Ernst Hanfstaengl

Ernst Hanfstaengl
Ernst Hanfstaengl (1934)

Ernst Franz Sedgwick Hanfstaengl (genannt „Putzi“, * 2. Februar 1887 in München; † 6. November 1975 ebenda) war ein deutscher politischer Aktivist und Politiker. Er wurde vor allem bekannt als finanzieller Unterstützer und Freund Hitlers in den 1920er Jahren und als zeitweiliger Pressechef der NSDAP in den 1930ern.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Frühe Jahre

Hanfstaengl wurde als Sohn des wohlhabenden deutschen Verlegers und Kunsthändlers Edgar Hanfstaengl und seiner Gattin, Katharina Wilhelmina Heine, in München geboren. Nach dem Abitur siedelte er in die Vereinigten Staaten über, wo er bis 1909 an der amerikanischen Harvard-Universität studierte. Zu seinen Kommilitonen in Harvard zählte der spätere US-Präsident Franklin D. Roosevelt. Nach Kunststudien in Wien, Florenz und Rom und einer einjährigen Rückkehr nach Deutschland zum freiwilligen Militärdienst, lebte Hanfstaengl in New York City, wo er bis 1918 die amerikanische Filiale der elterlichen Firma, des Hanfstaengl-Kunstsalons leitete. Zu den Kunden dieses Geschäfts zählten unter anderem Henry Ford, Arturo Toscanini und der junge Charlie Chaplin.

Da der Kunstsalon gegen Ende des Ersten Weltkriegs als „Feindbesitz“ von den US-Behörden enteignet wurde, kehrte Hanfstaengl 1919 nach Deutschland zurück und ließ sich in München nieder. Von 1921 bis 1927 studierte er bei Karl Alexander von Müller an der Universität München und wurde dort 1930 zum Dr. phil. promoviert.

NSDAP-Mitglied

Auf Empfehlung seines amerikanischen Freundes Truman Smith, Vertreter des US-Militärattachés, nahm Hanfstaengl 1922 als Zuschauer an einer Parteiveranstaltung der NSDAP im Münchener Bürgerbräukeller teil. Hier hörte er erstmals Adolf Hitler reden, der damals gerade eine einmonatige Haftstrafe wegen Landfriedensbruchs abgebüßt hatte. Beeindruckt von Hitlers rhetorischer Begabung und seiner Fähigkeit, Massen zu begeistern, trat er der NSDAP bei und intensivierte seine Kontakte zu Hitler und dessen Anhängern. Auch durch sein Klavierspiel gelang es Hanfstaengl, sich die Aufmerksamkeit des musikbegeisterten Hitler zu sichern.

Als Angehöriger der Münchner Oberschicht nutzte Hanfstaengl seine Kontakte, um Hitler finanzkräftigen Förderern vorzustellen. Durch Spendensammlungen trug er mit dazu bei, der NSDAP den Ankauf des Völkischen Beobachters als Parteizeitung zu ermöglichen. Im November 1923 war Hanfstaengl am Hitlerputsch beteiligt, dem gescheiterten Versuch der NSDAP, per Staatsstreich von Bayern aus die Macht im Deutschen Reich zu übernehmen. Während Hanfstaengl nach Salzburg fliehen konnte, tauchte Hitler anfangs in Hanfstaengls Landhaus in Uffing am Staffelsee unter, wurde aber wenige Tage dort von der bayerischen Polizei verhaftet. Nach Hanfstaengls Bericht soll seine Ehefrau Helene, geborene Niemeyer, Hitler davon abgehalten haben, sich angesichts der bevorstehenden Verhaftung zu erschießen.[1]

Hanfstaengl mit Hitler und Hermann Göring im Sommer 1932

Während Hitlers Haftzeit in Landsberg am Lech und nach seiner Haftentlassung hielt Hanfstaengl weiterhin engen Kontakt zum Parteiführer der NSDAP. 1931 wurde Hanfstaengl, auch wegen seiner Fremdsprachenkenntnisse und Verbindungen ins Ausland, von Hitler zum Auslands-Pressechef der NSDAP ernannt. In dieser Eigenschaft versuchte er auch, im März 1932 ein Zusammentreffen zwischen Hitler und dem britischen Staatsmann Winston Churchill – mit dessen Sohn Randolph Churchill er befreundet war – in München in die Wege zu leiten. Die Zusammenkunft kam jedoch nicht zustande. In den folgenden Jahren nutzte Hanfstaengl seine Kontakte, um das Image Hitlers im Ausland zu verbessern.

Emigration

Hanfstaengls Position im NS-Staat und seine persönliche Beziehung zu Hitler verschlechterten sich seit 1934 zusehends. Konflikte mit Joseph Goebbels ließen ihn im März 1937 nach Großbritannien fliehen.

Goebbels diskreditierte Hanfstaengl bei Hitler, indem er ihn des Geizes bezichtigte und behauptete, er habe abfällige Äußerungen über die Legion Condor gemacht. Hanfstaengl erhielt eine versiegelte Order mit dem Auftrag, sie erst nach dem Start eines in Staaken bereitstehenden Flugzeuges zu öffnen. Nach dem Start las Hanfstaengl, er müsse mit dem Fallschirm über rotspanischem Gebiet abspringen, um dort als Agent zu arbeiten. Nach stundenlangem Flug, bei dem ihm falsche Positionsmeldungen mitgeteilt wurden, landete das Flugzeug in Wurzen. Goebbels notierte am 19. Februar 1937 in seinem Tagebuch: „Hanfstängl auf der Reise nach »Spanien«. Zum Kranklachen.“

Daraufhin floh Hanfstaengl zunächst in die Schweiz und von dort nach Großbritannien. Versuche, ihn mit Versprechungen und Drohungen zur Rückkehr zu veranlassen, scheiterten. So schrieb ihm Hermann Göring am 19. März 1937, man habe ihm mit dem Spanienscherz Gelegenheit zum Nachdenken geben wollen; Goebbels bot ihm die Mitarbeit an einer Filmkomposition an. Am 13. April schrieb Goebbels in sein Tagebuch: „Wenn der auspackt, das wird alle anderen Emigranten weit in den Schatten stellen.“ Erst im Februar 1938 verlangte Hanfstaengl von London aus gegenüber Heinrich Himmler seine Rehabilitierung, da ihm namenloses Unrecht geschehen sei.

In Großbritannien wurde Hanfstaengl mit Beginn des Zweiten Weltkrieges interniert und nach Kanada überführt. Auf Betreiben von Franklin D. Roosevelt wurde er 1942 in die USA überstellt, wo er – nach wie vor mit dem Status eines britischen Gefangenen – als politischer und psychologischer Kriegsberater der Alliierten tätig war. Seine langjährige persönliche Beziehung zu Adolf Hitler sollte es ihm ermöglichen, Erklärungen für dessen Handlungen und Entscheidungen sowie Prognosen zu weiteren Schritten zu liefern.[2]

Rückkehr nach Deutschland

Nachdem er auch nach dem Ende des Krieges noch einige Zeit in verschiedenen Lagern festgehalten worden war, kehrte Hanfstaengl am 3. September 1946 nach Deutschland zurück und wurde am 13. Januar 1949 von der Spruchkammer Weilheim rehabilitiert – unter anderem durch den Umstand, dass man im Geheimen Staatspolizeiamt eine „Todesliste“ mit Personen fand, die nach einer erfolgreichen Invasion Großbritanniens hätten ermordet werden sollen, und die auch seinen Namen enthielt. 1957 veröffentlichte er ein Buch in englischer Sprache mit seinen Memoiren zur Frühzeit der NS-Bewegung; 1970 erschien die deutschsprachige Ausgabe.

Seine beiden Bände Hitler in der Karikatur der Welt (1933/34), in denen Hanfstaengl politische Karikaturen der Gegner der Nationalsozialisten, die aus der Zeit vor der „Machtergreifung“ stammten und Hitler zeigten, gesammelt und kommentiert hatte, wurden in der Sowjetischen Besatzungszone auf die Liste der auszusondernden Literatur gesetzt.[3]

Das Familienunternehmen, den Kunstverlag Franz Hanfstaengl, führte von 1958 bis zu seiner Auflösung im Jahre 1980 sein Sohn Egon Hanfstaengl (1921–2007, Patenkind Adolf Hitlers).

Sein Grab befindet sich auf dem Bogenhausener Friedhof in München.

Werke

  • Europa und das belgisch-bairische Tauschprojekt im 18. Jahrhundert. München 1929 (= Diss. München 1928)
  • Amerika und Europa von Marlborough bis Mirabeau. Südost, München 1930
  • (Hrsg.:) Hitler in der Karikatur der Welt. Tat gegen Tinte. Braune Bücher, Berlin 1933
  • (Hrsg.:) Tat gegen Tinte. Hitler in der Karikatur der Welt. Neue Folge. Braune Bücher, Berlin 1934
  • Rembrandt Harmensz van Rijn 1606–1669. Münchner Verlag und Graphische Kunstanstalten, München 1947
  • Hitler. The Missing Years. London 1957; New York 1994, ISBN 1-55970-272-9
    • US-amerikanische Ausgabe als: Unheard Witness. Philadelphia 1957
    • Neuausgabe als: The Unknown Hitler. Notes from the Young Nazi Party. London 2005, ISBN 1-903933-24-2
  • Zwischen Weißem und Braunem Haus. Memoiren eines politischen Außenseiters. Piper, München 1970, ISBN 3-492-01833-5
    • Neuausgabe als: 15 Jahre mit Hitler. Zwischen Weißem und Braunem Haus. Piper, München 1980, ISBN 3-492-02622-2

Literatur

  • Martha Dodd: Meine Jahre in Deutschland 1933–1937. Nice to meet you, Mr. Hitler! Eichborn, Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-8218-0762-8
  • Peter Conradi: Hitlers Klavierspieler. Ernst Hanfstaengl – Vertrauter Hitlers, Verbündeter Roosevelts. Scherz, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-502-18137-8

Filme über Hanfstaengl

Einzelnachweise

  1. Ernst Hanfstaengl: Zwischen Weißem und Braunem Haus. Memoiren eines politischen Außenseiters, München 1970, S. 6: „Als meine Frau mit fliegender Hast die Treppe zu Hitlers Bodenkammer emporstürmte, trat ihr dieser im Vorraum seines Schlupfwinkels mit gezücktem Revolver entgegen. ‚Das ist das Ende‘, schrie er, ‚Mich von diesen Schweinen verhaften lassen – niemals! Lieber tot!‘ Doch bevor er seinen Worten noch die Tat folgen lassen konnte, hatte meine Frau bereits den wirksamen Jiu-Jitsu-Griff des Polizeimannes aus Boston praktiziert, und in hohem Bogen flog der Revolver in ein entfernt stehendes Faß, rasch begraben von einem darin befindlichen Hamstervorrat an Mehl.“
  2. OSS-Akte Hitler, die sich zum Großteil auf Aussagen Dr. Sedgwicks (OSS-Deckname für Hanfstaengl) bezieht
  3. http://www.polunbi.de/bibliothek/1946-nslit-h.html

Weblinks


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