Chronische lymphatische Leukämie

Chronische lymphatische Leukämie
Klassifikation nach ICD-10
C91.1 Chronische lymphatische Leukämie
ICD-O 9823/3 (CLL)
ICD-O 9670/3 (B-SLL)
ICD-10 online (WHO-Version 2011)

Die chronische lymphatische Leukämie (CLL) ist ein niedrigmalignes, leukämisch verlaufendes B-Zell-Non-Hodgkin-Lymphom ("B-NHL"). Sie ist in der westlichen Welt die am häufigsten vorkommende Leukämieform und tritt vor allem im höheren Lebensalter auf (das Durchschnittsalter bei Diagnosestellung liegt bei über 50 Jahren). Die WHO-Klassifikation der hämatologischen Erkrankungen unterscheidet neben der CLL noch eine Unterform, das "small lymphocytic lymphoma" (B-SLL, Kleinzelliges B-Zell-Lymphom), das im Wesentlichen einer CLL entspricht, bei der der Lymphknotenbefall ganz im Vordergrund steht, ohne dass es zu einer höhergradigen Manifestation im Blut ("Leukämie") kommt (gewissermaßen eine nicht-leukämisch verlaufende CLL).

Inhaltsverzeichnis

Epidemiologie

Altersspezifische Inzidenz der CLL, Daten nach [1]

Die Inzidenz (Zahl der Neuerkrankungen) pro Jahr beträgt ca. 4 pro 100.000 Einwohner und ist damit die häufigste Leukämie in der westlichen Welt.[1] Männer erkranken häufiger als Frauen (M : F = 1,7 : 1). Das mediane Alter beträgt bei Erstdiagnose 70 bis 75 Jahre.[2]

Pathogenese

Bei der Erkrankung kommt es zu einer klonalen Vermehrung von reifen, kleinzelligen aber funktionslosen B-Lymphozyten. Die genaue Ursache hierfür ist nicht bekannt. Es wird aber heute angenommen, dass genetische Veränderungen, die im Laufe des Lebens erworben wurden, entscheidende Auslöser der Krankheit sind. Hinweise für eine infektiöse Ursache, z. B. durch Viren, gibt es bisher nicht.

Die molekulargenetische Analyse mittels Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH) zeigt in über 80% genetische Veränderungen von Chromosomen. Die häufigste Veränderung ist eine Deletion auf Chromosom 13 (del(13q)). Weitere Veränderungen sind Deletionen von Chromosom 11 (del(11q) und 17 (del(17p) sowie eine Trisomie 12. Diese Chromosomenveränderungen haben prognostische Bedeutung. Patienten, die eine del(17p) aufweisen haben typischerweise eine ungünstigere Prognose. Patienten mit einer del(13q) haben eine relativ günstige Prognose.

Überhaupt ist die CLL ein sehr heterogen verlaufendes Krankheitsbild. Es gibt Patienten, bei denen die Erkrankung einen sehr gutartigen Verlauf nimmt und über mehrere Jahre oder gar Jahrzehnte nicht behandelt werden muss. Es gibt aber auch Patienten, bei denen die Erkrankung einen deutlich aggressiveren Verlauf zeigt. Diese Unterschiede sind unter anderem Folge der unterschiedlichen genetischen Veränderungen bei verschiedenen Patienten.

Diagnose

Blutausstrich bei CLL

Die Diagnose der CLL wird in der Regel gestellt durch zwei einfache Untersuchungen:

  1. Blutbild und Differentialblutbild. Hier wird eine Erhöhung der Lymphozyten auf mindestens 5000/µl für die Dauer von mindestens 4 Wochen für die Diagnosestellung gefordert. Es finden sich die typischen reifzelligen, kleinen Lymphozyten sowie Gumprechtsche Kernschatten (entstehen als Artefakt bei der Präparation) im Blutausstrich.
  2. Immunphänotypisierung der Leukämiezellen im peripheren Blut. Diese zeigt eine mit den Antikörpern gegen typische B-Zellmarker (CD19) markierbare Zellpopulation, die außerdem CD23 und das T-Zell-Antigen CD5 auf der Oberfläche exprimiert (CD5/CD19-Koexpression), sowie eine Leichtkettenrestriktion (kappa oder lambda).

Weitere Untersuchungen dienen der Erkennung der Ausbreitung der CLL (Röntgen-Thoraxaufnahme, Ultraschalluntersuchung des Abdomens).

Symptome

Häufig ist die Entdeckung der Krankheit ein Zufallsbefund während einer Blutuntersuchung im Rahmen der Diagnostik anderer Erkrankungen. Folgende Symptome treten im Verlauf der Erkrankung auf:

Differentialdiagnose

Therapie

Die Therapie hängt vom jeweiligen Stadium der Erkrankung ab. Die klinische Einteilung nach Binet unterscheidet drei Stadien:

Stadium Befund Untergruppe
A Lymphozytose mit Befall von weniger als 3 Lymphknotenregionen an Hals, Achsel, Leiste, Leber oder Milz A(0) keine vergrößerten Knoten
A(I) vergrößerte Knoten
A(II) Leber/Milzvergrößerung
B 3 oder mehr der o. g. Lymphknotenregionen befallen B(I) keine vergrößerten Knoten
B(II) Leber/Milzvergrößerung
C Anämie (Hb < 10 g/dl) oder Thrombozytopenie (Thrombozyten < 100/nl) C(III) Anämie
C(IV) Thrombozytopenie

In frühen Stadien (Binet Stadium A und B) wird in der Regel noch nicht behandelt, es sei denn die Erkrankung verursacht Beschwerden oder schreitet sehr schnell voran. Diese Beschwerden können sein:

  • Milzvergrößerung mit Symptomen
  • Beschwerden durch wachsende Lymphknoten
  • schwere, die Lebensqualität beeinträchtigende Allgemeinsymptome (Nachtschweiß, wiederholte Infekte, Fieber, Gewichtsverlust)

Eine Behandlung ist darüber hinaus in der Regel angezeigt ab dem Stadium Binet C (schwere Anämie oder Thrombozytopenie).


Es wird mit den Chemotherapeutika Chlorambucil (ein Alkylans), Chlorodeoxyadenosin und Deoxyformycin bzw. Fludarabin (alle drei Purinanaloga) behandelt. Seit kurzem ist auch das Alkylans Bendamustin für die Behandlung der CLL zugelassen. Es ist in Deutschland sehr beliebt und wird neuerdings auch in Kombination mit Rituximab eingesetzt (BR-Schema). Unter diesen Substanzen sind Chlorambucil und Fludarabin am besten untersucht. Neuere Ergebnisse aus dem CLL8-Protokoll der Deutschen CLL-Studiengruppe (DCLLSG) haben gezeigt, dass die Kombination aus einer Chemotherapie mit Fludarabin und Cyclophosphamid (FC) sowie dem CD20-Antikörper Rituximab (R) die derzeit wirksamste Therapie darstellt. Im Vergleich zu FC allein erzielt FCR doppelt so hohe Raten an kompletten Remissionen, eine längere Progressions-freie Zeit und eine verlängerte Gesamtüberlebenszeit. Die Deutsche CLL Studiengruppe empfiehlt daher seit 2009 als Standardtherapie für körperlich fitte Patienten mit einer CLL eine Kombination aus Fludarabin, Cyclophosphamid und Rituximab (FCR).

Eine "evidence-based", d. h. "nachgewiesen wirksame" Therapie für Patienten, die nach einer ersten Therapie ein Rezidiv erleiden, gibt es derzeit noch nicht. Bei Patienten, die nicht auf Fludarabin ansprechen, wird der Anti-CD52-Antikörper Alemtuzumab eingesetzt. Inzwischen ist unter bestimmten Bedingungen auch eine Therapie mit Ofatumumab möglich. Demnächst könnte auch der neue monoklonale CD20-Antikörper GA101 therapeutische Bedeutung erlangen. Des Weiteren kommt eine Knochenmark- oder Stammzelltransplantation in Betracht. Allerdings sind die allogenen Tranplantationsstrategien bei der CLL mit hohen therapiebedingten Sterblichkeitsraten verbunden und kommen nur bei ausgewählten Patienten zur Anwendung. Inzwischen werden Stammzelltransplantationen mit reduzierter Konditionierung auch bei älteren Patienten angewendet.[3] Zur Behandlung größerer Lymphome kann eine Bestrahlung eingesetzt werden.

Literatur

  • Kurt Possinger und Anne C. Regierer (Hrsg.): Facharzt Hämatologie, Onkologie. München, Jena: Elsevier, Urban & Fischer, 2006. ISBN 3-437-23770-5.
  • Hermann Delbrück: Chronische Leukämien: Rat und Hilfe für Betroffene und Angehörige. 2. Auflage. Stuttgart: Kohlhammer, 2004. ISBN 3-17-018369-9.
  • Michael Hallek und Bertold Emmerich (Hrsg.) Chronische lymphatische Leukämie UNI-MED, 4., neubearb. Auflage 2009, ISBN 978-3-8374-2085-2.
  • Tait D. Shanafelt, Susan M. Geyer und Neil E. Kay: Prognosis at Diagnosis: Integrating Molecular Biologic Insights into Clinical Practice for Patients with CLL. In: Blood 103 (2004) S. 1202–1210. (PMID 14576043)
  • Michael Hallek, State-of-the-art treatment of chronic lymphocytic leukemia. Hematology Am Soc Hematol Educ Program. 2009:440-9. (Artikel frei verfügbar über Pubmed)

Einzelnachweise

  1. CLL-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie
  2. Kurt Possinger und Anne Regierer (Hrsg.) Facharzt Hämatologie und Onkologie, Verlag Elsevier München, ISBN 978-3-437-23770-6
  3. IDW-Online 20. September 2011

Weblinks

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