Steuersünder-CD

Steuersünder-CD

Der Begriff Steuersünder-CD (verkürzt auch Steuer-CD) ist ein mediales Schlagwort für optische Speichermedien, welche Datensätze von Bankkunden enthalten, die dem deutschen Fiskus zum Kauf oder Whistleblower-Plattformen wie WikiLeaks angeboten werden.

Inhaltsverzeichnis

Rechtslage

In den bisherigen Fällen lagen die Banken dabei in Steueroasen wie der Schweiz oder in Liechtenstein. Der Diebstahl der Kundendaten steht in den Steueroasen unter Strafandrohung. Der Erwerb der Steuersünder-CDs durch den deutschen Fiskus dient der Strafverfolgung von Steuerhinterziehern. Eine Steuersünder-CD ist ein Sachbeweis im Sinne der Strafprozessordnung (StPO). Zuständige Strafverfolgungsbehörde für Steuerhinterziehung (strafbar gem. § 370 der Abgabenordnung) ist die Bußgeld- und Strafsachenstelle des Finanzamts bzw. die Staatsanwaltschaft, während die Steuerfahndung den Sachverhalt lediglich ermittelt.

Ein Beweisverwertungsverbot nach dem Strafprozessrecht besteht nach herrschender Auffassung nicht. Das Bundesverfassungsgericht hat im November 2010 die Nutzung der Daten solcher Datenträger bei der Strafverfolgung erlaubt. So können die von Informanten angekauften Informationen über mutmaßliche Steuerhinterzieher in Ermittlungsverfahren verwendet werden. Es käme nicht darauf an, ob der Ankauf der Daten ursprünglich rechtmäßig war (2 BvR 2101/09).[1] In der Urteilsbegründung hieß es: „Der ‚Datendiebstahl‘ sei der Bundesrepublik Deutschland nicht zuzurechnen. Selbst wenn völkerrechtliche Übereinkommen umgangen worden sein sollten, sei dies unschädlich, weil sich aus der Verletzung eines völkerrechtlichen Vertrages, der keine persönlichen Rechte gewähre, kein Verwertungsverbot ergebe. Im Übrigen sei das möglicherweise völkerrechtswidrige Geschehen (‚Datendiebstahl‘ und Ankauf der ‚gestohlenen‘ Daten) abgeschlossen gewesen; durch die Benutzung der Daten in dem Ermittlungsverfahren gegen die Beschwerdeführer würden die Übereinkommen nicht erneut beeinträchtigt.“ [2] Weiter sind „Beweismittel, die von Privaten erlangt wurden, selbst wenn dies in strafbewehrter Weise erfolgte, grundsätzlich verwertbar, so dass allein von dem Informanten begangene Straftaten bei der Beurteilung eines möglichen Verwertungsverbotes vornherein nicht berücksichtigt werden müssen.“[3]

Legal Tribune Online schrieb im Dezember 2010 unter anderem zum Urteil: „Es handelt sich keinesfalls um die abschließende rechtliche Beurteilung aller mit solchen CDs verbundenen Fragen. Der Kontodaten-CD-Beschluss ist vor allem kein Freibrief, staatsanwaltliche Ermittlungen künftig beliebig durchführen zu können, wie manche jetzt meinen (das hat das BVerfG bereits an anderer Stelle entschieden [gekürzt]. Zulässig ist nur, dass gegen auf den CDs benannte Personen ermittelt werden darf. Außerdem besteht die grundsätzliche Möglichkeit zu Hausdurchsuchungen. Noch nicht entschieden ist, ob diese ‘fruits of the poisonous tree’ selbst als Grundlage für eine strafrechtliche Verurteilung herangezogen werden dürfen. Das ist die am Ende wesentlich wichtigere Frage, denn selten finden sich bei Hausdurchsuchungen wirklich die gewünschten Belege. Diese nämlich werden meist zum Schutz vor solchen Ermittlungsmaßnahmen gar nicht erst in Deutschland aufbewahrt.“[4]

Wirkung

Nachdem in den Medien Verkaufangebote weiterer Steuersünder-CDs bekannt wurden, gehen bei deutschen Finanzämtern regelmäßig Selbstanzeigen ein, in der Hoffnung auf die strafbefreiende Wirkung gemäß § 371 der Abgabenordnung (AO). Die Selbstanzeige hat in jedem Fall strafmindernde Wirkung. Ob die Selbstanzeige auch strafbefreiende Wirkung haben darf, ist allgemein umstritten, denn gemäß § 371 Absatz 2 AO entfällt die Strafbefreiung, sobald das Finanzamt die Steuerhinterziehung bereits vor Eingang der Selbstanzeige entdeckt hat.

Bis Ende 2010 hat der Kauf der CDs mit Daten von Bankkunden in Liechtenstein und der Schweiz ein paar Millionen Euro gekostet, aber es wird mit 1,8 Milliarden Euro an Steuernachzahlungen gerechnet. Nach Einschätzung von Steuerexperten wird die Praxis des Steuer-CD-Ankaufs die Steuermoral auf Dauer steigern.[5]

WikiLeaks

Wurden sogenannte Steuer-CDs hauptsächlich an deutsche Behörden verkauft, hatte Rudolf Elmer, ehemaliger Bankdirektor der Julius Baer Bank & Trust Company, einer Tochtergesellschaft der Schweizer Bank Julius Bär auf den Cayman Islands, persönliche Kundendaten mehrfach an WikiLeaks weitergegeben. 2007 hatte er geheime Kundendaten auf WikiLeaks veröffentlichen lassen, wovon aber einige gefälscht waren.[6][7]

Am 17. Januar 2011 übergab Elmer dem WikiLeaks-Sprecher Julian Assange zwei CDs mit angeblich rund 2.000 Daten von Kunden aus den Vereinigten Staaten, Großbritannien, Österreich und Deutschland unter anderem von „bekannten Stützen der Gesellschaft“ wie Geschäftsleuten, Kunstschaffenden und rund 40 Politikern.[8] Später in Untersuchungshaft erklärte Elmer, dass die Datenträger leer waren und somit keine Bankdaten enthielten.[9] Im Juli 2011 bestätigten dies zwei Elmer nahestehende Personen, die an der Pressekonferenz in London teilgenommen hatten. Eine von ihnen gab an, die Information direkt von Assange erhalten zu haben.[10][11]

Aufgrund dieser Übergabe von Kunden- und Geschäftsdatensätzen und früheren Übergaben an WikiLeaks wurde Elmer festgenommen und in Untersuchungshaft genommen.[12] Kurz zuvor wurde er wegen mehrfacher versuchter Nötigung, Drohung und Verletzung des Schweizer Bankgeheimnisses von einem Schweizer Gericht zu einer Geldstrafe auf Bewährung verurteilt. Elmer hatte 2004 Datensätze der Bank an Medien und Steuerbehörden weitergeleitet sowie Bankmitarbeiter bedroht.[13] Elmer legte Berufung gegen das Urteil ein.[14] Die Weitergabe der Datensätze an WikiLeaks waren nicht Teil der Anklage.[7]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Karlsruhe erlaubt Nutzung, n-tv.de vom 30. November 2010
  2. BVerfG, 2 BvR 2101/09 vom 9.11.2010, Absatz-Nr. (1 - 62) auf bundesverfassungsgericht.de, abgerufen am 30. November 2010
  3. Pressemitteilung Nr. 109/2010 vom 30. November 2010, bundesverfassungsgericht.de
  4. Björn Demuth: Kein Freibrief für die Strafverfolgung. In: Legal Tribune Online vom 28. Dezember 2010
  5. Lukrative Steuer-CDs, Staat kassiert 1,8 Milliarden Euro von Steuersündern Spiegel Online vom 18. Dezember 2010
  6. Der Mann, der Julius Bär verpfiff, muss im Januar vor Gericht in: Der Sonntag vom 4. Dezember 2010
  7. a b Wikileaks-Star kommt vor Zürcher Gericht in: Schweizer Fernsehen vom 12. Januar 2011
  8. WikiLeaks startet Kampf gegen Steueroasen Spiegel Online vom 17. Januar 2011
  9. Warum Elmer in U-Haft bleibt in: Tages-Anzeiger vom 3. März 2011
  10. Discs Swiss banker gave to WikiLeaks held no secrets in: Reuters vom 12. Juli 2011; Archiv-Version
  11. Elmers CDs entpuppen sich als Reinfall in: Tages-Anzeiger vom 12. Juli 2011
  12. Ex-Banker Rudolf Elmer erhebt Beschwerde gegen Untersuchungshaft in: Tages-Anzeiger vom 27. Januar 2011
  13. Richter: Elmer ist ein Whistleblower aus Rache in: Tages-Anzeiger vom 19. Januar 2011
  14. Ex-Banker legt Berufung gegen Urteil ein in: Schweizer Fernsehen vom 20. Januar 2011

Weblinks

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