Christa Meves

Christa Meves

Christa Meves (geb. Mittelstaedt; * 4. März 1925 in Neumünster) ist eine deutsche Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin und Schriftstellerin.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Nach dem Studium der Geographie, Germanistik und Philosophie an den Universitäten Breslau und Kiel absolvierte sie ihr Staatsexamen in Hamburg, wo sie zusätzlich Psychologie studierte. 1962 schloss sie im psychotherapeutischen Institut in Göttingen ihre Zusatzausbildung zur Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin (Psychagogin) ab. 1992 erhielt sie die staatliche Anerkennung. Sie ist Mitglied der Psychotherapeutenkammer Niedersachsen.

Christa Meves arbeitet in Uelzen. Sie hat mehr als 100 Bücher verfasst, die in bis zu 13 Sprachen übersetzt wurden. Von 1978 bis 2006 war sie Mitherausgeberin der Wochenzeitung Rheinischer Merkur.

Seit 1946 war sie mit dem Augenarzt Harald Meves († 2003) verheiratet. Ab 1973 war sie berufenes Mitglied der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland, aus der sie auf eigenen Wunsch 1984 ausschied. 1987 konvertierte sie zum Katholizismus.

Arbeit

Christa Meves versuchte auf Grundlage der neoanalytischen Antriebslehre und der Instinktlehre von Konrad Lorenz und Niko Tinbergen, der Entwicklungspsychologie und aus Erkenntnissen ihrer kinderpsychotherapeutischen Praxiserfahrung ein eigenes Konzept zu entwickeln. Dieses wurde später durch Ergebnisse aus der Gehirn- und Hormonforschung abgestützt, was sie in dem Buch Geheimnis Gehirn dann niederlegte. Meves entwickelte eine Theorie von Persönlichkeitstypen, die sie in Darstellungs-, Ordnungs-, Einsiedler- und Hingabetypen unterschied.[1]

In der Frage der psychotherapeutischen Behandlung im Strafvollzug warnte Meves davor, die „Reversibilität eingebahnter krimineller Verhaltensstörungen leichtfertig zu überschätzen.“ Wiederholungstäter seien häufig gar nicht in der Lage, ihr Handeln zum Zeitpunkt der Tatbegehung situationsgerecht abzuschätzen, so dass ein vorsätzliches Begehen oft nicht vorliege und somit ein Strafvorwurf nicht gemacht werden könne.[2]

In ihrem Buch Manipulierte Maßlosigkeit wurden die Bücher Der aufgeklärte Eros (1964) von Alex Comfort und Sexualerziehung (1970) von Helmut Kentler einer scharfen Kritik unterzogen. Bei dem Buch von Kentler gewinne man „ganz deutlich“ den Eindruck, „dass hier echte Demagogie betrieben wird. Hier soll politisch verhetzt und gleichzeitig Anarchie gefördert werden. Die Anweisungen von Herrn Kentler“ zur Geschlechtserziehung seien teuflischen „Strategien zur Verderbnis des Menschen“ vergleichbar.[3] In ihrem Aufsatz Der verkopfte Mensch machte sie die Philosophie der Aufklärung und insbesondere Kants für eine Überbewertung des Denkens und eine Abwertung der Gefühle verantwortlich.[4] Die Religion ordnet sie hier einseitig dem Bereich des Gefühls zu.[5]

Politisches Engagement

1981 gründete der Herder-Verlag den Freundeskreis Christa Meves, der ab 1996 zu dem Verein Verantwortung für die Familie (VFA e. V.) erweitert wurde. Hieraus ging dann unter der Leitung von Christa Meves das ECCM (Elterncolleg Christa Meves), eine fortbildende Elternschule, hervor. 1978 schrieb sie für Herbert Gruhl und dessen neugegründete Umweltpartei Grüne Aktion Zukunft (GAZ) den familienpolitischen Teil; später brachte sich Meves in ähnlicher Weise als Mitglied der AUF – Partei für Arbeit, Umwelt und Familie[6] ein. Sie setzt sich außerdem für das Familiennetzwerk ein, ein familienpolitisch, christlich-konservativer Interessenverband, der sich gegen außerfamiliäre Kinderbetreuung engagiert.[7]

Rezeption und Kritik

1976 veröffentlichte Klaus Reblin, Hauptpastor an St. Katharinen in Hamburg und Generalsekretär des Deutschen Evangelischen Kirchentags, einen kritischen Artikel über Meves in der Wochenzeitung Die Zeit. Reblin fragte: „Für wen schreibt diese evangelische Frau? Wer liest die Hunderttausende von Büchern, die unter ihrem Namen im katholischen Herder-Verlag erscheinen? Nach allem, was ich von Meves gelesen habe, können es nur Menschen voller Ressentiments gegenüber der Moderne sein. Menschen, die eine Bestätigung ihrer Vorurteile gegenüber allem Neuen brauchen – schwarz auf weiß.“[8] 1978 veröffentlichte Christian Schultz-Gerstein im „Spiegel“ einen kritischen Artikel über Meves.[9] Der Erziehungswissenschaftler Micha Brumlik behauptet, Meves werde „von wissenschaftlichen Erziehungsberatern so wenig ernst genommen wie von der akademischen Psychologie“.[10] In einem ihrer Bücher aus dem Jahr 2000 überschreite sie „die Grenzen einer engagierten, konservativen Lebensberatung in Richtung hetzerischer Weltanschauungstraktätchen“.[11]

Einer der von ihren Kritikern meistzitierten Sätze stammt aus ihrem „Ehe-Alphabet“ (1973): „Die Frau hat von ihrer biologischen Aufgabe her ein natürliches Bedürfnis nach Unterwerfung, der Mann nach Eroberung und Beherrschung.“[12][13] Kritiker werfen ihr auch vor, dass sie 1977 in einem Interview mit der Zeitschrift „Mut“ bekannte, „dank Ableistungen für Führer, Volk und Vaterland“ habe sie „in den letzten Kriegsjahren mehr praktische Psychologie und Pädagogik gelernt als später an der Universität“.[12] Meves wurde auch vorgehalten, rechtsextremen Kreisen nahe zu stehen. Der Politikwissenschaftler Wolfgang Gessenharter wies 1989 darauf hin, dass sie nicht nur „gern gesehener Gast“ des Studienzentrums Weikersheim sei, sondern auch eine Frau, „die sich nicht scheut, in Presseerzeugnissen des rechtsextremen Verlegers Gerhard Frey (DVU) mit einem Interview aufzutauchen und mittlerweile auch in Schönhubers Zeitschrift ‚Republikaner‘ zu schreiben“.[14] Die Bundesregierung machte 1997 darauf aufmerksam, dass sie Kuratoriumsmitglied der „Ludwig-Frank Stiftung für ein freiheitliches Europa“ war.[15]

Es wird außerdem kritisiert, dass Meves sexuelle Aufklärung als völlig überflüssig darstellt, wenn sie schreibt: „Das Ziel der geschlechtlichen Erziehung kann also unmöglich darin bestehen, Kenntnisse und Praktiken über sexuelle Vorgänge zu erwerben. … Sexualität ist, wie bei den Tieren, ein Triebgeschehen, zu dessen Funktionieren es absolut keiner Aufklärung bedarf.“[16] Der evangelische Pfarrer Helmut Schütz weist Meves’ Kritik an der von der Landeszentrale für Gesundheitsförderung in Rheinland-Pfalz herausgegebenen Aufklärungsbroschüre „Let’s Talk About Sex“ entschieden zurück.[17] Meves sei „ideologisch verblendet“.[18]

Der Schriftsteller Richard Wagner zählt Meves zu den „fundamentalistisch auftretenden Damen“, die 1982 die geistig-moralische Wende erwarteten, aber heute „in bemerkenswerter Weise machtlos“ seien.[19] Meves’ Deutung von Harry Potter als „Zeichen unserer gottlosen Zeit“ blieb auch von katholischen Theologen nicht unwidersprochen.[20]

Die katholische Schriftstellerin Luise Rinser empörte sich über einen Bericht von einem Treffen Homosexueller, in dem Meves schrieb: „Man wünscht sich wieder saubere, aufrechte junge Männer.“ Rinser kommentierte: „Also sind Homosexuelle keine sauberen, aufrechten Menschen? [Männer.] Also sind sie unsauber und geduckt und feige? Also entsprechen sie nicht dem Bild vom sauberen Deutschen, wie Hitler ihn haben wollte? Wie klein ist der Schritt zu der Forderung Hitlers nach SS-Idealgestalten?“[21] Hans-Georg Stümke und Rudi Finkler bezeichneten Meves in ihrem „Standardwerk“[22] „Rosa Winkel, rosa Listen“ (1981) als „Deutschlands führende Homophobe“, weil sie „seit Jahren einen ideologischen Kreuzzug gegen Homosexuelle“ führe.[23]

Auszeichnungen

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Christa Meves: Charaktertypen – Wer paßt zu wem? 2000, ISBN 3-930039-74-5
  2. Rheinischer Merkur, Nr. 40, 4. Oktober 1996
  3. Ebd. 112.
  4. Ebd. 131.
  5. Ebd. 133.
  6. AUF: „Wir brauchen eine neue Partei!“ – Grußbotschaft von Christa Meves vom 16. Mai 2009
  7. Tagung des Familiennetzwerkes 2009 (PDF)
  8. In: Die Zeit, Nr. 46/1976. Vgl. auch die Leserbriefe zu diesem Artikel (von Heinz-Dietrich Ortlieb, Ludwig Muth u. a.): Ruferin in der Wüste. In: Die Zeit, Nr. 51/1976.1976//
  9. C. Schultz-Gerstein: Alle sind irgendwie ausstoßungswert. In: Der Spiegel. Nr. 8, 1978 (online).
  10. M. Brumlik: Antidot contra Antichrist. In: Die Welt, 10. Februar 2001. Bestseller-Pädagogin Christa Meves erklärt, warum Marxisten der Pädophilie den Weg ebneten.[
  11. Ebd.
  12. a b Peter Niggli, Jürg Frischknecht: Rechte Seilschaften. Wie die „unheimlichen Patrioten“ den Zusammenbruch des Kommunismus meisterten. Zürich 1998, S. 587.
  13. Jutta Ditfurth: Feuer in die Herzen. Plädoyer für eine ökologische linke Opposition. Düsseldorf 1994. S. 249
  14. W. Gessenharter: Konservatismus und Rechtsextremismus – Nähen und Distanzen. (PDF) Friedrich-Ebert-Stiftung
  15. bundestag.de
  16. Zit. n. Karl Abraham: Psychoanalytische Studien. Gießen 1999. S. 75.
  17. Helmut Schütz: Missbrauchtes Vertrauen. Sexueller Mißbrauch als Herausforderung an Seelsorge, Kirche und Bibelauslegung. Gießen 2008. S. 77.
  18. Ebd. S. 155.
  19. Richard Wagner: Die Metaphysik des Machtwechsels. Das schlichte Ende einer Regierung wird von Intellektuellen zur moralischen Wende überhöht. In: Berliner Zeitung, 5. Juli 2005.
  20. Der katholische Priester und Dogmatikprofessor Axel Schmid meint, in „Harry Potter“ stecke doch mehr, „als Meves darin entdeckt“. Vgl. Axel Schmid: Theologische Anmerkungen zu Harry Potter. Der katholische Priester und Theologieprofessor Norbert Clemens Baumgart schrieb, er teile Meves’ Pessimismus im Hinblick auf Harry Potter nicht. Vgl. N. C. Baumgart: Die Bibel ein(sch)muggeln? Die Suche nach mythologischen, religiösen und theologischen Spuren in den Harry Potter-Romanen. In: Harry Potter – Ein Literatur- und Medienereignis im Blickpunkt interdisziplinärer Forschung. Münster 2006. S. 75–102, hier 96.
  21. Luise Rinser: Winterfrühling 1979–1982. Frankfurt a. M. 1982. S. 207
  22. Stefan Bajohr u. a.: Der Unrechts-Staat, Bd. 2. Baden-Baden 1984. S. 288
  23. Hans-Georg Stümke, Rudi Finkler: Rosa Winkel, rosa Listen. Homosexuelle und „Gesundes Volksempfinden“ von Auschwitz bis heute. Reinbek bei Hamburg 1981, S. 386f.
  24. Stiftungspreis. Stiftung Ja zum Leben, abgerufen am 8. Dezember 2010.

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