- Monoklonaler Antikörper
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Monoklonale Antikörper sind Antikörper, also immunologisch aktive Proteine, die von einer auf einen einzigen B-Lymphozyten zurückgehenden Zelllinie (Zellklon) produziert werden und die sich gegen ein einzelnes Epitop richten. Eine physiologisch vorkommende Immunantwort gegen ein in den Körper eingedrungenes Antigen ist dagegen stets polyklonal und richtet sich z. B. gegen viele verschiedene Epitope auf einem Bakterium.
In der Diagnostik und Forschung spielen monoklonale Antikörper eine große Rolle, da sie mit hoher Spezifität verschiedenste Moleküle binden können. Die Bindung der Antikörper lässt sich dann mit unterschiedlichen Techniken nachweisen. Diese Antigen-Antikörper-Reaktion bildet die Grundlage für zahlreiche diagnostische Verfahren (z. B. Immunphänotypisierung, FACS, Immunhistologie, ELISA, ELISPOT, Radioimmunassay und Western Blot). Viele der von monoklonalen Antikörpern erkannten Zelloberflächenantigene menschlicher Zellen werden in der CD-Nomenklatur klassifiziert.
Herstellung monoklonaler Antikörper
Das Prinzip der Herstellung monoklonaler Antikörper wurde 1975 von César Milstein, Georges Köhler und Niels Jerne publiziert,[1] die dafür im Jahr 1984 den Nobelpreis für Medizin erhielten.[2] Die Technik beruht auf der Verschmelzung von Antikörper-produzierenden B-Zellen mit Zellen einer Myelom-Zelllinie, wodurch hybride Zellen entstehen, die unbegrenzt Antikörper einer bestimmten Spezifität produzieren (Hybridom-Technik).
Bei der Herstellung monoklonaler Antikörper gegen ein bestimmtes Antigen wird zunächst eine Maus mit diesem Antigen infiziert (1, siehe Abbildung). Aufgrund der Immunantwort kommt es zur Bildung von B-Lymphozyten, die Antikörper bilden, welche mit dem Antigen reagieren und die sich in der Milz anreichern. Aus der entnommenen Milz (2) werden die B-Lymphozyten isoliert und mit Zellen (Plasmazellen) einer aus einem Myelom (Plasmozytom) gewonnenen Zelllinie (3) fusioniert (4), es entstehen sogenannte Hybridomzelllinien (5). Diese Hybridomzellen vereinigen Eigenschaften ihrer Ursprungszellen: vom B-Lymphozyt die Eigenschaft einen bestimmten Antikörper zu produzieren, von der Myelomzelle die Fähigkeit zu unbegrenztem Wachstum im Reagenzglas. Für die Gewinnung des monoklonalen Antikörpers wird die Hybridomzelllinie ausgewählt, die am besten das gewünschte Epitop auf dem Antigen bindet (6). Die unsterbliche Zelllinie wird aufbewahrt und der Zellüberstand wird regelmäßig bei Bedarf geerntet. Die Produktion der monoklonalen Antikörper kann in vitro (7a), oder in vivo (7b) erfolgen. Die Antikörper (8) heißen monoklonal, weil sie aus einer einzigen Ursprungs-B-Zelle stammen und daher alle identisch sind.
Die Hybridzellen werden durch ein sogenanntes HAT-Medium selektiert. In diesem Nährmedium sind Hypoxanthin (ein natürlich vorkommendes Purinderivat), Thymidin und Aminopterin (Zellgift, das die Biosynthese von Purin- und Pyrimidinbasen hemmt) enthalten. Die B-Lymphocyten und damit auch die Hybridzellen können Hypoxanthin und Thymidin verstoffwechseln und so die Blockade, die durch das Aminopterin verursacht wird, umgehen. Die verwendeten Myelomzellen sind bezüglich des alternativen Stoffwechselweges Mangelmutanten und sterben im HAT-Medium ab.
Die nicht fusionierten B-Lymphozyten haben nur eine begrenzte Lebenszeit, sodass sich nach einigen Passagen nur noch die Hybridzellen in der Kultur finden lassen.Ein großer Fortschritt insbesondere zur Klonierung humaner Antikörper bildet die Technik des Phagen-Display.
Therapeutische monoklonale Antikörper
Die Versuche, monoklonale Antikörper in der Therapie einzusetzen, waren zunächst nicht sehr erfolgreich. Die verwendeten Antikörper der Maus (murine Antikörper, Endung: -omab) wirken im menschlichen Organismus selbst als Antigen und können eine gegen sie gerichtete Immunantwort auslösen. Auch die für ihre erwünschte Wirkung wichtige Interaktion mit Zellen des Immunsystems des Empfängers war aufgrund der unterschiedlichen Spezies nicht optimal.
Wesentliche Fortschritte wurden erst gemacht, nachdem es in den letzten Jahren gelungen ist, modifizierte, den menschlichen Antikörpern besser angepasste monoklonale Antikörper zu entwickeln.
Daneben werden auch Antikörperkonjugate, wie beispielsweise Immunzytokine, für therapeutische und diagnostische Anwendungen, speziell in der Krebsimmuntherapie, eingesetzt.
Terminologie der monoklonalen Antikörper
Die Freihandelsnamen aller therapeutischer monoklonaler Antikörper tragen das Suffix „…mab“, was für „monoclonal antibody“ steht. Nach Ähnlichkeit zu den menschlichen Antikörpern unterscheidet man (in aufsteigender Reihenfolge):
- murine Antikörper (von der Maus): Endung -omab
- Antikörper vom Primaten: Endung -imab
- chimäre Antikörper: Endung -ximab (Nur der variable Teil des AK ist Mausprotein)
- humanisierte Antikörper: Endung -zumab (Nur die Antigenbindungstellen sind Mausprotein)
- humane Antikörper: Endung -umab
Listen entwickelter Antikörper
Zugelassene oder in klinischer Erprobung (Phase III) befindliche therapeutische monoklonale Antikörper
Name Präparat Typ Zielstruktur Anwendungsgebiet Hämatologie, Onkologie Alemtuzumab MabCampath® humanisiert CD52-Antigen auf Lymphozyten Chronische lymphatische Leukämie, T-Zell-Lymphome2, akute lymphatische Leukämie2 Apolizumab1,2 Remitogen® humanisiert HLA-DR-Antigen auf B-Lymphozyten Solide Tumoren, akute lymphatische Leukämie, chronische lymphatische Leukämie, Non-Hodgkin-Lymphome Bevacizumab Avastin® humanisiert VEGF (Vascular Endothelial Growth Factor) Darmkrebs, Brustkrebs, nichtkleinzelliges Bronchialkarzinom, feuchte, altersbedingte Makuladegeneration (Off-Label-Use)2 Catumaxomab Removab® murin (Ratte/Maus), trifunktional EpCAM-Antigen auf Tumorzellen, CD3-Rezeptor auf T-Lymphozyten maligner Aszites aufgrund von EpCAM-positiven Karzinomen Cetuximab Erbitux® chimär EGF-Rezeptor (Epidermal Growth Factor Receptor) Darmkrebs, Kopf- und Halstumoren Eculizumab Soliris® humanisiert C5 Komplement-Faktor Paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie (PNH) Epratuzumab1,2 LymphoCide® humanisiert CD22-Antigen Non-Hodgkin-Lymphome, Autoimmunerkrankungen, akute lymphatische Leukämie Galiximab1,2 - chimär CD80-Antigen Non-Hodgkin-Lymphome Gemtuzumab-Ozogamicin1 Mylotarg® humanisiert, Calicheamicin- beladen CD33-Antigen Akute myeloische Leukämie Ibritumomab-Tiuxetan Zevalin® murin, 90Y-markiert CD20-Antigen auf B-Lymphozyten Non-Hodgkin-Lymphome (Radioimmuntherapie) Lumiliximab1,2 - chimär (Macaque/human) CD23-Antigen auf B-Lymphozyten Chronische lymphatische Leukämie Mepolizumab1,2 Bosatria® humanisiert Interleukin-5 Hypereosinophilie-Syndrom, Churg-Strauss-Syndrom Obinutuzumab GA101 humanisiert CD20-Antigen auf B-Lymphozyten Chronische lymphatische Leukämie, NHL Ofatumumab Arzerra® humanisiert CD20-Antigen auf B-Lymphozyten Chronische lymphatische Leukämie Oregovomab1,2 OvaRex® murin CA-125 Ovarialkarzinom Panitumumab Vectibix® human EGF-Rezeptor (Epidermal Growth Factor Receptor) EGF-Rezeptor exprimierende Tumoren, insb. metastasiertes kolorektales Karzinom Pertuzumab1,2 Omnitarg® humanisiert HER2/neu, HER2/neu-Rezeptor; Pertuzumab inhibiert die Dimerisierung der Zielstruktur sowie deren Heterodimerisierung mit anderen HER-Rezeptoren (z.B Epidermal Growth Factor Receptor (EGFR)), wodurch das Tumorwachstum verlangsamt werden soll Klinische Studien u. a. beim Ovarialkarzinom, Mammakarzinom, Bronchialkarzinom und Prostatakarzinom Rituximab MabThera® chimär CD20-Antigen auf B-Lymphozyten Non-Hodgkin-Lymphome Tositumomab1 Bexxar® murin, 131I-markiert CD20-Antigen auf B-Lymphozyten Non-Hodgkin-Lymphome (Radioimmuntherapie) Trastuzumab Herceptin® humanisiert HER2/neu-Rezeptor Brustkrebs, Magenkarzinom Zanolimumab1,2 HuMax-CD4 human CD4-Antigen auf T-Lymphozyten T-Zell-Lymphome Autoimmunerkrankungen, Transplantatabstoßung Adalimumab Humira® human TNF-α (Tumor Necrosis Factor α) Rheumatoide Arthritis, Psoriasis-Arthritis, Morbus Bechterew, Morbus Crohn, Basiliximab Simulect® chimär CD25-Antigen (Interleukin-2-Rezeptor) Prophylaxe der akuten Abstoßungsreaktion bei Nierentransplantation Belimumab Benlysta<Pulver>® human BLys (B-Lymphozyten-Stimulator, ein Zytokin der TNF-Superfamilie) Lupus erythematodes Daclizumab Zenapax® humanisiert CD25-Antigen (Interleukin-2-Rezeptor) Prophylaxe der akuten Abstoßungsreaktion bei Nierentransplantation Epratuzumab1,2 LymphoCide® humanisiert CD22-Antigen Autoimmunerkrankungen, Non-Hodgkin-Lymphome, Golimumab Simponi® human TNF-α (Tumor Necrosis Factor α) Rheumatoide Arthritis, Psoriasis-Arthritis, Morbus Bechterew Infliximab Remicade® chimär TNF-α (Tumor Necrosis Factor α) Morbus Crohn, Rheumatoide Arthritis, Morbus Bechterew, Psoriasis-Arthritis, Colitis ulcerosa Muromonab-CD3 Orthoclon OKT3® murin CD3-Rezeptor auf T-Lymphozyten Behandlung der akuten Abstoßungsreaktion bei Nieren-, Herz- und Lebertransplantationen Natalizumab3 Tysabri® humanisiert CD49d (α4-Integrin) Multiple Sklerose Rituximab MabThera® chimär CD20-Antigen auf B-Lymphozyten Rheumatoide Arthritis Tocilizumab RoActemra® humanisiert Interleukin 6-Rezeptor Rheumatoide Arthritis Ustekinumab Stelara® human Interleukin 12/23 Plaque-Psoriasis Kardiovaskuläre Erkrankungen Abciximab ReoPro® chimär, Fab-Fragment GPIIb/IIIa auf Thrombozyten Verhinderung eines Gefäßverschlusses nach PTCA Infektionskrankheiten Motavizumab4[3], en.wikipedia.org Numax® chimär Bestandteil des Respiratory Syncytial Virus (RSV) Prophylaxe der RSV (respiratory syncytial virus)-Pneumonie bei Frühgeborenen, ELBW (Extrem Low Birth Weight Preterm) und VLBW (Very Low Birth Weight Preterm) Palivizumab Synagis® [1] humanisiert Bestandteil des Respiratory Syncytial Virus (RSV) Prophylaxe der RSV-Pneumonie bei Frühgeborenen Augenheilkunde Ranibizumab Lucentis® humanisiert, Fab-Fragment VEGF-A (Vascular Endothelial Growth Factor A) Feuchte Makuladegeneration Dermatologie Adalimumab Humira® human TNF-α (Tumor Necrosis Factor α) Psoriasis Efalizumab Raptiva® humanisiert CD11a-Antigen Psoriasis, derzeit in Deutschland nicht zugelassen (Stand: 2010) Infliximab Remicade® chimär TNF-α (Tumor Necrosis Factor α) Psoriasis Ustekinumab Stelara® human Interleukin 12/23 Plaque-Psoriasis Allergische Erkrankungen Omalizumab Xolair® humanisiert IgE (Fc-Teil) Schweres Asthma bronchiale Zahnheilkunde CaroRx® 1,2 CaroRx® rekombinant in Pflanzen hergestellt („plantibody“) spezifische Bindung an Streptococcus mutans (Leitkeim der Zahnkaries) als Mundspülung gegen Zahnkaries; Beseitigung von S. mutans aus der Mundflora[4] Osteologie Denosumab (früher AMG 162)[2] [3] Prolia® human RANK Ligand (Rezeptoraktivator des NFκB Liganden, RANKL) Osteoporose (Alternative zur Behandlung mit Bisphosphonat und Hormonen; inhibiert die Knochenresorption und erhöht die Mineraliendichte im Knochen) 1in Deutschland bisher nicht zugelassen (Stand 3/2008)
2in klinischer Prüfung
3Trotz möglicher seltener schwerer Nebenwirkungen von der FDA unter strengen Voraussetzungen wieder in den USA zugelassen, europäische Zulassung seit 6/2006
4Entwicklung eingestellt.Zur in-vivo-Diagnostik zugelassene monoklonale Antikörper
Name Präparat Typ Zielstruktur Anwendungsgebiet Sulesomab LeukoScan® murin, 99mTc-markiert IMMU-MN3 Fab'-SH Fragment gegen Granulozyten Osteomyelitis Arcitumomab CEA-Scan® murin, 99mTc-markiert IMMU-4 F(ab')2 gegen CEA kolorektales Karzinom Zurückgezogene oder aufgegebene diagnostische monoklonale Antikörper
Name Präparat Typ Zielstruktur Geplante Anwendungsgebiete Komplikationen und Kommentar Igovomab Indimacis 125 murin, 111In markiert CA 125-Antigen ovarielle seröse Adenokarzinome 1999 auf Antrag der Herstellerfirma vom europäischen Markt genommen[5]. Begründung? In präklinischer Prüfung oder Phase I/II-Studien befindliche therapeutische monoklonale Antikörper
Name Präparat Typ Zielstruktur Anwendungsgebiet Brentuximab – chimär CD30 Lymphome Cantuzumab – humanisiert, Mersantin-konjugiert CanAg (MUC1), Antikörper konjugiert mit Mersantin (Toxin) Darmkrebs, Magenkarzinom, Pankreaskarzinom, NSCLC Labetuzumab – humanisiert Carcinoembryonales Antigen (CEA) Darmkrebs, Pankreaskarzinom, Ovarialkarzinom Lumiliximab – chimär (Macaque/human) CD23 Chronische lymphatische Leukämie, Asthma bronchiale Nimotuzumab TheraCim® humanisiert EGF-Rezeptor (Epidermal Growth Factor Receptor) metastasierendes Irinotecan-refraktäres Kolorektalkarzinom Mapatumumab – human – Darmkrebs Matuzumab EMD72000 humanisiert EGF-Rezeptor (Epidermal Growth Factor Receptor) Magenkrebs, Darmkrebs, NSCLC Pertuzumab Omnitarg® humanisiert HER2/neu Brustkrebs, Prostatakarzinom, Ovarialkarzinom, NSCLC R1450 – human Amyloid-β Alzheimer-Krankheit 1D09C3 – human MHC-II Non-Hodgkin-Lymphom (NHL) Zurückgezogene oder aufgegebene therapeutische monoklonale Antikörper
Name Präparat Typ Zielstruktur Geplante Anwendungsgebiete Komplikationen und Kommentar Nebacumab Centoxin® humanisiert (IgM) Endotoxin Sepsis Zulassung in Europa 1991, 1993 wegen erhöhter Sterblichkeit bei Patienten nach Behandlung mit Nebacumab im Vergleich zu Plazebo vom Markt genommen[6]. Edrecolomab Panorex® Maus IgG2a EpCAM Darmkrebs Zulassung in Deutschland 1995, 2000 vom Markt genommen, da die bisherige Standardtherapie wirksamer war. TGN1412 – humanisiert CD28 Leukämie und Autoimmunerkrankungen (wie Multiple Sklerose und Rheuma) Zytokinsturm. In der öffentlichen Kritik standen Mängel in der Versuchsplanung und -durchführung, z. B. dass das Präparat an 6 Probanden gleichzeitig abgegeben wurde, und dass die Wirkmechanismen nicht verstanden worden waren. Quellen
- ↑ Köhler, G. & Milstein, C. (1975): Continuous cultures of fused cells secreting antibody of predefined specificity. In: Nature. Bd. 256, S. 495–497. PMID 1172191. doi:10.1038/256495a0, Nachdruck in: J. Immunol. Bd. 174, S. 2453–2455. PMID 15728446 PDF
- ↑ Informationen der Nobelstiftung zur Preisverleihung 1984 an César Milstein, Georges Köhler und Niels Jerne (englisch)
- ↑ AstraZeneca discontinues development of motavizumab for RSV prophylaxis indication AstraZeneca beendet die Entwicklung von Motavizumab in RSV, Pressemeldung von AstraZeneca vom 21. Dezember 2010
- ↑ www.planetbiotechnology.com: CaroRx
- ↑ Community list of not active medicinal products for human use, abgerufen am 5. August 2007
- ↑ NY Times Artikel zu Nebacumab
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