St.-Clemens-Kirche (Nebel)

St.-Clemens-Kirche (Nebel)
St.-Clemens-Kirche

Die St.-Clemens-Kirche (örtlich meist St. Clemens-Kirche, Öömrang: St. Clemens sark) in Nebel auf der Nordseeinsel Amrum ist die größte Kirche der Insel. Sie ist Pfarrkirche der evangelisch-lutherischen St.-Clemens-Gemeinde Amrum.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die Kirche um 1859, Gemälde von Carl Ludwig Jessen

Die Kirche, die das Patrozinium des Heiligen Clemens von Rom als Schutzpatron der Seeleute trägt, wurde vermutlich 1236 erbaut und 1240 erstmals urkundlich erwähnt.[1] Die Bewohner der damals einzigen Inseldörfer Norddorf und Süddorf konnten sich nicht einigen, in welchem Dorf die Kirche erbaut werden sollte, so dass sie zwischen den beiden Dörfern, allerdings näher an Süddorf, erbaut wurde. Die Kirche wurde anfangs als einfacher Holzbau errichtet und war vermutlich eine Filialkirche der Gemeinde St. Johannis in Nieblum auf Föhr.[2] Die Kirche lag auf einer flachen Halbinsel, auf der der Föhrer Geistliche anlanden konnte. Später wurde die Kirche als einschiffiger, turmloser Bau im Stil der Romanik aus Backsteinen und Feldsteinen errichtet. Das Dach wurde mit Reet gedeckt. Später wurde die Kirche verputzt und weiß getüncht.

Um die Kirche herum entwickelte sich das Dorf Nebel (deutsch: Neues Dorf) zum größten Dorf der Insel. 1524 kam die Reformation nach Amrum, so dass die Kirchengemeinde evangelisch wurde. Von 1574 bis 1630 war Tycho Frudson (gelegentlich auch Frödden genannt) Pastor. Etwa zu seinem 50-jährigen Dienstjubiläum entstanden 1623 die aus Tannenholz gefertigte Kanzel und der Schalldeckel. 1634 wurde der Flügelaltar aus Dankbarkeit dafür errichtet, dass die Amrumer die Zweite Grote Mandränke überstanden hatten.[3] Zwei Kronleuchter aus Messing wurden 1671 und 1685 von Amrumern gestiftet. In dieser Zeit (1629/1630–1686) amtierte Martin Flor 56 Jahre lang als Amrumer Pastor. 1692 wurde in einem kleinen, freistehenden Holzgestell eine Betglocke aufgehängt.[4] Vor 1700 wurde die Westempore errichtet, später wurde auch eine Nordempore eingebaut. Von 1739 bis 1875 waren mit einer kurzen Unterbrechung nacheinander drei Mitglieder der Familie Mechlenburg Pastor, wobei jeweils ein Sohn das Amt übernahm.[2] 1886 wurde eine einmanualige Marcussen-Orgel im Altarraum eingeweiht. Um ihr Platz zu verschaffen, musste der Chor erhöht werden.[5]

Im Jahr 1908 wurde der 36 Meter hohe, kupfergedeckte Kirchturm mit einer größeren Glocke hinzugefügt.[6] Das Holzgestell wurde abgebaut. In den Jahren 1936 und 1957–1960 wurde das Innere der Kirche renoviert. Dabei wurde 1957 ein niedriger Chorbogen eingebaut. Zu den zwei gestifteten Kronleuchtern aus Messing kamen 1960 ein weiterer Kronleuchter und zwei Wandleuchter aus einem holsteinischen Gutshaus, ebenfalls aus Messing.[3] 1981 wurde eine zweimanualige Orgel eingeweiht.[7] 1984 wurde der Turm von außen vollständig renoviert.

Architektur, Ausstattung und Nutzung

Taufstein
„Das himmlische Abendmahl“
Innenraum Richtung Altar, mit Blick auf die Orgel

Das Kirchenschiff liegt in Ost-West-Richtung, etwa 200 Meter von der Amrumer Ostküste entfernt, etwa fünf Meter oberhalb des mittleren Hochwassers. Der Turm steht auf der Westseite und enthält auch das Portal. Auf der Südseite liegt der Anbau Kastbarshüs, der als Leichenhalle der Insel genutzt wird. Auf der Nordseite befindet sich ein kleinerer, zu Kastbarshüs versetzter Anbau, durch den früher die Kirche betreten wurde. Auf der Südseite befinden sich große Rundbogenfenster, auf der Nordseite wurden die Fenster beim Bau der Nordempore verkleinert. Das Dach der Kirche ist bis auf den Turm reetgedeckt. Das schmale Kirchenschiff, an der Nordseite und über dem Eingang in geringer Höhe von einer hölzernen Empore durchzogen, vermittelt den räumlichen Eindruck eines Schiffskörpers. Die hölzerne Flachdecke wird von querliegenden Eichenbohlen gestützt.

Die Kirche beherbergt eine Reihe von Kunstschätzen. Dazu gehört eine hölzerne, frühgotische Apostelgruppe (Das himmlische Abendmahl), die angeblich in einer Sturmflut auf Amrum angeschwemmt wurde und in der Südwand hängt. Die Figuren zeichnen sich durch strenge Frontalität, relativ große Köpfe und einfache Faltengebung aus. Die Gesichter spiegeln Innigkeit und tiefen Ernst wider.[8] Daneben hängt ein Kruzifix von 1480 – das Kreuz selbst stammt aus dem 20. Jahrhundert.[9] Der kelchförmige Taufstein stammt aus romanischer Zeit. Er wird etwa auf das gleiche Alter wie die Kirche geschätzt. Seine Kuppa und Wandung bestehen aus rötlichem Granit, der Wulstring und Fuß sind aus gelblichem Muschelkalk gefertigt. Er steht in der Nordostecke des Kirchenschiffs, von Sitzbänken so umstellt, dass eine separate Taufecke entstand.[8] Die Orgel steht im Altarraum. Sie hat zwei Manuale mit 19 Registern und stammt von der Orgelbaufirma Becker. Ein niedriger Bogen, der den Altarraum vom übrigen Kirchenschiff trennt, ist ein akustisches Hindernis für den Orgelklang.[7] Die Innenwände sind wie die Außenwände weiß gestrichen. Der Flügelaltar ist ein Triptychon. Er zeigt auf der Mitteltafel das Abendmahl und auf den beiden Flügeln die vier Evangelisten. In der Kirche befindet sich ein ausgemalter Sakramentenschrank aus dem 15. Jahrhundert.[3]

Die Glocke im Turm wird zu Gottesdiensten und weiteren Anlässen mit der Hand geläutet. Während zu Gottesdiensten und weiteren kirchlichen Feiern die Glocke zum Schwingen gebracht wird und dabei gegen den Klöppel schlägt, wird sie etwa zum Abendläuten gebeiert, das heißt, der Klöppel wird gegen die Glocke geschlagen. Das Uhrwerk mit vier Uhren an den Seiten des Turms funktioniert ebenfalls mechanisch. Jede halbe Stunde wird die Glocke über ein Schlagwerk geläutet.

Die Kirche wird für regelmäßig für Gottesdienste und alle anfallenden Kasualien genutzt. Eine Besonderheit sind die „Musikalischen Abendfeiern“, die im Sommerhalbjahr und zwischen Weihnachten und Neujahr bei Kerzenschein gefeiert werden. Ein im Wochenrhythmus neu zusammengesetzter Chor probt unter der Leitung des örtlichen Kantors Stücke ein und führt sie dann drei Tage später in der Abendfeier auf. Die Mehrzahl der auftretenden Sänger und Instrumentalisten sind Urlauber.[10]

Die Orgel wurde 1981 von der Orgelbaufirma Becker erbaut. Das Instrument hat 19 Register auf zwei Manualen und Pedal und ersetzte die vormalige, einmanualige Orgel der Orgelbaufirma Marcussen.[11]

I Hauptwerk C–g3
1. Prizipal 8’
2. Rohrflöte 8’
3. Oktave 4’
4. Nasard 22/3
5. Waldflöte 2’
6. Mixtur III
7. Trompete 8’
II Oberwerk C–g3
8. Gedackt 8’
9. Blockflöte 4’
10. Prizipal 2’
11. Sesquialtera II 22/3
12. Nasat 11/3
13. Scharf III
14. Krummhorn 8’
Tremulant
Pedal C–f1
16. Subbass 16’
17. Prinzipal 8’
18. Gedacktbass 8’
19. Choralbass 4’
20. Trompete (= Nr. 7) 8’

Friedhöfe

Friedhof an der Kirche

Um die Kirche herum befindet sich einer der zwei Friedhöfe für Amrumer. In der Nordwestecke des Friedhofs befindet sich ein Bereich mit rund 150 Grabsteinen aus der Zeit von 1670 bis 1830, zumeist aus Sandstein. Neben Schiffsdarstellungen und aufwändiger Ornamentik zeigen diese in Stein gemeißelte kurze Texte über das Leben der Verstorbenen, etwa den Seefahrer Hark Olufs.[12] Rund 90 der Grabsteine stehen unter Denkmalschutz. Einige Steine stehen frei auf dem Boden, während andere in die Friedhofsmauer integriert sind. Teil der Anlage ist ein Ehrenmal für die Amrumer Gefallenen der beiden Weltkriege.

Neuer Friedhof

Ein weiterer Friedhof, der „Neue Friedhof“, befindet sich nördlich von Nebel, östlich des Wirtschaftweges nach Norddorf. Er wurde 1935 eingerichtet und dient wie der Friedhof um die Kirche den Einwohnern der Insel Amrum.

Heimatlosenfriedhof

Gräber auf dem Amrumer Heimatlosenfriedhof

Gegenüber der Nebeler Windmühle befindet sich der Amrumer Heimatlosenfriedhof, auf dem nicht identifizierbare Wasserleichen bestattet wurden. Laut Kirchenchronik wurde dieser 1905 angelegt. Ein Amrumer Kapitän trat freiwillig von seinem Landbesitz die Friedhofsfläche ab. Die meisten Gräber stammen vom Beginn des 20. Jahrhunderts, das letzte aus dem Jahr 1969. Seitdem konnten alle vor Amrum gefundenen Ertrunkenen aufgrund besserer Techniken identifiziert werden. Jedes Grab ist mit einem schlichten Holzkreuz mit eingeschnitztem Funddatum versehen. Der hölzerne Torbogen des früheren Eingangsportals trägt die Inschrift „Es ist noch eine Ruhe vorhanden“. Hinter dem Eingang steht ein Feldstein aus der alten Westmauer der St.-Clemens-Kirche, mit den aufgemalten Worten „Freuet euch, daß eure Namen im Himmel geschrieben sind“.[8]

Weitere Einrichtungen und Besitztümer der Gemeinde

Altar der Wittdüner Kapelle

Die Gemeinde besitzt weitere öffentlich genutzte Gebäude, etwa das 1980 eingeweihte Gemeindehaus St. Clemens Hüs in Nebel und eine Kapelle in Wittdün, die um 1900 errichtet wurde und deren Altarbild Bezüge zur Seefahrt aufweist. In Norddorf wird das 1929 errichtete Evangelische Gemeindehaus von der Kirchengemeinde für Gottesdienste und andere Veranstaltungen genutzt. Der „Jugendposaunenchor“ der Gemeinde besteht seit 1954.

Die St.-Clemens-Kirchengemeinde ist Eigentümerin eines Exemplars des Missale Slesvicense, eines 1486 von Steffen Arndes gedrucktes Messbuchs, das in nur vier Exemplaren erhalten ist und als ältestes in Schleswig-Holstein bzw. zweitältestes in Dänemark gedrucktes Buch gilt. Das Buch befindet sich im Nordelbischen Kirchenarchiv in Kiel, das zur Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche gehört, und wird gelegentlich in der Kirche ausgestellt, zuletzt 2009.[13]

Literatur

Weblinks

 Commons: St. Clemens (Nebel) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Georg Quedens: Amrum. 15., durchgesehene Auflage. Breklumer Verlag, Breklum 1990, ISBN 3-7793-1110-0, S. 46
  2. a b Georg Quedens: Amrum. 15., durchgesehene Auflage. Breklumer Verlag, Breklum 1990, ISBN 3-7793-1110-0, S. 47
  3. a b c Informationen zur St.-Clemens-Kirche, abgerufen am 23. Januar 2011
  4. Georg Quedens: Amrum – Aus alter Zeit. Hansen & Hansen, Itzehoe ca. 1970, ohne ISBN, S. 16
  5. Georg Quedens: Kirche und Friedhöfe auf Amrum. Breklumer Verlag, Breklum 1997, ISBN 3-7793-1134-8, S. 25
  6. Georg Quedens, Hans Hingst, Gerhard Stück, Ommo Wilts: Amrum – Landschaft, Geschichte, Natur. Jens Quedens, Amrum 1991, ISBN 3-924422-24-9, S. 81 ff.: Die St. Clemens-Kirche
  7. a b Informationen zur Orgel, abgerufen am 22. Januar 2011
  8. a b c Erich Pörksen: Die Wahrzeichen der Insel Amrum. S. 17–39
  9. Informationen zu Amrum, abgerufen am 24. Januar 2011
  10. Website der Kirchengemeinde/Kirchenmusik, abgerufen am 23. Januar 2011
  11. Informationen zur Orgel
  12. Georg Quedens: Amrum. 15., durchgesehene Auflage. Breklumer Verlag, Breklum 1990, ISBN 3-7793-1110-0, S. 49
  13. Website der Kirchengemeinde/Gemeindebrief, abgerufen am 23. Januar 2011
54.6529722222228.3560277777778

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