- Berliner Gewerbeausstellung
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Die ersten Berliner Gewerbeausstellungen gab es bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die bekannteste und größte fand 1896 vor den Toren Berlins in der Landgemeinde Treptow im Treptower Park statt und wird auch als „verhinderte Weltausstellung“ bezeichnet. Heute erinnert nur noch die Archenhold-Sternwarte an die gigantische Schau.
Inhaltsverzeichnis
Die ersten Ausstellungen
Initiiert von dem preußischen Staatsmann Christian Peter Wilhelm Beuth, der ein großer Förderer des Gewerbes war, fand vom 1. September bis zum 15. Oktober 1822 die erste regionale Ausstellung im Gewerbehaus in der Klosterstraße statt. Damals stellten 182 Aussteller 998 verschiedene Erzeugnisse den 9.514 Besuchern vor. Darauf folgte eine weitere im Jahr 1827.
1844 fand dann die erste Allgemeine Deutsche Gewerbe-Ausstellung im Zeughaus Unter den Linden statt. Unter den 3.040 Ausstellern waren 685 Berliner Unternehmer. 260.000 Besucher zählte man bereits bei dieser Ausstellung deutscher Gewerbeerzeugnisse.
Berliner Gewerbeausstellung 1879
Die Ausstellung fand im Ausstellungspark am Lehrter Bahnhof statt. Sie war eine Leistungsschau der technischen Neuerungen mit überregionaler Bedeutung und bot den Besuchern auch einen Erlebnispark.
Der Höhepunkt und Publikumsmagnet der Ausstellung war die erste elektrisch betriebene Eisenbahn des Unternehmens Siemens & Halske. Der damals noch nicht geadelte Werner Siemens stellte seine Entwicklung am 31. Mai persönlich vor. Nicht weniger als 90.000 Menschen fuhren während der vier Monate andauernden Ausstellung auf der 300 Meter langen Strecke. Später wurde die technische Sensation auch in Brüssel, London, Kopenhagen und Moskau vorgeführt. Die originale Lokomotive ist noch erhalten und befindet sich heute im Deutschen Museum in München, eine Kopie wird im Technikmuseum in Berlin ausgestellt.
Berliner Gewerbeausstellung 1896 in Treptow
Vorgeschichte
Nach den erfolgreichen Weltausstellungen in London und Paris wurde auch in der Reichshauptstadt Berlin darauf gedrungen, eine eigene Weltausstellung auszurichten. Insbesondere der zur Gewerbeausstellung 1879 gegründete „Verein Berliner Kaufleute und Industrieller“ (der übrigens bis heute existiert) unter seinem Vorsitzenden Max Ludwig Goldberger machte sich dies zur Lebensaufgabe (Goldberger, den man aus zeitgenössischen Berichten als „dynamisch“ beschreiben kann, lebte ein Jahr in den USA und schrieb unter anderem ein Buch mit dem Titel „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“, dessen Titel mittlerweile sprichwörtlich ist) – die Vorteile auf internationaler Ebene waren ihm bewusst. Berlin entwickelte sich am Ende des 19. Jahrhunderts in rasantem Tempo zur führenden Industriemetropole Europas, sodass man im Selbstbewusstsein nicht hinter Paris zurückstehen wollte – spätestens mit der Errichtung des Eiffelturms zur Weltausstellung 1889 führte die bürgerliche Presse Berlins unablässig das Wort, es dem „Erbfeind“ noch einmal zu zeigen.
Trotz intensiver Bemühungen blieb es jedoch bei wiederholten Absagen der Handelskammern und aufgrund der prekären Finanzsituation des Reiches verwarfen Kaiser Wilhelm II. und sein Reichskanzler Leo von Caprivi das Vorhaben dann letztlich. Obwohl man es dem auf Selbstdarstellung gern bedachten Kaiser gut zugetraut hätte, stand er dem Vorhaben stark abgeneigt gegenüber - am 20. Juli 1892 schrieb er an seinen Reichskanzler:
„Der Ruhm der Pariser läßt den Berliner nicht schlafen. Berlin ist Großstadt, also muss es auch eine Ausstellung haben. Das ist völlig falsch. Paris ist nunmal, was Berlin hoffentlich nie wird, das große Hurenhaus der Welt.“
und an vielen Gelegenheiten, in denen das Thema zur Sprache kam, sagt er dann kurz und knapp „Ausstellung isnich, wie meine Herren Berliner sagen“, auf den Berliner Dialekt anspielend.
In einer Art Trotzreaktion übernahmen daraufhin der „Verein Berliner Kaufleute und Industrieller“ (VBKI) und eine eigens gegründete Interessengemeinschaft die Initiative - die in eigener Regie auszurichtende Ausstellung nannten sie zwar nicht mehr Weltausstellung, doch der scheinbar provinzielle Name „Gewerbeausstellung“ darf keinesfalls über die von Anfang an beabsichtigten Dimensionen hinwegtäuschen - ein beabsichtiger Etikettenschwindel. Ein Termin war auch schnell gefunden – es sollte zum 25-jährigen Bestehen Berlins als Reichshauptstadt stattfinden. Im Frühjahr 1894 begann man mit den Bauarbeiten – es sollte eine deutsche Leistungsschau werden zur Stärkung der heimischen Wirtschaft. Deutschland galt als hochtechnologisches Land und Berlin als das Zentrum von Wissenschaft, Industrie und Dienstleistung.
Ausstellung
Schließlich fand die Ausstellung als Berliner Gewerbeausstellung vom 1. Mai bis 15. Oktober 1896 im Treptower Park statt. Mit einem Areal von 900.000 m² überbot man selbst die bisherigen Weltausstellungen. Um den „Neuen See“, ein künstlich angelegtes Wasserbassin mit 10.000 m² Fläche (in etwa auf dem heutigen Gelände des Sowjetischen Ehrenmals), gruppierten sich auf dem weitläufigen Gelände entlang der Spree die Pavillons der 3.780 Aussteller, die in 23 Gruppen aufgeteilt waren. Das größte Gebäude war das in der Nähe des Haupteingangs gelegene Haupt-Industrie-Gebäude, in dem 13 Gruppen untergebracht waren, um ihre Produkte und Entwicklungen vorzustellen. Die Bauten direkt am „Neuen See“ mit Aussichtstürmen, Restaurant, Wandelhalle und Gondelhafen entstanden nach Entwürfen von Bruno Schmitz.
Im Zuge der Vorbereitungen für die Gewerbeausstellung 1896 kam es in der Landgemeinde Treptow zu zahlreichen Strukturänderungen und -verbesserungen. Um die vielen Besucher (etwa sieben Millionen wurden es) von der Innenstadt nach Treptow zu bringen, mussten die Verkehrswege ausgebaut werden. Viele Straßen wurden neu angelegt oder nun befestigt, der öffentliche Nahverkehr deutlich ausgebaut. So erhielt die Görlitzer Bahn einen eigenen Bahnhof „Ausstellung“, der nach der Ausstellung wieder geschlossen wurde. Mehrere elektrische Straßenbahnlinien wurden im April in Betrieb genommen. Und auch die Ringbahn hatte eine eigene Haltestelle – der heutige S-Bahnhof Treptower Park. Man konnte über die Spree zur Ausstellung gelangen – selbst Landungsbrücken für Ihre Majestäten waren eingerichtet worden. Ebenso war geplant, dass man unter der Spree zur Ausstellung gelangen konnte – der Spreetunnel Stralau sollte ein Demonstrationsobjekt für Untergrundbahnen in Berlin werden, wurde dann aber doch erst 1899 in Betrieb genommen.
Außerdem konnten die Besucher innerhalb der Ausstellung mit einer elektrischen Rundbahn der Firma Siemens & Halske die Höhepunkte auf dem riesigen Gelände bequem erreichen. Für die Stromversorgung der gesamten Anlage war ein eigenes Kraftwerk errichtet worden.
Die Ausstellung war von einer weltweiten Werbekampagne begleitet, und obwohl es an 120 der 168 Ausstellungstagen regnete, kamen über sieben Millionen Besucher.
Die Attraktionen der Ausstellung
Die Ausstellung war keine reine Produktmesse, sondern vielmehr als Gesamtkunstwerk angelegt. Neben der Vorstellung der technischen Neuerungen sollte auch das Vergnügen nicht zu kurz kommen und auch die ferne Welt in der noch jungen Reichshauptstadt präsentiert werden.
Für das leibliche Wohl war mit zahlreichen Cafés, Restaurants und Brauereien gesorgt. Das Hauptrestaurant am östlichen Ende des „Neuen Sees“ wurde von Adlon & Dressel betrieben. Gegenüber lag vor dem Haupt-Industrie-Gebäude das Café Bauer. Davor lud der Gondelhafen zu Fahrten mit venezianischen Gondeln auf dem See ein. Auch die bekannten Berliner Gastronomen Aschinger waren mehrfach auf der Ausstellung vertreten. Außerdem boten Unternehmen wie Sarotti, Hoffmann & Tiede, die Breslauer Wurstfabrik, das Bürgerliche Brauhaus Pilsen, die Brauerei Patzenhofer, Tucherbräu und viele andere ihre Produkte an. Frisch gezaptes Bier und warme Speisen konnte man auch in einem Automaten-Restaurant im Vergnügungspark erstehen.
Im Vergnügungspark trugen Hagenbecks Thierzirkus und Nordpol-Panorama, Dr. Wölferts Lenkbares Luftschiff, ein Ballonplatz, die Wasserrutschbahn, das American Theatre, das Luft-Carussel und vieles mehr zum vielfältigen Programm bei.
In der Deutschen Kolonial-Ausstellung an der heutigen Rubensstraße in Schöneberg waren Dörfer aus Ostafrika, Togo, Kamerun und Neu-Guinea nachgebaut. Etwa 400 „Eingeborene“ waren eigens für diese Ausstellung nach Berlin gebracht worden und wohnten dort, um authentisches Leben in fernen Ländern zu demonstrieren.
In Kairo wurden Gassen der Kairoer Altstadt nachgebildet mit arabischem Café, Moschee und Basaren. Auch Pyramiden und ein Fellachen-Dorf ergänzten das exotische Ensemble. Mittels eines Aufzuges konnte man die größte Pyramide (die tatsächlich nur in der Vorderseite steinern errichtet war) zur Spitze hinauffahren und als Aussichtspunkt benutzen.
Alt-Berlin war der Nachbau eines Berliner Stadtteils mit Marktplatz, Rathaus und dem Theater „Alt-Berlin“ des Architekten Bernhard Sehring.
Auch Otto Lilienthal präsentierte sich mit seiner Firma für Dampfmaschinen auf der Ausstellung. Seine ursprünglich geplanten Flugvorführungen wurden aber nicht genehmigt und so musste er sich damit begnügen, am 16. Juni einen Vortrag über „Praktische Flugversuche“ zu halten.
Das Riesenfernrohr löste besonderes Interesse bei den Besuchern aus, obwohl das von Friedrich Simon Archenhold entwickelte Fernrohr, das auch Himmelskanone genannt wurde, erst im September voll funktionstüchtig war. Das mit einer Brennweite von 21 Metern bis heute größte Linsenfernrohr der Welt war in einem Holzgebäude untergebracht. Wegen des großen Interesses und des fehlenden Geldes zum Abbau nach der Gewerbeausstellung entstand hieraus später die älteste und größte Volkssternwarte Deutschlands: die Archenhold-Sternwarte. Sie ist das einzig Erhaltene der großen Schau. Alles andere musste nach der Ausstellung wieder aus dem Treptower Park entfernt werden, denn die Genehmigung war nur unter der Maßgabe erteilt worden, dass die Parkanlagen keinen Schaden nahmen.
Weitere Attraktionen waren das Alpenpanorama, die Marine-Schauspiele und das Gebäude der Stadt Berlin. Die Industriehalle selbst war durch ihre Architektur damals berühmt, sowohl durch ihre Größe wie Formensprache – eine Erinnerung der Bauart findet sich in der heute noch existierenden Oberbaumbrücke, die zeitgleich mit der Gewerbeausstellung von 1894 bis 1896 etwas flussabwärts errichtet wurde.
Einige Firmen leisteten sich eigene Pavillons mit eigenen Attraktionen, Siemens & Halske zeigte einen Riesendynamo, Wilhelm Conrad Röntgen zeigte erstmals öffentlich die medizinische Anwendung seiner X-Strahlen, Carl Zeiss stellte hochpräzise wissenschaftliche Geräte aus, und die AEG brachte Licht in die Ausstellung – in bis dahin nie gesehenem Umfang wurde das Ausstellungsgelände am Abend mit tausenden Glühlampen (einer noch jungen und noch teuren Erfindung) hell erleuchtet – das elektrische Licht war damals selbst schon eine Attraktion.
Gliederung der Ausstellung
Die Ausstellung war in 23 Gruppen aufgeteilt:
- I. Textil-Industrie
- II. Bekleidungs-Industrie
- III. Bau- und Ingenieurwesen
- IV. Holz-Industrie
- V. Porzellan-, Chamotte- und Glas-Industrie
- VI. Kurz- und Galanteriewaren
- VII. Metall-Industrie
- VIII. Graphische und decorative Künste. Buchgewerbe
- IX. Chemie
- X. Nahrungs- und Genuss-Mittel
- XI. Wissenschaftliche Industrie
- XII. Musik-Instrumente
- XIII. Maschinenbau, Schiffbau und Transportwesen
- XIV. Elektrotechnik
- XV. Leder- und Kautschuk-Industrie
- XVI. Papier-Industrie
- XVII. Photographie
- XVIII. Wohlfahrts-Einrichtungen
- XIX. Unterricht und Erziehung
- XX. Fischerei
- XXI. Sport
- XXII. Gartenbau
- XXIII. Deutsche Kolonial-Ausstellung
Literatur
- Die Berliner Gewerbeausstellung 1896 in Bildern. 1997, ISBN 3-931703-07-X
- Hella Kaeselitz (Hrsg.), Erhard Crome, Kerstin Ohms, Horst Köhler (Mitarb.): Die verhinderte Weltausstellung. Beiträge zur Berliner Gewerbeausstellung 1896. 1996, ISBN 3-929666-25-1
- Julius Stinde: Hotel Buchholz. Ausstellungs-Erlebnisse der Frau Wilhelmine Buchholz. Herausgegeben von Julius Stinde. Berlin: Freund & Jeckel 1897
- Georg Simmel: Berliner Gewerbe-Ausstellung [25.7.1896]. In: Georg Simmel: Gesamtausgabe. Band 17, Hg. v. Klaus Christian Köhnke. Frankfurt am Main 2004, S. 33–36.
- Alexander C. T. Geppert: Weltstadt für einen Sommer: Die Berliner Gewerbeausstellung 1896 im europäischen Kontext. In: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins 103.1 (Januar 2007), S. 434–448.
- Alexander C. T. Geppert: Fleeting Cities. Imperial Expositions in Fin-de-Siècle Europe (engl.). Palgrave Macmillan, Basingstoke 2010. ISBN 9780230221642
Filme
- Die Pyramiden vom Treptower Park. Dokumentarfilm von Daniel und Jürgen Ast, RBB 2005
Weblinks
Commons: Berliner Gewerbeausstellung 1879 – Album mit Bildern und/oder Videos und AudiodateienCommons: Berliner Gewerbeausstellung 1896 – Album mit Bildern und/oder Videos und AudiodateienKategorien:- Berliner Geschichte (19. Jahrhundert)
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