F-23

F-23
Northrop YF-23 Black Widow II
YF-23A "Black Widow II" PAV-1 (S/N 87-800)
YF-23A "Black Widow II" PAV-1 (S/N 87-800)
Typ: Luftüberlegenheitsjäger
Entwurfsland: Vereinigte Staaten Vereinigte Staaten
Hersteller:
Erstflug: 27. August 1990
Indienststellung: Flugerprobung 1991 beendet
Produktionszeit: Wurde nie in Serie produziert
Stückzahl: 2

Die Northrop YF-23 Black Widow II war ein Prototyp von Northrop/McDonnell Douglas für den Wettbewerb um ein neues Kampfflugzeug für die US Air Force. Sie unterlag dem Konkurrenzmodell YF-22 von Lockheed Martin, das als F-22 Raptor seit 2003 produziert wird.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Das „Advanced Tactical Fighter“-Programm

Die Geschichte der YF-23 begann 1976, als die US Air Force prüfte, ob sie die Tarnkappentechnik beim nächsten Luftüberlegenheitsjäger anwenden konnte. Erste Studien begannen bereits 1969 und wurden als Advanced Tactical Fighter (dt.: „fortgeschrittener taktischer Jäger“) bezeichnet. 1975 erstellte die Air Force eine grobe Planung, welche die Prototypenerprobung im Zeitraum von 1977 bis 1981 vorsah. Da jedoch Zweifel an der Stealth-Technologie aufkamen, verzögerte sich das erste große Forschungsprojekt zu dieser Technik bis 1976, als Lockheed das Have Blue-Programm begann, aus dem auch die F-117 Nighthawk hervorging. 1981 forderte die Air Force die Flugzeughersteller auf, ihre Vorschläge einzureichen. Das geplante Kampfflugzeug sollte Boden- sowie Luftziele ungefährdet von Luftabwehrraketen auch im sowjetischen Hinterland bekämpfen können. Dieses Ziel erforderte zwingend Supercruise- und Stealth-Eigenschaften. Darüber hinaus wurde eine hochintegrierte Avionik gefordert, um den Piloten zu entlasten und so seine Effizienz im Kampf zu steigern.

Bereits 1983 beschäftigte sich die Air Force mit der Entwicklung der Triebwerke. Diese begann somit schon drei Jahre vor dem Entwurf der Flugzelle, da die Air Force in diesem Bereich bereits negative Erfahrungen beim P&W F100-Triebwerk für die F-15 gemacht hatte. Die Konzerne General Electric und Pratt & Whitney erhielten im Oktober desselben Jahres einen Auftrag über 200 Millionen US-Dollar, um ein passendes Triebwerk zu entwerfen. Pratt & Whitney entwickelte das XF119 auf Basis des PW5000, während General Electric das GE37 XF120 weiterentwickelte, das mit einem variablen Nebenstromverhältnis (engl. „Variable Cycle Engine“) ausgestattet war.

Im Oktober 1985 forderte die Air Force die Hersteller auf, bis zum Dezember Angebote für ein Kampfflugzeug abzugeben, das Mitte der 1990er-Jahre sowohl die F-15 Eagle als auch die F-16 Fighting Falcon ablösen sollte. Allerdings entschloss sich die Air Force im Juli 1986 zu einer grundsätzlichen Planänderung. Die Entscheidung über den Gewinner des Wettbewerbes sollte nun nicht mehr anhand von Bodenerprobungen erfolgen, sondern auf der Basis von Flugdemonstrationen, die Ende 1991 stattfinden sollten. Ein halbes Jahr später, im April 1987, wurde ein Entwicklungsauftrag an zwei Industriekonsortien erteilt, die jeweils von Lockheed und Northrop geführt wurden. Das Volumen belief sich auf 691 Millionen US-Dollar, der Auftrag war auf 50 Monate befristet. Die ersten Flüge mit den Prototypen sollten im Oktober 1989 stattfinden. Zu deren Bau kooperierte Lockheed mit General Dynamics und Boeing, Northrop arbeitete mit McDonnell Douglas zusammen. Die Prototypen erhielten die Bezeichnung YF-22 „Raptor“ (Lockheed) und YF-23 „Black Widow II“ (Northrop), wobei jedes Team zwei identische Maschinen bauen musste.

Die Prototypen YF-22 und YF-23

Beide Konsortien begannen umgehend mit Studien über mögliche technische Risiken des Projekts und deren Vermeidung, wobei man sich am Lastenheft der Air Force orientierte. Die beiden Triebwerkskonstrukteure erhielten Anfang 1988 den Auftrag über 342 Millionen US-Dollar, um ein flugtaugliches Triebwerk zu entwickeln. Mit den Bodentests war bei Pratt & Whitney bereits Ende 1986 begonnen worden, bei General Electric Mitte 1987. Die YF-22 von Lockheed sollte vom P&W YF119 angetrieben werden, die YF-23 vom YF120. In der Zwischenzeit erhielt Westinghouse den Zuschlag für den Bau des Bordradars und setzte sich so gegen den Mitbewerber Hughes Aircraft durch.

Trotz gleicher Vorgaben präsentierten Lockheed und Northrop zwei sehr unterschiedliche Entwürfe. Die YF-22 von Lockheed konnte noch als „konventionell“ bezeichnet werden. Das Aussehen erinnerte etwas an die F-15 und zeichnete sich durch den rautenförmigen Querschnitt des vorderen Rumpfes und der Tragflächen sowie durch ein nach außen geneigtes Seitenleitwerk aus. Die YF-23 von Northrop war um 2,10 Meter länger und machte einen erheblich futuristischeren Eindruck. Das V-Leitwerk war stark nach außen geneigt (50°), was dem Flugzeug bei seitlicher Betrachtung eine sehr niedrige Silhouette verschaffte. Die Unterbringung der Triebwerke sticht ebenfalls deutlich hervor. Während diese bei der YF-22 nur durch eine leichte Wölbung im hinteren Bereich des Flugzeuges zu erkennen sind, kann man bei der YF-23 zwei äußerst deutliche Wölbungen beobachten. Markante Unterschiede gibt es auch bei den Lufteinlässen und den Schubdüsen. So sind Erstere bei der YF-22 seitlich angebracht, bei der YF-23 hingegen unter den Tragflächen. Bei der YF-22 waren die Düsen rechteckig und ermöglichten so eine Schubvektorsteuerung, welche die Wendigkeit deutlich erhöhte, während bei der Konstruktion der YF-23 mehr Wert auf die IR-Abschirmung gelegt wurde. Deshalb war die Austrittsöffnung weit nach vorne verlegt worden war, wodurch die Luft besser abgekühlt werden konnte und eine bessere Abschirmung der Infrarotsignatur der heißen Düsen nach unten gegeben war.

Am Anfang der Demonstrationsphase lag meist das Team um Northrop vorne. So hob die YF-23 am 27. August 1990 zu ihrem ersten 20-minütigen Jungfernflug ab. Geflogen wurde sie vom Northrops Cheftestpiloten, Paul Metz. Knapp einen Monat später, am 29. September, hob auch die YF-22, mit Lockheeds Chefpiloten Dave Furguson am Steuer, zu ihrem Jungfernflug ab. Beide Maschinen wurden vom GE YF120 angetrieben. Die zweite YF-22 startete am 30. Oktober und flog erstmals mit dem P&W YF119. Der Erstflug der zweiten YF-23 erfolgte vier Tage früher, am 26. Oktober. Bereits wenige Wochen später konnten beide Teams die Supercruise-Fähigkeit ihrer Maschinen demonstrieren. Am 14. November erreichte die YF-23 ohne Nachbrennereinsatz Mach 1,43 während die YF-22 zur selben Zeit mit Mach 1,58 fliegen konnte. Hinsichtlich der Flugeigenschaften wurde bei Lockheed großer Wert auf Wendigkeit gelegt. So wurden in den folgenden Monaten teils spektakuläre Manöver gezeigt, die kein anderes Flugzeug dieser Zeit durchführen konnte (z. B. 360°-Rollen bei Anstellwinkeln von 60°). Dies war hauptsächlich auf die asymmetrisch gesteuerten 2D-Schubvektordüsen zurückzuführen. Unterdessen demonstrierte die YF-23 eine Höchstgeschwindigkeit von Mach 1,8 (mit Nachbrenner) und Anstellwinkeln bis 25°. Beide Maschinen waren während der Erprobung Belastungen bis 7 g ausgesetzt. Obwohl beide Maschinen ohne Bordwaffen und Radar flogen, demonstrierte Lockheed die Funktionsfähigkeit der Startanlagen für die AIM-9- und AIM-120-Lenkwaffen, obwohl dies nicht von der Air Force gefordert wurde. Diese verlangte allerdings noch während der Erprobungsphase Konzepte für die Konstruktions- und Fertigungsentwicklung, die dann am 2. Januar 1991 von den beiden Teams abgegeben wurden.

Am 23. April 1991 gab die Air Force schließlich den Sieger der Ausschreibung bekannt: Die YF-22 „Raptor“ vom Team Lockheed. Der ausschlaggebende Faktor für diese Entscheidung war die weiter fortgeschrittene Entwicklung und die bessere Manövrierfähigkeit der YF-22. Nur sie konnte äußerst steile Anstellwinkel fliegen, besaß ein weit entwickeltes Cockpit und hatte Flugkörperstarts demonstriert. Die YF-23 hatte mit den nicht vollends ausgereiften Waffenaufhängungen stark zu kämpfen. Ihre hochentwickelte Tarnkappe stellte für die US-Luftwaffe auch ein hohes Entwicklungsrisiko dar, weshalb die unkonventionelle YF-23 vermutlich auch deutlich teurer geworden wäre.

Verbleib

Einer der beiden hergestellten Prototypen ist im Western Museum of Flight in Hawthorne, Kalifornien ausgestellt, der andere befindet sich im Air Force Flight Test Center Museum auf der Edwards Air Force Base.

2004 wurde der in Hawthorne ausgestellte zweite Prototyp von Northrop u. a. mit neuen Cockpitdisplays ausgestattet – angeblich, um auf einer von Northrop unterstützten Luftfahrtmesse ausgestellt zu werden. Allerdings wurde vermutet, dass sich Northrop Grumman mit einer abgewandelten Version der YF-23 an einer Ausschreibung des Pentagons für einen neuen Jagdbomber als Ersatz für die F-15E Strike Eagle und als Ergänzung für die strategische Bomberflotte der US Air Force beteiligen wollte. Eine entsprechende Ausschreibung wurde vom Verteidigungsministerium jedoch nie bestätigt.

Technische Daten

Ein seitlicher Blick auf die YF-23
Die YF-23 von oben
Beide YF-23-Prototypen im Formationsflug
Kenngröße Daten
Typ: Luftüberlegenheitsjäger
Länge: 20,26 m
Flügelspannweite: 13,21 m
Flügelfläche: 87,80 m²
Flügelstreckung: 1,99
Tragflächenbelastung:
  • Minimal (Leergewicht): 191 kg/m²
  • Nominal (maximales Startgewicht): 266 kg/m²
  • Maximal (maximales Startgewicht): 331 kg/m²
Höhe: 4,20 m
Leergewicht: 16.783 kg
Normales Startgewicht: 23.327 kg
Maximales Startgewicht: 29.029 kg
g-Limits: -3/+9 g
Höchstgeschwindigkeit: Mach 2,1 bzw. 2.240 km/h (mit Nachbrenner auf optimaler Höhe)
Marschgeschwindigkeit: Mach 1,58 bzw. 1.678 km/h (ohne Nachbrenner auf optimaler Höhe)
Dienstgipfelhöhe: 19.811 m
Einsatzradius:
  • 1.474 km (mit YF119-PW-100-Triebwerken)
  • 1.380 km (mit YF120-GE-100-Triebwerken)
Triebwerk:
Schub-Gewicht-Verhältnis:
  • Maximal (Leergewicht): 1,89
  • Nominal (normales Startgewicht): 1,36
  • Minimal (maximales Startgewicht): 1,09
Besatzung: 1 Pilot
Bewaffnung: Vier radargelenkte AIM-120C-Luft-Luft-Raketen in einem internen Waffenschacht

Weblinks


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