De-Rham-Kohomologie

De-Rham-Kohomologie

Die de-Rham-Kohomologie ist eine Kohomologietheorie für glatte Mannigfaltigkeiten. Sie baut auf dem Satz von Stokes auf, und zwar in seiner verallgemeinerten Form. Ein Analogon der De-Rham-Kohomologie für komplexe Mannigfaltigkeiten ist die Dolbeault-Kohomologie

Inhaltsverzeichnis

De-Rham-Komplex

Definition

Sei X eine glatte Mannigfaltigkeit und Ωp(X) die Menge der p-Formen auf X. Der De-Rham-Komplex \left(\Omega^p(X) , d^p\right) ist der Kokettenkomplex

0\longrightarrow C^\infty(X) \cong \Omega^0(X) \stackrel{\mathrm{d}^0}{\longrightarrow} \Omega^1(X) \stackrel{\mathrm{d}^1}{\longrightarrow} \Omega^2(X)\stackrel{\mathrm{d}^2}{\longrightarrow} \ldots.

Die Abbildungen \mathrm{d}^p \colon \Omega^p(X)\to\Omega^{p+1}(X) sind durch die Cartan-Ableitung gegeben.

De-Rham-Komplex im dreidimensionalen Raum

Wählt man den \R^3 als zugrundeliegende Mannigfaltigkeit so hat der De-Rham-Komplex eine besondere Form. In diesem Fall entsprechen die Cartan-Ableitungen dp den, aus der Vektoranalysis bekannten, Differentialoperatoren Gradient grad, Divergenz div und Rotation rot. Konkret heißt es, dass das Diagramm

\begin{array}{rcccccccccl}
0 & \longrightarrow & \Omega^0(\R^3)   & \stackrel{\mathrm{d}^0}{\longrightarrow} & \Omega^1(\R^3) & \stackrel{\mathrm{d}^1}{\longrightarrow} & \Omega^2(\R^3) & \stackrel{\mathrm{d}^2}{\longrightarrow} & \Omega^3(\R^3) & \longrightarrow 0\\
  &  & \big\downarrow = &  & \big\downarrow \sharp &  & \big\downarrow \sharp \circ \star & &  \big\downarrow \star\\
0 & \longrightarrow & C^\infty(\R^3) & \stackrel{\mathrm{grad}}{\longrightarrow} & C^\infty(\R^3) & \stackrel{\mathrm{rot}}{\longrightarrow} & C^\infty(\R^3) & \stackrel{\mathrm{div}}{\longrightarrow} & C^\infty(\R^3) & \longrightarrow 0
\end{array}

kommutiert, man also das gleiche Ergebnis erhält egal welchen Pfeilen man folgt. Die Abbildungen \sharp und \star sind Diffeomorphismen. So ist \sharp der Sharp-Isomorphismus und \star der Hodge-Stern-Operator.

Definition der De-Rham-Kohomologie

Sei X eine glatte Mannigfaltigkeit. Die k-te De-Rham-Kohomologie-Gruppe \mathrm H^k_{\mathrm{dR}}(X) ist definiert als die k-te Kohomologie-Gruppe des De-Rham-Komplexes. Insbesondere gilt \mathrm H^k_{\mathrm{dR}}(X)=0 für k > dim X.

Geschichte

In seiner Pariser Dissertation (1931) bewies Georges de Rham mit seinem Satz eine Vermutung von Élie Cartan, die ihrerseits auf Überlegungen von Henri Poincaré zurückging. Da die Kohomologie eines topologischen Raumes erst einige Jahre später thematisiert wurde, arbeitete er tatsächlich mit der Homologie und dem (aufgrund des Satzes von Stokes) dualen Komplex der n-Ketten.

Homotopieinvarianz

Seien M und N zwei homotopieäquivalente glatte Mannigfaltigkeiten, dann gilt für jedes p \in \N \cup \{0\}

 \mathrm H^p_{\mathrm{dR}}(M) \cong \mathrm H^p_{\mathrm{dR}}(N).

Da also zwei homotope, glatte Mannigfaltigkeiten bis auf Isomorphie die gleiche de-Rham-Kohomologie besitzen, ist diese Kohomologie eine topologische Invariante einer glatten Mannigfaltigkeit. Das ist bemerkenswert, da bei der Definition der de-Rham-Gruppe die differenzierbare Struktur der Mannigfaltigkeit eine wichtige Rolle spielt. Man hat also erstmal keinen Grund anzunehmen, dass eine topologische Mannigfaltigkeit mit unterschiedlichen differenzierbaren Strukturen dieselben de-Rham-Gruppen hat.

Satz von de Rham

Die zentrale Aussage in der Theorie der De-Rham-Kohomologie wird Satz von de Rham genannt. Er besagt, dass die de-Rham-Kohomologie H^*_{\mathrm{dR}}(X) glatter Mannigfaltigkeiten natürlich isomorph zur singulären Kohomologie \mathrm H^*_{\mathrm{sing}}(X,\mathbb R) := \operatorname{Hom}\left(H_*^{\mathrm{sing}}(X), \R\right) mit Koeffizienten in den reellen Zahlen ist. Mit H_*^{\mathrm{sing}}(X) wird die singuläre Homologie bezeichnet. Es gilt also

\mathrm H^*_{\mathrm{sing}}(X,\mathbb R)\cong\mathrm H^*_{\mathrm{dR}}(X).

Sei c \in H_p^{\mathrm{sing}}(X) ein Element der p-ten singulären Homologiegruppe. Dann wird der Isomorphismus durch die Abbildung

\omega \in H^p_{\mathrm{dR}}(X) \mapsto \left(c \mapsto \int_c \omega \right) \in \operatorname{Hom}\left(H_p^{\mathrm{sing}}(X), \R\right)

beschrieben. Diese Abbildung heißt De-Rham-Homomorphismus oder De-Rham-Isomorphismus.

Beispiele einiger de-Rham-Gruppen

Das Berechnen der de-Rham-Gruppen ist oftmals schwierig, darum folgen nun wenige Beispiele. Es sei immer vorausgesetzt, dass die betrachteten Mannigfaltigkeiten glatt sind.

  • Sei M eine zusammenhängende Mannigfaltigkeit, dann ist \mathrm H^0_{\mathrm{dR}}(M) gleich der Menge der konstanten Funktionen und hat Dimension eins.
  • Sei M eine null-dimensionale Mannigfaltigkeit, dann ist die Dimension von \mathrm H^0_{\mathrm{dR}}(M) gleich der Mächtigkeit von M und alle anderen Kohomologiegruppen verschwinden.
  • Sei  U \subset \R^n ein offenes Sterngebiet, dann gilt \mathrm H^p_{\mathrm{dR}}(U) = 0 für alle p \geq 1. Dies ist das Lemma von Poincaré, welches besagt, dass auf einem Sterngebiet jede geschlossene Differentialform, dω=0, sogar exakt  ist (d.h. es gibt eine „Potentialform“ χ, so dass ω=dχ gilt).
  • Insbesondere gilt \mathrm H^p_{\mathrm{dR}}(\R^n) = 0, da der euklidische Raum ein Sterngebiet ist. - In der Physik bedeutet dies, dass die zweite Maxwellsche Gleichung, \rm{div\,\,}\vec B(\vec r,\, t)\equiv 0    (also die totale Abwesenheit magnetischer Ladungen) immer die Existenz eines Vektorpotentials \vec A impliziert, sodass \vec B\equiv\rm{rot \,\,}\vec A gilt; d. h., dass Magnetfelder überall und zu allen Zeiten Wirbelfelder sind. -
  • Sei M eine einfach-zusammenhängende Mannigfaltigkeit, dann gilt \mathrm H_{\mathrm{dR}}^1(M) = 0. (In der Physik ist dies nur für die Elektrostatik relevant, \oint\vec E\cdot \rm d\vec r\equiv 0 für alle einfach zusammenhängenden geschlossenen Wege und zeitlich konstante elektrische Felder \vec E(\vec r), während die Aussage in der Elektrodynamik, d. h. bei zeitlich variablen Feldern, verallgemeinert wird, siehe Faradaysches Induktionsgesetz.)

Literatur


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