Die Nibelungen (1924)

Die Nibelungen (1924)
Filmdaten
Originaltitel Die Nibelungen
Produktionsland Deutschland
Originalsprache Deutsch
Erscheinungsjahr 1924
Länge 293 Minuten
Altersfreigabe FSK 6
Stab
Regie Fritz Lang
Drehbuch Thea von Harbou
Produktion Erich Pommer für die Decla-Bioscop AG im Auftrag der Universum Film AG
Musik Gottfried Huppertz
Kamera Carl Hoffmann,
Günther Rittau
Besetzung

Die Nibelungen ist ein deutsches Filmepos von Fritz Lang aus dem Jahr 1924, bestehend aus den beiden Teilen Siegfried und Kriemhilds Rache. Das Drehbuch schrieb die damalige Ehefrau des Regisseurs, Thea von Harbou, unter freier Verwendung von Motiven des mittelhochdeutschen Nibelungenliedes.

Der viragierte Stummfilm wurde am 14. Februar (Teil 1) und am 26. April 1924 (Teil 2) im Ufa-Palast am Zoo in Berlin uraufgeführt und wurde zu einem Meilenstein der Filmgeschichte.

Inhaltsverzeichnis

Handlung

Teil 1: Siegfried

Die Geschichte beginnt mit Siegfrieds Aufbruch aus Mimes Schmiede und geht bis zu seiner Ermordung durch Hagen von Tronje. Ein erster spektakulärer Höhepunkt des Films ist der Kampf Siegfrieds mit dem Drachen. Das Bad im Drachenblut schenkt ihm die Unverwundbarkeit. Es folgt die Begegnung mit dem heimtückischen Zwergenkönig, dem er den Nibelungenhort abringt und der ihn in Besitz seines Schwertes Balmung und einer Tarnkappe bringt. Siegfried hält am Hof der Burgunden zu Worms Einzug und bittet König Gunther um die Hand von dessen Schwester Kriemhild. Um Kriemhild zu bekommen, muss Siegfried König Gunther aber erst bei dessen Plan unterstützen, die kriegerische Brünhild oder Brunhild zu besiegen und als Frau zu gewinnen. Die nächste aktionsreiche Aufgabe ist der Dreikampf mit der kriegerischen Brunhild, den Siegfried dank seiner Tarnkappe für König Gunther gewinnt. Nach der anschließenden Doppelhochzeit Siegfrieds mit Kriemhild und Gunthers mit Brunhild muss Siegfried in der Hochzeitsnacht abermals als getarnter Helfer eingreifen, um Brunhild zu bändigen. Bald darauf findet der legendäre Streit der Königinnen Kriemhild und Brunhild vor der Dompforte in Worms statt, in der das Geschehen der Hochzeitsnacht offenbar wird. Der dramatische Schlusspunkt ist die von Hagen von Tronje mit Billigung Gunthers eingefädelte und ausgeführte heimtückische Ermordung Siegfrieds und der anschließende Racheschwur Kriemhilds. Brunhild begeht vor dem aufgebahrten Leichnam Siegfrieds Selbstmord.

Teil 2: Kriemhilds Rache

Es geht um den Aufbruch der verwitweten und verbitterten Kriemhild aus Worms ins Hunnen oder Hunnenland, wo sie als Gattin König Etzels ein neues Leben beginnt, aber ihrer Sippe nicht verzeihen kann und weiterhin von Rachegedanken getragen ist. Anlässlich der Geburt von Kriemhilds und Etzels Sohn werden König Gunther und Kriemhilds andere Brüder samt Gefolge an den Hof Etzels eingeladen. Noch in der Nacht der Ankunft setzt Kriemhild hunnische Krieger auf Hagen von Tronje an und verspricht reiche Belohnung für dessen Kopf. Am nächsten Tag findet ein Festbankett in Etzels Palast statt, zu dem die Gäste aufgrund der offensichtlichen Bedrohung in voller Rüstung erscheinen. Eine eisige Spannung liegt in der Luft. Am Rande des Banketts attackieren hunnische Krieger die burgundische Gefolgschaft. Als die Nachricht davon in den Festsaal durchdringt, eskaliert die Situation. Im allgemeinen Tumult tötet Hagen von Tronje Etzels und Kriemhilds Sohn. Die Burgunden verschanzen sich nun im Festsaal, der von den Hunnen belagert, beschossen und in immer neuen Angriffswellen bestürmt wird. Das wiederholte Angebot Kriemhilds, das Leben der Burgunden bei einer Auslieferung Hagens zu verschonen und ihnen freien Abzug zu gewähren, wird zurückgewiesen. Kriemhild befiehlt, den Festsaal mit Brandpfeilen in Brand zu stecken. Die meisten Burgunden werden durch das Feuer und das einstürzende Gebäude getötet. Kriemhild verlangt von Hagen, dass er ihr den Standort des Nibelungenschatzes verrät. Hagen erklärt, er habe versprochen, das Versteck nicht preiszugeben, solange einer seiner Herren noch lebt. Darauf lässt Kriemhild ihrem Bruder Gunther den Kopf abschlagen. Als sie Hagen sein Haupt präsentiert, erklärt dieser höhnisch, nun wüsste nur Gott und er den Aufenthalt des Hortes und Gott sei nicht weniger verschwiegen als er. Wütend tötet Kriemhild Hagen eigenhändig mit dem Schwert und wird kurz darauf von Hildebrand erstochen. Am Schluss steht die ritterliche Gesellschaft vor den Trümmern eines grausamen Mordens.

Bedeutung

Die Nibelungen, gedreht von 1922 bis 1924, war nach dem 1922 erschienenen Dr. Mabuse, der Spieler der zweite große Publikumserfolg des Regisseurs Fritz Lang. Der Film überzeugte durch seine perfekte, malerische Bildkomposition, einen großen Aufwand an Ausstattung und Masken, innovative Tricks und visuelle Effekte sowie durch hervorragende schauspielerische Leistung. Für Paul Richter war die Heldenrolle des Siegfried wie maßgeschneidert. Theodor Loos spielt den schwachen, wankelmütigen König Gunther herausragend, Hans Adalbert Schlettow verkörpert einen grimmigen, finsteren Hagen Tronje, Rudolf Klein-Rogge einen wilden und exotischen König Etzel.

Neben der Qualität der Inszenierung und der schauspielerischen Leistung der Hauptdarsteller wurden von der zeitgenössischen Kritik insbesondere die Masken, Kostüme und Bauten von Otto Hunte, Karl Vollbrecht und Erich Kettelhut, sowie die Spezialeffekte von Eugen Schüfftan gelobt. Die prächtigen mittelalterlichen Kostüme nach Entwürfen von Paul Gerd Guderian tragen, typisch für die 1920er Jahre, einen Hauch von Art Deco. Als wesentliche Inspirationsquelle für die formale Gestaltung des Filmes gelten die Illustrationen des Wiener Jugendstil-Künstlers Carl Otto Czeschka, die dieser für eine Nacherzählung des Nibelungenliedes von Franz Keim geschaffen hatte. Das Buch war kurz nach der Jahrhundertwende im Verlag Gerlach und Wiedling erschienen.

Die Stadt Worms samt Burg und Dom sowie der Palast des Hunnenkönigs Etzel wurden auf dem Freigelände der Filmstudios Babelsberg mit monumentalen Kulissen in Szene gesetzt. Mit der Animation eines kämpfenden, feuerspeienden und blutenden Drachens gelang den Filmemachern ein bis dahin im Kino noch nie gesehener visueller Effekt. Spektakulär auch die Umsetzung von Brunhilds Burg inmitten eines Flammenmeeres, sowie die von Walter Ruttmann tricktechnisch gestaltete Falkentraum-Sequenz und die Verwandlungsszenen.

Selbst der Wechsel der Jahreszeiten wurde in die Inszenierung einbezogen. In den im Winter spielenden Außenszenen ist echter Schnee zu sehen und auch die Blumen und Büsche sind allesamt echt und wurden Monate vor den Dreharbeiten eigens gepflanzt. Mit Massen- und Kampfszenen unter Mitwirkung hunderter Statisten wurde insbesondere im zweiten Teil nicht gespart. Die Kameraarbeit von Carl Hoffmann und Günther Rittau galt als vorbildlich.

Fassungen und Rekonstruktionen

Am 29. Mai 1933 gelangte eine gekürzte Tonfilmfassung des 1. Teils unter dem Titel Siegfrieds Tod zur Aufführung. Diese wurde von Franz B. Biermann bearbeitet und Theodor Loos fungierte als Sprecher.

Die erste Restaurierung (beide Teile) durch das Filmmuseum München wurde in den 1980er Jahren fertig gestellt. Die Originalmusik von Gottfried Huppertz wurde aus diesem Anlass vom Münchner Rundfunkorchester unter der Leitung von Berndt Heller eingespielt. Eine DVD-Edition des Films ist bislang nur im Ausland erschienen. Es gibt spanische, englische, französische und US-amerikanische Veröffentlichungen.

Die zweite Restaurierung durch die Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung wurde nach vierjähriger Arbeit im Jahr 2010 abgeschlossen. Mit 750.000 Euro handelte es sich um das bislang umfangreichste und teuerste Restaurierungsprojekt der Stiftung. Dabei konnten erstmals Kameranegative sowie zahlreiche Kopien aus insgesamt 17 Ländern verwendet werden. Am 12. und 13. März 2010 wurde eine teilrestaurierte Version erstmals gezeigt. Das hr-Sinfonieorchester unter Leitung von Frank Strobel begleitete die Aufführung unter Verwendung der von Marco Jovic rekonstruierten und neu herausgegebenen Filmmusik nach dem Original von Gottfried Huppertz.[1] Die vollständig restaurierte Neufassung Die Nibelungen (1924/2010) feierte am 27. April 2010 in der Deutschen Oper Berlin ihre Premiere. Die Restaurierung der Murnau-Stiftung unterscheidet sich von der Münchner Fassung durch die orangefarbene Viragierung, einzelne Einstellungen, wie der Tod Kriemhilds, konnten wieder eingefügt werden. Dank der zahlreichen Originalmaterialien ist die Bildqualität deutlich besser. Im Gegensatz zu Metropolis (1927/2010) setzte man nicht auf digitale Technik, sondern eine traditionelle fotochemische Restaurierung. Auch die Einfärbung erfolgte im Originalverfahren der Stummfilmzeit.[2] Eine DVD-Veröffentlichung soll folgen. Beide Teile der zweiten Restaurierung wurden erstmals am 3. Oktober 2011 auf arte im Fernsehen gezeigt.

Neuverfilmungen

Die beiden aufwendigen Neuverfilmungen von 1967 und 2004 (siehe Die Nibelungen und Der Ring der Nibelungen) konnten trotz spektakulärer Actionelemente und guter Spezialeffekte nie die Faszination und den Erfolg der Stummfilmversion erreichen.

Literatur

  • Rainer Fabich: Die Nibelungen (Musik: Gottfried Huppertz / Regie: Fritz Lang). In: Musik für den Stummfilm – Analysierende Beschreibung originaler Filmkompositionen. Frankfurt a. M. u.a. 1993 (= Europäische Hochschulschriften. 36: Musikwissenschaft. 94), S. 192-220. ISBN 3-631-45391-4
  • Thea von Harbou: Das Nibelungenbuch. München 1924. (Roman-Adaption der Drehbuchautorin, die parallel zum Film vermarktet wurde).
  • Heinz B. Heller: "nur dann überzeugend und eindringlich, wenn es sich mit dem Wesen der Zeit deckt". Fritz Langs Nibelungen-Film als "Zeitbild". In: Heinzle, Joachim / Klein, Klaus / Obhof, Ute (Hrsg.): Die Nibelungen. Sage – Epos – Mythos. Wiesbaden 2003, S. 497-509.
  • Heinz B. Heller: "Man stellt Denkmäler nicht auf den flachen Asphalt". Fritz Langs Nibelungen-Film. In: Heinzle, Joachim / Waldschmidt, Anneliese (Hrsg.): Die Nibelungen. Ein deutscher Wahn, ein deutscher Alptraum. Studien und Dokumente zur Rezeption des Nibelungenstoffes im 19. und 20. Jahrhundert. Frankfurt a. M. 1991 (= st. 2110), S. 351-369.
  • Klaus Kanzog: Der Weg der Nibelungen ins Kino. Fritz Langs Film-Alternative zu Hebbel und Wagner. In: Borchmeyer, Dieter (Hrsg.): Wege des Mythos in der Moderne. Richard Wagner 'Der Ring des Nibelungen'. München 1987 (= dtv. 4468), S. 202-223.
  • Christian Kiening / Cornelia Herberichs: Fritz Lang. Die Nibelungen (1924). In: Kiening, Christian (Hrsg.): Mittelalter im Film. Berlin u.a. 2006 (= Trends in Medieval Philology. 6), S. 189-225.
  • Lothar van Laak: "Ihr kennt die deutsche Seele nicht". Geschichtskonzeption und filmischer Mythos in Fritz Langs Nibelungen. In: Meier, Mischa (Hrsg.): Antike und Mittelalter im Film. Konstruktion, Dokumentation, Projektion. Köln u.a. 2007 (= Beiträge zur Geschichtskultur. 29), S. 267–282.
  • Fritz Lang: Worauf es beim Nibelungen-Film ankam. In: Die Nibelungen. Ein deutsches Heldenlied. Regie: Fritz Lang. Ufa-Decla-Film. 1. Film: Siegfried. 2. Film: Kriemhilds Rache. o. O. o. J. [Berlin 1924], S. 12-16. Wieder in: Gehler, Ullrich / Kasten, Fred (Hrsg.): Fritz Lang. Die Stimme von Metropolis. Berlin 1990, S. 170-174.
  • Klaus von See: "Dem deutschen Volke zu eigen". Fritz Langs Nibelungenfilm von 1924. In: Mittelweg 36. Zeitschrift des Hamburger Instituts für Sozialforschung. 4. 1995. Heft 6, S. 3-14. Wieder in: Ders.: Texte und Thesen. Streitfragen der deutschen und skandinavischen Geschichte. Mit einem Vorwort von Julia Zernack. Heidelberg 2003 (= Frankfurter Beiträge zur Germanistik. 38), S. 115-132.
  • Anne Waldschmidt: Sendboten deutschen Wesens. Fritz Lang, Thea von Harbou und Die Nibelungen. In: Bock, Hans Michael / Töteberg, Michael (Hrsg.): Das Ufa-Buch. Kunst und Krisen, Stars und Regisseure, Wirtschaft und Politik. 2. Aufl. Frankfurt a. M. 1992, S. 138-141.
  • Andreas Wirwalski: "Wie macht man einen Regenbogen?" Fritz Langs Nibelungenfilm. Fragen zur Bildhaftigkeit des Films und seiner Rezeption. Frankfurt a. M. 1994.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. hr online vom 14. März 2010
  2. Film-Dienst 11/2010

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