- Eugen Ott
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Eugen Ott (* 8. April 1889 in Rottenburg am Neckar; † 23. Januar 1977 in Tutzing, Oberbayern) war ein deutscher Generalmajor und Diplomat.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Frühe Jahre (1889–1921)
Nach dem Abitur in Stuttgart trat Ott, der Sohn eines Oberregierungsrates, 1907 als Fahnenjunker in das 4. Württembergische Feldartillerie-Regiment Nr. 65 ein. Als junger Mann nahm Ott am 1. Weltkrieg teil. 1917 wurde er als Hauptmann aus dem Truppendienst in den Generalstab übernommen, in dessen Nachfolgeorganisationen er mit kurzen Unterbrechungen bis zum 31. Mai 1933 verblieb. In den 1920er Jahre stieg Ott seit dem 1. Oktober 1923 Untergebener von Kurt von Schleicher, als dessen enger Mitarbeiter und Vertrauter im Reichswehrministerium auf. 1921 heiratete er Helma Bodewig, aus der Ehe gingen ein Sohn († 1944) und eine Tochter hervor.
Karriere im Reichswehrministerium (1921–1933)
Otts Karriere blieb auf das engste mit der von Schleicher verbunden. 1931 rückte er, nunmehr im Range eines Oberstleutnants, zum Leiter der Wehrmachtsabteilung im Reichswehrministerium auf. In diesem Zusammenhang war er für die nationalen Wehrverbände wie den Stahlhelm und die SA zuständig. Mit Schleicher teilte er die Vorstellung von der Notwendigkeit, die „wertvollen nationalen Elemente“ im Rahmen einer Querfront an den Staat zu binden. Als Stellvertreter Schleichers nahm er in der Folge häufig als Beobachter an Reichstagssitzungen teil. Am Sturz des Reichswehrministers Groener war Ott indirekt beteiligt. Am 1. Dezember 1932 fuhr Ott als Unterhändler im Auftrag Schleichers nach Weimar und unterbreitete dem dort anlässlich einer „Führertagung“ weilenden Hitler das Angebot, als Vizekanzler in ein etwaiges Kabinett Schleicher einzutreten, in dem Schleicher Reichswehrminister bleiben würde, die NSDAP aber entsprechend ihrer Stärke noch einige weitere Ministerien erhalten würde. Hitler lehnte diesen Vorschlag brüsk ab und ließ Schleicher sogar vor einer Übernahme der Regierungsverantwortung warnen.
Am 28. Januar 1933 plädierte Ott, zusammen mit Ferdinand von Bredow (Leiter des Ministeramts im Reichswehrministerium), Erwin Planck (Staatssekretär in der Reichskanzlei) und dem General Kurt von Hammerstein-Equord dafür, den Reichspräsidenten ultimativ dazu aufzufordern, Hitler nicht zum Kanzler zu berufen und im Weigerungsfall den militärischen Ausnahmezustand durch den Chef der Heeresleitung verhängen zu lassen, d. h. er erwog Staatsstreichpläne, um Schleicher im Amt zu halten. Jener lehnte dies ab.
Das Planspiel Ott
Das von Eugen Ott erarbeitete sogenannte Planspiel Ott wurde aus Anlass des Berliner Verkehrsarbeiterstreiks vom November 1932 verfasst. Es befasste sich mit den Chancen der Reichswehr in einer gewaltsamen Auseinandersetzung mit der aufstrebenden nationalsozialistischen Bewegung, den Kommunisten und den demokratischen Kräften im Zuge einer von der Regierung veranlassten restaurativen Staatsstreichaktion zugunsten einer traditionell-monarchischen oder militärdiktatorischen Reform.
Ott kam in seinem Planspiel zu dem Schluss, dass die Reichswehr mit einem solchen Unterfangen wahrscheinlich überfordert sei und verwies auf potentiell desaströse Konsequenzen (polnische Intervention, Zusammenbruch der Nahrungsmittelversorgung, Bürgerkriegszustände u. a.). Zusammenfassend müsse der Reichswehrminister „die Zuflucht der Reichsregierung zu einem militärischen Ausnahmezustand verhindern“. Otts Vortrag seines Planspiels in einer Sitzung des noch kommissarisch amtierenden, offiziell bereits zurückgetretenen Kabinetts Papen am 2. Dezember 1932, veranlasste die Minister der Papen-Regierung, vom Gedanken an einen Staatsstreich „gestützt auf die Bajonette der Reichswehr“ abzurücken, zu dem sie der fehlende Rückhalt in der Bevölkerung zunächst bewogen hatte. Das „Planspiel Ott“ besiegelte das Ende des „Kabinetts der Barone“: Am 3. Dezember entließ Hindenburg die auch ihrer letzten Perspektive beraubte Regierung von Papen.
Schleicher, der in der Folge zum Kanzler ernannt wurde, ist daher mitunter vorgeworfen worden, er habe die Aufstellung des Planspiels im Ministerium und den Vortrag Otts im Kabinett inszeniert, um Papens Stellung zu unterminieren und ihn so zum Rücktritt zu zwingen, er habe also bewusst auf den Sturz Papens hingearbeitet.
Militärattaché und Botschafter in Japan (1933–1942)
Nach dem Rücktritt der Regierung des Generals von Schleicher, zu dem er auch weiterhin persönlichen Kontakt hielt, wurde Ott zunächst an der Spitze der Wehrmacht-Abteilung belassen. Als Otts Stellung in Berlin unhaltbar wurde, sandte man ihn am 1. Juni 1933 dem japanischen Heer als Beobachter. Am 1. Februar 1934 wurde er zum Militärattaché der deutschen Botschaft in Tokio unter Herbert von Dirksen zugeordnet.
Im Februar 1934 lud Ott Schleicher ein, ihn für längere Zeit in Japan zu besuchen, weil er den Eindruck hatte, dass der General sich mit seiner unverhohlenen Kritik an den Zuständen und an führenden Personen des nationalsozialistischen Regimes erheblicher Gefahr aussetze und den er so in Sicherheit bringen wollte. Schleicher, der diesen Vorschlag mit der Begründung ablehnte, er wolle nicht „landesflüchtig“ werden, wurde schließlich am 30. Juni desselben Jahres, während der so genannten „Nacht der langen Messer“, bei der Ott angeblich auch auf der Mordliste stand, zusammen mit seiner Frau, Elisabeth von Henning, ermordet. Da die japanische Armee über ihren Berliner Attaché, Ōshima Hiroshi (大島 浩; 1886–1975), auf eine Allianz mit dem wieder erstarkenden Reich drängte, wurde Ott bei den Verhandlungen, die im Antikominternpakt endeten (25. November 1936), weitgehend übergangen. Mit den führenden Männern in Japan kam er niemals wirklich in Kontakt.
Nachdem Botschafter Dirksen aus gesundheitlichen Gründen ausgeschieden war, wurde am 18. März 1938 Ott im Zuge der aktiven Japanpolitik von Joachim von Ribbentrop zum deutschen Botschafter in Japan befördert, dies jedoch nur mit dem Ziel, eine ähnliche Aufwertung seines Gesprächspartners Ōshima in Berlin zu erreichen, was acht Monate später auch geschah.
Am 25. August 1938 trat Ott der NSDAP bei. Am 7. Juni 1939 vermeldete er an Staatssekretär Ernst von Weizsäcker im Auswärtigen Amt, dass Japan bereit sei, an deutscher Seite in den Krieg einzutreten, sobald die Sowjetunion als Gegner Deutschlands in einen kontinentalen Krieg eingetreten sei. An den Vorverhandlungen zu einem Militärbündnis (Dreimächtepakt, 27. September 1940) blieb er unbeteiligt. Während des Krieges bemühte er sich um eine korrekte Darstellung der Ereignisse, welche mit fortschreitender Dauer des Krieges in Widerspruch zu den Erwartungen Ribbentrops geriet. Am 23. November 1942 wurde er unter dem Vorwand, die Spionageaffäre um den Spion Richard Sorge habe seine Position als Botschafter kompromittiert, abberufen.
Späte Jahre (1942–1977)
Bis zum Kriegsende blieb er als Privatmann in Peking; seinen Bitten um militärische Reaktivierung wurden abschlägig beschieden. Dennoch nahm Ott noch 1945, so zitiert der Historiker Hans-Jürgen Döscher den Berufsdiplomaten Wilhelm Haas, der 1937 wegen der jüdischen Herkunft seiner Ehefrau aus dem Amt scheiden musste, aufgrund der „dem Offizierskorps in seiner großen Mehrheit eigene Gefolgstreue, um nicht zu sagen Kadavergehorsam, gegenüber jedweder Staatsobrigkeit [...] in seiner Generalsuniform an den Feiern des 30. Januar, der Machtergreifung, teil."[1] Am 1. November 1951 wurde er in den dauernden Ruhestand versetzt und lebte zurückgezogen in Tutzing.
Nach dem Zweiten Weltkrieg trat Ott – in Vorträgen und Texten – als nachdrücklicher Verteidiger Kurt von Schleichers in der Bevölkerung und in der historischen Fachöffentlichkeit auf. 2002 wurde Ott in der Verfilmung des Lebens von Richard Sorge von Ulrich Mühe dargestellt.
Schriften
- „Ein Bild des Generals Kurt von Schleicher“ in Politische Studien, 10. Jg., Heft 110, S. 360-71, München 1959.
- „Aus der Vorgeschichte der Machtergreifung des Nationalsozialismus“, Vortrag am 19. Mai 1965, Text bei Bavaria Atelier GmbH, Akte Schleicher.
Literatur
- Teilnachlass und Befragungsprotokolle: Institut für Zeitgeschichte, München.
- Maria Keipert (Red.): Biographisches Handbuch des deutschen Auswärtigen Dienstes 1871–1945. Herausgegeben vom Auswärtigen Amt, Historischer Dienst. Band 3: Gerhard Keiper, Martin Kröger: L–R. Schöningh, Paderborn u. a. 2008, ISBN 978-3-506-71842-6. S. 416f.
- Bernd Martin: Ott, Eugen. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 19, Duncker & Humblot, Berlin 1999, S. 649 f.
- Jürgen W. Schmidt: Eugen Ott - Freund und Quelle von Richard Sorge. In: Heiner Timmermann u. a. (Hrsg.): Spionage, Ideologie, Mythos - der Fall Richard Sorge. LIT Verlag, Münster 2005, ISBN 3-8258-7547-4, S. 88–104 (Dokumente und Schriften der Europäischen Akademie Otzenhausen 113).
- Hans Schwalbe, Heinrich Seemann (Hrsg.): Deutsche Botschafter in Japan. 1860–1973. Deutsche Gesellschaft für Natur- u. Völkerkunde Ostasiens, Tokyo 1973 (Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens 57, ISSN 1436-0128).
Einzelnachweise
- ↑ Hans-Jürgen Döscher: Seilschaften. Die verdrängte Vergangenheit des Auswärtigen Amts. Propyläen Verlag, Berlin 2005. ISBN 3-549-07267-8, S. 63
Weblinks
- Literatur von und über Eugen Ott im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
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