Fliegerhorst Werl

Fliegerhorst Werl
Wache und Einfahrt zum Fliegerhorst
Arado Ar 68F der 4. Staffel des Horst-Wessel-Geschwaders auf dem Werler Flughafen
Major Theo Osterkamp, erster Kommandeur des Fliegerhorstes

Der Fliegerhorst Werl war ein Militärflugplatz, der 1936 eingeweiht wurde. Er befand sich auf dem Gebiet des heutigen KonWerl 2010 Industriegelände angrenzend an das Stadtgebiet Werl.

Inhaltsverzeichnis

Planung

Erste Erkundungen der topografischen Gegebenheiten fanden 1934 statt. Mitte des Jahres wurde das Bauvorhaben öffentlich bekannt gegeben. In der Bevölkerung fand sich einerseits wegen des zu erwartenden wirtschaftlichen Aufschwunges Zustimmung, andererseits bei den betroffenen Landwirten, die ihr Land am Melsterberg abgeben sollten, Ablehnung. Die Landwirte sollten durch Entschädigung oder Landtausch abgefunden werden. Radio Luxemburg berichtete, das die Nationalsozialisten einen Fliegerhorst sowohl in Werl, als auch in Dortmund anlegen wollen. Diese Meldung wurde vorerst von Berlin dementiert. Im November 1934 wurde in der Villa Wulf unter der unverfänglichen Bezeichnung Deutsche Verkehrsfliegerschule Werl ein erstes Büro für den Baumeister Espenschied und seinen Stellvertreter Hörmann eingerichtet. Die Bauleitung wurde in einer neu errichteten Baracke in der Nähe der Scheidinger Straße untergebracht. Die Bauleitung bestand aus den Fachbereichen Hoch- und Tiefbau, Elektrik sowie technische Bereiche.

Bau

Baubeginn war im Januar 1935. Den Hoch- und Tiefbau übernahmen die Firmen Berger und Hitzbeck. Siemens lieferte die technische Ausstattung des Flugplatzes. Jeden Tag wurden vom Omnibusunternehmen Rosenkranz aus Herne und Umgebung 1.000 Arbeiter zur Baustelle gefahren. Auch in Werl gab es so gut wie keine Arbeitslosen mehr. Jeder Geeignete fand hier eine Beschäftigung. Gearbeitet wurde ohne Rücksicht auf die Witterungsverhältnisse bei Tag und Nacht in Schichten. Die Arbeiter wurden für wenig Geld aus einer Kantine, die von der Firma Wellhausen aus Wuppertal eingerichtet wurde, versorgt.

Nach dem Planieren des Geländes wurde festgestellt, das sich auf diesem ehemaligen Wiesengelände mit lehm- und tonhaltigem Untergrund das Regenwasser sammelte und nicht versickerte. In diesem Zustand war das Gelände nicht als Flugplatz zu verwenden. Es wurde beschlossen, das gesamte schon planierte Gelände um ca. 65 cm abzutragen. Bei diesen Arbeiten stieß man auf die Reste einer römischen Siedlung, es wurden Münzen aus dieser Zeit gefunden. Weiterhin wurden Scherben aus der Zeit der Bandkeramik geborgen.

Am 1. April 1935 wurde die Deutsche Verkehrsfliegerschule in Bauleitung Flugplatz Werl umbenannt. Mittlerweile waren etwa 1.500 Menschen hier beschäftigt. Es entstanden um die weitläufige Fläche des Flugfeldes Flugzeughallen, eine Werft, Kasernenanlagen mit Truppenunterkünften, Exerzierplatz und Sportanlagen, die Waffenmeisterei, ein Kasino und etliche Nebengebäude. Diese Gebäude wurden durch ein zentrales Heizkraftwerk beheizt. Zum Schluss wurden betonierte Landebahnen angelegt. Es wurde nach dem damalig neuesten Stand der Technik geplant und gebaut. Das kreisförmige Rollfeld war von einer betonierten Rollstraße umgeben, an dieser lagen sieben Flugzeughallen und ein Schießstand zum Einschießen der Flugzeugwaffen. Die beiden kegelförmigen Lande- und Startbahnen waren aus strategischen Gründen in Ost-Westausrichtung angelegt. Unter den Grasflächen des Rollfeldes waren vier Tanklager versteckt. Die Gesamtbaukosten lagen bei etwa vier Millionen Reichsmark.

Eröffnungsparade in der Werler Innenstadt

Einweihung

Unter großer Anteilnahme der Bevölkerung wurde der Fliegerhorst am 7. April 1936 eingeweiht. Somit war Werl Garnisonstadt. Die blau-grauen Uniformen der jungen Luftwaffensoldaten prägten für etliche Jahre das Stadtbild. Mit einer großen Parade marschierte die Fliegergruppe Werl des Jagdgeschwaders Horst Wessel in die aufwändig mit Blumen und Tannengrün geschmückte Stadt ein. Die Soldaten wurden am Stadteingang von BDM - Mädchen begrüßt und mit Blumen geschmückt. Erster Flugplatzkommandeur war Major Theo Osterkamp, ein hochdekorierter Luftwaffenoffizier. Gegen 17.00 traf der Fliegergeneral Holm ein und schritt zu den Klängen des Präsentiermarsches die Front der angetretenen Formationen ab. Bürgermeister Klewer hielt eine Rede mit den üblichen Parolen der Zeit. Der Fliegerhorst war eingeweiht.

Messerschmidt mit Lichtensteinradar
Luftaufnahme aus einer amerikanischen Maschine,

Kriegsbetrieb

Vier Wochen vor der offiziellen Eröffnung des Flughafens mussten die Flieger ihren ersten Auftrag ausführen. Der Einsatz führte in die Eifel, es sollten einmarschierende Landetruppen vor feindlichen Angriffen schützen. Das Horst-Wessel-Geschwader war mit Maschinen des Typs Arado Ar 65 und Ar 68 ausgerüstet. Die Maschinen innerhalb einer Staffel waren von eins bis 12 nummeriert, die Traditionsfarbe des Geschwaders war braun. Die Flugzeuge waren mit einem Piloten besetzt, der über zwei synchronisierte Maschinengewehre verfügte.

Für die Schießausbildung war ein Schießplatz an der etwa vier Kilometer entfernten Neheimer Straße gebaut worden. Hier wurde mit Pistole, Karabiner und Maschinengewehr auf Figuren oder Scheiben geschossen.

In den späteren Kriegsjahren wurden in der Flugzeugwerft mehr und mehr Maschinen auch nicht hier stationierter Verbände repariert. Die Maschinen wurden auf dem Schießstand wieder eingeschossen. Etliche Flugzeuge wurden hier mit dem Lichtensteingerät SN-2 für die Nachtjagd ausgerüstet.

Der Fliegerhorstkommandantur war eine Musikkapelle mit etwa 25 Musikern unterstellt. Diese spielte auf Militär- und Parteiveranstaltungen. Auch viele Unterhaltungskonzerte für die Bevölkerung wurden gegeben.

Scheinflughafen und Scheinindustrieanlage

Von den Soldaten des Fliegerhorstes war zwischen Einecke und Klotingen hölzerne Flugzeugattrappen aufgestellt worden, um feindlichen Bomberverbänden einen Flugplatz vorzugaukeln. Als Bediener dieser Anlage waren sechs Soldaten erforderlich, die sich bei Luftangriffen in einem eigens gebauten Bunker schützen konnten.

Auf der Haarhöhe, westlich von Ruhne, waren 10 Holzhallen von 10 x 20 Meter Größe aufgebaut. Bei Fliegeralarm wurden hier Schweißarbeiten und ein Hochofenabstich simuliert um angreifende Verbände zu täuschen. Eine ähnliche Scheinanlage stand vor Schlückingen, westlich vom Werler Forsthaus.

Messerschmitt BF 110

Stationierte Einheiten

Folgende Verbände waren während des Krieges auf dem Platz stationiert:

Verband Beginn Ende Bemerkung
II./JG 134 01.04.1936 01.11.1938 mit Arado Ar 65 und Arado Ar 68
I./JG 142 01.11.1938 01.01.1939 mit Messerschmitt Bf 109
II./ZG 142 01.01.1939 01.05.1939 mit Messerschmitt Bf 109
II:/ZG 26 01.05.1939 01.10.1939 mit Messerschmitt Bf 109
III./JG 26 23.09.1939 01.11.1939 mit Messerschmitt Bf 109
II./JG 26 01.11.1939 27.01.1940 mit Messerschmitt Bf 109
I./KG 77 10.1939 06.1940 mit Dornier Do 17
I./KG 54 18.05.1940 30.05.1940 mit Heinkel He 111
I./KG 54 30.05.1940 10.06.1940 mit Junkers Ju 88
Stab/SKG 210 05.1941 06.1941 mit Messerschmitt Bf 110
II./SKG 210 05.1941 06.1941 mit Messerschmitt Bf 110
Stab/SG 1 13.01.1942 02.05.1942 mit Messerschmitt Bf 109E
I./SG 1 15.03.1942 01.05.1942 mit Messerschmitt Bf 109
II./KG 2 07.09.1944 14.09.1944 mit Dornier Do 217E und Dornier Do 217K [1]

Für die Blindflugschule I war der Flugplatz bis 1945 einer der Außenlandeplätze.

Die Anlage hatte die Feldpostnummer 02446.

Flughafen-Bereichskommando

Das Flughafen-Bereichskommando Werl wurde am 1. Juli 1939 in Werl aufgestellt und am 30. März 1941 in Flughafen-Bereichskommando 2/VI umbenannt. Es unterstand dem Luftgau-Kommando VI, ab 1943 dem Feld-Luftgau-Kommando XXVIII Treviso. Es führte folgende Einheiten:

  • Fliegerhorst-Kommandantur Detmold
  • Fliegerhorst-Kommandantur Dortmund
  • Fliegerhorst-Kommandantur Gütersloh
  • Fliegerhorst-Kommandantur Lippstadt
  • Fliegerhorst-Kommandantur Paderborn
  • Fliegerhorst-Kommandantur Störmede
  • Fliegerhorst-Kommandantur Werl

Großflugtage

Regelmäßig wurden auf Dem Fliegerhorst Großflugtage veranstaltet, bei denen die Bevölkerung das Flughafengelände besuchen durfte. Diese Flugtage sollen Werbung für die Luftwaffe sein.

Trivia

Andreas Wessel, einer der Piloten des Werler Fliegerhorstes flog auf Grund einer Bierwette mit seiner Arado 62 in Schräglage durch die beiden Türme der Wallfahrtsbasilika. In diesem Moment verließen die Besucher des Hochamtes die Kirche. Sie warfen sich in der Annahme, dies sei ein Luftangriff, schreiend auf den Boden. Wessel wurde mit einem Flugverbot auf Zeit und drei Wochen Arrest bestraft. Er hatte auch die Angewohnheit, seine schmutzige Wäsche über dem Haus seiner Mutter in Voßwinkel abzuwerfen. Überliefert ist auch ein waghalsiges Flugmanöver, bei dem er in Wickede die Ruhrbrücke unterflog.

Kasernengebäude des Fliegerhorstes, heute zivil genutzt.jpg

Aufgabe des Fliegerhorstes

Mitte April 1945 wurde der Flugplatz von der deutschen Luftwaffe aufgegeben und verlassen, letzter Kommandeur war Major Bode. Kurz nachdem dies in der Bevölkerung bekannt wurde, strömten die Bewohner in Scharen, mit Pferdewagen, Karren und Handwagen dorthin und plünderten die Anlage. Die Lager waren teilweise voll mit Wolldecken, Töpfen, Porzellan und Fallschirmseide. In den Vorratskellern waren Lebensmittel aller Art gelagert, in kurzer Zeit wurde alles gestohlen.

Besatzungszeit

Amerikanische Kaserne mit Sendemast
Ehemaliges Atomwaffenlager der USA

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs übernahmen die belgische und amerikanische Armee das Flugplatzgelände. Die Belgier stationierten das 18. Logistikbataillon (Batailjon Logistiek) und die 4. Instandsetzungskompanie (Compagnie Materieel). Auf dem Gelände wurde als Notkirche die Fatima-Kapelle gebaut.[2]

Die Amerikaner mit der 4th. USAFAD USA nutzen ein Kasernengebäude und richteten ein Nuklearwaffenlager, eine Raketenstation sowie einen Sendeturm auf dem Gelände ein.

Teilabriss und neue Nutzung

Das Gelände wurde 1994 von den Amerikanern und Belgiern aufgegeben. Heute befindet sich dort das Gewerbegebiet und Kompetenzzentrum KonWerl 2010.

Literatur

  • Werl unterm Hakenkreuz. Brauner Alltag in Bildern, Texten, Dokumenten [Gebundene Ausgabe] Helmuth Euler, Seite 208 ASIN: B003FFGKD8

Weblinks

Einzelnachweise

  1. http://www.geschichtsspuren.de/forum/viewtopic.php?t=4300&sid=3607e86d203c39cf4cbfcb7e06e58c9c
  2. 700 Jahre Stadt Werl von 1272 bis 1972, Ausgabe 1, Jahrgang 1972, Seite 34
51.568677.916131

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