Chamäleon (Varieté)

Chamäleon (Varieté)
Eingangsbereich zum Chamäleon sowie zu einem Kino (2004)

Das Chamäleon (Eigenbezeichnung: CHAMĀLEON Musik Theater Varieté) ist ein Varietétheater in den Hackeschen Höfen in Berlin-Mitte. In der privat geführten und in Form eines Eventtheaters betriebenen Veranstaltungsstätte finden seit der Wiedereröffnung im Jahr 2004 Musik-, Theater- und Varieté-Veranstaltungen statt.

Das Programmkonzept, das sich an ein internationales Publikum richtet, gilt als „einzigartig in der deutschen Theater- und Varietészene“ (Berliner Morgenpost[1]).

Inhaltsverzeichnis

Lage

Orientierungsplan

Das Chamäleon gehört zu den kulturellen Einrichtungen in den Hackeschen Höfen, dem größten geschlossenen Hofareal Deutschlands. Die Hackeschen Höfe liegen in der Spandauer Vorstadt im Ortsteil Mitte (Bezirk Mitte) von Berlin, in der Nähe des sogenannten Scheunenviertels.

Der Eingang zum Varietétheater Chamäleon befindet sich im ersten von insgesamt acht Höfen, dem „Hof I“ an der Rosenthaler Straße, der auch als Endell’scher Hof bekannt ist. Die Namensgebung erfolgte nach dem Architekten August Endell, der bei der Erbauung der Hackeschen Höfe mit der baukünstlerischen Gestaltung der Hoffassaden des ersten Hofes und der in einem Quergebäude untergebrachten Festsäle beauftragt worden war. Endells Arbeiten werden dem Jugendstil zugerechnet.[2]

Heute wird vom Chamäleon der ehemalige, einstöckige Festsaal im ersten Obergeschoss des Quergebäudes genutzt. Der Zugang erfolgt über das historische Treppenhaus im linken Seitenflügel, gemeinsam mit einem ebenfalls im Quergebäude untergebrachten und von einem anderen Betreiber geführten Programmkino.[2]

Geschichte

Die Hackeschen Höfe wurden am 23. September 1906 eröffnet. Die größte Wohn- und Gewerbehof-Anlage Deutschlands wurde 1906/07 zwischen der Rosenthaler- und der Sophienstraße nach den Plänen des Architekten und Bauunternehmers Kurt Berndt in der Tradition der Lebensreform-Bewegung errichtet und beherbergte an insgesamt acht Höfen mehrere Gewerbeunternehmen und Mietwohnungen. Der Haupteingang führte durch ein Büro- und Geschäftshaus an der Rosenthaler Straße.[2]

Außerdem wurden in den Gebäuden an dem ersten Hof mehrere Kultureinrichtungen untergebracht; ein damals ungewöhnliches und neues Konzept. Dabei wurde unter anderem das Quergebäude zwischen dem ersten und zweiten Hof als Festsaaltrakt angelegt. Die Gestaltung der bunt glasierten Fassaden des ersten Hofes sowie die Ausgestaltung der in dem Quergebäude zwischen erstem und zweitem Hofe gelegenen Neumann’schen Festsäle mit ihrer gesamten Einrichtung erfolgte nach den Plänen des Berliner Architekten und Designers August Endell.[2]

Die Festsäle wurden von dem Weinhändler und Gastwirt Wilhelm Neumann bewirtschaftet und gehörten zu seinem Weinlokal und -restaurant. In den Neumann’schen Festsälen wurden anfangs oft Familien- und Vereinsfeiern sowie Firmenjubiläen ausgerichtet, so dass sie bald zu einem bedeutenden Treff- und Kommunikationspunkt für die Bewohner der umliegenden Stadtviertel wurden. In den 1920er-Jahren veränderte sich die Nutzung der Gesamtanlage, viele Firmen verließen die Höfe und die kulturellen und öffentlichen Aktivitäten ließen bald völlig nach. So wurde unter anderem die aufwendige Gestaltung des großen, zweigeschossigen Festsaals um 1930 zerstört, und der Saal wurde bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs von dem Kaufhauskonzern DeFaKa (Deutsches-Familien-Kaufhaus) als Betriebskantine genutzt.[2]

Bis auf einen Bombentreffer im Dach des ersten Hofes überstanden die Hackeschen Höfe den Zweiten Weltkrieg nahezu unbeschadet. 1952 wurden sie, im damaligen Ost-Berlin liegend und damit zur DDR gehörig, zu Volkseigentum erklärt. In den Folgejahren wurde die Bausubstanz stark vernachlässigt, so dass 1961 die brüchig gewordene Stuckfassade entfernt werden musste. Während der DDR-Zeit spielten die Hackeschen Höfe keine Rolle mehr als Ort für Feiern und Veranstaltungen. Die einstigen Festsäle wurden stattdessen als Lagerflächen und Werkstätten zweckentfremdet. 1977 wurde der gesamte Gebäudekomplex unter Denkmalschutz gestellt. Zu dieser Zeit wurde der Saal des heutigen Chamäleon als Probenraum des Tanzensembles der DDR genutzt.[2]

Die von August Endell gestaltete Fassade des Quergebäudes im 1. Hof (Westseite), mit dem Chamäleon im 1. OG (2005)

1991 wurde in dem historischen, eingeschossigen Festsaal im Quergebäude das Varietétheater Chamäleon erstmals eröffnet, nach aufwendigen Umbau- und Sanierungsarbeiten, die bei dem Gesamtkomplex der Hackeschen Höfe noch bis 1997 andauerten.[3] Zu den Mitgründern des Chamäleon gehörte unter anderem der Clown Harald „Hacki“ Ginda, der auch selbst auftrat sowie als Mitgesellschafter der Chamäleon Varieté GmbH die künstlerische Leitung übernahm. Das „innovative Varieté- und Kleinkunst-Programm“ fand Anklang beim Publikum, und das Chamäleon „avancierte mit Off-Programm und familiärer Nähe zwischen Künstlern und Publikum zur kulturellen Institution in [Berlin-]Mitte“ (Berliner Morgenpost[4]).

Die Chamäleon Varieté GmbH setzte auf Expansion und eröffnete Anfang 2000 eine zweite Spielstätte in dem Berliner Ortsteil Gesundbrunnen, in einem Hinterhof an der Prinzenallee in einem ehemaligen Ballsall der 1900er-Jahre, der unter dem Namen „Glaskasten“ bekannt wurde. Der frühere „Glaskasten“-Saal, der nach Ende der Tanz- und Vergnügungsveranstaltungen und verschiedenen Zwischennutzungen, zuletzt als Diskothek, seit 1980 leergestanden hatte, war zuvor aufwendig saniert und umgebaut worden. Das Chamäleon verfügte in dieser zweiten Spielstätte über einen 160 Quadratmeter großen Saal mit Platz für 100 Zuschauer, der zudem mit einem Restaurant im Vorderhaus direkt verbunden war.[5]

Durch Schwankungen bei den Besucherzahlen sowie durch die Mietbelastungen für die zweite Spielstätte in Wedding, die vom Publikum nicht angenommen wurde, geriet das Chamäleon 2003 in finanzielle Schwierigkeiten. Ein erster Insolvenzantrag konnte jedoch nach Finanzhilfen durch Unterstützer und Förderer wieder zurückgenommen werden.[6] Im Frühjahr 2004 ging das Chamäleon dann endgültig in ein Insolvenzverfahren und musste – nach 13-jährigem Betrieb – Ende Juni 2004 schließen.[4]

Es folgte rasch ein Betreiberwechsel und das Chamäleon wurde von der Chamäleon Theater GmbH übernommen, die 2004/05 eine umfangreiche Sanierung des historischen Saals, den Einbau einer Lüftungsanlage sowie die Erneuerung der kompletten Technik und des Barbereichs vornahm. Unter anderem wurden in Abstimmung mit dem Landesdenkmalamt fehlende Elemente im Saal ergänzt und die Farbfassung nach Originalbefunden wiederhergestellt.

Am 14. September 2004 wurde das Varietétheater von dem Nachfolgebetreiber, der Chamäleon Theater GmbH wiedereröffnet. Geschäftsführender Gesellschafter ist Volker Brümmer, Direktorin und Marketingleiterin ist Anke Politz.

Das Varietétheater

Das heutige Varietétheater Chamäleon verfügt über einen 360 Quadratmeter großen Saal im historischen Jugendstil-Ambiente, der bei Einrichtung mit Bistrotischen mit je 4–5 Stühlen pro Tisch etwa 320 Sitzplätze bietet. Für Events, wie private Feiern oder Firmenveranstaltungen, kann der Saal auch je nach Anlass unbestuhlt oder nach Bedarf eingerichtet gebucht werden.

Zum Chamäleon gehört eine eigene gastronomische Versorgung der Gäste mit einem umfangreichen Getränkeangebot im Saal und in einem hauseigenen Barbereich. Außerdem wird eine kleine Auswahl von mediterranen Speisen angeboten, als Fingerfood und Antipasti, die von einem Restaurantpartner bezogen werden. Des Weiteren kooperiert das Chamäleon mit dem Restaurant „Hackescher Hof“, das sich in den Räumen des ehemaligen Weinlokals im Vorderhaus an der Rosenthaler Straße befindet.

Neben dem normalen Showprogramm bietet das Chamäleon auch verschiedene „Specials“ und „Arrangements“ an, wie zum Beispiel Kombinationen mit Hotelübernachtung oder Besuch der Panoramabar im Berliner Fernsehturm. Für Gruppen sind weitere Zusatzleistungen buchbar, darunter auch ein umfangreicheres Speisenangebot. Für Events werden ja nach Bedarf auch Conférences, musikalische Umrahmung und Showeinlagen sowie die bei solchen Anlässen üblichen Speisen offeriert, wie zum Beispiel Buffets, Dinner und „Gala-Arrangements“.

Die Veranstaltungstechnik des Theaters, wie Licht- und Tonanlagen, sowie die Bühnentechnik wurden 2004/05 vollständig erneuert, wobei die Bühne mit einem variablen Bühnensystem mit Hub- und Drehvorrichtung ausgestattet wurde.

Nach Eigenangaben „zählt [das Chamäleon] mit seinen vielfältigen Jugendstil-Dekorationen und seinem wundervollen Ambiente zu den schönsten und zugleich modernsten Theatereinrichtungen Berlins“.

Programm

Das Varietétheater Chamäleon präsentiert „innovative Entertainmentformate“ mit Artisten aus aller Welt und international bekannten Regisseuren. Es entwickelte ein neuartiges Programmkonzept und bringt Produktionen, die nach eigenen Angaben „die Grenzen des klassischen Varietés überschreiten und sich neuer, genreübergreifender Ausdrucksformen bedienen“. Das Chamäleon bietet dabei mit Tanz, Gesang, Akrobatik und Schauspiel „Unterhaltung für ein internationales Publikum, jenseits aller Sprachbarrieren“.

Neben Fremdproduktionen, wie zum Beispiel von der kanadischen Artistenkompanie „Les 7 doigts de la main“ („The 7 fingers“) oder den Caesar Twins (früher bei Flic Flac), werden vor allem Shows der Berliner Produktionsfirma Circle of Eleven gezeigt. Dabei werden Stücke produziert, „die auf Tournee gehen und von wechselnden Künstlern, sprachunabhängig, überall auf der Welt ‚gespielt‘ werden können“[1].

So beschrieb zum Beispiel der frühere Feuilletonchef der Welt und ehemalige Berliner Wissenschaftssenator, der heutige Publizist Christoph Stölzl die Chamäleon-Show „Soap“ von 2007 unter der Regie von Markus Pabst, die nach auswärtigen Gastspielen wieder ins Programm kam, im Juni 2009 wie folgt:

Das ist nicht mehr das gute alte Nummern-Varieté, es ist etwas Neues, eine Mischung aus Stummfilm-Slapstick und Tanztheater, Akrobatik und Zirkus, infantiler Wasserspritzerei, parodierter Erotik und surrealistischen Elementen. Es ist Unterhaltung für Menschen, in deren Köpfen schon viele Unterhaltungsbilder gespeichert sind. Es ist Show für die Generation Mausklick, der so viel an Popgeschichte bewusst ist, dass sie den didaktischen Conférencier entbehren kann. Es ist eine Bildergeschichte, reduziert auf Elemente, die jeder auf Anhieb versteht – und die dennoch nicht primitiv, sondern ziemlich intelligent ist.
Das Publikum: ganz international und quer durch die Generationen. Was es sieht und aus vollem Herzen belacht, ist eine Wiederbegegnung mit komischen Ursituationen aus dem kollektiven Weltgedächtnis. Auch die Musik aus dem Fundus der internationalen Popgeschichte ist so vertraut, dass sie alles mit allem zusammenbindet. Eine faszinierende Erfahrung: Im „Chamäleon“ kann man der zukünftigen Weltgesellschaft über die Schulter sehen. Die Family of Man einmal nicht als Lern-, sondern als Lachgemeinschaft.

Christoph Stölzl: Berliner Morgenpost, 20. Juni 2009[1]

Literatur

  • Tiziana Romelli: Ein Spaziergang durch die Hackeschen Höfe. Ethnographische Erkundungen eines urbanen Ortes. Lit Verlag, Hamburg 2002 (= Berliner ethnographische Studien; Bd. 1), ISBN 3-8258-5266-0, S. 23, 35, 64.
  • Klaus Siebenhaar (Hrsg.): Kulturhandbuch Berlin. Geschichte & Gegenwart von A–Z. 3., erw. und aktualisierte Aufl., Institut für Kultur- und Medienmanagement der FU Berlin, Verlag Bostelmann & Siebenhaar, Berlin 2005, ISBN 3-936962-12-X, S. 55, 102–103.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c Zu Besuch im Varieté "Chamäleon": Eine Show für die Generation Mausklick, Artikel von Christoph Stölzl in der Berliner Morgenpost vom 20. Juni 2009 (aufgerufen am 12. Oktober 2009).
  2. a b c d e f Die Hackeschen Höfe werden 100 Jahre alt, Artikel von Uwe Aulich in der Berliner Zeitung vom 22. September 2006 (aufgerufen am 12. Oktober 2009).
  3. Am Anfang waren graue Mauern, Artikel von Rainer L. Hein in der Welt vom 23. September 2006 (aufgerufen am 12. Oktober 2009).
  4. a b Das Chamäleon Varieté ist pleite und macht zu, Artikel in der Berliner Morgenpost vom 26. Juni 2004 (aufgerufen am 12. Oktober 2009).
  5. Wiederbelebter Glaskasten. Varieté „Chamäleon“ bezieht neue Spielstätte in Berlin, Bericht auf www.baunetz.de vom 3. Februar 2000 (aufgerufen am 12. Oktober 2009).
  6. Berlin: Chamäleon-Varieté gerettet – Ein Jahr Vorausplanung, ddp-Pressemitteilung in der nmz vom 15. August 2003 (aufgerufen am 12. Oktober 2009).
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