Deutschland im Spätmittelalter

Deutschland im Spätmittelalter

Dieser Artikel befasst sich mit Deutschland im Spätmittelalter. Er bietet einen Überblick über die Zeit von ca. 1250 bis ca. 1519, die auch als Spätmittelalter bezeichnet wird.

Inhaltsverzeichnis

Geschichtlicher Hintergrund

Das Interregnum

Nach Aussterben der Staufer verfiel die Königsmacht im Spätmittelalter immer mehr, trotz zeitweiliger Stabilisierung. Dies ging zu Lasten der Sicherheit, was unter anderem die Gründung des Rheinischen Städtebundes erklärt, der jedoch wenig erreichte.

Während des so genannten Interregnums von 1250 (dem Tod Kaiser Friedrichs II.; in der Forschung wird manchmal auch das Jahr 1245 als Anfang gewählt, das Jahr der Absetzung Friedrichs durch den Papst, oder 1254, das Todesjahr seines Sohnes Konrad IV. bis 1273 (der Wahl Rudolfs von Habsburg) herrschten im Reich teils mehrere Könige gleichzeitig, ohne dass einer von ihnen über genügend Einfluss verfügte, um die Königsmacht gegenüber den aufstrebenden Territorialherren zur Geltung bringen zu können. Der König konnte sich nur mehr auf ein geringes Reichsgut stützen und musste zur Machtsicherung versuchen, seine Hausmacht zu erweitern. Die Landesfürsten wählten daher meist einen schwachen Kandidaten zum König, um so ihre eigene Stellung nicht zu gefährden. Zudem versuchten ausländische europäische Mächte, mit der Königswahl Einfluss auf die deutsche Politik zu nehmen (vor allem das Königreich Frankreich, so beispielsweise 1272/73 und 1308).

Die Wiederherstellung des Kaisertums

Das Interregnum wurde 1273 durch Rudolf von Habsburg beendet, der 1278 über den Böhmenkönig Ottokar II. siegte. Rudolf ebnete dem Haus Habsburg mit dem Erwerb von Österreich, Steiermark und der Krain den Weg zu einer der mächtigsten Dynastien im Reich, doch gelang es ihm nicht, die Kaiserkrone zu erlangen. Seine beiden Nachfolger, Adolf von Nassau und Albrecht I., standen im Konflikt mit den Kurfürsten, die während des Interregnums ihre Rolle als Königswähler etabliert hatten. Adolf versuchte ohne großen Erfolg in Thüringen Fuß zu fassen. Seine Politik führte schließlich zu seiner Absetzung von Seiten der Fürsten. Adolfs Versuch, diese Entscheidung zu revidieren, war ohne Erfolg: in der Schlacht von Göllheim 1298 verlor er sein Leben.

Aber auch sein Nachfolger Albrecht I., diesmal wieder aus dem Hause Habsburg, unterhielt kein gutes Verhältnis zu den Reichsfürsten, besonders nicht zu den rheinischen Kurfürsten. Auch war ihnen seine Annäherung an Frankreich ein Dorn im Auge. Albrecht konnte sich behaupten, wurde 1308 aber von einem Familienangehörigen umgebracht.

1308 wurde Heinrich VII. aus der Luxemburger Linie zum König gewählt. Dieser konnte 1310 seine Hausmacht um Böhmen erweitern und erreichte 1312 die Kaiserkrönung – die erste seit 92 Jahren. Heinrich versuchte ein letztes Mal, das Kaisertum in Anlehnung an die Staufer zu erneuern, doch starb er schon 1313. In Deutschland hatte er sich gegen die Expansion Frankreichs gestemmt und eine seltene Eintracht der großen Häuser erreicht.

Ludwig der Bayer und Karl IV.

Das Heilige Römische Reich zur Zeit Karls IV.

1314 kam es nach dem Tod Heinrichs VII. zu einer Doppelwahl, doch setzte sich der Wittelsbacher Ludwig der Bayer als Nachfolger gegen Friedrich den Schönen aus dem Hause Habsburg durch. Ludwig stand jedoch bald im folgenschweren Konflikt mit dem Papst, der Ludwig die Approbation verweigerte. 1338 wurde jedoch im Kurverein von Rhense die Forderung nach einer Bestätigung der Königswahl durch den Papst zurückgewiesen. In seiner Hausmachtspolitik erfolgreich, erwarb Ludwig die Mark Brandenburg, Tirol, Holland, Seeland und Hennegau für das Haus Wittelsbach. Im Reich formierte sich jedoch eine kurfürstliche Opposition gegen Ludwig, die von den Luxemburgern angeführt wurde. 1346 wurde denn auch der Luxemburger Karl IV., der Enkel Heinrichs VII., zum König gewählt. Zu einer Konfrontation mit Ludwig kam es jedoch nicht mehr, da dieser bald darauf verstarb.

Karl IV., der als bedeutendster römisch-deutscher Herrscher des Spätmittelalters gilt, verlegte seinen Herrschaftsschwerpunkt nach Böhmen, seiner Hausmacht. Karl gewann in seiner langen Regierungszeit (1346–78) unter anderem die Mark Brandenburg und die Lausitzen zu seinem Hausmachtkomplex hinzu. Tatsächlich begründete Karl ein Königtum, welches fast ausschließlich Hausmachtpolitik betrieb und kaum etwas mit dem universalen Kaisertum staufischer Prägung mehr gemeinsam hatte. 1348 wurde in Prag die erste deutschsprachige Universität im Heiligen Römischen Reich gegründet. 1355 erfolgt Karls Krönung zum Kaiser, doch vermied er es, die Italienpolitik seiner Vorgänger zu erneuern.

1356 wurde die Goldene Bulle unterzeichnet, die bis zum Ende des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation 1806 eine Art Grundgesetz darstellte. In ihr wurde der Kreis der Kurfürsten, die zur Königswahl zugelassen waren, offiziell festgelegt. Den Kurfürsten wurden Bündnisse verboten, dafür erhielten sie einen Bestandschutz für ihre Territorien und innerhalb ihrer Herrschaftsgebiete eine fast königsgleiche Stellung. Hauptziel der goldenen Bulle war die Verhinderung von Gegenkönigen und Thronkämpfen. Tatsächlich glaubte Karl auch, damit die Machtstellung des Hauses Luxemburg zementiert zu haben. Doch kam es anders, als er es sich vorgestellt hatte.

Habsburg, Luxemburg und Wittelsbach im Kampf um die Macht

Unter dem Nachfolger Karls verfiel die Königsmacht endgültig. Wenzel, der älteste Sohn Karls IV., der die Regierungsgeschäfte völlig vernachlässigt, wird 1400 gar von den Kurfürsten abgesetzt. Doch auch sein Nachfolger, Ruprecht, kann nichts gegen den Verfall des Königtums ausrichten, zumal seine eigene Machtbasis mehr als dürftig ist. König Sigismund, ebenfalls ein Sohn Karls, erreicht zwar 1433 die Kaiserkrönung, war jedoch nicht in der Lage, das Königtum zu stabilisieren und den Verfallsprozess umzukehren. Eine angestrebte Reichsreform scheitert 1434 am Widerstand der Landesfürsten. Durch die Einberufung des Konzils von Konstanz konnte er allerdings das Abendländische Schisma beenden. Die Verurteilung und Hinrichtung von Jan Hus führte jedoch zu andauernden Kriegen gegen die Hussiten.

Mit dem Tod Sigismunds erlosch das Haus Luxemburg in männlicher Linie. Die Habsburger traten die Nachfolge an, doch konnten sowohl Albrecht II., der ohnehin nur kurz regierte, als auch Friedrich III., der teils phlegmatisch agierte und mehr seine Besitztümer als das Reich im Auge hatte, keine Reichsreform zu Wege bringen.

Der Habsburger Maximilian I. war wegen der Türkenkriege und des Kampfes gegen Frankreich um Italien auf die Unterstützung der Reichsstände angewiesen. 1495 wurde auf dem Wormser Reichstag eine Reichsreform beschlossen, die unter anderem jegliche Art von Fehde verbot (Ewiger Landfrieden) und eine jährliche Einberufung des Reichstags, eine Reichssteuer und ein vom König unabhängiges Reichskammergericht einführte. Dadurch setzten die Fürsten ihre Forderung nach mehr Beteiligung der Reichsstände durch. Der Schwabenkrieg führte 1499 zur faktischen Loslösung der Schweiz vom Reich.

Als erster deutscher König nahm Maximilian I. den Kaisertitel 1508 ohne päpstliche Krönung an. Seine Heiratspolitik sicherte den Habsburgern die Anwartschaft auf Böhmen und Ungarn und die spanische Krone (getreu dem Motto: Bella gerant alii, tu felix Austria nube. "Lass andere Kriege führen, du, glückliches Österreich, heirate."). Es war eine Zeitenwende: Habsburg stieg unter Karl V. zur Weltmacht auf und das Mittelalter ging zu Ende.

Gesellschaft und Kultur im Spätmittelalter

Anfang des 14. Jahrhunderts führten Überbevölkerung, Missernten und Naturkatastrophen zu Hungersnöten. 1349/50 starb ein Drittel der Bevölkerung im Deutschen Reich an der Pest. Die Agrarkrise ließ die Preise für landwirtschaftliche Produkte sinken, es setzte eine Landflucht ein, die zu einer Verödung weiter Landstriche führte. Gleichzeitig stiegen die Preise für handwerkliche Erzeugnisse. Es dauerte über 100 Jahre, bis die Bevölkerungszahl wieder den Stand vor der Pest erreichte. Während sich die Städte bald wieder erholten, verschlechterte sich die Lage der Bauern und des niederen Adels dauerhaft.

Literatur

Quellenausgaben
  • Deutsche Geschichte in Quellen und Darstellung,, Bd. 2, Reclam, Stuttgart 2000 (Reclams Universal-Bibliothek, Bd. 17002).
  • Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe: Reihe A: Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters, hg. von R. Buchner u. Franz-Josef Schmale, Bd. 1–Bd. 40a, Darmstadt 1955ff.
Überblicksdarstellungen und Handbücher
  • Hartmut Boockmann: Stauferzeit und spätes Mittelalter (Siedler Deutsche Geschichte 4). Berlin 1998.
  • Herbert Grundmann (Hg.): Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte. 9. Aufl., als Taschenbuchausgabe die Bde. 1–7 (hinsichtlich des Spätmittelalters: Bd. 5–7), Stuttgart 1970 ff.
  • Peter Moraw: Von offener Verfassung zu gestalteter Verdichtung. Propyläen Geschichte Deutschlands, Bd. 3. Berlin 1985.
  • Malte Prietzel: Das Heilige Römische Reich im Spätmittelalter. Geschichte kompakt, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2004.
  • Heinz Thomas: Deutsche Geschichte des Spätmittelalters. Stuttgart 1983.
  • Ernst Schubert: Einführung in die Grundprobleme der deutschen. Geschichte im Spätmittelalter. Darmstadt 1992

Weblinks

 Commons: Deutschland im Spätmittelalter – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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