Erwin Ettel

Erwin Ettel

Erwin Ettel, Pseudonym nach 1945 Ernst Krüger (* 30. Juni 1895 in Köln; † 9. September 1971 in Bad Bevensen) war ein deutscher Diplomat, Nationalsozialist, SS-Führer und Redakteur[1].

Inhaltsverzeichnis

Leben

Ettel, Sohn eines Pfarrers, wuchs in einem konservativ-kaisertreuen Elternhaus auf. Nach dem Abschluss seiner Schullaufbahn des Realgymnasiums in Rathenow begann Ettel 1913 bei der Kaiserlichen Marine als Seekadett eine Laufbahn zum Berufssoldaten. Am Ersten Weltkrieg nahm Ettel als Soldat teil und verließ die Armee 1920 im Rang eines Oberleutnants zur See. Danach wurde Ettel kaufmännisch ein Jahr beim American Friends Service Committee und drei Jahre bei Jordan und Berger GmbH in Hamburg tätig und leitete ab 1925 die Luftfrachtabteilung der Junkers Luftverkehrs AG,[2] von der er in die Türkei und nach Persien entsandt wurde.

Ettel zog 1930 nach Kolumbien, wo er bei der Deutsch-Kolumbianischen Luftverkehrsgesellschaft Scadta in Barranquilla beschäftigt war. Politisch war Ettel völkisch-nationalistisch eingestellt, war seit 1924 Mitglied der Deutschnationalen Volkspartei und wurde Anfang März 1932 Mitglied der NSDAP (Mitgliedsnr. 952.856) und Ortsgruppenleiter der NSDAP/AO. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten in Deutschland wurde Ettel im November Landesgruppenleiter der Auslandsorganisation der NSDAP in Kolumbien.[3] Ettel, der 1935 ins Deutsche Reich zugekehrt war, wurde zum Hauptmann der Reserve befördert, in der NSDAP-Bürokratie zum Gauamtsleiter zbV und wechselte auf Veranlassung des Leiters der NSDAP/AO Ernst Wilhelm Bohle 1936 in den höheren Dienst des Auswärtigen Amts. In Personalunion übernahm Ettel den Posten eines Legationssekretärs in Rom und des Landesgruppenleiters der NSDAP/AO von Italien. Dort beschwor er in seiner ersten Rede den „Glauben an den Führer und die nationalsozialistische Weltanschauung“ und „das Wunder des Glaubens, das Deutschland gerettet hat“.[2] Ettel trat am 9. November 1937 der SS bei (Mitgliedsnr. 289.261) und erreichte dort 1941 den Rang eines SS-Brigadeführers.[3]

Nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wurde Ettel am 16. Oktober 1939 Gesandter Deutschlands im Iran. Mit Ettels Entsendung in den Iran war die Hoffnung verbunden, den britischen Einfluss im Nahen Osten in Zusammenarbeit mit arabischen Nationalisten einzudämmen. Als Gesandter und Kulturreferent der Botschaft empfahl er, vorhandene religiöse Ressentiments gegenüber dem Judentum in rassistischen Judenhass zu transformieren und die „Religion als natürliches Medium für die Propagierung von Judenhass“ zu nutzen.[4] Ettel schlug vor:

„Ein Weg um diese Entwicklung zu fördern wäre das klare Herausarbeiten des Kampfes Mohammeds gegen die Juden in alter und den des Führers in jüngster Zeit […] Verbindet man hiermit eine Gleichsetzung von Briten und Juden, so wird eine außerordentlich wirksame antisemitische Propaganda in das schiitische iranische Volk getragen.“[5]

Als der Iran im August 1941 durch die britische Armee besetzt wurde, kehrte Ettel über Istanbul nach Deutschland zurück. Zuvor hatte er von der Regierung „freies Geleit“ und Schutz für die zahlreichen Nationalsozialisten im Land verlangt; dies wurde jedoch nur Frauen, Kindern und offiziellen Botschaftsmitgliedern, aber nicht Geheimagenten, gewährt.[6] Von Istanbul aus initiierte Ettel am 24. Juli 1942 über ein als Geheime Reichssache deklariertes Schreiben an das Orientrefereat des Auswärtigen Amtes arabischsprachige Runkfunksendungen aus Zeesen zum Übermitteln von Geheimbotschaften.[7] Durch Joachim von Ribbentrop wurde Ettel im Juni 1942 zum Betreuer des Muftis von Jerusalem Mohammed Amin al-Husseini ernannt.[2] Bereits im Juni 1942 traf Ettel mit al-Husseini in Berlin zusammen und gab über das Zusammentreffen folgendes zu Protokoll:

„Der Großmufti ging auf den Kampf der Araber gegen die Juden ein, wobei er Parallelen des Kampfes des nationalsozialistischen Deutschlands gegen die Juden zog. Deutschland sei das einzige Land der Welt, das sich nicht darauf beschränke, den Kampf gegen die Juden im eigenen Land zu führen, sondern das kompromißlos dem Weltjudentum den Kampf angesagt habe. In diesem Kampf Deutschlands gegen das Weltjudentum fühlen sich die Araber mit Deutschland auf das engste verbunden.“[8]

Aufgrund des für das Deutsche Reich ungünstigen Kriegsverlaufs musste Ettel sein Vorhaben begraben, nach einer beabsichtigten Besetzung des Nahen Ostens dort als Gouverneur eingesetzt zu werden. Stattdessen war er zunächst für die Korrespondenz zwischen Außenministerium und NSDAP/AO zuständig. Im Dezember 1943 wurde Ettel auf sein Betreiben hin durch Ribbentrop vom Dienst im Außenministerium freigestellt und wechselte umgehend von der Wehrmacht zur Waffen-SS.[2] In der Waffen-SS erreichte er 1944 den Rang eines Hauptsturmführers d. R.[9] Zunächst war Ettel als Kompanieführer und Ausbilder eingesetzt. Zuletzt war Ettel bei dem SS-Ausbildungsregiment in Putlos und der Ausbildungsstätte der SS-Panzertruppen in Bergen tätig.[2]

Von 1950 bis 1956 war Ettel unter dem Pseudonym „Ernst Krüger“ als außenpolitischer Redakteur bei der Zeitschrift Die Zeit tätig.[3] Seine Beiträge heftete er in Ordnern ab, die u.a. mit „Sekten, Logen, Rassenfragen“ oder „Spionage, Landesverrat, Kommunismus, Verbrecher-Organisationen, DP’s, Korruption, Justizwesen“ beschriftet waren. Seine Artikel waren teils mit nationalsozialistischen Termini und nationalistischem Gedankengut angereichert. Im Zuge des Ausscheidens von Zeit-Chefredakteur Richard Tüngel verließ auch Ettel das Blatt. Danach ging Ettel in den Ruhestand und erhielt als ehemaliger Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes eine Pension als Gesandtschaftsrat I. Klasse. Politisch betätigte sich Ettel nach Kriegsende nicht mehr, sympathisierte aber, wie aus Briefwechseln mit ehemaligen Parteifreunden zu entnehmen ist, weiter mit der nationalsozialistischen Ideologie.[2]

Archivalien

Im „Politischen Archiv“ des AA findet sich in seinem Nachlass eine Handakte „HA Ettel“[10] mit Dokumenten der deutschen Nahostpolitik, der Zusammenarbeit mit dem Mufti und der geplanten judenfeindlichen Maßnahmen in der Region.[11]

Literatur

  • Maria Keipert (Red.): Biographisches Handbuch des deutschen Auswärtigen Dienstes 1871–1945. Herausgegeben vom Auswärtigen Amt, Historischer Dienst. Band 1: Johannes Hürter: A–F. Schöningh, Paderborn u. a. 2000, ISBN 3-506-71840-1
  • Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945 ? S. Fischer, Frankfurt 2007, ISBN 978-3-59617153-8
  • Frank Bajohr: Der Mann, der bei der ZEIT Ernst Krüger war. Sechs Jahre lang, von 1950 bis 1956, schrieb er für unsere Zeitung unter falschem Namen. Erst jetzt wurde seine wahre Identität entdeckt: hinter „Ernst Krüger“ verbarg sich der Diplomat und SS-General Erwin Ettel. Die Zeit, 23. Februar 2006, #9, S. 94 online
  • Frank Bajohr: „Im übrigen handle ich so, wie mein Gewissen es mir als Nationalsozialist vorschreibt". Erwin Ettel - vom SS-Brigadeführer zum außenpolitischen Redakteur der ZEIT. In Jürgen Matthäus & Klaus-Michael Mallmann (Hg.), Deutsche, Juden, Völkermord. Der Holocaust als Geschichte und Gegenwart. WBG, Darmstadt 2006, ISBN 3-534-18481-5, S. 241-255

Einzelnachweise

  1. in der Lit. gibt es häufig die Falschschreibung "Ettl"
  2. a b c d e f Frank Bajohr: Der Mann, der bei der ZEIT Ernst Krüger war, in: Die Zeit Hamburg, Ausgabe vom 23. Februar 2006, Nummer 9, S. 94.
  3. a b c Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945, Frankfurt am Main 2007, S. 128.
  4. Matthias Küntzel: Von Goebbels zu Ahmadinejad. Über die antisemitische Radiopropaganda der Nazis in Iran. In Tribüne (Zeitschrift) zum Verständnis des Judentums. 49. Jg., Heft 196, 4. Quartal 2010, S. 145-153, hier S. 147.
  5. Erwin Ettel. Zitiert nach: Matthias Küntzel: Von Goebbels zu Ahmadinejad. Über die antisemitische Radiopropaganda der Nazis in Iran. In Tribüne (Zeitschrift) zum Verständnis des Judentums. 49. Jg., Heft 196, 4. Quartal 2010, S. 147 f.
  6. Bernd Philipp Schröder: Deutschland und der Mittlere Osten im Zweiten Weltkrieg. Reihe: Studien und Dokumente zur Geschichte des 2. WK., Hg. Arbeitskreis für Wehrforschung, 16. Musterschmidt, Göttingen 1975, S. 256
  7. online Nachlass Gerhard Höpp: Der Koran als „Geheime Reichssache“.
  8. Ettel in einem Protokoll nach seinem Gespräch mit al-Husseini im Juni 1942. In: Sönke Zankel: Der Jude als Anti-Muslim. Amin al-Husseini und die „Judenfrage“. In: Niklas Günther & Sönke Zankel Hgg.: Abrahams Enkel: Juden, Christen, Muslime und die Schoa. Stuttgart 2006, S. 49, ISBN 978-3-515-08979-1.
  9. in polnischer Sprache Kurzbiografie
  10. in mehreren Teilen: "Großmufti 2 (1942)" & "Großmufti 3 (1942/43) & "Großmufti allgemein (4) 1942/43" sowie "Kaukasus, Arabische Länder des Nahen Ostens, Ägypten usw. (1942)"
  11. erstmals ausgewertet bei Bernd Philipp Schröder: Deutschland und der Mittlere Osten im Zweiten Weltkrieg. Reihe: Studien und Dokumente zur Geschichte des 2. WK., Hg. Arbeitskreis für Wehrforschung, 16. Musterschmidt, Göttingen 1975 ISBN 3788114169, auch im Exkurs "Orientlegionen".

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