Paul Baumgarten (Architekt, 1873)

Paul Baumgarten (Architekt, 1873)

Paul Baumgarten (vollständiger Name: Paul Otto August Baumgarten; auch: Paul OA Baumgarten, Paul Baumgarten der Ältere; fälschlicherweise, da nicht verwandt mit dem jüngeren Paul Baumgarten, auch Paul Baumgarten sen.) (* 25. Juni 1873 in Schwedt/Oder; † 1946, nach anderen Angaben „nach 1953“ oder 1964), war ein deutscher Architekt. Er gehörte neben Albert Speer sen., Paul Ludwig Troost, German Bestelmeyer, Hermann Giesler und Leonhard Gall zu den Lieblingsarchitekten Adolf Hitlers.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Werk

Nach dem Besuch der Hamburger Kunstgewerbeschule (heute HbK) absolvierte Baumgarten von 1898 bis 1901 ein Architekturstudium an der Technischen Hochschule Berlin-Charlottenburg.

Anschließend war er im Büro von Stadtbaurat Ludwig Hoffmann und ab 1902 (nach anderen Angaben ab 1901) bei Alfred Messel tätig.

Das von Nyegaard-Stift in den ersten Jahren nach seiner Errichtung. Kolorierte Postkarte von 1911

Ab 1899 betrieb er zudem zusammen mit Eugen Kühn bis 1902 das Architekturbüro Kühn & Baumgarten. In diese Zeit fällt unter anderem der Bau des Nyegaard-Stiftes in Hamburg (1899–1901; Neorenaissance-Stil).

Das Tätigkeitsfeld von Baumgarten lag anfänglich vor allem im Wohnungsbau. So plante er diverse Stadt- und Landhäuser unter anderem in Berlin und Potsdam. Für Eduard Arnhold baute er 1905 das Gutshaus des Rittergutes Hirschfelde nordöstlich von Berlin um und konzipierte für ihn 1907 das Gebäude des Waisenhauses Johannaheim.

Während der Zeit des 1. Weltkrieges (etwa 1917) wurde Baumgarten als Leiter in die Bautenprüfstelle des Kriegsamtes im Kriegsministerium dienstverpflichtet.

Villa Hamspohn und Villa Liebermann

Die Villa Hamspohn, 1917

1909 erhielt er den Auftrag zum Bau der Villa von Max Liebermann an der Seestraße 24 (heute Colomierstraße 3) in der „Colonie Alsen“ am Wannsee, nachdem er 1906/07 bereits die Villa von dessen Nachbarn, des AEG-Direktors und Reichstagsabgeordneten Johann Hamspohn, entworfen hatte (Am Großen Wannsee 40; wieder saniert und heute Sitz des „Kunstsalon Berliner Secession – Haus der Begegnung“). Die Liebermann-Villa entstand nach genauen Vorgaben des Malers und auf dessen Wunsch zurückhaltend neoklassizistisch nach dem stilistischen Vorbild der Patriziervillen in den Hamburger Elbvororten, die Liebermann von häufigen Besuchen kannte. Liebermann soll Wert darauf gelegt haben, vom See durch das Gebäude hindurch bis zur Straße sehen zu können. Von der Straßenseite aus dominieren zwei ionische Säulen in der Mittelachse und verleihen dem Haus einen entsprechend repräsentativen Charakter.

Die Liebermann-Villa

Auf Wunsch von Liebermann legte Baumgarten den Haupteingang jedoch nicht wie üblich in diese Mittelachse, sondern an die nördliche Schmalseite, direkt unter dem Atelier des Malers. Zur Seeseite hin entstand eine Loggia und zwei Terrassen, die das Gebäude mit dem von Liebermann zusammen mit Alfred Lichtwark gestalteten und nach Fertigstellung oft zum Malen genutzten Garten verknüpfen. Die Villa und besonders der Garten sind auf Liebermanns Bildern häufig zu sehen. Sie wurde in den vergangenen Jahren anhand der noch vorhandenen Pläne und Fotos restauriert und 2006 als „Liebermann-Museum“ wieder eröffnet. Die Inneneinrichtung des Hauses ist nicht erhalten, sie ging verloren, als Liebermanns Witwe die Villa 1940 an die Reichspost verkaufen musste.

Villa Kunheim

1910/1911 baute er ein – ursprünglich nach Plänen Friedrich Hitzig 1870–71 errichtetes – Wohnhaus in der Fürst-Bismarck-Straße im Alsenquartier für den Chemie-Fabrikanten Erich Kunheim (die Firma Kunheim war seinerzeit der größte Ammoniakproduzent in Deutschland, auch Hersteller von Cyan, dem Ausgangsstoff für die industrielle Herstellung des Berliner Blau) im damals aktuellen neoklassizistischen Stil um. Dabei erweiterte er den ursprünglich zweigeschossigen, siebenachsigen Bau zu einem dreigeschossigen mit neun Achsen. Ionische Säulen in Wandnischen über dem hohen Sockelgeschoss gliedern die Fassade. Puttenreliefs schmücken den Fries. Seit 1920 dient es als Schweizerische Botschaft). Es ist als einziges Gebäude aus der Entstehungszeit dieses Quartiers bis heute erhalten geblieben.


Auch die Badeanstalt in Potsdam, bekannt als Werner-Alfred-Bad, ein Hotel sowie Kurhaus, Kursaal und Kurmittelhaus in Bad Eilsen entstanden nach Baumgartens Entwürfen.

In das Jahr 1911 fällt seine Heirat mit Eva Tuaillon, Tochter des Bildhauers Louis Tuaillon. Für diesen hatte er im Jahr zuvor eine Villa im Grunewald entworfen (Herbertstr. 1).

Das Mausoleum im Park von Schloss Bückeburg

Von 1911 bis 1915 baute er im Park von Schloss Bückeburg ein Mausoleum als Begräbnisstätte des Fürstenhauses Schaumburg-Lippe.

Villa Marlier

Villa Marlier und Garten, 1916

Für den Fabrikanten von pharmazeutischen Präparaten Ernst Marlier baute er 1914/1915 eine Villa am Wannsee, die als sein luxuriösester und bekanntester Bau gilt (Am Großen Wannsee 56–58). Die üppige Innenausstattung weist auf das hohe Repräsentationsbedürfnis des gesellschaftlich schnell aufgestiegenen Bauherren hin. Auf seinen Wunsch integrierte Baumgarten auch mehrere Spolien und Kopien von anderen Kunstgegenständen in die Ausstattung.

Ob Baumgarten auch den zugehörigen Park gestaltete oder einen Gartenarchitekten hinzuzog, ist unklar. Die Villa Marlier war im "Dritten Reich" dann das Gästehaus der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes und ist bekannt geworden durch die Wannseekonferenz).

Im Jahr 1918 wurde Baumgarten als Professor an die Hochschule berufen.

Sein Büro lag um 1920 in der Genthiner Straße 43 (heute Berlin-Tiergarten).

Tätigkeit im Dritten Reich

1934 bekam er den Auftrag, die Deutsche Oper in Berlin-Charlottenburg umzubauen. Dieser Auftrag bedeutete den Beginn seiner Karriere im Dritten Reich. Ab 1935 wurde Paul Baumgarten als Mitglied in den Reichskultursenat und ab 1936 Mitglied in die Berliner Bauakademie berufen. Baumgarten war auch NSDAP-Mitglied, allerdings erst seit März 1940.

Ehemaliges Gautheater Saarpfalz, heute (umgebaut): Saarländisches Staatstheater
Stadttheater Augsburg

Er verlegte seinen Schwerpunkt auf den Bau von Theatern. Zu den Werken dieser Zeit gehören unter anderem der Bau des Grenzlandtheaters (nach dem damals geplanten Gau Westmark auch Westmarktheater oder Gautheater Saarpfalz genannt, heute Saarländisches Staatstheater) in Saarbrücken (1936–38, ein Auftrag von Joseph Goebbels, als „Dank Hitlers“ für das Ergebnis der Volksabstimmung im Saarland für die Wiedereingliederung des Saarlandes in das deutsche Reich; Bühneneinrichtung: Kurt Hemmerling, 1942 durch Bombenangriff zerstört, nach Kriegsende verändert wiederaufgebaut), der Umbau des Schiller-Theaters (1938), Admiralspalastes (1955 bis 1997: Metropol-Theater, seit 2006 wieder Admiralspalast, die Führerloge wurde bei der Renovierung zerstört, Friedrichstraße 101–102) und des Metropol-Theaters (heute: Komische Oper) in Berlin, des Stadttheaters Augsburg (1938/39), des Deutschen Theaters München (Umgestaltung Theatersaal, 1939), sowie des Nationaltheaters in Weimar. Baumgarten sollte auch das Vogtland-Theater in Plauen (heute „Theater Plauen-Zwickau“) völlig neu bauen, doch das Projekt blieb aufgrund des Kriegsbeginns im Entwurfsstadium stecken (Entwurfsmodell siehe Weblinks). Ausgeführt wurde 1939 lediglich ein wenige Monate dauernder Umbau, dem allerdings der gesamte vorhandene Stuck im Zuschauerraum zum Opfer fiel. Baumgarten galt als der Theaterarchitekt von Adolf Hitler. In allen Theatern wurde eine „Führerloge“ errichtet.

1937 plante er das Verwaltungsgebäude der Luftfahrt-Industrie in Berlin. Zwei Jahre darauf baute er das Schloss Bellevue zum „Gästehaus des Deutschen Reiches“ um (heute Sitz des Bundespräsidenten). Außerdem wirkte er 1938/39 mit am Neubau der Reichskanzlei sowie der Dienstwohnung von Joseph Goebbels.

Es war seitens der nationalsozialistischen Machthaber auch beabsichtigt, Baumgarten als Architekt eines Opernhauses bei den Monumentalbauten der „Führerstadt“ Linz mitwirken und für Hitlers Geburtsstadt Braunau ein Theater bauen zu lassen. Das für 2000 Besucher konzipierte Opernhaus in Linz, zentraler und repräsentativster Bau des geplanten Opernplatzes, war laut Albert Speer ein persönliches Lieblingsprojekt Hitlers. Diese Projekte wurden jedoch kriegsbedingt nicht mehr umgesetzt.

1944 erhielt Baumgarten von Hitler eine Dotation in Höhe von 100.000 Reichsmark.[1]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Gerd R. Ueberschär, Winfried Vogel: Dienen und Verdienen. Hitlers Geschenke an seine Eliten. 2. Auflage. Fischer, Frankfurt am Main 1999, ISBN 3-10-086002-0.

Quellen und Literatur

  • Paul Baumgarten [u.a.]: Das Gautheater Saarpfalz in Saarbrücken. In: Siemens-Zeitschrift. H. 1, 1939, ISSN 0302-251X, S. 1–4.
  • Wolfgang Ribbe, Wolfgang Schäche (Hrsg.): Baumeister, Architekten, Stadtplaner. Biographien zur baulichen Entwicklung Berlins. Stapp, Berlin 1987, ISBN 3-87776-210-7 (Berlinische Lebensbilder).
  • Johannes Tuchel: Am Großen Wannsee 56–58. Von der Villa Minoux zum Haus der Wannsee-Konferenz. Edition Hentrich, Berlin 1992, ISBN 3-89468-026-1 (Publikationen der Gedenkstätte Haus der Wannsee-Konferenz 1).
  • Nicole Bröhan: Das Landhaus Max Liebermanns, Berlin-Wannsee, und sein Architekt Paul Otto August Baumgarten. Magisterarbeit am Kunsthistorischen Institut der Freien Universität (Prof. Harold Hammer-Schenk), 1996.
  • Norbert Kampe (Hrsg.): Villenkolonien in Wannsee 1870–1945. Großbürgerliche Lebenswelt und Ort der Wannsee-Konferenz. Edition Hentrich, Berlin 2000, ISBN 3-89468-260-4 (Publikationen der Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz 8).

Ein Bestand mit Unterlagen zu Paul Otto August Baumgarten befindet sich im Landesarchiv Berlin.

Weblinks

 Commons: Paul Baumgarten – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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