Hausbesetzungen in Hamburg

Hausbesetzungen in Hamburg
Besetzung des ehemaligen Finanzamts Altona am 23. April 2011

Hausbesetzungen in Hamburg finden seit Anfang der 1970er Jahre in unterschiedlicher Form und aus verschiedenen Beweggründen statt. Wie in anderen Städten auch, ist die Hauptmotivation der Erhalt von Gebäuden und bezahlbarem Wohnraum und die Errichtung von Gemeinschaftseinrichtungen, Kultur- und Stadtteilzentren. Besetzungen richten sich oft gegen die Stadtplanungs- und Sanierungspolitik der Stadt Hamburg, die in diesem Zusammenhang gerne, nach Alfred Lichtwark, als Freie und Abrissstadt bezeichnet wird, teilweise aber auch direkt gegen Hauseigentümer, wenn gekündigte und von Räumung bedrohte Mieter die Häuser nicht verlassen.[1]

Inhaltsverzeichnis

Entwicklung

Eine der ersten Besetzungen, die eine große öffentliche Aufmerksamkeit erhielt, fand im April und Mai 1973 in Hohenfelde in der Ekhofstraße statt. Dort wollten etwa zweihundert junge Menschen in einem von Abbruch bedrohten Sanierungsgebiet ein leerstehendes Haus als Studenten-, Lehrlings- und Gastarbeiterwohnhaus sowohl zum Wohnen wie als Begegnungszentrum einrichten. Das Haus wurde nach fünf Wochen geräumt.[2] Andere Besetzungen der 1970er Jahren sind durch Mieterkämpfe entstanden. Die Bewohner des Hauses Haynstraße in Eppendorf werden oft als die ältesten Hausbesetzer in Hamburg bezeichnet, sie schlossen sich bereits 1970 zusammen, um eine drohende Räumung zu verhindern. Ihnen gelang es 1975 einen Gemeinschaftsmietvertrag abzuschließen, der bis heute jedem Kündigungsbegehren seitens der Eigentümer standhielt.[3]

Zu einer Hochphase der Hausbesetzungen kam es in den 1980er Jahren, die oft nur von kurzer Dauer waren. In den meisten Fällen stellten die Eigentümer, staatliche wie private, Strafanzeigen wegen Hausfriedensbruch und die Häuser wurden umgehend geräumt. In dieser Zeit prägte der Hamburger Innensenator Alfons Pawelczyk eine sogenannte „24-Stunden-Doktrin“ (Pawelczyk-Doktrin): um „Berliner Verhältnisse“ zu verhindern, sollte jedes besetzte Haus in Hamburg innerhalb von 24 Stunden geräumt werden. Über Hamburg hinaus bekannt wurden die Besetzungen der Hafenstraße ab 1981, die seit 1995 als Wohnprojekt legalisiert ist, und die Besetzung der Roten Flora als autonomes Stadtteilzentrum seit 1989.

Ab Ende der 1980er Jahre entwickelte sich aus der Hausbesetzerbewegung die Organisation von Wohnprojekten. Mit der Unterstützung alternativer Sanierungsträger wie Stattbau Stadtentwicklungsgesellschaft mbH oder die Lawaetz-Stiftung wurden über leerstehende Häuser von Wohngruppen Verhandlungen mit der Stadt geführt und nach einem zustandegekommenen Vertrag in teilweiser Eigenleistung saniert.[4] Hausbesetungen gingen in Hamburg daraufhin fast vollständig zurück.

Seit 2009 kommt es im Zuge der Debatte um die Gentrifizierung, vor dem Hintergrund einer Wohnungsnot durch das Fehlen preiswerten Wohnraums, bei gleichzeitig verstärkt auftretendem Wohnungsleerstand, erneut zu öffentlich beachteten Hausbesetzungen.

Liste der Hausbesetzungen

Die folgende Liste der Hausbesetzungen in Hamburg zählt öffentlich bekannt gewordene Hausbesetzungen seit den 1970er Jahren in der Stadt Hamburg wie in seinem direkten Umland in chronologischer Reihenfolge auf. Dabei handelt es sich um politische Aktionen mit verschiedenen Ausgangsbasen, unterschiedlichen Zielsetzungen, Zeiträumen, Bedeutungen und Wirkungen. Einbezogen sind sowohl sogenannte Instandbesetzungen leerstehender Häuser zum Erhalt von Wohnraum, zur Schaffung öffentlicher Räume oder zur Verhinderung stadtpolitischer Umstrukturierungsmaßnahmen, wie auch Mieterkämpfe, in deren Verlauf die Mieter gegen den Willen der Eigentümer ein Haus nicht räumten.

Haus Stadtteil / Ort Datum Anmerkung Abbildung
Haynstraße 1-3, Hegestraße 41 Eppendorf seit 1970 Als Hochburg des Hamburger Mieterkampfes bezeichnet, Abriss verhindert, 1975 Gemeinschaftsmietvertrag durchgesetzt, wiederholte Räumungsklagen blieben erfolglos.[5]
Karolinenviertel St. Pauli / Karoviertel Dezember 1970 Studenten besetzen 25 leerstehende Wohnungen, wollen ein Stadtteilbüro sowie einen Kindergarten einrichten und erklären sich auch bereit, Miete zu bezahlen. Nach Strafanträgen räumt die Polizei die zwei besetzten Häuser.[6]
Alte Posthalterei Ahrensburg April 1971 Versuchte Besetzung nach einem Konzert der Rockgruppe Ton Steine Scherben, für ein Jugendzentrum; das Haus wurde abgerissen, aber eine Alternative angeboten: die sogenannte Baracke.[7]
Glashüttenstraße 96 St. Pauli / Karoviertel Januar 1972 Das Stadtteilbüro Karolinenviertel besetzt am 28. Januar 1972 das baufällige, zum Abriss vorgesehene Haus, das in städtischem Besitz ist, und fordert den Erhalt als Kindergarten und Räume für Jugendgruppen. Am 31. Januar 1972 wird das Haus ohne Zwischenfälle geräumt.[8]
St.-Georgs-Kirchhof Hamburg-St. Georg Dezember 1972 Studenten besetzen das seit Monaten leerstehende, vom Abriss bedrohte ehemalige Siechenheim, um auf ihre Wohnungsnot aufmerksam zu machen und den Erhalt des Gebäudes als Studentenwohnheim zu fordern. Die Polizei schreitet zunächst nicht ein, das Gebäude wurde von der Stadt kurz zuvor an die "Volksfürsorge" verkauft.[9]
Ekhofstraße 37/39 Hohenfelde April/Mai 1973 Das leerstehende Haus wurde von etwa 200 Menschen fünf Wochen lang besetzt. Unter dem Motto „Kampf dem Mietwucher“ sollte ein Studenten-, Lehrlings- und Gastarbeiterwohnhaus entstehen. Zur Räumung am 23. Mai 1973 waren 500 Polizeibeamte eingesetzt. Das Haus wurde abgerissen[10]
Schröderstift Rotherbaum seit 1974 Eine 1974 gegründete Mieterinitiative setzte sich ab 1980 gegen Räumungs- und Abrisspläne zur Wehr und nahm die Instandsetzung durch Selbsthilfe vor. 1981 wurden eine Überlassung durch langfristige Verträge geregelt.
Hamburg Schröderstift 002.jpg
Hospitalstraße 6 Altona-Altstadt 27. September 1980 Das Haus stand mehrere Jahre leer, nach der Besetzung wurde umgehend geräumt (Pawelczyk-Doktrin), das Haus am 29. September 1980 abgerissen.[11]
Billrothstraße 55 Altona-Altstadt 1981 Besetzung und umgehende Räumung (Pawelczyk-Doktrin), das Haus wurde erhalten und saniert.[11]
Virchowstraße 56 Altona-Altstadt 1981 Besetzung und umgehende Räumung (Pawelczyk-Doktrin), das Haus wurde abgerissen.[11]
Kloksweg Eimsbüttel 1981 Die Hinterhofterrasse sollte Anfang der 1980er Jahre abgerissen werden, die Mieter widersetzten sich der Räumung, gründeten einen Verein und setzten durch, dass die Stadt die Häuser dem Eigentümer abkaufte und diese so erhalten blieben.
Amandastraße 73 Eimsbüttel 4. April 1981 Besetzung und umgehende Räumung (Pawelczyk-Doktrin), das Haus wurde erhalten und saniert.[11]
Grüner Jäger St. Pauli 29. Mai 1981 Die Initiative Ein Haus für Alle besetzte ein Hinterhaus am Grünen Jäger und forderte ein Stadtteilzentrum. Das Haus wurde in der folgenden Nacht geräumt (Pawelczyk-Doktrin). Das Haus für Alle entstand später in der Amandastraße in Eimsbüttel.
Hafenstraße St. Pauli ab Oktober 1981 Ab Oktober 1981 wird der Häuserkomplex „schleichend besetzt“, am 23. Februar 1982 findet die erste offizielle Besetzung statt. Im November 1987 kommt es nach gescheiterten Vertragsverhandlungen zur Eskalation („Barrikaden-Tage“), am 10. November 1987 Dohnanyi-Ehrenwort: Abbau der Barrikaden und Erneuerung der Verträge. 1995 wurden die Häuser an die Genossenschaft Alternativen am Elbufer verkauft, anschließend saniert. Heute bestehen die Häuser als Wohnprojekt.[12]
Hamburg hafenstrasse von hafen aus.JPG
Bartelsstraße 58 St. Pauli
heute Sternschanze
1982 Besetzung und umgehende Räumung (Pawelczyk-Doktrin) der Hinterhofterrasse, Abriss im September 1984, heute Erweiterungsbau der Schule Altonaer Straße
Pinnasberg 74-76
Heidritterstraße
St. Pauli 1984 Ab 1984 wurde der Gebäudekomplex wiederholt besetzt und umgehend geräumt (Pawelczyk-Doktrin), 1986 fanden Vertragsverhandlungen mit einer Hausgruppe statt, wurden aber kurz vor Abschluss abgebrochen. Die Stadt wollte kein weiteres Wohnprojekt in der unmittelbaren Nähe der Hafenstraße dulden. Im August 1992 wurden die Häuser letztmalig besetzt, anschließend abgerissen und durch eine Neubebauung ersetzt.
Jägerpassage
Wohlwillstraße
St. Pauli Die Terrasse gilt als ältestes Zeugnis des sozialen Wohnungsbaus in Hamburg, ab 1977 Entmietung und geplanter Abriss: sowohl Denkmalschützer wie eine Hausgruppe setzten sich für den Erhalt ein. 1982 Abriss eines Teils der Nordterrasse, die Südterrasse wurde am 1. Mai 1984 erstmalig besetzt (Verein Mieterselbstverwaltung Jägerpassage) und umgehend geräumt (Pawelczyk-Doktrin), weitere Besetzungen folgten. Ab 1988 Instandsetzung der Mittelterrasse, ab 1990 Instandsetzung der Südterrasse und Vertragsabschluss, heute besteht hier ein Wohnprojekt.[13]
Jägerpassage in Hamburg-Sankt Pauli 1.jpg
Feuerwache Billstedt 1984 Besetzung von Künstlern, um ein Wohn- und Atelierhaus aufzubauen; die Stadt bot den Besetzern als Alternative das Vorwerkstift im Karolinenviertel an, das in Eigenleistung saniert und seit 1990 vom Freiraum e.V. als Künstlerhaus betrieben wird.[14]
Chemnitzstraße 3-7 Altona-Altstadt 1985 Ab Mitte der 1970er Jahre entmietet und zum Abriss vorgesehen, ab 1985 mehrfache Besetzungen, Einrichtung einer Brandwache (Café Feuerwache), 1986 Vertragsschluss mit der Stadt und anschließende Instandsetzung. Besteht seitdem als Wohnprojekt.
Wohlwillstraße 15 St. Pauli 1986 Verein „Wohnwerkstatt e.V.“, im Eigentum der Schiffszimmerergenossenschaft, 1986 kurzzeitige Besetzung und anschließende Räumung durch ein Frauenkollektiv; 1988 Verhandlungen über die Johann-Daniel-Lawaetz-Stiftung. Am 12. Januar 1989 wurde der Abbruch durch eine Einstweilige Verfügung gestoppt, einen Tag später das Haus unter Denkmalschutz gestellt. Ab Mitte Juli 1989 fand die Wiederherstellung statt, das Haus wurde nicht an das Frauenkollektiv gegeben.[15]
Adolph-Passage - Bernstorffstraße 160/164 St. Pauli 1986 Das Haus sollte von den Mietern geräumt und anschließend abgerissen werden. Die Mieter widersetzten sich der Räumung und konnten letztlich den Abriss verhindern
Große Freiheit 73/75 St. Pauli 1986 Mehrfache symbolische Besetzungen, derHauptinitiator zum Erhalt des Gebäudes war das Denkmalschutzamt; Instandsetzung ab Oktober 1988, seitdem Wohnprojekt.[16]
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Große Freiheit 84 St. Pauli 1987 Die Hofbebauung ist eine der letzten Budenreihen in St. Pauli und sollten abgerissen werden, nach einigen symbolischen Besetzungen wurden die Häuser als Selbsthilfeprojekt durch die Autonomen Jugendwerkstätten saniert.
Grenzgang Gr.Freiheit.jpg
Schanzenstraße 41a St. Pauli
heute: Sternschanze
27. Juni 1987 Der Hinterhofkomplex, im Eigentum eines Privatbesitzers, wurde im Juni 1987 erstmalig besetzt und nach zwei Tagen geräumt. Die anschließende Wiederbesetzung wurde geduldet, im September 1987 konnten die Häuser durch die für diesen Zweck gegründete „Schanze e.G.“ gekauft werden. Anschließende Instandsetzung, seit dem Wohnprojekt
Bergiusstraße Ottensen 1988 mehrfache Besetzungen des Hauses und umgehende Räumungen, das Haus wurde abgerissen, das Grundstück neu bebaut.
Laeiszstraße 18 / Marktstraße 95 St. Pauli / Karoviertel 1988 Ab September 1987 versuchte der Eigentümer Nikolai Rabels die Häuser zu entmieten, erlangte gerichtliche Räumungstitel gegen die Mieter und ließ eine Zwangsräumung unter Polizeiaufgebot vollstrecken. Ab Juni 1989 wurden die Häuser mehrfach besetzt und geräumt. Es kam zu einer Zerstörung der Bausubstanz durch Bauarbeiter sowie mehrfachen ungeklärten Bränden. 1996 wird das Haus Laeiszstraße abgerissen, das Haus Marktstraße saniert.[17]
Greves Garten Mohnhof 20 Bergedorf Januar 1989 Besetzung als Protest gegen den geplanten Abriss eines historischen Ensembles; das Haus wurde erhalten, saniert und von einem Wohnprojekt bezogen.
Kleiner Schäferkamp 46 Eimsbüttel Mai 1989 Besetzung einer von Abriss bedrohten Hinterhofreihe; die Häuser wurden saniert und von einem Wohnprojekt bezogen.
Knickweg 8 Winterhude August 1989 Es handelte sich um ein leerstehendes Haus aus städtischen Bestand der SAGA, die Besetzung wurde umgehend geräumt, das Haus später zu Wohnzwecken saniert.
Keplerstraße 12 Ottensen November 1989 Besetzung und umgehende Räumung, das Haus wurde anschlie0end verkauft und zu Wohnzwecken saniert.
Winkelmann'scher Hof - Tangstedter Landstraße Langenhorn November 1989 Symbolische Besetzung; heute Wohnprojekt
Rote Flora Schulterblatt Altona-Altstadt
heute Sternschanze
1. November 1989 Stadtteilzentrum, nach wie vor besetzt
Rote Flora juli 07.jpg
Klausstraße 12/14 Ottensen Dezember 1989 Das Haus wurde von einem Wohnprojekt bezogen und saniert.
Kampstraße 40 St. Pauli
heute Sternschanze
5. Februar 1990 Das Haus wurde besetzt und umgehend geräumt, zwei Tage später, am 7. Februar 1990, wurde das Haus durch Brandstiftung zerstört.
Sternstraße 107 St. Pauli
heute Sternschanze
25. Februar 1990 Besetzung und umgehende Räumung
Schanzenstraße 56-62 (Lauekomplex) St. Pauli
heute Sternschanze
17. März 1990 Das Gründerzeithaus, bis 1990 im Eigentum der benachbarten Gewürzfabrik Hermann Laue, verfiel über Jahre und stand teilweise leer. Ab 1990 wurde es mehrfach besetzt, die letzte Besetzung fand vom 25. bis 27. Juli 1992 statt und wurde geräumt. Das Haus wurde 1997 aufwändig saniert und die Wohnungen mit zehnjähriger Mietpreisbindung vermietet.
Müggenkampstraße 15 Eimsbüttel März 1991 Die Besetzung wurde umgehend geräumt, das Haus abgerissen, das Grundstück neu bebaut.
Carsten-Rehder-Straße 81-83 Altona-Altstadt Mai 1991 Umgehende Räumung, das Haus wurde abgerissen, das Grundstück neu bebebaut.
Emilienstraße 31/33 Eimsbüttel Mai 1991 Umgehende Räumung, das Haus wurde abgerissen, das Grundstück neu bebebaut.
Stangestraße 10/12 Ottensen Mai 1991 Umgehende Räumung, das Haus wurde für Wohnzwecke saniert.
Tegetthoffstraße 1 Eimsbüttel Juni 1991 Umgehende Räumung, das Haus wurde abgerissen, das Grundstück neu bebebaut.
Budapester Straße 8 St. Pauli 7. September 1991 mehrfache Besetzungen bis 1995, anschließend wurde das Haus abgerissen, das Grundstück neu bebaut.
Ottersbekallee 10 Eimsbüttel 26. Juni 1993 Bis 1991 diente das Haus als Flüchtlingsunterkunft, anschließend stand es leer. Die Besetzung war begleitet von öffentlichen Aktionen am Tag der Obdachlosen: „Sleep out auf dem Gerhart- Hauptmann-Platz - sleep in in der Ottersbekallee 10“. Das Haus wurde saniert und ist heute Studentenwohnheim.
Bierpalast
Gustav-Mahler-Park / Dammtorstraße
Neustadt November 1993 Besetzung zum Erhalt des historischen Gebäudes, das von 1978 bis 1989 der provisorische Unterbringung der Ballettschule diente; Räumung, Abriss und Neubebauung mit dem Großkino Cinemaxx
Kampstraße / Ecke Schanzenstraße St. Pauli
heute Sternschanze
1. Mai 1995 Die Mieter, die dieses Haus räumen sollten, da der Abriss geplant war, versuchten sich mit einer Besetzung zu wehren. Das Haus wurde geräumt, abgerissen und das Grundstück neu bebaut.
Vereinsstraße 28 Eimsbüttel 1998 Mieter dieses Hauses aus dem städtischen Bestand sollten es wegen anstehender Sanierungsarbeiten räumen. Mit einer Besetzung erwirkten sie die Zusage, nach der Sanierung wieder einziehen zu können.
Gängeviertel
Valentinskamp, Caffamacherreihe, Speckstraße
Neustadt 24. August 2009 Das Ensemble historischer Terrassenhäuser und Hinterhoffabriken, im Besitz einer Investmentfirma, sollte teilweise abgerissen werden. Es wurde von der Künstlergemeinschaft Komm in die Gänge besetzt und von der Stadt Hamburg zurückgekauft. Die Erhaltung ist angestrebt.[18]
Gängeviertel 1.jpg
Erotic-Art-Museum
Bernhard-Nocht-Straße
St. Pauli 30. Mai 2010 Das zum Abriss vorgesehene historische Gebäude wurde von Gentrifizierungsgegner besetzt. Die Räumung erfolgte wenige Stunden später.[19]
Hamburg Erotic Art Museum.jpg
Juliusstraße 40 / Ecke Schulterblatt Sternschanze 16. Oktober 2010 Das Gründerzeithaus, nach Kriegszerstörungen nur provisorisch hergerichtet, wurde ab 2006 umfassend saniert und teilweise im alten Stil wieder aufgebaut. Auch nach Abschluss der Sanierungen stand es weiterhin leer. Der private Eigentümer wurde wegen Zweckentfremdung von Wohnraum angezeigt. Im Oktober 2010 wurde es symbolisch besetzt und umgehend geräumt.[20]
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Finanzamt Altona / Kleine Bergstraße Altona-Altstadt 23. April 2011 Das über mehrere Jahre leestehende Gebäude des ehemaligen Finanzamtes wurde mit der Forderung nach einem Stadtteilzentrum besetzt und binnen weniger Stunden von der Polizei geräumt.[21]
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Andere Besetzungen

Eine alternative Wohnform mit politischer und sozialer Nähe zu der Hausbesetzerbewegung sind die Wagenplätze, in der Wohnsiedlungen zumeist aus mobilen Bauwagen geschaffen wurden. Diese entstanden oftmals auf Brachgeländen innerhalb der Stadt oder in unmittelbarer Nähe besetzter oder ehemals besetzter Häuser. Es gab zeitweise auch Wagenplätzen, die sich als konkrete Initiativen in politischen Auseinandersetzungen verstanden, so besetzten ab 1979 mehrfach Bauwagenbewohner Plätze im ehemaligen Fischerdorf Altenwerder, das zu Hafenerweiterungszwecken entsiedelt wurde.[22]

Obwohl das Wohnen in mobilen Heimen nach dem Hamburger Wohnwagengesetz grundsätzlich verboten ist, wurde und wird diese Wohnform teilweise geduldet. Zu einer öffentlich spektakulären Räumung kam es im November 2002, als der Wagenplatz Bambule im Karolinenviertel aufgelöst wurde.

Langzeitige Besetzungen als politische Protestform gingen auch in Hamburg über Hausbesetzungen hinaus. So waren wochenlange Kirchenbesetzungen Mittel von Atomkraftgegnern um auf ihren Protest aufmerksam zu machen oder auch Mittel der Schaffung von öffentlicher Aufmerksamkeit und Zuflucht für abschiebungsbedrohte Migranten.[23] Platzbesetzungen richteten sich gegen Bauvorhaben, so zum Beispiel 1991 die Besetzung des Flora-Parks, mit der eine Randbebauung zugunsten eines Stadtteilparks verhindert werden sollte. Im Winter 2009 / 2010 kam es im Gählerpark in Altona-Altstadt zu einer Baumbesetzung. Eine Anwohnerinitiative, unterstützt von Robin Wood, errichtete mehrere Baumhäuser und bewohnten diese über Wochen. Sie protestierten damit erfolgreich gegen die von Vattenfall Europe geplanten Fällungen von rund 400 Bäumen für den Bau einer sogenannten Moorburgtrasse, einer Abwärmeleitung für das im Bau befindliche Kohlekraftwerk Moorburg.[24]

Literatur

  • Almut Gross, Thomas Schultze: Die Autonomen. Ursprünge, Entwicklung und Profil der Autonomen, Konkret-Literatur-Verlag, Hamburg 1997, ISBN 3-89458-154-9
  • Michael Hermann u.a.: Hafenstraße. Chronik und Analysen eines Konfliktes, Verlag am Galgenberg, Hamburg 1987, ISBN 3-925387-34-X
  • Projektgruppe Wohnen im Stadtteil: Der Schulterblatt. Ein Viertel verändert sich. Hamburg 1982
  • Werner Skrentny (Hrsg.): Zu Fuß durch Hamburg. 20 Stadtteilrundgänge durch Geschichte und Gegenwart, Hamburg 2001, ISBN 3-434-52590-4

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Straßen in St. Pauli, abgerufen am 24. April 2011.
  2. Der Spiegel, 30. April 1973, abgerufen am 24. April 2011
  3. Hausbesetzer mit grauen Haaren. Artikel FAZ vom 13. Dezember 2007, abgerufen 24. April 2011
  4. Stattbau Hamburg: Wir über uns, abgerufen am 24. April 2011
  5. Eine Mietergeschichte feiert. 40 Jahre Gemeinschaft in der Haynstraße, Eppendorfer Wochenblatt vom 24. August 2010, abgerufen am 24. April 2010
  6. Hamburger Abendblatt, 2. Dezember 1970, S. 4 und 3. Dezember 1970, S. 5
  7. Rio Reiser: König von Deutschland, 1997, S. 230f.; Auszug unter: riolyrics
  8. Hamburger Abendblatt, 29./30. Januar 1972, S. 1 und 31. Januar 1972, S. 3
  9. Hamburger Abendblatt, 5. Dezember 1972, S. 4
  10. Polizeibericht aus dem Jahr 1973 auf youtube: Hamburg Ekhofstrasse 1973, abgerufen am 24. April 2011
  11. a b c d die thede: filmographie
  12. St. Pauli Archiv e.V.: Im Schatten des großen Geldes. Wohnen auf St. Pauli, Hamburg 1990, S. 61
  13. St. Pauli Archiv e.V.: Im Schatten des großen Geldes. Wohnen auf St. Pauli, Hamburg 1990, S. 62; Straßen in St. Pauli: Jägerpassage, abgerufen am 6. April 2011
  14. St. Pauli Archiv e.V.: Im Schatten des großen Geldes. Wohnen auf St. Pauli, Hamburg 1990, S. 66; Webseite Stiftung Freiraum, abgerufen am 7. April 2011
  15. St. Pauli Archiv e.V.: Im Schatten des großen Geldes. Wohnen auf St. Pauli, Hamburg 1990, S. 63
  16. St. Pauli Archiv e.V.: Im Schatten des großen Geldes. Wohnen auf St. Pauli, Hamburg 1990, S. 64
  17. karo4tel: Durch Spekulation zum politischen Preis, abgerufen 11. April 2011
  18. Homepage Komm in die Gänge, abgerufen am 24. April 2011
  19. TAZ Artikel vom 31. Mai 2010, abgerufen am 24. April 2011
  20. TAZ Artikel vom 18. Oktober 2010, abgerufen am 24. April 2011
  21. NDR.de Polizei beendet Hausbesetzung in Altona, abgerufen am 24. April 2011
  22. Artikel Hamburger Abendblatt vom 17. Dezember 2008: Wir wollen einfach nur anders wohnen ..., abgerufen am 24. April 2010
  23. Ernst Christian Schütt: Chronik Hamburg, 2. aktualisiert Ausgabe, Bertelsmann Lexikon Verlag, Gütersloh München 1997, ISBN 3-577-14443-2, S. 577
  24. Blicklicht, TU Cottbus: Moorburgtrasse gestoppt – Baumbesetzung beendet, abgerufen am 24. April 2011

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