Digitale Kunst

Digitale Kunst

Digitale Kunst oder Digitalkunst, oft gleichbedeutend mit Computerkunst gebraucht, sind im allgemeinen Sprachgebrauch Sammelbegriffe für Kunst, die digital mit dem Computer erzeugt wird. Im engeren Sinn ist es Kunst, die nur durch die spezifischen Eigenschaften digitaler Medien möglich geworden ist, zum Beispiel die Zählbarkeit aller Information, ihre Trennbarkeit von einem bestimmten Datenträger oder den Einsatz von Algorithmen. – Erst in den 1990er Jahren wurde der Ausdruck Digitale Kunst gebräuchlich.

Inhaltsverzeichnis

Begriffe und Definitionen

Interaktive Roboterinstallation „profiler“ der Künstlergruppe „robotlab“ aus Karlsruhe

Die Digitale Kunst zählt zur Medienkunst. Im Zusammenhang mit digitaler Kunst werden teils sich überschneidende Begriffe verwendet:

Elektronische Kunst können alle künstlerischen Arbeiten und Werke genannt werden, die funktionierende analoge oder digitale Elektronik enthalten, sei es in Kunstgattungen wie Architektur, Performance, Tanz, Bildhauerei und Musik, oder in neuen Bereichen wie Robotik oder Computeranimation. Elektronische Kunst war in ihren Anfängen analog und muss heute nicht notwendig digital sein.

Computerkunst war anfangs eine Sammelbezeichnung für alle mit einem Computer in zentraler Funktion hervorgebrachte Kunst. Sie war vor allem in ihren Anfängen nicht immer digital, es konnten Analogrechner eingesetzt werden. Als Audio-Computerkunst galt beispielsweise die Verwendung von Computern als Live-Musikinstrument (vgl.[1]) Heute gilt als entscheidend für die Einordnung als „Computerkunst”, ob die Arbeitsweise und kulturelle Bedeutung des Computers dabei künstlerisch thematisiert wird.

Digitale Kunst beruht auf digital kodierter Information. Die Information wird meist über Computer digital verarbeitet und künstlerisch verwendbar präsentiert. Die Digitalisierung von Information kann durch Eingabegeräte, wie Scanner, Tastaturen und Messgeräte erfolgen. Viele Formen digitaler Kunst sind durch den Unterschied zwischen dem rein digitalen Werk, den binären Dateien, und ihrer hörbaren und sichtbaren Repräsentation geprägt. Liegen Werke in digital kodierter und gespeicherter Form vor, etwa als Bilddateien, Algorithmen, Hypertexte, ausführbare Programme oder Code für Internetseiten, kann von Digitaler Kunst im engeren Sinne gesprochen werden. In bestimmten Fällen sind die Dateien und digitalen Vorgänge sogar das eigentliche Kunstwerk. Ein künstlerisch bedeutender digitaler Code handschriftlich notiert, kann bereits Digitale Kunst sein.[2]

Sind Werke digitaler Kunst ohne ihre Repräsentation in einem Medium nicht vollständig, kann durch ausgesuchte Hardware und Software die Repräsentation künstlerisch beeinflusst werden. Mit Software, die bei Veränderungen von Variablen zu nicht genau vorhersehbaren künstlerischen Ergebnissen führt, ist sogar ergebnisoffene Gestaltung möglich. Die Repräsentation einer Datei muss nicht auf die Wiedergabe durch Lautsprecher, Monitore und Projektionen beschränkt sein: Sie kann dreidimensionale materielle Plastiken, Lichtinstallationen oder multimediale Ereignisse umfassen. Bei biennale.py, dem Virus für die 49. Biennale Venedig, bestand die Repräsentation aus einer kollektiven multimedialen Performance, in der Publikum und Medien, oft ohne es zu bemerken, zu unverzichtbaren Akteuren wurden.[3][4]

Computergenerierte Digitale Kunst und Mediale Digitale Kunst werden in der kunsthistorischen Betrachtung unterschieden (siehe Literatur, Christiane Paul, Digital Art):

Computergenerierte Kunst entsteht auf Basis traditioneller Kunstgattungen und Kunstformen mit dem Computer als Werkzeug. Vormals analoge Bereiche der Bildkunst wie Druck, Malerei, Fotografie werden digital weitergeführt. Ebenso werden Kunstwerke im Bereich der bewegten Bilder, Video und Film und der Übertragungsmedien Radio und Fernsehen, nach Konventionen aus der analogen Tradition der Medienkunst, zunehmend digital erzeugt. Gleiches gilt für „Elektronische- oder Digitale Musik” (siehe unten: Computergenerierte Kunst).

„Mediale Digitale Kunst” hingegen, nutzt Computer und Netzwerke, oder andere digitale Geräte, wie Mobiltelefone, als eigenständiges Medium, unter Anderem auf Basis des Internet, so dass eigene Kunstformen wie Netzkunst (Net Art), (Software Art[5]), digitale Installationen und Kunstwerke im Bereich Virtuelle Realität entstehen (siehe unten: Mediale Digitale Kunst).

Das Festival Ars Electronica in Linz geht auf entscheidende Entwicklungen in allen Bereichen elektronischer Kunst ein. Computerkunst und Digitale Kunst sind ständige Schwerpunkte. Die Ars Electronica inspiriert künstlerische Arbeiten und fördert Künstler durch den manchmal als „Oscar der digitalen Kunst” bezeichneten Prix Ars Electronica.

Computergenerierte Kunst

„moholy-nagy“, 2006; Digitale Collage des ungarischen Künstlers István Horkay

Digitale Bildkunst

Digitale Bildkunst, meist kurz „Digitale Kunst” genannt, fällt weitgehend unter „computergenerierte Kunst” und wird vorwiegend auf zweidimensionale Medien (Web/Print/Projektion) ausgegeben. In allgemeinerem Sinn werden visuelle Ausgaben eines Computers als Computergrafik bezeichnet. Nur ein Bruchteil davon ist im Sinne zeitgenössischer oder angewandter Kunst bedeutend.

Eine jährliche Konferenz für digitale Bildkunst ist die SIGGRAPH.

Differenzierungen digitaler Bildkunst:

  • Digitales Malen: Durch Eingabegeräte wie Grafiktablett oder Maus direkt erzeugt, manchmal mittels Algorithmen manipuliert, um mitunter traditionellen Maltechniken ähnelnde Effekte zu erreichen.
  • Fotomanipulation: Durch Integration oder Verfremdung digitaler Inhalte (Fotografien) erzeugte Bilder und Fotomontagen. Siehe Bildbearbeitung
  • Szenische 3D-Kunst: Darstellungen virtueller Räume mittels 3D-Software
  • Mathematische Kunst: Bildausgaben durch mathematische Algorithmen, Teil der Generativen Kunst
  • Fraktale als Parametrierung festgelegter Formeln, z. B. Mandelbrot-Menge
  • Vector Art: Kunst mit Vektorgrafiken. Oft angewendet als Grafikdesign und Illustration im Web
  • Digitale Stilkunst: Digital erzeugte Nachempfindung und Weiterführung traditioneller Kunststile, z. B. digital-impressionistisch, digital-abstrakt
  • Mixed Media: Mischformen aus oben genannten Techniken
  • Computerkunst: Computerkunst als Digitale Bildkunst, die den Computer selbst und seine Arbeitsweise thematisiert

GFX Grafik

Bildschirmfoto der PC-Demo
Interceptor von Black Maiden, 2004

GFX ist eine spielerische Abkürzung für Graphical Effects. Ähnlich analogen Kunstformen, wie Comics oder Graffiti, die mit Jugendszenen und Jugendkultur verbunden sind, ist GFX mit der GFX-Szene beziehungsweise der Demoszene verbunden, einer digitalen Jugendkultur oder Netzkultur, in der grafische Effekte ursprünglich für Spielecomputer und Spielkonsolen wie C64, Atari ST, Commodore Amiga oder XBox programmiert wurden. Auch heute beruht die Programmierung von GFX Grafiken und Animationen auf Verfahren, die besonders geeignet sind, vom Computer direkt ausgegebene Grafik und Klang in außergewöhnliche Qualität aufeinander abzustimmen und damit die Möglichkeiten des Computers zu demonstrieren. GFX ist eine eigenständige Kunstform, die einerseits als angewandte Kunst untrennbar mit Computerspielen verbunden ist, andererseits aber auch eigenständige Werke hervorbringt, die als zeitgenössische Kunst gesammelt werden (etwa Yehoshua Lakners AVZGs).

Digitale Musik

Elektronische Musik ist anfangs, ähnlich früher visueller Computerkunst mit analogen Generatoren wie Oscillions, Melochord, Trautonium, Ringmodulatoren, Rauschgeneratoren und Filter erzeugt worden. Computermusik und Elektronische Musik sind heute weitgehend digitalisiert. Eine der ersten musikalischen Anwendungen eines digitalen Computers war 1957 Lejaren Hillers digitale Musikkomposition ILLIAC-Suite (für ILLIAC siehe Liste der Röhrencomputer). Iannis Xenakis entwickelte 1961 seine Kompositionstheorie auf Grundlage des neuen Verfahrens der Klangsynthese mit Klangquanten. Aufgrund langer Rechenzeiten und geringer Speicherkapazität setzte sich die voll digitalisierte Musikausgabe erst gegen Ende der 1970er Jahre mit einer schnelleren Computergeneration durch.

Mediale Digitale Kunst

Mediale digitale Kunst tendiert zu Interaktivität und Multimedialität. Es geht um die Interaktion zwischen Kunstwerk und Mensch, wobei die Teilnehmer mit dem Kunstwerk ein komplexes Netz und eine künstliche Welt bilden können. Als vorwiegend visuelle und auditive interaktive Benutzerschnittstelle dienen Webseiten, Programmoberflächen, Spieloberflächen, und softwaregesteuerte Installationen. Für haptische Interaktion werden raumorientierende Zusatzgeräte eingesetzt.

Zu den neuen Kunstformen zählen:

Netzkunst

Unter dem Sammelbegriff Netzkunst wird künstlerische Arbeit in analogen oder digitalen Netzen mit Arbeit in künstlerischen Netzwerken zusammengefasst. Internet- oder Webpräsenzen, die entweder durch ihr programmiertes Verhalten oder die Interaktion mit dem Besucher am Bildschirm eigenständige Kunstwerke bilden, können unter beide Kategorien fallen. Netzkunst und Digitale Kunst überschneiden sich in weiten Bereichen, vor allem dort, wo Digitale Kunst telematische Netze einbezieht oder gemeinsame Kunstwerke durch die Vernetzung von Teilnehmern ermöglicht.

Softwarekunst

Als einer der Ursprünge der Softwarekunst gelten kreativ kodierte Computeroperationen, die konventionelle Programmierungen übertreffen und manchmal sogar durch Regelbrüche besser funktionieren. Zuerst am Massachusetts Institute of Technology wurde dafür die Bezeichnung „Hack“ verwendet. Software Art als bewusst eigene Kunstform wurde jedoch erst gegen Ende der 1990er Jahre zum Beispiel durch de-programmierte Computerspiele (vergleiche[6]) oder andere herunterladbare Programme (Beispiele: runme.org[7]) allgemein bekannt, die den Nutzer dazu anhalten, sein Verhältnis zu Internet, Rechner und eigenem Nervensystem zu überdenken.

Digitale Poesie, Net Poetry und Code Poetry

Digitale Poesie begann einerseits mit dem Computer als bloßes Werkzeug für Dichtung, andererseits jedoch als Untersuchung der nur im Medium Computer entwickelbaren Möglichkeiten, Zeichen, Worte und Sprache zu generieren. Frühe Digitale Poesie schrieb bereits Raymond Queneau 1962. 1980 entwarf Jean-Pierre Balpe den ersten algorithmischen Gedichtgenerator „Poèmes d’Amour”. Heutige Digitale Poesie geht über Wortspiele, Dichtungen, visuelle Poesie und programmierte Dialoge oft weit hinaus und kann in allen geeigneten Erscheinungsformen medialer Digitaler Kunst auftreten.

Ein Ereignis auf der Biennale 2001 Venedig war Net Poetry online im „Parallel-Action-Bunker” von Caterina Davinio. Ebenso für Net Poetry seit den 1990er Jahren zu nennen: jodi.org (Joan Heemskerk und Dirk Paesmans)[8].

In Computersprachen wie Algol oder Perl verfasste Code Poetry ist nicht nur computergeneriert, sie kann unter Umständen als Code tatsächlich ausführbar sein.[9] Gleiches gilt für Scriptsprachen (wie JavaScript, Perl, Python und Apple-Script), die zur Bedienung von Computern verwendet werden, deren Scripte jedoch gleichzeitig als poetische Mitteilung verfasst sein können.

Blinkenlights am Haus des Lehrers

Interaktive Installation

Der Besucher wird zum Benutzer und interagiert in einer Kunstinstallation durch Körperbewegung, Geräusche, Laute, Sprache oder über andere Medien (Mobiltelefone und Anderes) mit Programmen, die meist visuell und akustisch antworten. Typische digitale „Interaktive Installationen” in dieser Art sind einige Werke von Michael Saup und von Projekt Blinkenlights.

Cave Automatic Virtual Environment

Virtuelle Realität (VR)

Die Virtuelle Realität kann wesentliches Element begehbarer softwaregesteuerter Installationen und Projektionen sein. Virtuelle Räumlichkeiten und andere digitale Kunstwelten haben bildhauerische und architektonische Aspekte. Sie können mit Text, Grafik, Animation, Sprache, virtueller Audio-Realität und sogar körperlicher Erfahrung als virtuelle Existenz erlebt werden. Durch den Eintritt in virtuelle Räume als virtuelle Persönlichkeit oder Avatar, kann sich eine gelebte Traumwelt entwickeln.

Unter Virtuelle Realität fallen:

Kopfmonitor (Head Mounted Display)
Der Avatar Klaus Schwab in Second Life
  • Virtuelle künstliche Personen und Räume, die durch digitale Netzkommunikation in der Vorstellungswelt der Teilnehmer entstehen, wie beispielsweise Muds oder Figuren wie Monty Cantsin (oder noch virtueller: Karen Eliot). Einige dieser Figuren und Fantasiewelten sind als Muster ursprünglich aus analoger Telekommunikation entstanden. Einige der heute digital kommunizierten Ausprägungen sind im Prinzip noch in analogen Communitys als Vorstellungswelten oder Rollenspiele möglich.
  • Virtuelle Räume, erfahrbar als dreidimensionale Illusionswelten z. B. als Cave Automatic Virtual Environment, Head Mounted Display (HMD) oder Ähnliches.
  • Virtuelle Welten, die weitgehend von den als Avatar präsenten Beteiligten selbst, als komplett digitale und virtuelle Realität gestaltbar sind, beispielsweise Second Life.

Im Bereich Digitale Kunst und Medienkunst wird als bekannter Preis der Digital Sparks Award verliehen.

Geschichte

Der Futurismus zu Beginn des 20. Jahrhunderts begrüßte den Einsatz von Maschinen. Elektronische Musikinstrumente wie das Trautonium (1924) sind aus dieser Zeitstimmung hervorgegangen. Mit der Tontechnik, der Funktechnik und später der Fernsehtechnik konnte seit Beginn des 20. Jahrhunderts elektronische Kunst erzeugt werden, die noch nicht digital war. Schon viel länger gab es dagegen Kunst, die auf spielerisch-numerischen Gestaltungsmitteln aufbaute wie dem Spielwürfel. Sie ist im Wortsinn digital, ohne dass Maschinen zu Hilfe genommen werden müssten.

Pioniere des künstlerischen Einsatzes elektronischer und digitaler Geräte gab es an Institutionen wie den Bell Laboratories, dem Massachusetts Institute of Technology (MIT), dem Kölner Studio für elektronische Musik und an der Technischen Hochschule Stuttgart, an der Max Bense unterrichtete.[10]

Studios für elektronische Musik gab es früher als Studios für Computerkunst. Am Beginn elektronischer Kunst standen Musiker.[11] Ben F. Laposky, der die ersten elektronischen Grafiken erzeugte, bezeichnete sie als Visuelle Musik. Der Beginn der Computerkunst ist in mehrfacher Hinsicht mit elektronischer Musik verbunden:

  • Die Wellenformen einfacher Töne wurden schon mit einem Vorläufer des „automatischen Plotters“, dem Oszillografen, sichtbar und hörbar gemacht. Mit Computerkontrolle wurde es möglich, generierte Wellen zu steuern und zu überlagern, so dass Töne konstruiert werden konnten.
  • Computer wurden zum digitalen Sampling und zur musikalischen Anordnung und Umsetzung der Samples benutzt, die anschließend über einen Analog-Digital-Umsetzer wieder ausgegeben wurden.[12]
  • Auf dem Bildschirm erzeugte grafische Darstellungen von Amplitude, Frequenz und Dauer von Noten wurden vom Komponisten mit einem Lichtgriffel manipuliert, die Klangveränderung wurde computerberechnet fast sofort hörbar.[13]
  • Computer eröffneten neue Möglichkeiten der Komposition. Notation im Computer war leichter korrigierbar, Klangmuster konnten endlos aneinander gesetzt und überlagert werden und komplexe mathematische Ordnungen und Algorithmen konnten erstmals in eine Komposition eingehen.

Allerdings blieb analoge Elektronik in der Musik noch Grundlage der Wiedergabe bis Computer für die Klangwiedergabe in Echtzeit schnell genug wurden.

Oszilloskop-Röhre

Seit Anfang der 1950er Jahre bis in die 1960er benutzten audiovisuell orientierte Künstler Kathodenstrahlröhren, um durch Ablenkung des Kathodenstrahls auf einem Bildschirm Bilder zu erzeugen. Anfangs waren die Bilder stark davon geprägt, dass es sich bei den Geräten im Prinzip um Oszillografen handelte. Ben F. Laposky, der ab 1950 auf solchen Bildschirmen Bilder generierte, nahm diese animierten Kurvengrafiken mit Hochgeschwindigkeitskameras auf und nannte sie „Oscillons”. Herbert W. Franke nutzte 1953 bis 1956 ebenso analog gesteuerte Geräte, und nannte einen Teil der entstandenen Werkgruppe „Oszillogramme”.

Wissenschaftlern an den Bell Laboratories gelang es in den 1950er Jahren, sämtliche Instruktionen zur Bilderzeugung, vor dem Abfotografieren von einem Bildschirm, durch einen digitalen Computer zu erzeugen und zu kontrollieren. Die Geräteanordnung wurde als „automatischer Plotter“ bezeichnet.[12] Die Ausgabe von Vektorgrafik mit Stiftplottern auf Papier wurde erst später möglich.

Whirlwind Konsole (SAGE-Luftraum-
überwachungssystem 1951)

Ein Schritt zu komplexerer Computergrafik begann mit dem Kathodenstrahl-Bildschirm des am MIT entwickelten Whirlwind-Computers (siehe Geschichte der Computergrafik).

Zu den Pionieren grafischer Computerkunst im deutschsprachigen Raum zählen Personen, die entweder von der Informationsästhetik (Max Bense) beeinflusst waren oder in Verbindung zu Informatikern standen (z. B. Kurd Alsleben). Arbeiten konnten sie nur in Verbindung mit Rechenzentren, wie dem DESY in Hamburg, da Computer in den 1950er und 1960er Jahren noch raumfüllende Anlagen waren. In dieser Entstehungszeit knüpft sich an die Entwicklung der theoretischen Grundlagen und deren technologisch- künstlerischer Umsetzung die Erwartung, hiermit eine neue Ästhetik zu entwickeln („So ist die Ästhetik als objektive und materiale Ästhetik gedacht, die nicht mit spekulativen sondern mit rationalen Mitteln arbeitet.“ – Bense 1969).

Mit der Verbesserung der Ausgabetechniken über Plotter (Mikrofilmplotter und Stiftplotter) interessierten sich zunehmend mehr Künstler für Computer. Während erste Programme für Stiftplotter zur Anwendung durch Architekten und ähnliche Berufe konzipiert waren, erstellten Künstler wie Frieder Nake und Herbert W. Franke eigene Programme für Plotter. Mit Programmcode und Beschreibungssprachen für grafische Formen und Effekte stand erstmalig in der Geschichte der bildenden Kunst ein grafisches Beschreibungssystem zu Verfügung; es war den Noten der Musik vergleichbar, übertraf diese aber durch die Tatsache, dass aus dem Programmcode auch das generative Prinzip, die in den Bildern manifestierte Ordnung, zu ersehen ist.[14]

Vera Molnar

Neben Informatikern interessierten sich anfangs meist Künstler für die Arbeit mit Computern, die wie Vera Molnar aus der konkreten und abstrakten Kunst kamen. Einen anderen Hintergrund hat Manfred Mohr, der vom Action Painter und Jazzmusiker zum Pionier der Computerkunst wurde.

1965, beinahe zeitgleich in den USA und in Deutschland, stellten nicht Künstler, sondern Wissenschaftler das erste Mal Computerkunst in Galerien aus: Bela Julesz und A. Michael Noll in New York, Georg Nees und Frieder Nake in Stuttgart.[15]

Georg Nees, der die ersten Grafikbefehle in Algol 60 schrieb,[16] produzierte 1968, mit Fräsmaschine und Siemens 4004 Rechner, eine der frühesten komplett computerkontrolliert erzeugten Skulpturen. Sie wurde 1969 auf der Biennale Venedig ausgestellt.[17]

In den 1970er Jahren wurden die Großrechner durch kleinere und interaktivere Rechenanlagen abgelöst, die über Tastatur und Monitor steuerbar, Rastergrafik ausgeben konnten. Laurence Gartel führte ab 1975 Methoden und Techniken aus der Videokunst ein: Videosynthesizer und erste Video-Malprogramme zur Manipulation von Grafik auf dem Monitor. Neue Möglichkeiten zur Bildmanipulation wurden von Künstlern aufgegriffen, die bislang mit analogen Medien gearbeitet hatten und gewöhnlich nicht als Vertreter der Digitalen Kunst genannt werden: Peter Greenaway für Film, zusammen mit István Horkay; Jeff Wall, Thomas Ruff und Andreas Gursky für fotografische Kunst.

Ende der 1970er Jahre entstanden die ersten Ansätze zu digitalen Kommunikations-Netzwerken, und damit einer medialen Digitalen Kunst, die Netzwerke als künstlerisch gestaltbare Medien begreift. Die Basis bilden zunächst Online Computer Konferenzen, dann erste Mailbox-Systeme wie ARTBOX und FAX-Netzwerke (vgl. ARTEX[18]).

Mit zunehmender Rechengeschwindigkeit und Speicherkapazität wurde die interaktive Bearbeitung von Grafik am Monitor Standard. Grafik konnte als Proof auf Desktop-Druckern ausgegeben werden. Yoichiro Kawaguichi begann in den 1980er Jahren damit, 3D Modeling Programme für digitale Kunst zu nutzen.

Mit Bildbearbeitungsprogrammen, wie Paintbox in den 1980er Jahren und Adobe Photoshop seit den 1990er Jahren, kann vorhandenes fotografisches Bildmaterial künstlerisch manipuliert werden.

Eine Liste von Essays sowie eine fundierte Liste der Künstler, die Entwicklungen der Digitalen Kunst geprägt haben, bietet das Digital Art Museum (DAM) (siehe Weblinks).

Gegenwart

Julian Opie, LED-Kunstwerk in Dublin

Die Digitalisierung verschiedenster, mittlerweile „traditioneller” Medien, führte zu deren digitaler Neuformulierung. Beispielsweise wird Videokunst, ursprünglich analog erstellt, nun digital aufgenommen. Daraus hat sich eine neue Kultur und Kunst auf Webseiten präsentierter Videoclips entwickelt.

Heute sind zweidimensionale und dreidimensionale Bilder aller Art mit entsprechenden Programmen manipulierbar und herstellbar. Sie können um eine zeitliche Dimension ergänzt werden. Digitale Bildkunst kann so in Videokunst übergehen, wie in den Arbeiten von Yves Netzhammer. Einerseits computergenerierte Kunst und klassische Kunstdisziplinen, andererseits die mediale digitale Kunst im engeren Sinne differenzieren sich aus, fließen jedoch auch ineinander.

Die digitale Bildkunst von Julian Opie besteht zu einem grossen Teil aus bewegten digitalen Grossformaten in Museen und im öffentlichen Raum. Auf großen Flachbildschirmen an geeigneten Gebäuden werden digital gezeichnete Menschen oder digital erzeugte Landschaften in ständig fließender Bewegung zeigt.

Neben der Geschichte und Gegenwart der weitgehend als „computergeneriert“ verstandenen Digitalen Kunst gibt es eine Geschichte und Gegenwart der „medialen“ Digitalen Kunst, die mit Medienkunst und Netzkunst verbunden ist.

Institutionen

  • Ars Electronica, ein jährliches Festival zur Präsentation und Förderung von Kunst in enger Verbindung mit (digitaler) Technologie und gesellschaftlichen Fragestellungen, in Linz (Oberösterreich).
  • De Balie[19], ein Zentrum in Amsterdam [NL], dessen Schwerpunkt auf der Auseinandersetzung mit interdisziplinären künstlerischen Projekten im Bereich der digitalen Medien liegt.
  • iMal, center for digital cultures and technology, Brüssel (B)[20].
  • netzspannung.org, E-Teaching-Plattform und Online Archiv für Medienkunst des Fraunhofer-Instituts für Intelligent Analyse- und Informationssysteme (IAIS), Sankt Augustin.[21]
  • Transmediale, Berlin. Das jährliche Festival soll künstlerische Positionen zeigen, die den Einfluss neuer Technologien, Netzwerkpraktiken und digitaler Innovantionen widerspiegeln.[22]
  • Zentrum für Kunst und Medientechnologie (ZKM) in Karlsruhe. Das ZKM, geleitet von Peter Weibel, engagiert sich für Digitale Bildkunst, Computergrafik und mediale Digitale Kunst. Es besteht eine enge Zusammenarbeit mit der Staatlichen Hochschule für Gestaltung.
  • Universität für angewandte Kunst Wien: Abteilung Digitale Kunst. Leitung seit 2010: Ruth Schnell.[23]

Literatur

  • Monika Fleischmann, Ulrike Reinhard (Hrsg.): Digitale Transformationen. Medienkunst als Schnittstelle von Kunst, Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft. whois, Heidelberg 2004, ISBN 3-934013-38-4. (Informationen)
  • Oliver Grau: Virtual Art: From Illusion to Immersion. MIT-Press, Cambridge/Mass. 2003, ISBN 978-0-262-57223-1.
  • Christiane Paul: Digital Art. Thames Hudson, London 2003, ISBN 0-500-20367-9.
  • Wolf Lieser: Digital Art. H.F. Ullmann Publishing, Deutschland 2009, ISBN 978-3-8331-5344-0, 276 S.
  • Ernest Edmonds, Andrew Martin, Sandra Pauletto: Audio-visual interfaces in digital art. In: The Australasian Computing Education Conference; Vol. 74. Proceedings of the 2004 ACM SIGCHI International Conference on Advances in computer entertainment technology. Singapur 2004, ISBN 1-58113-882-2, S. 331-336. (Information).
  • Greg Turner, Ernest Edmonds: Towards a Supportive Technological Environment for Digital Art. In: Viller & Wyeth (Hrsg.): Proceedings of OzCHI2003: New directions in interaction, information environments, media and technology. 26-28 November 2003. Brisbane, Australien. (Online)
  • Linda Candy: Co-Creativity in Interactive Digital Art, Consciousness Reframed. In: Fourth International CAiiA-STAR Research Conference, 2-4th August 2002. Perth 2002. Online
  • Lev Manovich: Ten Key Texts on Digital Art: 1970-2000. In: Leonardo, Band 35, Nummer 5, MIT Press 2002, S. 567-569. (Information)
  • Joseph Nalven, JD Jarvis: Going Digital: The Practice and Vision of Digital Artists. Thompson Course Technology, 2005, ISBN 1-59200-918-2, 432 S.
  • Ruth Schnell, Romana Schuler, Peter Weibel, Y/our/Space, Neue Positionen Digitaler Kunst, Ausstellungskatalog, Universität für angewandte Kunst Wien, 2011

Weblinks

 Portal:Bildende Kunst – Übersicht zu Wikipedia-Inhalten zum Thema Bildende Kunst

Einzelnachweise

  1. hans-w-koch.net
  2. Florian Cramer S. 1,3 Exe.cut[up]able statements: Das Drängen des Codes an die Nutzeroberflächen In: Festival Katalog 2003 der Ars Electronica
  3. Contagious Paranoia. 0100101110101101.org, abgerufen am 26. Mai 2009 (englisch).
  4. Cornelia Sollfrank: biennale.py – Die Rückkehr des Medienhype. In: Telepolis. Heise Online, 7. Juli 2001, abgerufen am 26. Mai 2009.
  5. Software Art in der englischsprachigen Wikipedia
  6. Tilman Baumgärtel: On a Number of Aspects of Artistic Computer Games. In: Medien Kunst Netz. Medien Kunst Netz, abgerufen am 22.11 (englisch, Abschnitt: Introduction): „Among the first artists to deal with games as a medium was the artist-duo Jodi, who, however, blazed a completely different aesthetic trail. In 1999, as guests of the Budapest Media Art laboratory C3, they made a first modification of ‹first person Shooter› «Quake,»[11] which has since been followed by many more new variations under the name «Untitled Game.» [12] These depart in ever stronger, alarming and exciting ways from the appearance and rules of the original game. About the same time, Margarete Jahrmann and Max Moswitzer, with their work entitled «LinX3D» (1999), brought the game called «Unreal» into an abstract debate with the ‹materiality› of code.“
  7. runme.org
  8. Joan Heemskerk und Dirk Paesmans S. 1,0 wwwwwwwww.jodi.org
  9. Florian Cramer S. 1,2 Program Code Poetry
  10. Frank Dietrich, S. 159,5 Visual Intelligence: The First Decade of Computer Art (1965–1975) In: Leonardo, Vol. 19, No. 2
  11. Frank Dietrich, S. 160,3+4 Visual Intelligence: The First Decade of Computer Art (1965–1975) In: Leonardo, Vol. 19, No. 2
  12. a b A. M. Noll, S. 90,8 The digital computer as a creative medium Reprint in IEEE Spectrum, Vol. 4, No.10, October 1967
  13. A. M. Noll, S. 93,4 The digital computer as a creative medium. Reprint in: IEEE Spectrum, Vol. 4, No.10, October 1967
  14. Herbert W. Franke, S. 1,4 Wege zur Computerkunst – ein Rückblick In: Murnau Manila Minsk – 50 Jahre Goethe Institut. 2001. ISBN 3-406-47542-6
  15. Frank Dietrich, S. 159,3 Visual Intelligence: The First Decade of Computer Art (1965–1975) In: Leonardo, Vol. 19, No. 2
  16. Frank Dietrich, S. 163,1 Visual Intelligence: The First Decade of Computer Art (1965–1975) In: Leonardo, Vol. 19, No. 2
  17. Frank Dietrich, S. 161,Fig.4 Visual Intelligence: The First Decade of Computer Art (1965–1975) In: Leonardo, Vol. 19, No. 2
  18. Robert Adrian: Art and Telecommunication, 1979-1986: The Pioneer Years. In: telematic connections. Walker Art, abgerufen am 30. Oktober 2010 (englisch).
  19. De Balie
  20. iMal
  21. netzspannung.org
  22. Transmediale Festival
  23. Universität für angewandte Kunst Wien: Abteilung Digitale Kunst

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