Walter Ziegler (Richter)

Walter Ziegler (Richter)

Walter Ziegler (* 5. November 1912 in Berlin; † 20. Februar 1977 ebenda) war Jurist und einer der führenden Richter in der jungen DDR. Er fällte in den 1950er Jahren als Vorsitzender des 1. Strafsenats im Obersten Gericht der DDR zahlreiche harte Urteile gegen politische Häftlinge und vermeintliche Spione.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Ziegler war der Sohn eines Sattlers und einer Lederstepperin und wuchs in Berlin-Neukölln auf. 1932 legte er in der Karl-Marx-Schule in Neukölln das Abitur ab. Von 1931 bis 1933 war er Mitglied der KPD. Er studierte Nationalökonomie und Rechts- und Staatswissenschaften in Berlin, sammelte ab 1937 Erfahrungen als Referendar beim Oberlandesgericht Naumburg, dem Amtsgericht Zörbig und dem Landgericht Halle (Saale). 1942 legte der das Staatsexamen ab.

Im Nationalsozialismus gehörte Walter Ziegler dem NS-Richterbund und bis Ende des Zweiten Weltkriegs dem Nationalsozialistischen Rechtswahrerbund an. In der Wehrmacht diente er als Unteroffizier, wurde 1943 mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet. Von April bis Juni 1945 war Ziegler in amerikanischer Lazarettgefangenschaft in Bad Lausick (Sachsen) und trat unmittelbar nach seiner Entlassung im gleichen Jahr eine Stelle als Richter am Amtsgericht Bitterfeld an.

Karriere in der DDR

1946 trat Ziegler nicht wieder in die KPD, sondern in die SPD ein. In einem Überprüfungsverfahren 1951 anlässlich einer Parteisäuberung der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) wurde ihm das negativ angerechnet: „Ziegler stammt aus der Arbeiterklasse, hat jedoch noch kleinbürgerliche Tendenzen, die ihren Ausdruck fanden in der schwankenden Haltung durch seinen Zutritt in die SPD, nachdem er 1931 Mitglied der KPD gewesen war“[1]. Aufgrund der Zwangsvereinigung mit der KPD war er Mitglied der SED geworden. 1949 ging Ziegler zurück ans Landgericht Halle, diesmal als Gerichtspräsident. 1950 kam er in die oberste Riege der DDR-Gerichtsbarkeit: Als Oberrichter am Obersten Gericht der DDR - das damals gerade im Aufbau war - arbeitete Ziegler in unmittelbarer Nähe zu Hilde Benjamin. Er war einer ihrer Beisitzer im 1. Strafsenat und folgte ihr zunächst als kommissarischer Vizepräsident und Vorsitzender des 1. Strafsenats, 1954 als Vizepräsident des Obersten Gerichts nach.

Die New York Times berichtet 1954 vom strammen Verhör des vermeintlichen Gehlen-Spions Karl Bandelow durch Walter Ziegler.

Es war in der Regel der Vizepräsident, der die Verfahren im höchsten Strafgericht der DDR leitete. In dieser Funktion verhängte Ziegler politisch gefärbte harte Strafen, etwa sieben Jahre Zuchthaus für den ehemaligen KPD-Funktioär Fritz Sperling, der keinerlei Straftaten begangen hatte. Er fällte Todesurteile unter anderem 1954 gegen den Oberleutnant des Ministeriums für Staatssicherheit Paul Rebstock, 1955 gegen Karl Laurenz und Elli Barczatis wegen Spionage, obwohl sie keine Agentin war. 1956 schlug Ziegler einmal kritische Töne an, als er in einem Brief an den Generalstaatsanwalt Ernst Melsheimer zu lange Untersuchungshaftzeiten und den Sinn von Nachtverhören von Verdächtigen in Frage stellte: "Es kann unmöglich geduldet werden, daß Häftlinge eine Woche lang jeweils die ganze Nacht und dabei an 3 Tagen Tag und Nacht vernommen werden. Wenn solche Häftlinge ihre in derartigen Vernehmungen gemachten Aussagen widerrufen, halte ich es für unmöglich, unter solchen Umständen gemachte Aussagen als beweiskräftig anzusehen." Dieses Schreiben versandete ohne weitere Beachtung, denn Ziegler hatte hier 'nur' die allgemein übliche Vernehmungs-Praxis angesprochen. Möglicherweise war das Schreiben jedoch Auslöser für die inzwischen zur Justizministerin aufgestiegenen Hilde Benjamin, Ziegler 1958 in die Provinz ans Bezirksgericht Frankfurt (Oder) zu versetzen. Dort bewährte sich Ziegler mit außergewöhnlich harten, stets politisch begründeten Urteilen. So verurteilte er etwa 1959 den aus West-Berlin entführten Rechtsanwalt Erwin Neumann wegen seiner Mitarbeit im Untersuchungsausschuss Freiheitlicher Journalisten zu lebenslangem Zuchthaus; Neumann starb nach neun Jahren in strenger Isolationshaft. Selbst dem Obersten Gericht war Zieglers Walten in der Provinz nicht mehr geheuer. In einem Schreiben vom 12. Februar 1962 an den Generalstaatsanwalt und das Bezirksgericht Frankfurt/Oder heißt es:

„Die Strafen des Bezirksgerichts sind fast durchweg überhöht, und zwar teilweise in einem absolut unvertretbaren Maße. Es muß gleich vorweg bemerkt werden, daß das OG augenblicklich nicht in der Lage ist, Korrekturen in dem Umfange vorzunehmen, wie sie eigentlich notwendig wären. Es sollte deshalb hingewiesen werden, daß Abänderungen im Strafausspruch bislang nur in den krassesten Fällen vorgenommen wurden, die durch Beschlußverwerfung bestätigten Urteile aber keine Bescheinigung dafür darstellen können, daß alle diese bestätigten Urteile als richtig angesehen werden können.“

SED, ZPA, IV 2/13/424 vom April 1962.[2]

Sammelband zum 20-jährigen Bestehen des Obersten Gerichts der DDR mit einem Aufsatz von Walter Ziegler (1970)

Vier Jahre später, 1962, rief ihn die Ministerin zurück in die Stellung als Vizepräsident des Obersten Gerichts in Berlin. 1963 arbeitete Walter Ziegler am Rechtspflegeerlaß des Staatsrats und Gerichtsverfassungsgesetz der DDR mit und war damit einer der führenden Staatsrechtler der DDR.[3] Am Ende seiner Karriere verfasste er für ein Buch anlässlich der 20-jährigen Geschichte des Obersten Gerichts einen Aufsatz zu seinem Lebensthema: „Die Rechtssprechung des Obersten Gerichts auf dem Gebiet der Staatsverbrechen“:

„Der Klassenkampf, den die westlichen imperialistischen Kräfte in der Form des kalten Krieges in allen Verbrechensarten gegen die antifaschistische und sozialistische Entwicklung in der Deutschen Demokratischen Republik entfachten, findet seine deutliche Widerspiegelung auch in der Rechtssprechung des Obersten Gerichts der Deutschen Demokratischen Republik, insbesondere auf dem Gebiet der Staatsverbrechen und der antidemokratischen Delikte.“

Walter Ziegler: Die Rechtssprechung des Obersten Gerichts auf dem Gebiet der Staatsverbrechen.[4]

Walter Ziegler starb 1977 in Berlin an einem Herzinfarkt. Die Einäscherung erfolgte im Krematorium Baumschulenweg. In einem Nachruf hieß es: „Sein Leben war ausgefüllt vom Kampf um die Verwirklichung revolutionärer sozialistischer Gesetzlichkeit und Gerechtigkeit“[5].

Literatur

Weblinks

  • Walter Ziegler als Richter: Fallbeil für Gänseblümchen. Radiofeature mit vorwiegend Originalton aus dem Gerichtssaal. WDR 5, 2. Oktober 2011

Einzelnachweise

  1. SAPMO, zit. n. Fricke: Akten-Einsicht, S. 108.
  2. SED, ZPA, IV 2/13/424 vom April 1962, zit. n. Falco Werkentin: Politische Strafjustiz in der Ära Ulbricht, Ch. Links Verlag, Berlin 1995, S. 320.
  3. Vgl. Barth/Müller-Enbergs: Ziegler.
  4. Oberstes Gericht der DDR - höchstes Organ wahrhaft demokratischer Rechtssprechung, Staatsverlag der DDR, Berlin 1970, S. 42.
  5. Neue Justiz, 7/1977.

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