Krematorium Berlin-Baumschulenweg

Krematorium Berlin-Baumschulenweg
Krematorium Baumschulenweg

Das Krematorium Berlin-Baumschulenweg ist eine Feuerbestattungsanlage mit Sakralgebäude im Berliner Ortsteil Baumschulenweg, der zum Bezirk Treptow-Köpenick gehört. Es wurde von den Berliner Architekten und Stadtplanern Axel Schultes und Charlotte Frank entworfen, die durch ihren Entwurf für das Band des Bundes sowie das Bundeskanzleramt bekannt wurden. Ausführende Baufirma war Bilfinger Berger.

Inhaltsverzeichnis

Lage

Das Krematorium liegt auf dem Alten Städtischen Friedhof, der im Norden an den Britzer Verbindungskanal angrenzt. Von Westen nach Süden wird das Gelände durch die Südostallee begrenzt, während von Norden in südöstlicher Richtung die Kiefholzallee die Grenze zwischen dem Alten und dem Neuen Städtischen Friedhof darstellt. Hier befinden sich auch der Besuchereingang sowie ein Parkplatz.

Geschichte

Mit der Einführung der Feuerbestattung in Preußen im Jahr 1911 wurde auf dem Standort des heutigen Krematoriums von den Architekten Bientz und Bardenheuter in den Jahren 1911 bis 1913 ein neoklassischer Zentralbau mit Kuppel errichtet. Das Gebäude wurde im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt und in den Jahren 1950 bis 1952 wieder aufgebaut, wenn auch in einfacherer Ausführung.[1] Zur Zeit der DDR wurden hier unter anderem auch Opfer der Berliner Mauer eingeäschert, wie beispielsweise Klaus Garten[2] oder Rudolf Berger[3]. Nach der Wende sollte das Krematorium auf Grund von Baumängeln abgerissen werden. 1992 schrieb das Land Berlin einen internationalen Architektenwettbewerb aus, den Schultes und Frank gewannen. Drei Jahre später erfolgte der Abriss, 1996 der Neubau des Gebäudes, welches schließlich am 3. Mai 1999 mit der ersten Trauerfeier eingeweiht wurde.[4] Es galt zu dieser Zeit als modernste Einäscherungsanlage in Europa.[5] Die Baukosten beliefen sich auf rund 60 Millionen DM und wurden in Form einer Public Private Partnership von einer Leasingfirma aus Eschborn vorfinanziert. Der Senat ist seitdem in der Verantwortung, in den nächsten 30 Jahren jährlich fünf Millionen DM, d. h. in Summe 150 Millionen DM zur Tilgung der Leasing-Raten aufzubringen.[6]

Architektur

Das Gebäude besteht aus einem fugenlosen Quader mit dem Abmessungen 48,96 × 67,20 Meter. Bei einer Gebäudehöhe von 11 Metern wurden 4.058 m² Fläche bebaut, was einer Bruttogeschossfläche von 9.339 m² entspricht. Die Oberfläche besteht aus einer Sichtbeton-Fassade, die durch vorgelagerte und zurückgesetzte Räume durchbrochen wird. Die Fenster sind mit türkisgrauen Lamellen verkleidet. Diese verjüngen sich in ihrem Abstand nach oben hin und können verstellt werden. So kann zum einen der Lichteinfall gesteuert werden, zum anderen können die Trauerräume gegen Blicke von außen abgeschirmt werden. Der symmetrisch geformte Baukörper wird nur durch drei skulptural ausgeformte Schornsteine durchbrochen, die bündig an der Westseite angebracht sind und einen Hinweis auf die Funktion geben. Das Bauwerk wird in Fachkreisen zu den wichtigsten Sichtbetonbauwerken des 20. Jahrhunderts gezählt. Begründet wird dies u. a. durch die Verwendung von Hochofenzement der Güteklasse CEM II/B, durch die eine minimale Rissneigung erreicht werden konnte.[7] Es wurde ein aufsteigend variables Höhenraster von 82 bis 105 cm genutzt, wodurch die großen Sichtbetonflächen den Eindruck „riesiger Gesteinsblöcke“ vermitteln.[8] Neben der glatten Betonoberfläche sollte die Wandschalung in der Deckenschalung ohne Plattenstöße fortgeführt werden. Die Rödellöcher sind in der Haupthalle offen, während sie in den Trauerhallen bis zu einer Höhe von rund drei Metern verschlossen wurden.

Schultes und Frank erhielten für ihren Entwurf im Jahr 1999 den Architekturpreis Beton.[9] Die Jury lobte dabei unter anderem die „Vermischung von seelenvollem Pathos und funktionaler Flexibilität“ eines Gebäudes, in welchem der „Beton gleichsam zum Leuchten gebracht wird.“[10]

Säulenhalle des Krematoriums

Der Innenraum auf quadratischem Grundriss wird durch 29 Säulen dominiert, die mit schmalen Kragarmen ausgestattet sind. Die Säulen sind teilweise in Gruppen angeordnet, mal einzeln aufgestellt und erinnern durch ihre Lichtkapitelle sowohl an einen römischen Tempel, wie an einen Sternenhimmel (campo stella).[11] Teilweise wird sogar der Vergleich zum ägyptischen Karnak-Tempel oder der Moschee von Cordoba gezogen.[12] Die Verbindung zwischen der Stütze und der Decke wird durch einen schmalen Anschluss in der Deckenebene hergestellt. Die Säulen schaffen durch ihre unregelmäßige Position in der Halle zusätzliche virtuelle Räume, in der sich die Trauernden zurückziehen können. Im Gegensatz zu anderen Krematorien ermöglicht die Halle daher einen individuellen Rückzug. Dies wird auch dadurch unterstrichen, dass es keinen zentralen Eingang gibt, sondern die Halle über mehrere Türen an unterschiedlichen Seiten des Gebäudes betreten bzw. wieder verlassen werden kann. In der Mitte der Halle befindet sich ein kleines Wasserbecken, über dem ein Ei schwebt. Dies soll Tod und Wiedergeburt symbolisieren. In die Wände sind 13 symbolische Türen eingelassen, die teilweise mit Sand aufgeschüttet sind und so die Ewigkeit erinnern sollen.[13] In anderen Quellen wird der Eindruck einer antiken Grabkammer geschildert.[14] Wandschmuck oder Ornamente sind nicht vorhanden, lediglich eine spartanische Möblierung in der türkisgrauen Farbe porschegrün.[15] Zur Formensprache befragt sagte Schultes:

„Es galt einen Ort herzustellen, der das Vergängliche und das Endgültige ausbalanciert, das Schwere deutlich und Erleichterung möglich macht.“

Axel Schultes[16]

Die Halle dient auch als Zugang zu drei Räumen, die für Trauerfeiern zur Verfügung stehen. Der Lichteinfall ist dabei so gestaltet, dass sich die Trauergemeinde im eher abgedunkelten Teil des Gebäudes befindet, während die Urne im erleuchteten Bereich platziert werden kann. Die Leiterin des Krematoriums Sylvia Wachholz beschreibt es mit den Worten: „Das Dunkle, das Morbide – das findet sich hier nicht."[17].

Die Bauakustik wurde vom Berliner Akustik Ingenieurbüro Moll gestaltet[18] und erlaubt es, Konzerte vornehmlich in der Osterzeit, aber auch zum Totensonntag abzuhalten.[19]

Technik

Keller des Krematoriums

Das Krematorium verfügt in zwei Untergeschossen über ein Kühllager für 628 Särge sowie ein Sonderkühllager für die Gerichtsmedizin mit 24 Plätzen. Die Särge werden nach der Anlieferung (über die Südostallee) elektronisch erfasst und mit einem Strichcode verstehen. Zusätzlich wird ein feuerfester Stein mit einer individuellen Nummer dem Sarg hinzugefügt. Damit kann die Asche nach der Kremation der Leiche eindeutig zugewiesen werden. Die Verbrennung erfolgt weitgehend automatisch; so wird beispielsweise der Sarg durch ein über Induktionsschleifen gesteuertes Hubgerät per Knopfdruck zum Ofen transportiert. Die Einäscherungsanlage besteht aus insgesamt drei Kremationsöfen, die in einem Dreischicht-Betrieb an fünf Tagen in der Woche genutzt werden kann. So sind bis zu 10.000 Einäscherungen pro Jahr möglich.[20] Die Öfen sind mit einer Rauchgasnachbrennkammer ausgestattet, in der Rauchgase durchmischt werden, um sie anschließend mit einem Nachbrenner bei mindestens 850 °C zu verbrennen. Hierdurch wird eine Schadstoffbelastung für die Umwelt vermindert.[21] Drei weitere Öfen sind vorbereitet, aber noch nicht mit Schamott verkleidet. Die Kellerräume wurden mit denselben architektonischen Mitteln gestaltet: Sichtbeton mit offenen Schalungsankern sowie türkisgraue Geländer, Türen und Fensterrahmen. Damit besteht kein Unterschied zwischen der funktionalen Kremation im Keller und der Architektur und Trauer im Obergeschoss.

Sonstiges

Literatur

  • Beton-Informationen: Das Krematorium Baumschulenweg in Berlin Treptow Jahrgang 42, Nr. 2, 2002, Seite 30-35, ISSN: 0170-9283.
  • Thomas M. Krüger: Krematorium Berlin, 1. Auflage, 28. August 2008, ISBN 978-3-86711-051-8

Weblinks

 Commons: Krematorium Berlin-Baumschulenweg – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Geschichte des Krematoriums auf krematorium-berlin.de, abgerufen am 12. November 2011.
  2. Geschichte von Klaus Garten auf berliner-mauer-gedenkstaette.de, abgerufen am 12. November 2011.
  3. Geschichte von Rudolf Berger auf 17juni53.de, abgerufen am 12. November 2011.
  4. Daten und Fakten des Krematoriums auf krematorium-berlin.de, abgerufen am 12. November 2011.
  5. Norbert Fischer: Die Industrialisierung des Todes: Feuerbestattung und Krematoriumsbau auf n-fischer.de, abgerufen am 12. November 2011.
  6. Reiner Fischer: Konkurrenzkamp unter Krematorien In: Welt Online. vom 16. Februar 2000, abgerufen am 14. November 2011
  7. Krematorium Baumschulenweg auf baufachinformation.de, abgerufen am 12. November 2011.
  8. Schalungen und Gerüste im Krematorium Berlin auf baunetzwissen.de, abgerufen am 12. November 2011.
  9. Bundesverband der Deutschen Zementindustrie e.V.: Zement Jahresbericht 1999–2000, S. 24–25 (PDF-Datei; 1,9 MB)
  10. Preisträger 1999 des Architekturpreises-Beton, abgerufen am 12. November 2011.
  11. Krematorium Baumschulenweg auf archinform.net, abgerufen am 13. November 2011.
  12. Verborgene Orte in Berlin – Krematorium Baumschulenweg auf berlin-hidden-places.de, abgerufen am 12. November 2011.
  13. Jochen Schmidt: Die Hades-Maschine In: die tageszeitung. vom 16. März 2000, abgerufen am 15. November 2011.
  14. Krematorium Berlin-Treptow auf baunetzwissen.de, abgerufen am 15. November 2011.
  15. Annette Goebel: Mathilde wohin bist du geraten In: Der Tagesspiegel. vom 14. Februar 2004, abgerufen am 18. November 2011.
  16. Zur Architektur des Krematoriums auf krematorium-berlin.de, abgerufen am 12. November 2011.
  17. Matthias Kunert und Michael Prellberg: Im Krematorium nur zu Besuch In: Berliner Zeitung. vom 27. November 2000, abgerufen am 15. November 2011.
  18. Referenzen des Ingenieubüros Moll auf mollakustik.de, abgerufen am 17. November 2011.
  19. Veranstaltungshinweise des Krematoriums auf krematorium-berlin.de, abgerufen am 12. November 2011.
  20. Kapazität des Krematoriums auf krematorium-berlin.de, abgerufen am 13. November 2011.
  21. Zur Technik des Krematoriums auf krematorium-berlin.de, abgerufen am 13. November 2011.
  22. Krematorium Ruhleben auf luise-berlin.de, abgerufen am 18. November 2011.
  23. Drehorte von Æon Flux auf imdb.de, abgerufen am 18. November 2011.
  24. Aeon Flux Pictures: Image 7 of 117. IGN, abgerufen am 12. November 2011.
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