Burg Stein (Hessen)

Burg Stein (Hessen)

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Burg Stein
Alternativname(n): Zullestein, Kellerei Stein, Schlossberg, Schlossbuckel
Entstehungszeit: 800 bis 900
Burgentyp: Niederungsburg
Erhaltungszustand: Fundamente
Ständische Stellung: Klerikale, Grafen
Ort: Biblis-Nordheim
Geographische Lage 49° 42′ 13,3″ N, 8° 23′ 32,3″ O49.70378.392393Koordinaten: 49° 42′ 13,3″ N, 8° 23′ 32,3″ O
Höhe: 93 m ü. NN
Burg Stein (Hessen)
Burg Stein

Burg Stein, auch Zullestein, Kellerei Stein, Schlossberg, Schlossbuckel genannt, war eine Niederungsburg mit angeschlossener Siedlung in der Nähe des Dorfs Biblis-Nordheim, Kreis Bergstraße in Hessen. Seit römischer Zeit ist hier eine Festung nachweisbar, die mittelalterliche Burg wurde Ende des 17. Jahrhunderts völlig zerstört und geriet in Vergessenheit. Erst 1957 wurden die erhaltenen Fundamente bei Ölbohrarbeiten wiederentdeckt.

Inhaltsverzeichnis

Anlage einer Festung in römischer Zeit

180° Panorama der Burganlage

In der 2. Hälfte des 3. Jahrhunderts verlegten die Römer den Lauf der Weschnitz, indem sie bei Lorsch die Dünenhügel durchbrachen und westlich zum Rhein einen Kanal schufen. Danach konnten die bis zu 30 Tonnen schweren Steinblöcke durch Stauung der Weschnitz vom Felsberg im Odenwald (Granit) oder von Auerbach (Marmor) zu den römischen Kastellen bis nach Trier transportiert werden. Dort wurde zwischen 328 und 337 die Basilika gebaut. Die Steinbruch- und Durchgangsrechte sicherten sich die Römer durch einen Vertrag mit dem Alamannenkönig Macrian.

Im 4. Jahrhundert entstand an der neuen Weschnitzmündung eine spätrömische mehrgeschossige Festung (Burgus) bzw. Wachturm auf einer Grundfläche von 21,3×15 Metern und eine Schiffsanlegestelle von 42 Meter Länge. Die Zeit der Errichtung vermutet man unter Kaiser Valentinian I. (364–375). 100 Jahre nach dem Rückzug der Römer vom Limes auf das linksrheinische Ufer baute man zur Sicherung den Schiffsländeburgus auf dem germanischen Gegenufer, das von Alamannen bewohnt war. Den Ort nannte man Zullestein, was von einem keltischen Flussgott abgeleitet sein soll. Eine ähnliche Kleinfestung wurde in Trebur-Astheim entdeckt und 2003 ausgegraben.[1] Nach 400 gaben die Römer die kleine Befestigung auf, sodass sie allmählich verfiel.

Die Siedlung Zullestein

Am 26. Mai 836 schenkte König Ludwig II., der Deutsche, dem Grafen Werner (Werinher) seine Güter in Biblis, Wattenheim und in dem Dorf Zullestein.[2] 846 schenkte Graf Werner die drei genannten Orte weiter an das Kloster Lorsch.[3] Danach erfolgte der Ausbau als Hafen, Handelsplatz und Siedlung, wie später Keramikfunde belegen konnten.

995 erhielt die Burg mit dem neuen Namen Stein von Otto III. das Marktrecht auf Empfehlung und Bitte des Abtes Salamann vom Kloster Lorsch. Damit wurden dem Kloster die Nutzungsrechte übertragen. Der Ort war Sitz und Verwaltung der Kellerei (Steuereinnehmerei).[4]

Die neue Burg Stein

1068 gelangte Stein an die Wormser Bischöfe, die eine neue Burg errichteten. Die Einwohner waren danach dem St. Andreasstift zehntpflichtig. Im Mai 1160 erfolgte nach einem längeren Rechtsstreit zwischen Kloster Lorsch und dem Wormser Bürger Werner ein Ausgleich. Als Zeugen waren unter vielen anderen auch die Wormser Dienstleute Sigfrid und sein Bruder Burkard von Steine anwesend.[5] Ab 1232 entstand ein runder Bergfried, wie ihn Matthäus Merian der Ältere vor der Zerstörung im Dreißigjährigen Krieg gezeichnet hat.

Die Burg wird kurpfälzisch

1363 wurde von Bischof Dietrich die Kellerei vom Stein zur Hälfte an den Grafen Walram von Sponheim versetzt. 1380 gehörte die Kellerei zur Hälfte der Kurpfalz. 1385 setzte sich Ruprecht I. von der Pfalz mit einem Kondominatsanteil (gemeinsame Herrschaft) in der Kellerei Stein fest. Am 8. Januar 1387 begann die Steiner Pfandschaft, wonach die Kellerei mit ihren drei Amtsorten Lampertheim, Hofheim und Nordheim zur Hälfte an die Kurpfalz verpfändet werden.

In seiner Regierungszeit von 1450 bis 1476 setzte sich Friedrich I., der Siegreiche, das Ziel, das Raubrittertum zu bekämpfen. Dies war deshalb hier notwendig, weil zwischen der Burg Stein und dem linksrheinischen Ibersheim, von einem Turm beim Schloss, Flaggensignale zur Verständigung ausgetauscht wurden, damit man anschließend die Handelsleute auf dem Rhein überfallen konnte.

Am 17. Januar 1463 verkaufte der Statthalter und Hauskomtur des Deutschen Ordens in Ibersheim seine Wiesen auf der rechtsrheinischen Seite an zehn Nordheimer Bürger. 1486 hatte Diether vom Steyn (Dechant) bei der Ausfertigung des umfangreichen Ibersheimer Weistums eine maßgebliche Rolle inne. 1504 eroberte Landgraf Wilhelm II. von Hessen die Burg Stein in der pfalz-bayrischen Fehde. Daraufhin blieb sie bis 1517 bei Hessen. Seit 1507 ist Thönges Wolff von Todenwarth hessischer Keller auf der Burg Stein und von 1510 bis 1518 dortiger Amtmann. In der Zeit von 1550 bis 1650 legte das Amt Starkenburg zusätzlich einen Landgraben als Landwehr zwischen der Burg Stein und Bensheim an.

Die Kellerei Stein im Dreißigjährigen Krieg. Darstellung bei Matthäus Merian: Topographia Palatinatus Rheni.

Burg Stein im Dreißigjährigen Krieg

Am 21. August 1621 eroberten die Spanier die Burg Stein unter ihrem neuen Kommandeur Goncalo Fernándes de Córdoba, dem Nachfolger von Spinola. Sie kamen mit 2000 Berittenen, 4000 Mann Fußvolk und vier Geschützen. Vor dieser Übermacht musste die Besatzung Friedrichs V., des Winterkönigs, unter dem Obersten Hans Michael Elias von Obentraut, deutscher Michel genannt, abziehen. Von der Veste gibt es ein zeitgenössisches Blatt mit der Pontonbrücke und den beiden Brückenköpfen.

Als 1631 die Schweden unter Gustav II. Adolf herannahten, steckten die spanischen Truppen der kaiserlich-katholischen Liga, die Burg Stein in Brand. Vorher konnte Merian noch seine Zeichnung anfertigen und 1645 einen Kupferstich der Kellerei Stein in seiner Topographia Palatinatus Rheni veröffentlichen.

Das Ende der Burg

1657 beschlossen Kurfürst Carl Ludwig von der Pfalz und der Erzbischof Johann Philipp von Mainz die Burg abzubrechen. Spätestens 1688 und 1689 bei der Pfalzverwüstung verschwand auch der mehr als 400 Jahre alte markante Rundturm. Durch Steinraub sind Teile der oberirdischen Gebäude nach Nordheim und Ibersheim (Steinmetzzeichen M bzw. W) gekommen.

Am 26. August 1705 endete die Steiner Pfandschaft vom 8. Januar 1387 durch einen Vertrag zwischen Fürstbischof Franz Ludwig von Pfalz-Neuburg und Kurfürst Johann Wilhelm, nach dem das Hochstift von Worms die Kellerei Stein mit Lampertheim von der Kurpfalz erhielt.

Von der bischöflich wormsischen Regierung ersteigerten 1785 verschiedene Nordheimer Bürger Grundstücke, die zur Burg Stein gehörten. Das Steiner Gut war damals in 30 Lose bzw. Nummern aufgeteilt und abgesteint worden.

Weil der hessische Großherzog das Land um die ehemalige Burg unbedingt haben wollte, verkauften die Nordheimer Bürger 10 Morgen und 195 Klafter für wenig Geld.

Wiederentdeckung und wissenschaftliche Aufarbeitung

Am 25. September 1957 begann die Firma Gewerkschaft Elwerath, Hannover (später BEB, dann Wintershall und heute Exxon Mobil) mit der sechsten Bohrung nach Erdöl in Wattenheim und stieß dabei auf die Fundamente der bis dahin verschollenen Burg Stein. Die Fundstelle liegt ca. 500 m vom heutigen Rheinufer entfernt südlich der Weschnitzmündung. Am 12. März 1958 endete die Erdölbohrung in den Pechelbronner Schichten (unteres Oligozän) bei einer Tiefe von 2.415 m.[6]

Am 8. Juli 1970 begannen die Ausgrabungen nach den Resten der Burg durch die Landesarchäologen, Außenstelle Darmstadt, unter der Leitung von Dr. Werner Jorns am „Schlossbuckel“. Diese Arbeiten zogen sich bis 1972 hin und wurden durch die Betreiber des nahegelegenen Kernkraftwerks Biblis, RWE und Hochtief finanziell unterstützt.

Die wissenschaftliche Veröffentlichung erfolgte 1974 durch Friedrich Knöpp, Archivdirektor des Staatsarchivs Darmstadt. Nach 1980 erfolgte die Übergabe zur Pflege der Ausgrabungsstätte an die Gemeinde Biblis. 1989 veröffentlichte Dr. Werner Jorns in verschiedenen Schriften Beiträge zum „Zullestein“. 2001 folgte eine Dissertation von Sven-Hinrich Siemers zur Geschichte der Burg. 2001 entdeckte man im Wormser Stadtarchiv das älteste Salbuch, auch Pompernal genannt, der ehemaligen Kellerei Stein. 2005 trat die Gemeinde Biblis dem Geopark Bergstraße-Odenwald bei, der für die Wartung der 30 Jahre alten Anlage verantwortlich ist. Der Verein für Heimatgeschichte Nordheim (VfH) fordert Pflegemaßnahmen an der Grabungsstätte, weil sonst Verfall droht.

Literatur

  • Dietwulf Baatz: Zullestein HP. Spätröm. Burgus. In: Dietwulf Baatz und Fritz-Rudolf Herrmann (Hrsg.): Die Römer in Hessen. Lizenzausgabe der 3. Auflage von 1989. Nikol, Hamburg 2002, S. 504-506. ISBN 3-933203-58-9.
  • Fritz-Rudolf Herrmann: Der Zullenstein an der Weschnitzmündung. Führungsblatt zu dem spätrömischen Burgus, dem karolingischen Königshof und der Veste Stein bei Biblis-Nordheim, Kreis Bergstraße. Abt. Archäolog. Denkmalpflege im Landesamt für Denkmalpflege Hessen, Wiesbaden 1989, ISBN 3-89822-082-6, (Archäologische Denkmäler in Hessen 82).
  • Rudolf Knappe: Mittelalterliche Burgen in Hessen: 800 Burgen, Burgruinen und Burgstätten. 3. Aufl. Wartberg-Verlag. Gudensberg-Gleichen 2000. ISBN 3-86134-228-6, S. 574.
  • Jörg Lindenthal: Kulturelle Entdeckungen. Archäologische Denkmäler in Hessen. Jenior, Kassel 2004, S. 30–32. ISBN 3-934377-73-4
  • Sven-Hinrich Siemers: Von der karolingischen Handelssiedlung Zullestein zur Festung Stein bei Biblis-Nordheim, Kreis Bergstraße. Dissertation. Mainz 2001.

Einzelnachweise

  1. Alexander Heising: „Sensationsfund im Kartoffelacker“ – spätrömische Kleinfestung und frühmittelalterliche Gräber bei Trebur-Astheim. In: hessenARCHÄOLOGIE 2003 S. 119–123 und www.archaeologie.uni-frankfurt.de
  2. Lorscher Kodex, Urk. Nr. 26, Reg. 3285
  3. Lorscher Kodex, Urk. Nr. 27, Reg. 3327
  4. Lorscher Kodex, Urk. Nr. 84, Reg. 3592
  5. Lorscher Kodex, Urk.Nr. 163, Reg. 3646
  6. Prüfprotokoll des Fördermeisters Karl-Heinz Kreuschner, Biebesheim

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