Maria, Hilfe der Christen (Spandau)

Maria, Hilfe der Christen (Spandau)
Äußeres von Nordosten

Maria, Hilfe der Christen ist eine römisch-katholische Pfarrkirche in Berlin-Spandau. Sie steht in der Flankenschanze 43 / Kreuzung Galenstraße und wurde in den Jahren 1908 bis 1910 erbaut. Mit dem Pfarrpatrozinium Maria, Hilfe der Christen (lateinisch: Auxilium Christianorum) wurde ein mittelalterliches Attribut Mariens aufgegriffen, das auch zu den Anrufungen der Lauretanischen Litanei zählt.

Pfarrhaus und Kirche 2011
Ansicht nach der Fertigstellung 1910

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Eine katholische Pfarrgemeinde bestand in Spandau bereits im Mittelalter. Infolge der Reformation wurde die Pfarrkirche St. Nikolaus protestantisch. Die nachreformatorische Geschichte der Pfarrei begann in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Katholische Arbeiter der Spandauer Gewehrfabrik - mit Familienangehörigen etwa 200 Personen -, die im belgischen Lüttich angeworben wurden, forderten freie Religionsausübung an ihrem neuen Wirkungsort. Diese wurde ihnen durch königlich-preußisches Dekret von 1722 zugesichert, verbunden mit einer Pfarrstelle. Ein erster einfacher Kirchbau in Fachwerkbauweise entstand 1723 auf dem „Gewehrplan“ außerhalb der Innenstadt.

Nachdem auch durch die in Spandau ansässige Garnison vermehrt katholische Soldaten zuzogen, wurde 1847/48 mit St. Marien am Behnitz eine größere Kirche zwischen der Zitadelle und der Altstadt errichtet. Die Gemeinde umfasste damals etwa 1000 Personen. Das Patrozinium dieser Marien-Kirche erinnert an das 1239 von den askanischen Markgrafen gestiftete Benediktinerinnen-Kloster St. Marien südlich der Stadt, das 1558 infolge der Reformation aufgehoben worden war.[1]

Um 1900 lebten rund 9000 Katholiken in Spandau, die Gemeinde war vor allem infolge der Industrialisierung durch Zuwanderung aus den katholischen preußischen Ostprovinzen erheblich angewachsen. Die Kirche am Behnitz bot aber nur etwa 750 Gläubigen Platz. Also wurde eine größere Kirche gebaut – an anderer Stelle, weil denkmalpflegerische Überlegungen und der moorige Untergrund den Abriss und einen größeren Neubau am alten Platz nicht zuließen. 1904 entstand hierzu ein Kirchbauverein, der Spenden für den Kirchbau sammelte. Die Kirche am Behnitz wurde 1907 oder 1910 an das Militär verkauft, wodurch weitere Geldmittel für einen Neubau zur Verfügung standen. Man erwarb ein Baugrundstück von den Rachwitzsch'schen Erben an der Ecke Askanierring/Moltkestraße (heute Flankenschanze/Galenstraße), damals knapp außerhalb der Bastionen.

Am 4. Oktober 1908 begannen die Arbeiten auf dem Kirchbaugrundstück. Im Winter ruhten die Arbeiten. Feierliche Grundsteinlegung durch den Fürstbischöflichen Delegaten Prälat Kleineidam war am 20. Mai 1909, das Richtfest am 5. Dezember 1909.[2] Bereits am 30. Oktober 1910 konnte der Fürstbischof von Breslau, Georg Kardinal von Kopp, zu dessen Erzbistum Spandau damnals gehörte, die Kirchweihe vornehmen.

Die Kirche wurde am 6. Oktober 1944 bei einem Fliegerangriff so stark zerstört, dass die englische Militärregierung die Sprengung anordnete. Diese konnte jedoch abgewendet werden. 1946 wurde das Kirchengrundstück in Eigenleistung von Gemeindemitgliedern enttrümmert, 1948 begannen die Wiederaufbauarbeiten, die sich bis 1952 hinzogen. Treibende Kräfte waren Pfarrer Geistlicher Rat Willy Nawroth und Oberbaurat Felix Lukanek. Am 22. Mai 1952 wurde die Kirche nach der Altarweihe durch den Berliner Bischof Wilhelm Weskamm in ihrer früheren Gesamtgestalt wieder für Gottesdienste in Gebrauch genommen.

Mit steigenden Zahlen von Katholiken wurden in den 1920er Jahren weitere Seelsorgestellen eingerichtet und im Laufe der Zeit als selbständige Pfarreien ausgegliedert: in Siemensstadt (1919), Staaken, Döberitz und 1928 in Hakenfelde. Am 31. Oktober 2003 fusionierte die Kirchengemeinde St. Marien aus finanziellen Überlegungen des Erzbistums Berlin mit der Nachbarpfarrei St. Lambertus (Hakenfelde), die 1928 als Kuratie St. Elisabeth im Elisabethheim enststand und 1975 als selbständige Pfarrei St. Lambertus von ihr abgetrennt worden war. Die neue Pfarrei trägt den Titel Katholische Kirchengemeinde Maria, Hilfe der Christen. Seit 2003 finden auch wieder Gottesdienste in der Kirche St. Marien am Behnitz statt, die inzwischen in privater Hand ist.

Liste der Pfarrer

Die ersten Seelsorger ab 1722 waren belgische Dominikanerpatres.

  • um 1800: Joseph Groß (P. Joseph OP?), * 1. März 1759, † 4. April 1825[3]
  • 1890-1914: Paul Kirmes, Geistlicher Rat, * 12. April 1860 in Ottmachau (Schlesien), Priesterweihe am 27. Juni 1885 in Breslau, † 18. Dezember 1920 in Zobten am Berge (Bezirk Breslau)
  • 1914-1932: Viktor Schiwy, Geistlicher Rat, * 20. April 1876 in Beuthen (Oberschlesien), Priesterweihe am 22. Juni 1901 in Breslau, † 1. Februar 1932 in Berlin-Tempelhof
  • 1932-1960: Willy Nawrot, Geistlicher Rat, * 26. November 1884 in Breslau, Priesterweihe 17. Juni 1909 in Breslau, † 21. Juni 1960 in Berlin
  • 1960-1982: Friedrichkarl Förster, Pfarrer, * 8. März 1912 in Essen, Priesterweihe am 27. März 1938 in Berlin, † 2. Februar 1992 in Burgkunstadt (Oberfranken)
  • 1982-2000: Ulrich Weidel, Pfarrer, * 10. Januar 1932 in Berlin, Priesterweihe am 29. Juni 1958 in Berlin
  • seit 2000: Matthias Mücke, Pfarrer, * 9. Februar 1955 in Mahlow, Priesterweihe am 27. Juni 1981 in Berlin, seit 1994 Pfarrer von St. Lambertus (Hakenfelde), seit 2000 zusätzlich auch von Maria, Hilfe der Christen, seit 2003 Pfarrer der fusionierten Pfarrei Maria, Hilfe der Christen

Bauwerk und Ausstattung

Längsschnitt (Christoph Hehl)
Grundrisse (Erdgeschoss und in Höhe der Orgelbühne)
Inneres 2011

Den Entwurf zur Kirche erstellte der Architekt Prof. Christoph Hehl, Professor an der Technischen Hochschule Charlottenburg. In neuromanischer Backsteinbauweise - wie auch das benachbarte Pfarrhaus - entstand ein überkuppelter Zentralbau über einem kreuzförmigen Grundriss in ungefährer Nord-Süd-Ausrichtung. Die gewölbte Kuppel des Zentralbaus bildet ein Zehneck mit 20 oberen Fenstern. Diesem sind auf der nördlichen Seite drei Konchenkapellen mit dem Hauptaltar und zwei Nebenaltärem angegliedert, auf der anderen Seite eine gedrückte basilikale Vorhalle mit Orgelempore. Zwei kurze Querschiffe ergänzen die Kreuzform. Durchbrüche von den Querarmen zu den seitlichenn Konchen und zur Vorhalle ergeben einen Umgang für Prozessionen. Südlich ist dem Gebäude ein fünfstöckiger Kirchturm angegliedert, der von einem achteckigen kurzen Helm gekrönt wird und dessen Unterbau von runden Ecktürmchen und Ziergiebeln flankiert wird.

Die Innenausstattung ist durch Kriegseinwirkung weitgehend zerstört. Sie folgte dem Konzept des Baumeisters Hehl. Die Wandgestaltung durch den Maler Theodor Nüttgens wurde 1921/22 fertiggestellt und stellte das irdische Marienleben von der Geburt Mariens bis zu ihrer Aufnahme in den Himmel dar. Die einzelnen Szenen sind in historisierender Darstellung in eine märkische Umgebung versetzt.

Nach dem Wiederaufbau blieb die Innenausstattung zunächst provisorisch. Ab 1968 erfolgte die Neugestaltung nach den Vorgaben der Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils durch den Berliner Architekten Georg Schönfeld. Der neue blockhafte Altar aus Anröchter Dolomit wurde zum Zentralbau vorgezogen; er wurde gestaltet von Paul Brandenburg und am 17. Mai 1969 geweiht. Ambo und Priestersitz wurden gleichzeitig in entsprechender Gestaltung hinzugefügt und durch einen siebenarmigen Leuchter in Bronze ergänzt. Die linke Seitenapsis nahm einen neuen Tabernakel von Georg Schlüter auf, in der rechten wurde der alte Taufstein aufgestellt; hinter Tabernakel und Taufstein füllen zwei abstrakte „Meditationsbilder“ die ansonsten monochromen weißen Wände. Die Apsiden wurden mit den beiden Querschiffen zu einem Umgang um den Zentralbau zusammengezogen.

Von 2000 bis 2006 wurden abstrakte farbige Glasfenster von Johannes Beeck aus Nettetal eingesetzt. 51 dieser Fenster finanzierte der "Verein der Freunde der St. Marien-Kirche e.V." aus Spenden, 12 weitere wurden privat gestiftet.Zwei Galvanoplastiken der Hl. Maria und des Hl. Josef aus der Anfangszeit der Kirche, 1910 geschaffen von dem Bildhauer Heinrich Pohlmann, die die Kriegszerstörung überstanden haben, wurden restauriert und sind wieder in der Kirche aufgestellt.

Die Orgel

Die erste Orgel von 1910 wurde erbaut von der Orgelbaufirma Anton Feith in Paderborn. Nach der Zerstörung wurde 1959 eine neue Orgel durch denselben Orgelbauer erstellt. Sie verfügt mit drei Manualen und Pedal über 30 Register, elektropneumatische Kegelladen und eine Crescendo-Walze.


Disposition

I Manual C–g3
Quintade 16′
Prinzipal 8′
Gemshorn 8′
Oktave 4′
Rohrflöte 4′
Waldflöte 2'
Sesquialter 2 fach
Mixtur 5-6 fach
Trompete 8'
II Manual C–g3
Lieblich gedackt 8′
Prinzipal 4′
Rohrnasard 22/3
Quintzymbel 3 fach
Krummhorn 8′
III Manual C–g3
Offenflöte 8′
Salicional 8′
Schwebung 8′
Prinzipal 4′
Spillpfeife 2′
Spitzquinte 11/3
Scharff 3 fach
Schalmey 8'
Pedal C–f1
Principalbaß 16′
Subbaß 16′
Oktavbaß 8′
Bartpfeife 8'*
Choralbaß 4'
Trompete 8'
  • Koppeln: I/P, II/P, III/P, II/I, III/I, III/II.
  • Spielhilfen: Handregister; 2 freie Kombinationen; Tutti; Walze mit Absteller.

Pfarrgemeinde Maria, Hilfe der Christen

Die Pfarrgemeinde gehört heute mit der Pfarrei St. Joseph Siemensstadt zum Pastoralen Raum Mitte Ost im Dekanat Spandau des Erzbistums Berlin. Sie ist Trägerin einer viergruppigen Kindertagesstätte neben der Pfarrkirche und des St.-Elisabeth-Seniorenheims in Hakenfelde. Im Pfarrheim in der Galenstraße gibt an drei Tagen in der Woche die Suppenküche von St. Marien ein Mittagessen an jeweils 50 bis 80 Bedürftige aus. Die Katholische Schule Bernhard Lichtenberg am Hohenzollernring besteht seit 1967 und nimmt die Tradition einer katholischen Schule in Spandau auf, die 1848 gegründet und 1938 von den Nationalsozialisten geschlossen worden war.

Quellen und Literatur

  • Kath. Kirchengemeinde Maria, Hilfe der Christen (Hrsg.): Festschrift 100 Jahre Maria, Hilfe der Christen Berlin-Spandau 1910-2010, Oranienburg (WMK-Druck) oJ (2010), darin Beiträge von Martin Recker. (Geschichte), Felix Lukanek (Zerstörung und Wiederaufbau) und Christine Goetz (Architektur und Kunst); verantwortlich: Pfr. Matthias Mücke; Konzept und Redaktion: Lilo Heusler.
  • Gebhard Streicher, Erika Drave: Berlin Stadt und Kirche. Morus Verlag, Berlin 1980, ISBN 3-87554-189-8, S. 240f.

Weblinks

 Commons: Maria, Hilfe der Christen (Berlin-Spandau) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Gebhard Streicher, Erika Drave: Berlin Stadt und Kirche. Morus-Verlag, Berlin 1980, ISBN 3-87 554-189-8, S. 240.
  2. Monika Saskowski: Anno Domini 1909... in: Kath. Kirchengemeinde Maria, Hilfe der Christen, Berlin-Spandau (Hrsg.), Pfarrbrief Dezember 2009/Januar 2010, S. 10.
  3. lt. Grabkreuz an der Ostseite der Kirche, möglicherweise zunächst Dominikanerpater und nach der Säkularisation Diözesanpriester.
52.54034813.198448

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