- Berliner Stadtverordnetenversammlung
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Die Berliner Stadtverordnetenversammlung war das Kommunalparlament der Stadt Berlin. Seit 1951 ist das Land Berlin ein Stadtstaat. Die Nachfolge der Berliner Stadtverordnetenversammlung hat das Abgeordnetenhaus von Berlin als Landesparlament einerseits und die Bezirksverordnetenversammlung auf Bezirksebene andererseits wahrgenommen.
Inhaltsverzeichnis
Preußen
Die preußische Städteordnung von 1808 regelte erstmals die Einführung einer Volksvertretung auf kommunaler Ebene. Die Wahlen zur neu eingerichteten Berliner Stadtverordnetenversammlung waren jedoch nach heutigen Maßstäben wenig demokratisch. Das Zensuswahlrecht band die Wahlberechtigung an Einkommen bzw. Grundbesitz. Voraussetzung für das aktive Wahlrecht war ein Mindesteinkommen (150-200 Taler), der sogenannte Zensus. Das passive Wahlrecht war an Grundbesitz gebunden. Wahlberechtigt waren nur Männer[1]. Das Frauenwahlrecht wurde erst in der Weimarer Republik eingeführt.
Die erste Sitzung der Berliner Stadtverordnetenversammlung war am 6. Juli 1809 in der Nikolaikirche. Am 6. Januar 1870 tagte die Berliner Stadtverordnetenversammlung erstmals im neuen Roten Rathaus, dem Symbol der bürgerlichen Stadtverwaltung und ihres aufkommenden bürgerlichen kommunalen Selbstbewusstseins – auch gegenüber den preußischen Landesbehörden.
Die Vorsteher der Berliner Stadtverordnetenversammlung von 1809 bis 1918
- Leopold von Gerlach (* 1757, † 1813): 1809
- Paul Humbert 1809 bis 1818
- Philipp Krutisch 1819 bis 1820
- Christian Behrendt 1821 bis 1822, 1826
- Ernst von Koenen 1823 bis 1824
- Wilhelm Junge 1825
- Johann Ludwig Uhde 1827
- Johann Friedrich Dasselmann 1828 bis 1844
- Friedrich Fournier 1845 bis 1848
- Gustav Seidel 1848 bis 1850
- August Otto Fähndrich 1850 bis 1857
- Karl Esse 1858 bis 1860
- Karl Lüttig 1860 bis 1862
- Heinrich Kochhann (* 1805, † 1890; 39. Ehrenbürger der Stadt (1875)): 1863 bis 1874
- Wolfgang Straßmann 1875 bis 1885
- Walter Büchtemann 1885 bis 1886
- Albert Stryck 1886 bis 1893
- Paul Langerhans senior (*1820, † 1909; 45. Ehrenbürger der Stadt (1900)): 1893 bis 1908
- Paul Michelet (*1835, † 1926; 51. Ehrenbürger der Stadt (1914)): 1908 bis 1918
Im Roten Rathaus erinnern noch heute Gedenktafeln an die erste Sitzung der Stadtverordnetenversammlung im neuen Haus (im Innenhof) sowie – kaum noch leserlich – an alle Stadtverordnetenvorsteher der Jahre 1809 bis 1908 (linksseitig im Durchgangsbereich vom östlichen Seiteneingang, Jüdenstraße 1, zum Innenhof).
Weimarer Republik
In der Weimarer Republik erfolgten erstmals freie Wahlen zur Stadtverordnetenversammlung. 1920 wird Berlin mit dem "Gesetz über die Bildung einer neuen Stadtgemeinde Berlin" zu Groß-Berlin deutlich erweitert.
Die Vorsteher der Berliner Stadtverordnetenversammlung von 1918 bis 1933
- Paul Michelet, bis 1919
- Hermann Weyl (USPD) und Hugo Heimann (SPD), 1919 bis 1920
- Wilhelm Caspari (DVP), 1921 bis 1924
- Johannes Hass (SPD), 1924 bis 1933
- Karl Spiewok (NSV), 1933
Wahlen zur Berliner Stadtverordnetenversammlung
Diese Liste beinhaltet die Ergebnisse der Wahlen zur Berliner Stadtverordnetenversammlung in der Weimarer Republik.
1919
Partei Anteil Sitze Grafik USPD 33,0% 47 SPD 31,8% 46 DDP 14,5% 21 DNVP 10,5% 16 Zentrum 5,7% 8 DVP 4,6% 6 1920
Partei Anteil Sitze Grafik USPD 38,5% 87 DVP 17,8% 40 SPD 17,2% 39 DNVP 11,4% 26 DDP 7,1% 16 Zentrum 3,7% 8 WP 3,6% 8 Handel und Gewerbe 0,5% 1 1921
Partei Anteil Sitze Grafik SPD 20,5% 46 USPD 19,2% 44 DNVP 18,6% 42 DVP 15,5% 35 KPD 9,5% 20 DDP 7,4% 17 WP 5,1% 12 Zentrum 3,7% 8 DSP 0,7% 1 1925
Partei Anteil Sitze Grafik SPD 32,6% 72 DNVP 20,8% 47 KPD 18,8% 43 DDP 9,3% 21 DVP 6,0% 14 WP 4,0% 10 Zentrum 3,4% 8 DVFP 1,5% 3 DSP 1,4% 3 EGB 0,9% 2 USPD 0,8% 1 1929
Partei Anteil Sitze Grafik SPD 28,4% 64 KPD 24,6% 56 DNVP 17,6% 40 DVP 6,7% 16 DDP 6,0% 14 NSDAP 5,8% 13 WP 4,4% 10 Zentrum 3,6% 8 CSVD 1,3% 3 DVFP 0,3% 1 1933
Partei Anteil Sitze Grafik NSDAP 38,3% 86 SPD 22,0% 50 KPD 19,5% 44 DNVP 12,1% 27 Zentrum 2,7% 11 DStP 2,1% 4 DVP 0,7% 2 CSVD 0,6% 1 NS-Zeit
Am 27. Juni 1933 fand die letzte Sitzung der Berliner Stadtverordnetenversammlung statt. Bereits am 15. März war der gewählte Berliner Magistrat aufgelöst und der Stadtverordnete Lippert (NSDAP) durch den preußischen Innenminister Göring (NSDAP) zum Staatskommissar ernannt worden.
Nachkriegszeit
Am 20. Oktober 1946 findet die erste Wahl zur Berliner Stadtverordnetenversammlung nach dem Krieg statt. Die Wahl erfolgt in Groß-Berlin, d.h. in allen vier Sektoren. Die Wahl endet mit einem Sieg der SPD und einem Fiasko für die SED. Die Wahlen zeigten laut Hermann Weber, dass die SED in Konkurrenz zur SPD und bei freien Wahlen „keinerlei Chance besaß, die angestrebte Hegemonie zu erlangen“.[2]
Partei SPD CDU SED LPD Anteil 48,7 % 22,2 % 19,8 % 9,3 %[3] Otto Suhr wird am 26. November 1946 zum Stadtverordnetenvorsteher gewählt.
Die politische Arbeit der demokratischen Parteien in Ost-Berlin wird zunehmend behindert. Am 11. März 1948 beschließt die Stadtverordnetenversammlung mit den Stimmen der demokratischen Parteien einen Protest gegen die Behinderung der Arbeit der demokratischen Parteien im Ostsektor der Stadt.
Mit der Beendigung der gemeinsamen Arbeit der Alliierten Kommandantur Berlin am 16. Juni 1948 durch die sowjetische Delegation, der Durchführung der Währungsreform in West-Berlin, der Berlin-Blockade und der Abriegelung der Westsektoren wird auch der Arbeit der Berliner Stadtverordnetenversammlung die Basis entzogen.
Am 30. November 1948 kommen die 23 Stadtverordneten der SED (gemeinsame mit etwa 1.600 Delegierte kommunistisch beherrschter Organisationen (Demokratischer Block)) zusammen und erklären den Magistrat für abgesetzt. Ein "provisorischer demokratischer Magistrat" unter Kontrolle der SED wird für Ost-Berlin gebildet. Dies ist das Ende der einheitlichen Kommunalverwaltung in Ost und West.
Am 5. Dezember 1948 findet in den Westsektoren eine letzte Wahl zur Berliner Stadtverordnetenversammlung statt. Eine Wahl in Ost-Berlin wurde von der SMA untersagt. Die SPD gewinnt die Wahl mit 64,5 Prozent der Stimmen.
Partei SPD CDU FDP Anteil 64,5 % 19,4 % 16,1 %[4] Am 3. Dezember 1950 erfolgten die ersten Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus.
DDR
Während der Zeit der DDR bestand die Berliner Stadtverordnetenversammlung weiter. Die „Wahlen“ fanden auf Basis von Einheitslisten statt, die ausschließlich Kandidaten der Nationalen Front aufwiesen (siehe Politisches System der DDR). Die Bedeutung der Stadtverordnetenversammlung war gering. Entscheidungen wurden von der SED vorgegeben.
Die Wahl vom 6. Mai 1990 war die erste und gleichzeitig auch letzte Wahl der Berliner Stadtverordnetenversammlung während der Zeit der DDR, die demokratischen Wahlgrundsätzen entsprach.
Quellen
Kategorien:- Politik (Berlin)
- Berliner Geschichte (19. Jahrhundert)
- Berliner Geschichte (20. Jahrhundert)
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