- Danaide
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Die Danaiden griechisch Δαναΐδες sind in der griechischen Mythologie die fünfzig Töchter des Ahnherrn der Griechen, des Königs von Libyen, Danaos, die auf Befehl ihres Vaters alle – bis auf Hypermnestra – in der Brautnacht ihre jungen Ehemänner, die Söhne des Aigyptos, töteten. Als Strafe mussten sie im Tartaros Wasser in ein durchlöchertes Fass schöpfen, weshalb heute unter Danaidenarbeit nutzlose, mühsame Arbeit verstanden wird.
Inhaltsverzeichnis
Mythos
Danaos und Aigyptos waren Zwillingsbrüder, die sich um das Erbe ihres Vaters Belos stritten. Zur Lösung der divergierenden Besitzansprüche schlug Aigyptos eine Vermählung seiner fünfzig Söhne mit den fünfzig Töchtern des Danaos vor. Danaos fürchtete darin aber eine List und wurde durch das Orakel in seiner Vermutung bestätigt. Er baute mit Athenes Hilfe ein Schiff mit doppeltem Bug, das erste dieser Art, für fünfzig Ruderer (→ Pentekonter), mit dem er aus Libyen nach Argos in Griechenland floh. Während eines Aufenthaltes auf Rhodos starben drei seiner Töchter; die Städte Lindos, Ialysos und Kameiros sind nach ihnen benannt.[1] In Griechenland angekommen, wurden die Danaiden von König Pelasgos freundschaftlich aufgenommen. Danaos erhob Anspruch auf den Thron von Argos, denn aufgrund seiner Abstammung von Io war er wie Pelasgos ein Nachkomme des Flussgottes Inachos.
Als eine große Dürre im Land herrschte, schickte Danaos seine Töchter aus, Poseidon, der die Flüsse hatte versiegen lassen, umzustimmen. Amymone, eine der Töchter, wurde auf dieser Suche von einem Satyr überfallen und rief Poseidon um Hilfe an, der die Danaide zu seiner Geliebten machte. An der Stelle, an der der nach dem Satyr geschleuderte Dreizack in einem Felsen stecken geblieben war, entsprangen seitdem die drei Quellen des Flusses Lerna.[2]
Aigyptos schickte seine Söhne (die Aigyptiaden) nach Argos: Danaos solle seine Entscheidung überdenken und der Hochzeit zustimmen – die böse Hinterabsicht, die Danaiden umzubringen, war immer noch vorhanden. Danaos lehnte ab, woraufhin Aigyptos die Stadt belagern ließ. Danaos musste, trotz Vermittlung des Königs Pelasgus von Argo, schließlich nachgeben, da der Stadt das Wasser auszugehen drohte.[3] Daraufhin wies er seine Töchter an in der Hochzeitsnacht die Söhne des Aigyptos zu töten und stattete sie mit Haarnadeln[3] oder Dolchen[4] aus. Fast alle folgten der Weisung, töteten ihre Vettern und überbrachten ihrem Vater die Köpfe der gemordeten Gatten. Einzig Hypermnestra, die Älteste, verschonte ihren Bräutigam, den Lynkeus, weil er ihre Jungfräulichkeit achtete und verhalf ihm zur Flucht. Sie wurde deswegen des Ungehorsams angeklagt, jedoch dank des Eingreifens der Göttin Aphrodite freigesprochen.
Nach der Mordnacht veranstaltete Danaos einen Wettlauf für Freier, die nach der Reihenfolge ihrer Ankunft unter seinen Töchtern wählen durften und eine große Mitgift erhielten.[5]
Obwohl Athene und Hermes die Danaiden mit dem Einverständnis Zeus′ im Wasser des Lerna von ihrer Bluttat reinigten, wurden sie von den Totenrichtern dazu verurteilt, im Tartaros für immer mit Krügen Wasser in ein durchlöchertes Fass[6] oder nach andere Überlieferung in ein Fass ohne Boden zu schöpfen, das nie zu füllen war.
Listen der Danaiden
Es sind zwei Listen mit den Namen der Danaiden überliefert. Die eine findet sich in der sogenannten Bibliotheke des Apollodor, die andere ist enthalten in den Fabulae des Hyginus Mythographus.[7] Die Liste des Hyginus ist offenbar korrupt und enthält auch nur 47 Paare. Auffällig ist, dass beide Listen kaum Entsprechungen aufweisen.
Liste bei Apollodor Liste bei Hyginus Danaide Mutter (Danaide) Gatte Mutter (Gatte) 1 Hypermnestra Elephantis Lynkeus Argyphie 2 Gorgophone Elephantis Proteus Argyphie 3 Automate Europe Busiris Argyphie 4 Amymone Europe Enkelados Argyphie 5 Agaue Europe Lykos Argyphie 6 Skaia Europe Daiphron Argyphie 7 Hippodameia Atlanteia oder Phoibe Istros arabische Mutter 8 Rhodia Atlanteia oder Phoibe Chalkodon arabische Mutter 9 Kleopatra Atlanteia oder Phoibe Agenor arabische Mutter 10 Asteria Atlanteia oder Phoibe Chaitos arabische Mutter 11 Hippodameia Atlanteia oder Phoibe Diokorystes arabische Mutter 12 Glauke Atlanteia oder Phoibe Alkis arabische Mutter 13 Hippomedusa Atlanteia oder Phoibe Alkmenor arabische Mutter 14 Gorge Atlanteia oder Phoibe Hippothoos arabische Mutter 15 Iphimedusa Atlanteia oder Phoibe Euchenor arabische Mutter 16 Rhode Atlanteia oder Phoibe Hippolytos arabische Mutter 17 Peirene aithiopische Mutter Agaptolemos phoinikische Mutter 18 Dorion aithiopische Mutter Kerketes phoinikische Mutter 19 Phartis aithiopische Mutter Eurydamas phoinikische Mutter 20 Mnestra aithiopische Mutter Aigios phoinikische Mutter 21 Euippe aithiopische Mutter Argios phoinikische Mutter 22 Anaxibia aithiopische Mutter Archelaos phoinikische Mutter 23 Nelo aithiopische Mutter Menemachos phoinikische Mutter 24 Kleite Memphis Kleitos tyrische Mutter 25 Sthenele Memphis Sthenelos tyrische Mutter 26 Chrysippe Memphis Chrysippos tyrische Mutter 27 Autonoe Najade Polyxo Eurylochos Najade Kaliadne 28 Theano Najade Polyxo Phantes Najade Kaliadne 29 Elektra Najade Polyxo Peristhenes Najade Kaliadne 30 Kleopatra Najade Polyxo Hermos Najade Kaliadne 31 Eurydike Najade Polyxo Dryas Najade Kaliadne 32 Glaukippe Najade Polyxo Potamon Najade Kaliadne 33 Antheleia Najade Polyxo Kisseus Najade Kaliadne 34 Kleodore Najade Polyxo Lixos Najade Kaliadne 35 Euippe Najade Polyxo Imbros Najade Kaliadne 36 Erato Najade Polyxo Bromios Najade Kaliadne 37 Stykne Najade Polyxo Polyktor Najade Kaliadne 38 Bryke Najade Polyxo Chthonios Najade Kaliadne 39 Aktaie Pieria Periphas Gorgo 40 Podarke Pieria Oineus Gorgo 41 Dioxippe Pieria Aigyptos Gorgo 42 Adite Pieria Menalkes Gorgo 43 Okypete Pieria Lampos Gorgo 44 Pylarge Pieria Idmon Gorgo 45 Hippodike Herse Idas Hephaistine 46 Adiante Herse Daiphron Hephaistine 47 Kallidike Krino Pandion Hephaistine 48 Oime Krino Arbelos Hephaistine 49 Kelaino Krino Hyperbios Hephaistine 50 Hyperippe Krino Hippokorystes Hephaistine Danaide Gatte Midea Antimachus Philomela Panthius Scylla Proteus Amphicomone Plexippus Evippe Agenor Demoditas Chrysippus Hyale Perius Trite Enceladus Damone Amyntor Hippothoe Obrimus Myrmidone Mineus Eurydice Canthus Cleo Asterius Arcadia Xanthus Cleopatra Metalces Phila Philinus Hipparete Protheon Chrysothemis Asterides Pyrante Athamas ? Armoasbus Glaucippe Niauius Demophile Pamphilus Autodice Clytus Polyxena Aegyptus Hecabe Dryas Acamantis Ecnomius Arsalte Ephialtes Monuste Eurysthenes Amymone Midanus Helice Evidea Oeme Polydector Polybe Itonomus Helicta Cassus Electra Hyperantus Eubule Demarchus Daplidice Pugno Hero Andromachus Europome Athletes Pyrantis Plexippus Critomedia Antipaphus Pirene Dolichus Eupheme Hyperbius Themistagora Podasimus Celaeno Aristonoos Itea Antiochus Erato Eudaemon Hympermnestra Lynceus Deutungen
Diese Sage deutet darauf hin, dass helladische Kolonisten schon früh aus Palästina über Rhodos nach Griechenland kamen und dass sie auf dem Peloponnes den Ackerbau einführten. Mit größter Wahrscheinlichkeit befanden sich unter ihnen auch Libyer und Äthiopier. Belos ist die gräzisierte Form des westsemitischen/kanaanitischen Wortes "Ba'al" ("Herr"), bzw. des ostsemitischen/babylonischen "Bel(um)" (ebenfalls "Herr"), welches schlicht einen Herrn (vgl. "Bel bitim", der Hausherr), einen bestimmten Gott oder aber einen Göttertyp bezeichnen konnte.
Die Danaiden als Mondpriesterinnen
Laut Robert von Ranke-Graves sind die drei in Rhodos verstorbenen Töchter – die auch als Telchinen bezeichnet werden – drei Erscheinungsformen der Mondgöttin Danaë. Ihre Namen verweisen darauf, dass sie gleichzusetzen waren mit den Schicksalsgöttinnen, den Moiren: Linda, Kameira und Ialysa scheinen Abkürzungen von linodeousa („die mit dem Leinenfaden bindet“), katamerizousa („die austeilt“) und ialemistria („die klagende Frau“) zu sein. Auch ihre Fahrt über das Meer als Flucht vor den Söhnen des Aigyptos sowie die Tatsache, dass sie das fünfzig-rudrige Schiff vermutlich selber ruderten, verweist auf das „Mondgestirn“ bei seiner Flucht vor der Sonne.
Dass Danaos mit fünfzig Töchtern flieht und trotz des Todes dreier Töchter wieder fünfzig verheiratet, erklärt sich folgendermaßen: Die Hälfte eines „Großen Jahres“ (entspricht acht Sonnenjahren) hatte fünfzig Monate. Mondpriesterinnen traten in der Regel in einer Gemeinschaft von fünfzig Jungfrauen auf – was auch immer geschah, daran änderte sich nichts. Sie hatten die Pflicht durch ihre Rituale dem Land Regen zu bringen und – konkreter – Brunnen und Quellen zu erhalten. Mit Sieben oder durchlöcherten Töpfen wurden die Kulturen mit Wasser besprüht. Die Aufgabe der Danaiden, in der Unterwelt Wasser in eine durchlöchertes Fass zu schöpfen, kann also auch so verstanden werden, dass sie über den Tod hinaus – auf ewig – ihre Funktion als Mondpriesterinnen erfüllten.[8]
Einführung des Ackerbaus
So war denn Argolis von einer Dürre geplagt, ehe Danaos mit seinen Töchtern dort erschien. Karl Kerényi erwähnt aus einer Dichtung des Strabo Geographus: „Argos war wasserlos, die Töchter des Danaos machten Argos wasserreich.“ und er erwähnt auch eine andere Version der Sage, nach der die Köpfe nicht begraben, sondern in das Wasser des Lerna geworfen wurden, das seither aus ebenso vielen Köpfen hervorsprudle.
Darstellung in der Kunst
Literatur
Dass sich Hypermestra dem Gebot des Vaters widersetzte, veranlasste diesen, sie vor Gericht zu stellen. Aischylos berichtet darüber in seiner Danaiden-Trilogie (→ Die Schutzflehenden). Dort tritt Aphrodite zur Verteidigung der Danaide auf und belehrt die Anwesenden: „Den Himmel verlange es, die Erde mit Liebe zu durchdringen und nach Liebe verlange die Erde. Der Himmel nun durchtränke sie mit lebensspendendem Nass, befruchte sie mit seinem Regen.“ Damit wird die Liebe Hypermestras zu Lynkeus auf eine Art geschildert, die ihre Funktion als Mondpriesterin nicht gefährdet, sondern den Kreislauf von Befruchten und Empfangen noch besser zu erklären vermag. In diesem Sinn wird das Übertreten des väterlichen Gebots der Hypermestra geradezu zur Bedingung dafür, dass Regen fallen kann.
Musik
Neben der Opera seria Ipermestra des Librettisten Pietro Metastasio, die von zahlreichen Komponisten vertont wurde, ist die 1784 komponierte französische Tragédie lyrique Les Danaïdes von Antonio Salieri überliefert, welche die Massenhochzeit und die ungeheuerlichen Morde wieder ins Zentrum des Geschehens rückt und so dem Stoff in seiner ganzen Tragik wiederum gerecht wird. Das Schlussbild der Oper zeigt als Epilog die gequälten Danaiden im Tartarus, ein großartiges Tableau vivant, das bei den Zeitgenossen auf uneingeschränkte Bewunderung stieß.
Quellen
- Bibliotheke des Apollodor 2,1,4-2,2,1
- Herodot Historien, 2,91; 2,171; 2,182
- Pausanias Reisen in Griechenland 3,12,2
- Ovid Heroides 14 Hypermnestra an Lynkeus
Literatur
- Julius Adolf Bernhard: Danaides. In: Wilhelm Heinrich Roscher (Hrsg.): Ausführliches Lexikon der griechischen und römischen Mythologie. Band 1,1, Leipzig 1886, Sp. 249–252 (Digitalisat).
- Robert Graves: Griechische Mythologie. Reinbek bei Hamburg (Rowohlt) 2003, ISBN 3-499-55404-6
- Otto Waser: Danaides. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band IV,2, Stuttgart 1901, Sp. 2087–2091.
Weblinks
Commons: Danaides – Sammlung von Bildern, Videos und AudiodateienEinzelnachweise
- ↑ Bibliotheke des Apollodor 2,1,4-5; Hyginus Fabulae 168
- ↑ Bibliotheke des Apollodor 2,1,4. Hyginus Fabulae 169
- ↑ a b Bibliotheke des Apollodor 2,1,5; Hyginus Fabulae 168
- ↑ Ovid Oden und Epoden 3,11
- ↑ Hyginus, fabulae 170
- ↑ Ovid, Metamorphosen iv.462f und x.43f
- ↑ Hyginus Fabulae 170
- ↑ Samuel Henry Hooke, „Origin of Early Semitic Ritual“, S. 53. Jerusalem, 1935.
Kategorie:- Person der griechischen Mythologie
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