Himmelsgucker (Art)

Himmelsgucker (Art)
Himmelsgucker
Uranoscopus.jpg

Himmelsgucker (Uranoscopus scaber)

Systematik
Stachelflosser (Acanthopterygii)
Barschverwandte (Percomorpha)
Ordnung: Barschartige (Perciformes)
Unterordnung: Drachenfische (Trachinoidei)
Familie: Himmelsgucker (Uranoscopidae)
Art: Himmelsgucker
Wissenschaftlicher Name
Uranoscopus scaber
Linné 1758

Der Himmelsgucker (Uranoscopus scaber; = rauer Himmelsgucker) oder, wie man früher anzüglich auch sagen konnte, der „Meerpfaff“, mag zwar auf den ersten Blick absonderlich oder gar „scheußlich“ aussehen – aber nur solange man nicht versteht, welchen Lebenserfordernissen seine Merkwürdigkeiten genügen. Überdies ist diese Gestalt gar nicht für den „Anblick“ bestimmt, da der Fisch ja die meiste Zeit eingegraben lebt – eben um weder von Fressfeinden noch von Beutetieren gesehen zu werden.

Inhaltsverzeichnis

Bau

Der Kopf ist dick und rau, oben abgeflacht und fast quaderförmig. Die Maulspalte steht fast senkrecht. Der Unterkiefer ist gegen die oberständige, große Maulöffnung mit häutigen Fransen besetzt, die verhindern, dass Sand ins Maul fällt, wenn der eingegrabene Fisch atmet. Die Augen stehen hoch am Kopf auf kleinen Sockeln, blicken aber nicht direkt nach oben, sondern mehr nach den Seiten. Sie können nicht, wie bei Astroscopus, eingezogen und vorgewölbt werden. Die Nasenöffnungen (beiderseits je zwei) sind sehr klein – der Geruchssinn kann bei Uranoscopus keine nennenswerte Rolle spielen (vgl. dagegen Astroscopus guttatus!).

Am oberen Ende des Schultergürtels ragt aus der dort verdickten Haut je ein nach hinten gerichteter Giftstachel, dessen Gefährlichkeit (für uns) aber umstritten ist. Manche halten ihn für harmlos; nach anderen aber verursacht der Stich doch starke Schmerzen und lange währende Schwellung. Ein Antiserum ist entwickelt worden. Keinesfalls ist der Himmelsgucker aber so gefährlich wie die Petermännchen.

Der Rumpf ist lang kegelförmig (daher der Name „uranoscope rat“ [„Ratte“] bei Cuvier 1833), mit kleinen Cycloidschuppen bedeckt (80-96 entlang der vollständigen, aber schwach entwickelten, gegen die Rückenflossen verschobenen Seitenlinie), die wie bei Trachiniden ein „Fischgräten“-Muster ergeben. Erst der Schwanz ist etwas kompress, die zugerundete Schwanzflosse (mit sehr zerteilten Strahlen) ziemlich groß – der Fisch muss beim Nahrungserwerb stark beschleunigen, da er ja dazu auch den Widerstand des Substrats überwinden muss, in dem er steckt. Wird der Fisch aber einige Male hintereinander aufgescheucht, ist er mit seinen Kräften bald am Ende.

Flossenformel: D1 III-IV, D2 13-15; A 13-15; P 14-16, V I/5, C 13.- 25-26 Wirbel.-

Die Länge erreicht (wenn auch selten) 40 cm, das Gewicht über ein Kilogramm (er ist damit also deutlich schlanker als Astroscopus, der bei seiner Maximallänge von 56 cm 9,6 kg wiegt, während Uranoscopus bei dieser Größe – die er nie erreicht! - nur 7,1 kg wiegen könnte). Der Rücken ist braun und hellgrau fein marmoriert, die Rumpfseiten sind da noch von helleren Bändern überlagert; der Bauch ist hell gelbgrau. Die großen, rundlichen Brustflossen (mit zerteilten Strahlen) sind weiß gesäumt, die engstehenden, fast kehlständigen Bauchflossen weißlich, die unpaaren Flossen dunkel(braun). Zwischen der ersten und der zweiten Rückenflosse ist kein Raum. Die dreieckige erste Rückenflosse ist meist schwarz, was als Warnsignal (Vexillum) für Giftigkeit interpretiert werden kann, zumal Bedini et al. (2003) die gleiche Funktion (als Müllersche Mimikry) für die augenseitige Brustflosse der Seezungen (Soleidae) (z.B. Solea impar) deuten konnten, die damit „drohen“, obwohl sie gar keine Giftstacheln haben.

Vom Schädel gibt Gregory (1933) eine ziemlich ausführliche Schilderung (einige funktionelle Aspekte s. Adamicka 1973). Die Länge des Kopfes (fast 1/3 der Gesamtlänge) ist durch die Größe der Atemfunktion der Branchiostegalmembran bedingt. Nicht klar ist, warum die äußeren Schädelknochen wie bei primitiven Osteichthyes „skulpturiert“ sind.- Schon Meckel hat (1833) auf eine gewisse Beweglichkeit des vorderen Teiles des Unterkiefers (Dentale, bezahnt) gegen den hinteren (Articulare samt Angulare) hingewiesen, die nur durch Bindegewebe und den biegsamen Meckelschen Knorpel verbunden sind. Dieser Bau ist typisch für Teleostei, die Beweglichkeit ist beim Himmelsgucker aber besonders deutlich und im Zusammenhang mit der Unbeweglichkeit der Suspensorien und dem heftigen Schnappen nach Beute zu verstehen: so wird einer Bruchgefahr vorgebeugt.

Die Schwimmblase fehlt. Die Pseudobranchie ist kiemenartig, der 4. Kiemenbogen trägt nur am Vorderrand Kiemenblätter. Die Zähne auf den Kiefern, am Vomer und den Palatinen sind klein, spitz (Samtzähne, d.h. flächig angeordnet), die auf den Pharyngealia z.T. etwas größer. Der Darm ist kurz, der Magen dickwandig, von 8-12 Pylorusschläuchen gefolgt. Auffallend ist die Größe der Gallenblase.

Es gibt mehrere Genotypen mit (2n=) 26, 27, 28, 30 und 32 Chromosomen; man kann sie jedoch alle ableiten von dem Chromosomensatz von Trachinus bzw. Echiichthys vipera, mit 2n=48 - durch Brüche und Anhängen der Bruchstücke an bestehende Chromosomen (Caputo et al. 2003).

Nahrungserwerb und Atmung

Wenn der Himmelsgucker bis auf die Augen und den horizontalen Teil der Maulspalte in Sand oder feinerem Kies (kaum aber Schlamm!) eingegraben lauert, kann er aus dem Maul heraus eine Esca (einen „Köder“) ins Spiel bringen – eine „Wurm-Attrappe“, die etwa 1/3 der Kopflänge erreicht. Es handelt sich um einen häutigen Fortsatz der Mandibularvalve, am Ende zerschlitzt und bunt gefleckt – er ähnelt also vielleicht der Tentakelkrone eines Röhrenwurms, so wie das Maul selbst mit seinen Fransen der Mantelöffnung einer im Sande steckenden Muschel ähneln mag. Bei der Ausatmung legen sich die Außenseiten der Valven aneinander und der Fortsatz liegt in Stromrichtung in der Mundhöhle – er muss daher durch eine kurze Umkehr der Druckverhältnisse in dieser nach vorne „herausgehustet“ werden, behindert dann aber kaum die weitere Atmung; er spielt im Atemwasserstrom (Günther 1886) und wird sicherlich nicht, wie auch behauptet, durch „Blutdruckschwankungen“ bewegt.

Sobald Beute (viele Arten kleinerer Fische, oder grundnahe Jungfische, wie Meerbarben, Grundeln, Stöcker, Wittlinge, Sardinen, Meeraale, Plattfische u.a.; auch Tintenfische, Garnelen und andere Krebstiere) in Reichweite ist, bricht der Himmelsgucker plötzlich unter Maulaufreißen aus dem Sediment hervor, indem er den Kopf gegenüber dem Rumpf stark anhebt (Aufbiegung der vordersten Wirbelsäule: Huet et al. 1999): dadurch wird der Unterkiefer unter den „gerade die Tentakelkrone abbeißen wollenden“ Fisch geschnellt (vgl. auch Astroscopus guttatus).

Dabei kommen weitere Besonderheiten zum Tragen. So verfügt Uranoscopus, weil er ja mitunter auch in sehr seichtem, durchsonntem Wasser lauert, über eine Augen-Adaptation durch nervös gesteuerte Iris-Motorik (Young 1931; sonst selten bei Fischen, die ja eher, wie Insekten, Adaptationsmechanismen der Netzhaut zeigen – oder auch autogene Irismotorik; die meisten Fische können also ihre Pupillen nicht verengen). Der Maxillarmechanismus ist vorhanden, kann sich aber wegen der Starrheit der Suspensorien nicht sehr entfalten (muss es auch nicht, da die Greifrichtung ja nach oben gerichtet ist). Ebenso ist der große Kiemendeckel (wegen des Drucks des Sediments) unbeweglich – er dient nur dazu, der Branchiostegalmembran, die am Hyoid festgemacht ist, unter dem Kopf ihr Spiel zu ermöglichen. Das paarige Hyoid mit seinen sechs Kiemenhautstrahlen gelenkt innen am Suspensorium mit großer Bewegungsfreiheit durch ein auffallend langes Stylhyale. Wenn sich der Fisch eingräbt, „pustet“ er unter heftigen Maulbewegungen unter seinem Kopf (abgestützt auf die Bauchflossen) eine Höhle im Sand frei, in der dann die Branchiostegalmembranen spielen (Einsaugen und Auspressen von Wasser, das dabei durch die vier Kiemenspalten über die Kiemenblätter fließt). Wenn das Substrat feiner Sand ist, kann das „verbrauchte“ Wasser nur unter dem gekerbten Hautsaum des Kiemendeckels hervor nach oben zur Sandoberfläche abströmen, wo man es dann in zwei kreisrunden Flächen „flimmernden“ Sandes merkt. Dieses „Flimmern“ sowie (asymmetrische?) Bewegungen der kleinen Augen sind angeblich weitere Lockmittel für Beutetiere (auch schon bei Trachinus).

Fortpflanzung und Wachstum

Über ein Laichvorspiel ist noch nicht viel bekannt – dennoch muss es so etwas geben – und damit sind wir bei einer weiteren überraschenden Eigenart des Himmelsguckers. Astroscopus ist die einzige Gattung der Stachelflosser mit „elektrischen Organen“ (entstanden aus umgebildeten Augenmuskeln) und spürbaren Strom-Entladungen (eingesetzt auch beim Paarungsverhalten) – bei Uranoscopus hat man nun Ähnliches (wenn auch schwächer) festgestellt (Møller 1995), weiß aber noch nicht, wo der Strom produziert wird (die Augenmuskeln sind nicht umgebildet!). Die elektrischen Impulse sind geschlechtsspezifisch verschieden. Zugleich erzeugt Uranoscopus beim Laichvorspiel Geräusche, so dass wahrscheinlich Geräusche und Elektrizität dieselbe Ursache haben. Natürlich ist jede Muskel-, ja Stoffwechselaktivität überhaupt, mit elektrischen Phänomenen verbunden, aber nur im µV- bis mV-Bereich, den Stachelflosser nicht wahrnehmen können, während die Spikes, von denen hier die Rede ist, im V-Bereich liegen und somit auch von Fischen ohne Elektrorezeptoren bemerkt werden können. Baron und Mikhailenko (1976) sehen daher Uranoscopus als „Übergangsform“ zu den makroelektrischen Fischen. Das Angeführte weist auch auf das merkwürdige und nicht ganz seltene Phänomen hin, dass bei nahe verwandten Lebewesen physiologisch-ethologische Zwecke („Ziele“) mit ganz unterschiedlichen (nichthomologen) Organen erreicht werden können.

Die Laichzeit liegt an den Südküsten des Mittelmeeres im Frühsommer, an den Nordküsten (Italien) aber findet man das ganze Jahr über Larven. Die am Grunde (in mittleren Tiefen) abgegebenen und befruchteten Eier sind freischwebend, steigen zur Wasseroberfläche auf und zeitigen hier bald durchscheinende, planktonfressende Larven, die sich nach etlichen Wochen den Küsten und dem Grunde (besonders Seegraswiesen) annähern und hier schon „räuberisch“ leben. Sich einzugraben beginnen sie erst als Jungfische von einigen Zentimetern Länge. Geschlechtsreif werden Himmelsgucker mit 15-20 cm Länge, also im Alter 1+. Die Männchen und Weibchen wachsen gleich schnell, doch werden Weibchen länger und auch viel schwerer. Ein großes Weibchen kann (auf einmal) bis zu 60 000 Eier ablaichen, die (nach Quellung) ca. 2 mm groß sind. Das Geschlechterverhältnis ist fast 1 (♀) zu 2 (♂) (zumindest am Ort der Untersuchung von Rizkalla und Bakhoum 2009, der ägyptischen Küste). Die ältesten Tiere sind noch nicht 6 Jahre alt.

Vorkommen

Die Heimat dieses Fisches ist das Mittelländische Meer mit seinen Nebenmeeren (ausgenommen nur das brackische Asowsche). Er kommt überall (bis in 400 m Tiefe) vor, wo er sich eingraben kann, selbst in nicht allzu verschmutzten Hafenbecken. Die Misere ungeklärter Abwässer setzt ihm allerdings mancherorts deutlich zu. Obwohl man ihn nicht sieht, kann er (etwa an der Schwarzmeerküste) mit seiner Biomasse an sechster Stelle der vorhandenen Fische stehen. Er kommt darüber hinaus im angrenzenden Ostatlantik an der Küste Marokkos (allenfalls noch Mauretaniens) und Portugals vor – weiter nördlich, bis zur Südküste Großbritanniens, immer seltener. Auch um die Kanaren und Madeira soll er vorhanden sein, nach Süden zu wird er jedoch durch ähnliche Arten vertreten.

Verwandtschaft

Von West- über Süd- und Ostafrika durch den Indischen Ozean (einschließlich des Roten Meeres) bis Japan, Australien und Tonga kommen an den Küsten 22 (großteils tropische) Arten mit sehr ähnlicher Morphologie und Ökologie vor. Seit dem Miozän sind Uranoscopiden bekannt, die sich im Bau des Rumpfes nur wenig von den Trachiniden unterscheiden, im Schädel hingegen so stark, dass man die nahe Verwandtschaft in Zweifel ziehen konnte. Genetische Untersuchungen machen nun die Abstammung wieder plausibel und zeigen, dass große morphologische Unterschiede schon durch geringe genetische Umstrukturierungen (in noch längst nicht verstandener Weise) geschaffen werden können – was sich ja auch in anderen Taxa zeigt, wobei freilich die Teleostei ein besonders geeignetes Beispiel sind. Die Zusammenfassung der Trachinidae und Uranoscopidae in der Superfamilie Trachinoidae erscheint also gerechtfertigt. Viel unklarer wäre die Zuordnung (hierher) der Leptoscopidae.

Historisches

Der Himmelsgucker οὐρανοσκόπος war in der Antike (mindestens) aus dem Grund schon recht gut bekannt, dass er wegen seines stets gen Himmel gerichteten Blickes und der großen Gallenblase als Heilmittel gegen Augenleiden erkannt und gesucht war (die Augen wurden mit Galle oder Zubereitungen damit bestrichen) – Belege dafür finden sich bei Hippokrates über Aristoteles bis Plinius dem Älteren und Athenaios. Vielleicht stand auch der Schleim-Fisch Callionymus lyra im selben Ruf, da ja auch der jetzt so genannte Fisch die Augen sehr hoch oben am Kopf trägt – oder καλλιώνυμος war bloß ein anderer Name für den Himmelsgucker.- Der alte Tobias des Alten Testaments, durch eine Hornhauttrübung erblindet, sollte laut Spekulation der Humanisten dank Himmelsguckergalle geheilt worden sein, obwohl seine Augen mit Galle eines Süßwasserfisches (Wels?) behandelt wurden. Uranoscopus kommt bei Konrad Gesner und Pierre Belon vor, nicht aber bei Francis Willughby (obwohl John Ray ihn erwähnt).

Literatur

  • P. Adamicka (1973): Funktionsanatomische Untersuchungen am Kopf von Akanthopterygiern (Pisces, Teleostei). Teil IV. Uranoscopus scaber.- Zool. Jb. (Anat.) 90: 580—606.
  • V.D. Baron and N.A. Mikhailenko (1976): Uranoscopus scaber: a transitional form in the evolution of electric organs in fish.- Dokl. Akad. Nauk SSSR. 229: 983-986.
  • R. Bedini, M.G. Canali and A. Bedini (2003): True and false threatening visual cues in some Mediterranean fish.- J. mar. biol. ass. UK 83: 265-270. http://journals.cambridge.org/action/displayAbstract?aid=144847
  • V. Caputo et al. (2003): Chromosome banding and molecular cytogenetic study of two Mediterranean trachinoid fish species (Teleostei: Trachinidae, Uranoscopidae).- Cytogenet. Genome Res. 103: 139-143.
  • W.K. Gregory (1933): Fish skulls.- New York (Zool. Soc.). http://www.archive.org/stream/fishskullsstudyo00gregrich
  • A. Günther (1886): Handbuch der Ichthyologie.- Wien (Gerold).
  • L. Huet, V. Goosse, E. Parmentier and P. Vandewalle (1999): About some skeletal particularities of the first vertebrae related to the mode of prey capture in Uranoscopus scaber (Uranoscopidae).- Cybium 23: 161-167.
  • P.R. Møller (1995): Electric fishes: History and behavior.-London (Chapman & Hall).
  • S.I. Rizkalla and S.A. Bakhoum (2009): Some Biological Aspects of Atlantic Stargazer Uranoscopus scaber Linnaeus, 1758 (Family: Uranoscopidae) in the Egyptian Mediterranean Water.- Turkish Journal of Fisheries and Aquatic Sciences 9: 59-66.
  • A. Sanz (1985): Contribución al estudio de la biología de Uranoscopus scaber Linnaeus, 1758 (Osteichthyes, Uranoscopidae) del Mediterráneo occidental.- Invest. Pesq. 49: 35-46.
  • J.Z. Young (1931): The Pupillary Mechanism of the Teleostean Fish Uranoscopus scaber.- Proc. R. Soc. London B 107: 464-485.

Weblinks


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