St. Pauli Elbtunnel

St. Pauli Elbtunnel
Schema des Alten Elbtunnels

Der 1911 eröffnete St. Pauli Elbtunnel – in Abgrenzung zum seit 1975 bestehenden Neuen Elbtunnel auch Alter Elbtunnel genannt – unterquert die Norderelbe auf einer Länge von 426,5 Metern und verbindet mit zwei Tunnelröhren die nördliche Hafenkante bei den St. Pauli-Landungsbrücken (Nordeingang53.5459277777789.9666361111111) mit der Elbinsel Steinwerder (Südeingang53.541859.9665555555555). Er wird als öffentlicher Verkehrsweg, sowohl von Fußgängern und Radfahrern sowie eingeschränkt von Kraftfahrzeugen, genutzt. Er galt bei seiner Eröffnung als technische Sensation, steht seit 2003 unter Denkmalschutz und wurde am 7. September 2011 von der Bundesingenieurkammer und der Hamburgischen Ingenieurkammer-Bau mit dem Titel Historisches Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst in Deutschland ausgezeichnet. Die Ehrentafel wurde am St. Pauli-Eingang angebracht.

Inhaltsverzeichnis

Baugeschichte und Architektur

Planung

Nordeingang des alten Elbtunnels (links) mit Landungsbrücken (rechts)
Der Südeingang im Eröffnungsjahr 1911. Das Gebäude wurde bei den Luftangriffen auf Hamburg beschädigt und mit einem Flachdach versehen wieder aufgebaut.
Aufzug für Fahrzeuge
Blick vom Tunnelgrund auf die Nordkuppel und Fahrkörbe
Übergang zwischen Zugangsbauwerk und Tunnelröhren auf Steinwerder
Majolikarelief mit Stiefel und Ratten

Um die zunehmenden Verkehrsströme auf der Elbe in den Griff zu bekommen, wurde seit Ende des 19. Jahrhunderts über eine dauerhafte technische Lösung zur Elbquerung nachgedacht. Hintergrund war das enorme Wachstum des Hamburger Hafens und dessen damit einhergehenden Verlagerungen auf die der Stadt gegenüberliegende Elbseite. Man erhoffte sich davon weniger Behinderung der Schifffahrt durch kreuzende Hafenfähren und eine verbesserte Anbindung der großen Werften auf Steinwerder, wie Blohm & Voss, AG Vulcan und der Reiherstiegwerft sowie der Umschlagsplätze der neu entstandenen Hafenbecken im Bereich des Freihafens. Die seit 1888 bestehenden Fährlinien der HADAG konnten den bei Schichtwechsel entstehenden Strom der Arbeiter nicht bewältigen. Insgesamt waren 1895 im Hamburger Hafen 20.000 Werft- und 25.000 Hafenarbeiter beschäftigt. Hinzu kam, dass viele sich die Fähren finanziell nicht leisten konnten oder der Betrieb witterungsbedingt, zum Beispiel im Winter bei Schnee und Eis, eingeschränkt war.

Als technische Lösungen waren zunächst auch eine bewegliche Brücke oder eine Schwebefähre in der Diskussion. Beide Lösungen hätten den Schiffsverkehr behindert und wurden daher wieder verworfen. Eine ebenfalls untersuchte Lösung mittels Hochbrücke hätte eine lichte Höhe von 55 Meter haben müssen und wäre dadurch sehr teuer geworden. Da es zu dieser Zeit bereits englische und amerikanische Vorbilder gab, die die grundsätzliche technische Machbarkeit einer Flussunterquerung demonstrierten, wurde auch ein Tunnel in die Überlegungen einbezogen. Schließlich wurde 1901 eine Entscheidung getroffen, und Baurat Ludwig Wendemuth konzipierte einen Elbtunnel. Ausgelegt war die Röhre mit einer Breite von 4,70 Meter und einer Mindesthöhe von ebenfalls 4,70 Meter für eine Mittelfahrbahn von 1,82 Meter Breite (was der damaligen Spurweite der Pferdefuhrwerke entsprach) und zwei erhöhten Fußwegen von 1,44 Meter Breite auf beiden Seiten. So konnte der Fußgängerverkehr in beiden Richtungen ungestört verlaufen; die einzige Fahrbahn musste abwechselnd benutzt werden.

1904 ergab die Senatsvorlage für den Tunnelbau zwei parallele Röhren zu je 4,80 Metern Durchmesser, hoch genug für eine Passage mit aufgestellten Pferdepeitschen, wie böse Zungen behaupteten.[1]

Bau

Bei dem unter der Leitung von Otto Stockhausen 1907 begonnenen Bau wurde Druckluft eingesetzt, um mittels des so erzeugten Überdrucks das Eindringen von Wasser zu verhindern. Durch die unterschiedlichen Bodenbeschaffenheiten mussten zwei unterschiedliche Bauverfahren angewandt werden. Die vertikale Ausschachtung auf der Steinwerder Seite erfolgte mit Hilfe eines eisernen Senkkastens. Auf der St.Pauli-Seite wurde ein Ring ausgehoben, der mit Beton ausgefüllt wurde. Dann wurde der Kern ausgegraben und der Schacht fertiggestellt. Die beiden horizontalen Tunnelröhren baute man im Schildvortriebsverfahren, sie führen mit einer Sohlentiefe von 24 Meter von den St.-Pauli-Landungsbrücken nach Steinwerder am südlichen Ufer der Norderelbe. Die Oberkante der sechs Meter hohen Röhren liegt zwölf Meter unterhalb des mittleren Hochwassers. Zwischen Tunnelröhre und Flussbett lag eine drei Meter dicke Schlickschicht.

Beim Bau unter Überdruck kamen drei Arbeiter durch die Taucherkrankheit ums Leben, zwei weitere starben bei Unfällen. Insgesamt wurden etwa 4.400 Arbeitskräfte eingesetzt. Das Werk verursachte Baukosten von 10,7 Millionen Goldmark.

Eröffnung

Der Tunnel wurde am 7. September 1911 für den Fußgängerverkehr und im November 1911 für Pferdefuhrwerke und Kraftfahrzeuge eröffnet. Die Presse kommentierte:

  • „mit lauter Sprache reden, wie die moderne Technik zu Lande, zu Wasser und unter dem Wasser die an sie herantretenden Aufgaben überwindet“ (Hamburger Fremdenblatt, 21. Mai 1911)
  • „Seine einem Mausoleum nicht unähnliche Gestalt ist wohl geeignet, beim Beschauer, der den Zweck nicht ahnt, ein Grübeln über dessen Bestimmung zu wecken“ (Deutsche Bauhütte, 1911)
  • „als einen von den licht- und formenfrohen Mächten des modernen Zeitgeschmacks durchfluteten Zeitgedanken, der zwar völlig im Zwecke aufgeht, bei dessen Verwirklichung aber nichts unterlassen worden ist, was beiträgt, diesem Zwecke die Schönheit zu verbinden“ (Hamburger Nachrichten, 13. Juli 1911).

Gestaltung und Besonderheiten

Der Tunnel verfügt nicht über Zufahrtsrampen. Die Fahrzeuge werden stattdessen in je vier Fahrkörben pro Schacht befördert, das sind seit 1911 Trommelaufzüge mit Gegengewichten. Die mittleren Lastenaufzüge haben eine Tragfähigkeit von je zehn Tonnen (10.000 Kilogramm) und haben eine Nutzlänge von etwa 9,50 Meter. Sie sind länger als die beiden äußeren Aufzüge von je sechs Tonnen und einer Länge von etwa 7,30 Metern. Über den Schächten wurden nach Plänen der Altonaer Architektengemeinschaft Raabe & Wöhlecke zwei sich in den Maßen gleichende Gebäude errichtet - auf der St.Pauli-Seite aus Tuffstein, auf der Steinwerder-Seite aus Ziegeln - mit kupferbeschlagenen Kuppeln. Dort sind auch die Antriebe für die Fahrkörbe untergebracht. Der Südeingang auf Steinwerder wurde bei den Luftangriffen auf Hamburg teilzerstört und die Kuppel ist beim Wiederaufbau durch ein unscheinbares Flachdach ersetzt worden. Die erhalten gebliebene Kuppel des Nordeingangs wurde im Jahr 2008 renoviert.

An den gefliesten Wänden der Tunnelröhren sind in regelmäßigen Abstand kleine Steinzeugreliefs eingefügt. Auf ihnen wird thematisch die darüberliegende Elbe dargestellt. Hierzu gehören Abbildungen von Fischen, Krebsen, Muscheln, aber auch von Ratten und weggeworfenen Gegenständen.

Nutzungsgeschichte und Umbauten

Umbauten und Sanierung

Der Tunnel war für Fußgänger zunächst über feste Treppen und zwei Personenaufzüge zugänglich, die in den Schachtgebäuden in die Tiefe führten. Im Rahmen einer Modernisierung wurden 1959 zusätzlich zu diesen Treppen die längsten freitragenden Rolltreppen Deutschlands nachgerüstet. Nachdem die Fahrtreppen 1991 verschlissen waren, den Vorgaben des TÜV nicht mehr entsprachen und ein Umbau aus Kostengründen nicht umsetzbar erschien, wurden diese 1993 entfernt und stattdessen auf jeder Seite durch einen zusätzlichen Personenaufzug ersetzt. Zusätzlich erneuerte man den bereits vorhandenen Personenaufzug.

Bei der Elbvertiefung 1981/82 wurde die Überdeckung des Tunnels bis auf einen Meter reduziert. Während dieser Arbeiten waren Teile des Tunnels durch eine Stahlbetonwand vom restlichen Tunnelsystem abgetrennt. Als Schutz gegen das Aufschwimmen und Beschädigungen wurde eine Stahlbeton-Konstruktion auf den Tunnel gelegt, wodurch die Wassertiefe auf 10,60 Meter bezogen auf KN Seekartennull erhöht werden konnte.

Im Jahr 1994 wurde mit einer Grundsanierung begonnen, deren Ziel die Wiederherstellung des Erscheinungsbildes von 1911 und der Einbau moderner Technik ist, darunter neue Personenaufzüge sowie moderne Hochwassertore. Die Kosten betrugen bislang etwa 15 Millionen Euro.

Nach der Sanierung des Schachtgebäudes auf der Steinwerder Seite und der fast abgeschlossenen Instandsetzung des Schachtgebäudes auf St.-Pauli-Seite sind jetzt die beiden Tunnelröhren des 100 Jahre alten, denkmalgeschützten Bauwerks an der Reihe. Die Hamburg Port Authority investiert einen zweistelligen Millionenbetrag in die Erneuerung und damit in den Erhalt des alten Elbtunnels. Während der gesamten Baumaßnahme bleibt eine Röhre geöffnet. Für den Pkw-Verkehr wird ab dem 5. Oktober 2009 eine Richtungsstraßenregelung, ähnlich der der Sierichstraße eingerichtet. Das heißt, von 5.30 bis 13 Uhr herrscht Einbahnverkehr von den Landungsbrücken nach Steinwerder, von 13 bis 20 Uhr fließt der Verkehr vom Hafen zurück in die Stadt. Radfahrer müssen sich in diesem Zeitraum dem Verkehrsfluss anpassen oder das Rad in entgegengesetzter Richtung schieben. Zum 100. Geburtstag des Tunnels im September 2011 ist die Fertigstellung der ersten Röhre geplant, gleich danach wird die zweite in Angriff genommen, so dass die Sanierung Ende 2013 abgeschlossen werden kann.

Nutzungszahlen und Benutzungsentgelte

Seit der Eröffnung des Tunnels unterquerten pro Jahr zwanzig Millionen Menschen die Elbe. Die meisten nutzten den Tunnel, um die Arbeitsplätze im Hafen und auf den Werften zu erreichen. Mit der Automatisierung des Stückgutumschlags durch Container und dem Werftensterben in den 1970er- und 1980er-Jahren verlor der Tunnel zunächst an Bedeutung. Weniger als 500.000 Fußgänger jährlich nutzten ihn. Durch den touristischen Ausbau und das wachsende Angebot von Freizeiteinrichtungen im südseitigen Hafengebiet stiegen die Zahlen wieder. Im Jahr 2008 wurden rund 300.000 Autofahrer, 63.000 Radfahrer und 700.000 Fußgänger gezählt.

Noch heute ist der Alte Elbtunnel für Fußgänger und Radfahrer kostenfrei und zeitlich unbeschränkt begehbar, die Benutzung mit Motorfahrzeugen (motorisierte Zweiräder, PKW, Klein-LKW) ist kostenpflichtig und auf festgelegte Öffnungszeiten beschränkt.

Über die kostenfreie Benutzung für Fußgänger gab es 1906 eine hitzige Debatte in der Bürgerschaft. Von den Sozialdemokraten wurde dialektisch pointiert argumentiert: „Weil die Bourgeoisie für die Instandhaltung der Reitwege auf der Uhlenhorst auch keine Abgaben bezahlt, muss die Tunnelbenutzung für Arbeiter frei sein.“ Der Elbtunnel bildete neben den Hafenfähren die einzige Möglichkeit, den Arbeitsplatz im Hafen zu erreichen. So blieb die Benutzung für Fußgänger kostenfrei. Die unterirdische Elbquerung kostete bei der Eröffnung 1911 für Droschken, Personenwagen, leere LKW, geführte Pferde und Esel 50 Pfennig (entspricht heute 2,56 Euro[2]). Beladene Lastwagen und Gesellschaftswagen mussten eine gewichtsabhängige Gebühr bezahlen (bis vier Tonnen: eine Mark / bis sechs Tonnen: zwei Mark / bis zehn Tonnen: vier Mark). Für mitgeführte Hunde hatten die Halter eine Gebühr von zehn Pfennig zu zahlen.

Hafenwirtschaftliche Folgen

Seit nach der Globalisierung des Welthandels immer größere Schiffe gebaut werden und damit in der Handelsschifffahrt Eintauchtiefen bis zu 15 m erreicht werden, können die oberhalb des Alten Elbtunnels gelegenen Hafenbecken, in denen vor dem Zweiten Weltkrieg ein großer Teil des Hafenumschlags erfolgte, für große Containerschiffe nicht mehr angelaufen werden. In der Erkenntnis dieser Entwicklung ist schon bald nach Wiederaufnahme des Überseehandels vom Hamburger Senat damit begonnen worden, die Hafenbecken unterhalb des Alten Elbtunnels und vor allen die Waltershofer Häfen für diesen Schiffstyp auszubauen. Inzwischen hat sich dadurch das Verkehrsaufkommen deutlich sichtbar in diese Hafengebiete verlagert. Zugleich hat sich deswegen auch der Warenumschlag vom See- auf den Landtransport und umgekehrt in Hamburg dahin verändert.

Da die großen Kreuzfahrtschiffe weniger als zehn Meter Tiefgang aufweisen, können sie über den Alten Elbtunnel hinweg das Kreuzfahrt-Terminal im Strandhafen anlaufen, wo sich bis Ende der 1930er Jahre die Passagierhallen der Hamburg-Amerika-Linie befanden.

Regelmäßige Veranstaltungen

Seit 2000 wird am letzten Sonntag im Januar der Elbtunnel-Marathon veranstaltet, bei dem die beiden Tunnelröhren insgesamt 48 Mal durchlaufen werden. Außerdem findet einmal im Jahr die über die Jahre etablierte Kunstausstellung ElbArt statt.

Literatur

  • Sven Bardua: Der Alte Elbtunnel, Hamburg. Bundesingenieurkammer, Berlin 2011, ISBN 978-3-941867-03-1. (Band 8 der Reihe Historische Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst in Deutschland)
  • Hans Jürgen Witthöft: Der Alte Elbtunnel. Ein schönes Stück Hamburg. Geschichte und Geschichten. Koehlers Verlagsgesellschaft, Hamburg 2011

Weblinks

 Commons: Alter Elbtunnel – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Hans Jürgen Witthöft: Der Alte Elbtunnel. Ein schönes Stück Hamburg. Geschichte und Geschichten. Koehlers Verlagsgesellschaft, Hamburg 2011, S. 17 f. – Der geplante Tunnel unter der Elbe zwischen den Stadtteilen St. Pauli und Steinwärder in Hamburg. In: Deutsche Bauzeitung. Jg. 38 (1904), Nr. 45, urn:nbn:de:kobv:co1-opus-21389, S. 274–276, mit vier Abbildungen. – Elbtunnel für Personen- und Fuhrwerkverkehr in Hamburg. In: Zentralblatt der Bauverwaltung. Jg. 24, Nr. 47 (11. Juni 1904), urn:nbn:de:kobv:109-opus-37597, S. 301–303, mit sechs Abbildungen. – Die Zeit, 1. September 2011, S. 22
  2. Diese Zahl wurde mit der Vorlage:Inflation ermittelt und gilt für den zurückliegenden Januar
53.5449.9665

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