Landtag (Kaisertum Österreich)

Landtag (Kaisertum Österreich)

In den Kronländern des Kaisertums Österreich bestanden spätestens von 1861 an Landtage, seit 1910 auch im von Österreich und Ungarn gemeinsam verwalteten Land Bosnien und Herzegowina. 1918 wurden sie zugunsten neuer Parlamente der Nachfolgestaaten Österreich-Ungarns aufgelöst und blieben als Landtage nur in der Republik Österreich erhalten. In Südtirol entstand ab 1972 auf Grund des Autonomiestatuts der Südtiroler Landtag.

Das bis 1867 als Landtag bezeichnete Parlament des Königreichs Ungarn wurde seit dem Ausgleich von 1867 wieder als Reichstag bezeichnet, das Parlament des Königreichs Kroatien und Slawonien, eines Landes der ungarischen Krone, firmierte historisch immer als Sabor.

Landtage bestanden gemäß der Reichsverfassung 1861[1] in:

Kronland Verhandlungssprachen
Österreich unter der Enns Deutsch
Österreich ob der Enns Deutsch
Salzburg Deutsch
Steiermark Deutsch
Kärnten Deutsch
Krain Deutsch und Slowenisch
Triest (1) Italienisch
Istrien (1) Italienisch
Görz und Gradisca (1) Italienisch
Tirol Deutsch und Italienisch
Vorarlberg Deutsch
Böhmen Deutsch und Tschechisch
Mähren Deutsch und Tschechisch
Österreichisch Schlesien Deutsch
Galizien Polnisch
Bukowina Deutsch, Ukrainisch und Rumänisch
Dalmatien Kroatisch und Italienisch
Bosnien und Herzegowina
(ab 1910)
Serbisch, Kroatisch und Deutsch

(1) bis 1861 zusammengefasst in: Österreichisches Küstenland; gemeinsames Gesetzblatt bis 1918

Die Landtage waren bis 1848 traditionelle Ständeversammlungen, sie wurden nach der Revolution 1848 von der kaiserlichen Regierung aufgelöst und erst nach 1860 in neuer Form einberufen. Seitdem hatten einige Mitglieder ihren Sitz qua Amt (beispielsweise Bischöfe), andere wurden gewählt. Es galt dabei aber kein allgemeines und gleiches Wahlrecht, sondern eine Mischung aus Privilegien- und Zensuswahlrecht, jedenfalls nur für Männer. Das Vorbild des Reichsrates, der 1907 das allgemeine, gleiche und direkte Männerwahlrecht eingeführt hatte, wurde in den Landtagen bis 1918 nicht nachgeahmt.

Ein Sonderfall war das weder zur österreichischen noch zur ungarischen Reichshälfte gehörige Land Bosnien und Herzegowina, das vom gemeinsamen (k.u.k.) Finanzministerium verwaltet wurde. Hier wurde erst 1910 ein eigener Landtag gebildet, nachdem das Gebiet, das bereits 1878 besetzt worden war, 1908 formell annektiert wurde.

Die Landtage verfügten über das Recht, Gesetze zum Schulwesen, zur Sozialfürsorge und zu wirtschaftlichen Themen zu erlassen. Die Gesetze bedurften der kaiserlichen Genehmigung („Sanktion“), die über den Landeschef einzuholen war, und der Kundmachung im jeweiligen Landesgesetzblatt[2], um gültig zu sein.

Die Landtage wählten je einen Landesausschuss als Exekutivkomitee bzw. als autonome Regierung des Kronlandes, der unter dem Vorsitz des jeweiligen, vom Kaiser ernannten Landtagsvorsitzenden (Landeshauptmann; in Niederösterreich, Böhmen und Galizien: Landmarschall) stand. Ihm stand der k.k. Landeschef (Statthalter oder Landespräsident) als Vertreter des Kaisers und der k.k. Regierung in Wien gegenüber.[3][4]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Reichsverfassung 1861, RGBl. Nr. 20 / 1861 (= S. 69); siehe beiliegende Landesordnungen
  2. Historische Rechtsquellen auf der Website der Österreichischen Nationalbibliothek
  3. Gesetz vom 19. Mai 1868 über die Einrichtung der politischen Verwaltungsbehörden, RGBl. Nr. 44 / 1868 (= S. 76)
  4. Georg Schmitz: Organe und Arbeitsweise, Strukturen und Leistungen der Landesvertretungen. In: Helmut Rumpler, Peter Urbanitsch (Hrsg): Die Habsburgermonarchie 1848–1918. Band VII/1: Verfassung und Parlamentarismus. Die regionalen Repräsentativkörperschaften. Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 2000, ISBN 3-7001-2869-X, S. 1360.

Literatur

  • Helmut Rumpler, Peter Urbanitsch (Hrsg): Die Habsburgermonarchie 1848–1918. Band VII/1: Verfassung und Parlamentarismus. Die regionalen Repräsentativkörperschaften. Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 2000, ISBN 3-7001-2869-X.

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем написать курсовую

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Die Revolution von 1848/49 im Kaisertum Österreich — Die Revolution von 1848/49 in Österreich war Bestandteil der bürgerlich demokratisch motivierten Revolutionen, die Anfang 1848 einen großen Teil Mitteleuropas erfasst hatten. Sie war ein relativ eigenständiger Bestandteil der Märzrevolution in… …   Deutsch Wikipedia

  • Revolution von 1848/49 im Kaisertum Österreich — Die Revolution von 1848/49 in Österreich war Bestandteil der bürgerlich demokratisch motivierten Revolutionen, die Anfang 1848 einen großen Teil Mitteleuropas erfasst hatten. Sie war ein relativ eigenständiger Bestandteil der Märzrevolution in… …   Deutsch Wikipedia

  • Landtag (Österreich) — Landtag Stellung Gesetzgebungsorgan der Länder Staatsgewalt Legislative Gegründet 10. November 1920 (formell) Sitz Bregenz, Eisenstadt, Graz, Innsbruck …   Deutsch Wikipedia

  • Landtag — steht für: heutige Parlamente: Landesparlament der deutschen Flächenländer Landtag (Österreich), das Parlament eines österreichischen Bundeslandes Liechtensteinischer Landtag, das Parlament des Fürstentums Liechtenstein Südtiroler Landtag, das… …   Deutsch Wikipedia

  • Österreich-Ungarn: Österreichisch-ungarischer Ausgleich —   In der Anfangsphase der Revolution von 1848 hatte die Wiener Zentrale den Ungarn Zugeständnisse eingeräumt, die eine bürgerlich demokratische Umgestaltung ermöglichen sollten. Als Antwort auf eine militärische Intervention und die oktroyierte… …   Universal-Lexikon

  • Österreich — Republik Österreich …   Deutsch Wikipedia

  • Österreich-Ungarn — Österreichisch Ungarische Monarchie 1867–1918 Bestandteile: Die im Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder (Cisleithanien) / A birodalmi tanácsban képviselt királyságok és országok und die Länder der Heiligen Ungarischen Stephanskrone… …   Deutsch Wikipedia

  • Österreich-Ungarische Monarchie — Die im Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder und die Länder der heiligen ungarischen Stephanskrone A birodalmi tanácsban képviselt királyságok és országok és a magyar Szent Korona országai …   Deutsch Wikipedia

  • Österreich-Ungarischen Monarchie — Die im Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder und die Länder der heiligen ungarischen Stephanskrone A birodalmi tanácsban képviselt királyságok és országok és a magyar Szent Korona országai …   Deutsch Wikipedia

  • Österreich-ungarische Monarchie — Die im Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder und die Länder der heiligen ungarischen Stephanskrone A birodalmi tanácsban képviselt királyságok és országok és a magyar Szent Korona országai …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”