- Die Wacht am Rhein
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Die Wacht am Rhein, 1840 von Max Schneckenburger gedichtet und im März 1854 von Carl Wilhelm vertont, hatte im Kaiserreich von 1871 neben dem Lied Heil dir im Siegerkranz beim Volk den – wenngleich nie offiziellen – Status einer Nationalhymne der Deutschen; so wurde das Lied auch bei offiziellen Anlässen gesungen.
Inhaltsverzeichnis
Liedtext
1.
- Es braust ein Ruf wie Donnerhall,
- wie Schwertgeklirr und Wogenprall:
- Zum Rhein, zum Rhein, zum deutschen Rhein!
- Wer will des Stromes Hüter sein?
Refrain
- Lieb Vaterland magst ruhig sein,
- lieb Vaterland magst ruhig sein:
- Fest steht und treu die Wacht,
- die Wacht am Rhein!
- Fest steht und treu die Wacht,
- die Wacht am Rhein!
2.
- Durch Hunderttausend zuckt es schnell,
- und aller Augen blitzen hell;
- der Deutsche, bieder, fromm und stark, (Variante: der deutsche Jüngling, fromm und stark)
- beschützt die heil'ge Landesmark.
- Refrain
3.
- Er blickt hinauf in Himmelsau'n,
- da Heldenväter niederschau'n,
- und schwört mit stolzer Kampfeslust:
- Du Rhein bleibst deutsch wie meine Brust!
- Refrain
4.
- Solang ein Tropfen Blut noch glüht,
- noch eine Faust den Degen zieht,
- und noch ein Arm die Büchse spannt,
- betritt kein Feind hier deinen Strand!
- Refrain
5.
- Der Schwur erschallt, die Woge rinnt
- die Fahnen flattern hoch im Wind:
- Am Rhein, am Rhein, am deutschen Rhein
- wir alle wollen Hüter sein.
- Refrain
Zwischen der 4. und 5. bzw der 3. und 4. Strophe wird in manchen Publikationen folgende Strophe eingeschoben, die zumindest schon 1870 nachweisbar ist:[1]
- Und ob mein Herz im Tode bricht,
- wirst du doch drum ein Welscher nicht.
- Reich, wie an Wasser deine Flut,
- ist Deutschland ja an Heldenblut!
Auf Kriegspostkarten des Ersten Weltkrieges wird auch die nachfolgende 7. Strophe verbreitet:
- So führe uns, du bist bewährt;
- In Gottvertrau'n greif' zu dem Schwert,
- Hoch Wilhelm! Nieder mit der Brut!
- Und tilg' die Schmach mit Feindesblut!
Entstehung und Vertonungen
Schneckenburger dichtete Die Wacht am Rhein im November 1840 in Bern unter dem Eindruck der Gefahr eines neuen Krieges mit Frankreich. Es wurde umgehend von dem aus Darmstadt stammenden Berner Organisten J. Mendel vertont, im Dezember gedruckt und öffentlich zum ersten Mal im Hause des preußischen Gesandten von Bunsen von dem Berner Musikdirektor Adolph Methfessel (Tenor) zu Gehör gebracht. Es erlangte keine große Popularität.
Der Krefelder Chordirigent Carl Wilhelm erhielt den Text erst 1854, vertonte ihn neu und führte seine Komposition mit seinem Männerchor zum Tag der Silberhochzeit des Prinzen Wilhelm und späteren Kaisers Wilhelm I. (11. Juni) auf. In der Folgezeit erlangte das Lied in dieser Vertonung über Sängerfeste eine große Beliebtheit.
Bedeutung und Rezeption
Thematisch richtet sich das Lied gegen Expansionsbestrebungen des Nachbarlandes Frankreich und ruft die Deutschen dazu auf, die Grenze einschließlich des linken Rheinufers zu sichern. Es entstand als Reaktion auf die Aggression der französischen Regierung unter Adolphe Thiers im Jahr 1840, der den Rhein als Frankreichs Ostgrenze gefordert hatte (Rheinkrise). Aus deutscher Sicht war der Rhein jedoch „Deutschlands Strom, nicht Deutschlands Grenze“ (Ernst Moritz Arndt). Mit dem wachsenden Geschichtsbewusstsein und dem gerade im Entstehen begriffenen neuen Nationalbewusstsein der Zeit hatte sich eine besondere Wertschätzung dieser Region entwickelt: Hier befinden sich mit Trier und Worms die ältesten Städte Deutschlands und bedeutende Baudenkmäler wie der Speyerer Dom. Das im Zuge der Romantik erwachte Interesse am Mittelalter wandte sich insbesondere auch der reichen Burgenlandschaft des Mittelrheins zu, und es entstand die Rheinromantik als eigene künstlerisch-literarische Strömung. Vor diesem Hintergrund erschien die französische Forderung nach einer Rheingrenze den Deutschen als große Provokation.
Rezeption in Deutschland
Zu finden ist der Text des Liedes auch auf einer großen Schrifttafel auf der Schauseite (Südseite) des Sockels der Germania-Monumentalstatue, des Niederwalddenkmals oberhalb von Rüdesheim am Rhein. Sie bildet förmlich selbst die Wacht am Rhein. Das Denkmal erinnert an die „siegreiche Erhebung des Deutschen Volkes (gegen Frankreich im Deutsch-Französischen Krieg von 1870/1871) und die Wiederaufrichtung des Deutschen Reiches“. Der Text des Liedes ist strophenweise waagerecht nebeneinander angeordnet; der Refrain ist einzeilig mit Wiederholungszeichen darunter zu finden. Über dem Text ist auf einem großen Bronze-Fries hoch zu Ross Kaiser Wilhelms I., umstanden von deutschen Fürsten und Heerführern, abgebildet.
Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges wurden die ersten acht Töne dieser Melodie als Erkennungsmusik für die Sondermeldungen des Wehrmachtberichts verwendet. Erst 1941 wurde statt dessen ein Ausschnitt aus Franz Liszts Les Préludes verwendet. Ende 1944 verwendete die deutsche Wehrmacht den Titel des Liedes Die Wacht am Rhein als Decknamen für ihre Ardennenoffensive.
Bis heute gibt es in Deutschland Hotels und Gaststätten dieses Namens. In Schulbüchern ist es nach wie vor zu finden, und vor allem die Melodie ist noch vielen älteren Deutschen geläufig.
Verwendung der Melodie für andere Lieder
Die Melodie der Wacht am Rhein wurde auch für andere Lieder übernommen. Die Hymne der Dōshisha-Universität in Kyoto, Japan führt die Melodie der Wacht am Rhein mit einem englischsprachigen Text.[2] Die Yale University verwendet die Melodie mit anderem Text unter dem Namen Bright College Years.[3]
Im Jahre 1971 veröffentlichte der Sänger Udo Jürgens die Single Lieb Vaterland. Die Melodie ist in großen Teilen an Die Wacht am Rhein angelehnt, der Text kritisiert allerdings politische und wirtschaftliche Missstände und thematisiert den Generationenkonflikt. Ohne eine Nation explizit zu benennen, ist die Kritik auf Deutschland bezogen, erkennbar an der Einleitungszeile „Lieb Vaterland, du hast nach bösen Stunden, aus dunkler Tiefe einen neuen Weg gefunden“. Im Refrain wird die Zeile „Lieb Vaterland, magst ruhig sein“ zitiert und in einen ironischen Zusammenhang gestellt. Das Lied war zwölf Wochen in den deutschen Musik-Charts mit Platz 17 als höchster Platzierung.[4][5] Die ehemalige rechtsextremistische Band Landser hatte in ihrem Repertoire ein Lied mit dem Titel Wacht an der Spree, das an die Wacht am Rhein angelehnt war.[6]
Kuriosa
Im Hollywoodfilm Casablanca mit Ingrid Bergman und Humphrey Bogart singt eine Gruppe deutscher Offiziere „Die Wacht am Rhein“ in deutscher Sprache in Rick's Café Américain. Der Widerstandskämpfer Victor László begegnet dieser Provokation dadurch, dass er die Marseillaise anstimmen lässt; die anwesenden französischen Emigranten stimmen mit ein und übertönen dadurch die deutschen Soldaten.
In Rainer Fassbinders Verfilmung des Romans Berlin Alexanderplatz singt Franz Biberkopf, gespielt von Günter Lamprecht, die Wacht am Rhein während einer gewalttätigen Auseinandersetzung mit Rotfrontkämpfern, die ihn vom Verkaufen des Völkischen Beobachters abhalten wollen.
Phrasen und Sprichwörter
Jemandem „die Wacht am Rhein singen“ oder „die Wacht ansagen“: diese heute vornehmlich nur noch von älteren Menschen benutzten Redewendungen bedeuten, jemandem eine eindringliche Warnung auszusprechen bzw. ein Ultimatum zu setzen.
Literatur
- Hans Jürgen Hansen: Heil Dir im Siegerkranz – Die Hymnen der Deutschen, Gerhard-Stalling-Verlag, Oldenburg und Hamburg 1978.
Weblinks
Wikisource: Die Wacht am Rhein – Quellen und Volltexte- Die Wacht am Rhein: Noten im International Music Score Library Project.
- Historisches Hörbeispiel
- Noten
Einzelnachweise
- ↑ Nachweis 1 und Nachweis 2 aus Büchern des Jahres 1870 in der Freiburger Anthologie
- ↑ Doshisha College Song
- ↑ Yale University: Yale songs
- ↑ Musik: Udo Jürgens – Text: Eckart Hachfeld (2010): Lieb Vaterland. Montana / ARAN Productions AG. Abgerufen am 10. April 2010.
- ↑ Udo Jürgens – Lieb Vaterland. Hung Medien – hitparade.ch (2010). Abgerufen am 10. April 2010.
- ↑ Wacht an der Spree
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