Claus Peter Volkmann

Claus Peter Volkmann

Claus Peter Volkmann, Pseudonym nach 1945 Peter Grubbe (* 10. Dezember 1913 in Allenstein; † 29. Januar 2002 in Trittau)[1] war ein deutscher Jurist, Nationalsozialist, Journalist und Autor.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Volkmann war Sohn von Erich Otto Volkmann,[2] einem Generalstabsoffizier im Ersten Weltkrieg und Erfolgsschriftsteller im Nationalsozialismus. Er besuchte humanistische Gymnasien in Potsdam und Stendal und schloss seine Schullaufbahn mit dem Abitur ab. Danach studierte er Rechtswissenschaften an den Universitäten Tübingen, Göttingen, München sowie Berlin. Zusätzlich belegte Volkmann noch die Fächer Geopolitik sowie Zeitungswissenschaften und schrieb als Nebentätigkeit für die Frankfurter Zeitung. Das Jurastudium beendete er im November 1939 mit dem zweiten Staatsexamen.[3]

Bereits seit Dezember 1930 betätigte sich Volkmann bei der Hitlerjugend (HJ). Anfang Mai 1933 trat er der NSDAP (Mitgliedsnr. 2.280.558) und Anfang November 1933 der SS bei. Zudem engagierte sich Volkmann ab Anfang Juni 1933 im Bund Deutscher Osten.[3]

Nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges war Volkmann ab Ende 1939 in Krakau persönlicher Referent von Staatssekretär Josef Bühler im Generalgouvernement (GG). Ab Anfang November 1940 war er stellvertretender Kreishauptmann im Kreis Radzyn und in gleicher Funktion von April bis Juli 1941 im Kreis Krasnystaw tätig.[3] In dieser Zeit veranlasste er die Ghettosierung im Distrikt Lublin.[4] Die „Umsiedlung“ der Juden in Krasnystaw durch Volkmann verlief chaotisch.[5] Auch hatte er die Vertreibung von 1.200 Juden und die Errichtung zweier „Straflager“ zu verantworten. Von August 1941 bis Mitte 1942 war er Kreishauptmann im Kreis Kolomea.[3] Die Ghettoisierung durch Volkmann in Kolomea verlief ebenfalls chaotisch.[6] Auch Kreishauptmann Volkmann trat als arroganter und brutaler Herrenmensch auf, es ist überliefert, dass er anfänglich manchmal eine Ohrfeige verabreicht hat, wenn die Bevölkerung ihm allzu unverschämt entgegentrat. Die „Herrenmenschen“ traten mit Reitpeitsche und scharfem Hund auf.[7] In Kolomea organisierte er die Deportation von Juden in das Vernichtungslager Belzec.[3][8] Nach Zeugenaussagen habe Volkmann gegen Zahlungen zugelassen, dass einige Juden zunächst zurückgestellt wurden.[4] Wegen wirtschaftlicher Unregelmäßigkeiten – wahrscheinlich aufgrund von persönlicher Bereicherung[4] – wurde er danach zur Wehrmacht eingezogen. Im Frühjahr 1943 wurde er auf Intervention von Ludwig Losacker wieder im GG eingesetzt und wurde Kreishauptmann im Kreis Lowitsch. Dort verfügte er Repressionen wie Razzien gegen die polnische Bevölkerung, „Verhaftungen und Einweisungen in Volkmanns Arbeitslager Małszyce“ und sorgte für „die unbedingte Aufrechterhaltung der Autorität der Deutschen Verwaltung“[9]. Später erhielt Volkmann durch Generalgouverneur Hans Frank das Kriegsverdienstkreuz I. Klasse.[3]

Nach Kriegsende

Nach Kriegsende war Volkmann ein gesuchter Kriegsverbrecher, der durch die Änderung seines Namens in Peter Grubbe untertauchen konnte.[10] Volkmann alias Grubbe machte schließlich Karriere als Journalist und Sachbuchautor. Zunächst war er ab 1947 für die Frankfurter Allgemeine Zeitung Korrespondent in London.[3][11] Von 1953 war Grubbe ebenda und ab 1958 bis 1963 in Hamburg Auslandskorrespondent der Zeitung Die Welt.[12] Ab 1963 arbeitete Grubbe als Redakteur für den Stern, später auch für Die Zeit.[13] Grubbe arbeitete ferner für den Rundfunk, wo er die NDR-Sendung „Vor unserer Tür“ gestaltete.[14] Der allmählich als linksliberal geltende Volkmann, weithin geachtet und „zu den kritischen Edelfedern im deutschen Journalismus“ gehörig,[15] bereiste Afrika und Asien, berichtete über Fehler der Entwicklungspolitik und machte zudem über 40 Fernsehfilme.[16] Zudem gehörte er dem Beirat der Gesellschaft für bedrohte Völker an.[13]

Gegen Volkmann und weiteres Personal seiner Dienststelle in Kolomea wurde seitens der Staatsanwaltschaft Darmstadt ab 1963 wegen Mordes beziehungsweise Beihilfe zum Mord ermittelt. Volkmann sagte dort 1967 selbst zur Sache aus, konnte sich jedoch nur bedingt an sein Wirken in Kolomea erinnern.[17] Das Verfahren wurde am 30. Mai 1969 durch die Staatsanwaltschaft Darmstadt eingestellt.[18] Obwohl 1989 in der DDR-Literaturzeitschrift Sinn und Form ein Artikel über Volkmanns wahre Identität erschien, drang zunächst kaum an eine breitere Öffentlichkeit, wer sich hinter dem Pseudonym Peter Grubbe verbarg.[14] Volkmanns NS-Vergangenheit geriet allmählich in Vergessenheit.[19] In Deutschland lebte Volkmann in Lütjensee.[17]

Die Namensänderung Volkmanns in Grubbe und seine NS-Vergangenheit wurde im September 1995 durch den Journalisten Philipp Maußhardt in der taz erneut publik gemacht: „Es gibt zwei Leben vor dem Tode“.[20][10] Kurz darauf rechtfertigte sich Volkmann in einem Interview mit dem Magazin Der Spiegel über seine Tätigkeit als Kreishauptmann von Kolomea und wies jede Schuld und Verantwortung für die in seinem Verantwortungsbereich begangenen Verbrechen im Zuge des Holocaust von sich.[16] Volkmann behauptete, er habe mitgemacht, um „in bescheidenen Grenzen“ Leben retten zu können; Geldzahlungen seien dabei nicht im Spiel gewesen.[21]

In der Berichterstattung wurden Volkmanns Einlassungen den Aussagen überlebender Juden aus Kolomea gegenübergestellt und seine Glaubwürdigkeit bezweifelt. In Kommentaren wurde die Verdrängung bedauert; man habe gerade ihm eine selbstkritischere Haltung zugetraut und abverlangt. Tilman Zülch hatte den Namen Grubbes stillschweigend aus der Beiratsliste der Gesellschaft für bedrohte Völker gestrichen, bevor die Enttarnung öffentlich wurde. Für Werner Steinberg war Volkmann ein Opportunist, der „wie ein Chamäleon“ die Farbe seiner Gesinnung wechselte. Götz Aly sah in diesem Lebensweg einen „furchtbaren Normalfall“ der deutschen Gesellschaft.[22]

Die Biografie Volkmanns alias Grubbe war Vorlage des 2003 erschienenen Romans Der Feigling von Jost Nolte.[19]

Literatur

  • Bogdan Musial: Deutsche Zivilverwaltung und Judenverfolgung im Generalgouvernement. Harrassowitz, Wiesbaden 1999, ISBN 3-447-04208-7; 2. unv. Aufl., Wiesbaden 2004, ISBN 3-447-05063-2.
  • Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Aktualisierte 2. Auflage. Fischer, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-596-16048-8.
  • Ulrich Voelklein: Die verweigerte Schuld: Gespräche mit einem Täter. Wie aus dem NS-Kreishauptmann der linksliberale Publizist Peter Grubbe wurde. Hamburg 2000.
  • Matthias Weiß: Journalisten – Worte als Taten. In: Norbert Frei: Karrieren im Zwielicht. Frankfurt/M. 2001, ISBN 3-593-36790-4, S. 240–299.
  • Markus Roth: Herrenmenschen. Die deutschen Kreishauptleute im besetzten Polen - Karrierewege, Herrschaftspraxis und Nachgeschichte. Wallstein Verlag, Göttingen 2009. ISBN 9783835304772.
  • Dieter Pohl: Nationalsozialistische Judenverfolgung in Ostgalizien 1941 - 1944: Organisation und Durchführung eines staatlichen Massenverbrechens, (Studien zur Zeitgeschichte; 50), Oldenbourg, München 1996 (Zugl.: München, Univ., Diss., 1994). ISBN 3-486-56233-9.
  • Thomas Sandkühler: Endlösung in Galizien. Der Judenmord in Ostpolen und die Rettungsinitiativen von Berthold Beitz 1941-1944. Dietz Nachfolger, Bonn 1996, ISBN 3-8012-5022-9.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Bei Markus Roth: Herrenmenschen, Göttingen 2009, S. 508 und Thomas Sandkühler: Endlösung in Galizien, Bonn 1996, S. 455 wird als Geburtsdatum der 10. Dezember 1913 angegeben, bei Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich., S. 644 und Bogdan Musial: Deutsche Zivilverwaltung und Judenverfolgung im Generalgouvernement, Wiesbaden 1999, S. 395 hingegen der 11. Dezember 1913
  2. Peter Grubbe auf www.munzinger.de.
  3. a b c d e f g Bogdan Musial: Deutsche Zivilverwaltung und Judenverfolgung im Generalgouvernement. Wiesbaden 1999, S. 395f
  4. a b c Matthias Weiß: Journalisten – Worte als Taten. In: Norbert Frei: Karrieren im Zwielicht. Frankfurt/M. 2001, S. 295.
  5. Markus Roth: Herrenmenschen, Göttingen 2009, S. 191
  6. Dieter Pohl: Nationalsozialistische Judenverfolgung in Ostgalizien 1941 - 1944, München 1996, S. 194
  7. Dieter Pohl: Nationalsozialistische Judenverfolgung in Ostgalizien 1941 - 1944, München 1996, S. 82.
  8. Dieter Pohl: Nationalsozialistische Judenverfolgung in Ostgalizien 1941 - 1944, München 1996, S. 191
  9. „Der Kreishauptmann Łowicz“, 1. März 1944, zitiert bei Markus Roth: Herrenmenschen, Göttingen 2009, S. 149. Zur Eintreibung der Ablieferungskontingente, ebenda, S. 148f und S. 242-244. Zum Arbeitslager Małszyce (pl:Małszyce (województwo łódzkie), ebenda S. 244
  10. a b Peter Reichel: Vergangenheitsbewältigung in Deutschland. Die Auseinandersetzung mit der NS-Diktatur von 1945 bis heute. Beck'sche Reihe 1416, München 2001 ISBN 3-406-45956-0, S. 107
  11. bei Markus Roth: Herrenmenschen, Göttingen 2009, S. 414 wird als Beginn der Tätigkeit für die FAZ das Jahr 1948 genannt
  12. Christina Prüver: Willy Haas und das Feuilleton der Tageszeitung „Die Welt“. Würzburg 2007, S. 60
  13. a b Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Fischer Taschenbuch Verlag, Zweite aktualisierte Auflage, Frankfurt am Main 2005, ISBN 978-3-596-16048-8, S. 644.
  14. a b Mörder bleiben Mörder – Ein Autor interviewt sich selber: Jost Nolte über seinen Roman „Der Feigling“
  15. Matthias Weiß: Journalisten – Worte als Taten. In: Norbert Frei: Karrieren im Zwielicht. Frankfurt/M. 2001, S. 297.
  16. a b Spiegel-Gespräch: „Ich bin mit mir im reinen“ – Der linksliberale Autor Peter Grubbe über seine NS-Vergangenheit als Kreishauptmann in Kolomea. In: Der Spiegel, Ausgabe 41 / 1995
  17. a b Thomas Kleine-Brockhoff: Der Verwalter des Schlachthauses Deutsches Doppelleben: Wie ein Mann sich selbst und seine Umwelt 50 Jahre lang betrog. In: Die Zeit, Ausgabe 42 / 1995.
  18. Markus Roth: Herrenmenschen, Göttingen 2009, S. 508
  19. a b Heiko Seibt: Die Last der Schuld – Jost Noltes Roman „Der Feigling“ orientiert sich an einer realen NS-Biographie auf www.literaturkritik.de
  20. Philipp Maußhardt, Es gibt zwei Leben vor dem Tode, die tageszeitung, 29. September 1995, S. 12
  21. Matthias Weiß: Journalisten – Worte als Taten. In: Norbert Frei: Karrieren im Zwielicht. Frankfurt/M. 2001, S. 296.
  22. vergleiche taz vom 29. September 1995, abgedruckt bei Matthias Weiß: Journalisten – Worte als Taten. In: Norbert Frei: Karrieren im Zwielicht. Frankfurt/M. 2001, S. 299.

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