrankte nicht. Die Fledermaustollwut wird ebenfalls durch einen Virus der Gattung Lyssaviren ausgelöst, der aber nicht identisch mit dem Rabiesvirus ist; siehe dazu den Abschnitt Erreger.

USA

Seit der Entwicklung von wirksamen Impfstoffen für Menschen und Immunglobulin-Behandlungen ist die Zahl der Todesopfer der Tollwut in den USA von 100 oder mehr pro Jahr am Anfang des 20. Jahrhunderts auf 1–2 pro Jahr gefallen, die größtenteils von Fledermaus-Bissen herrühren. Zunehmend gewinnen jedoch auch infizierte, streunende Waschbären als Überträger an Bedeutung. Diese werden vom Futter in überquellenden Mülltonnen in menschlichen Siedlungen angelockt.

Australien

Australien ist einer von wenigen Teilen der Welt, in die die Tollwut nie eingeschleppt wurde. Jedoch kommt das australische Fledermaus-Lyssavirus natürlicherweise sowohl bei insektenfressenden als auch bei fruchtfressenden Fledermäusen (Flughunden) der meisten Festland-Staaten vor.

Indien

Indien ist das Land der Erde, in dem die meisten Tollwutfälle bei Menschen bekannt sind.[1] Die Übertragung erfolgt dort überwiegend durch Bisse (freilaufender) Hunde. Da eine Immunglobulin-Behandlung oft nicht verfügbar ist, wird fast ausschließlich mit der Postexpositionsmethode behandelt, die möglicherweise nicht so gute Heilungschancen wie die kombinierte Methode verspricht. Bei einem längeren Aufenthalt sollte also an eine vorherige Aktivimpfung gedacht werden (Reisemedizin).

Tollwut nach Organtransplantation

Am 2. Juli 2004 meldete dpa, dass in den USA die Tollwut von einem Organspender auf die Empfänger übertragen worden war. Drei Patienten, denen Tollwut-kontaminierte Organe transplantiert worden waren, starben an der Krankheit. Der Organspender hatte sich durch eine Fledermaus mit dem Virus angesteckt, wie die US-Seuchenüberwachungsbehörde CDC in Atlanta berichtet hatte.[6]

Auch in Deutschland sind drei Personen an einer durch Organspende übertragenen Tollwut gestorben, drei weiter mit Organen derselben Spenderin überlebten. Die am 30. Dezember verstorbene Spenderin hatte sich im Oktober 2004 bei einem Indien-Urlaub durch einen Hundebiss unerkannt infiziert.[7]

Einzelnachweise

  1. a b c Steffen R.: Tollwut: Nach dem Biss ist kurz vor dem Tod?. www.auswaertiges-amt.de; pdf; zuletzt eingesehen am 19. Oktober 2008
  2. WHO: Fact Sheet No 99: Rabies, revidiert 2005 (englisch)
  3. a b c Willoughby R.E., e.a.: Survival after Treatment of Rabies with Induction of Coma. In: The New England Journal of Medicine, 2005;352:2508-2514; hier online
  4. Fritz Kayser et. al., Taschenlehrbuch Medizinische Mikrobiologie, Thieme Verlag 2005, 11. Auflage, ISBN 3-13-444811-4
  5. Albertini AA, Schoehn G, Weissenhorn W, Ruigrok RW: Structural aspects of rabies virus replication. In: Cell. Mol. Life Sci.. 65, Nr. 2, January 2008, S. 282–94. doi:10.1007/s00018-007-7298-1. PMID 17938861
  6. a b Drei Patienten gestorben: Organspender verbreitet Tollwut - SPIEGEL ONLINE - Nachrichten - Panorama.
  7. a b Tollwut durch Organspende - Via medici online.
  8. Raux H, Flamand A, Blondel D: Interaction of the rabies virus P protein with the LC8 dynein light chain. In: J. Virol.. 74, Nr. 21, November 2000, S. 10212–6. PMID 11024151
  9. Referenz-Fehler: Ungültiger <ref>-Tag; es wurde kein Text für das Ref mit dem Namen pmid15885837 angegeben.
  10. Dörries, Hof: Medizinische Mikrobiologie. Stuttgart 2005, S. 221.
  11. W. Köhler et al.: Medizinische Mikrobiologie. Urban & Fischer-Verlag München/Jena 2001, 8. Auflage. ISBN 3-437-41640-5
  12. William T., e.a.: Long-Term Follow-up after Treatment of Rabies by Induction of Coma. In: New England Journal of Medicine, 2007, 357:945-946; hier online
  13. Tollwut besiegt. Stern-Artikel vom 24. November 2004 hier online; zuletzt eingesehen am 28. Oktober 2008
  14. [http://www.hygiene-educ.com/de/profs/histoire/sci_data/recherche.htm Naturwissenschaftliche Information zur Geschichte der Hygiene]
  15. ForschungReport 1/2008 des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV)
  16. animal-health-online.de
  17. WHO: Rabies Bulletin Europe
  18. www.bmgfj.gv.at - Wutfälle in Österreich insgesamt 1984–2007 (pdf)
  19. ORF-online: „Österreich ist tollwutfrei“
  20. BVET - Tollwut.
  21. Tollwut ante portas? ( NZZ Online).

Literatur

Anton Mayr (Hrsg.): Medizinische Mikrobiologie, Infektions- und Seuchenlehre für Tierärzte, Biologen, Agrarwissenschaftler und Interessierte aus benachbarten Fachgebieten. Lehrbuch für Praxis und Studium. 8. Auflage. Ferdinand Enke Verlag., Stuttgart 2006, ISBN 3830410603.

Weblinks

Wikinews - Wikinews Artikel über den Fall) (Stand: 8. August 2006)

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