- Akkumulationsregime
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Die Regulationstheorie ist ein Ansatz, die kapitalistische Gesellschaft in ihrem Zusammenhang zu begreifen. Nach Auffassung der Regulationstheorie ist der Kapitalismus durch materielle Produktion, staatliche Herrschaft und ideologische Denkformen geprägt. Für die Regulationstheorie ist dabei der Begriff der Stabilität entscheidend; gefragt wird, wodurch sich bei der eigentlich strukturell krisenhaften Produktionsweise des Kapitalismus Phasen der Stabilität ausprägen und wodurch sie beendet werden. Die Grundfrage der Regulationstheorie formuliert Joachim Hirsch folgendermaßen: "Wie wird eine Gesellschaft zusammengehalten, die aufgrund ihres ökonomischen Reproduktionsmechanismus strukturell von bestandsbedrohenden Krisen und sozialen Desintegrationsprozessen bedroht ist." [1]
Inhaltsverzeichnis
Ursprünge
Der Regulationsansatz ist eine Sammlung von Theorien der politischen Ökonomie, die in Frankreich und Italien entwickelt wurden, und von der strukturalistischen Variante des Marxismus, die von Louis Althusser begründet wurde, ausgeht. Die Vertreter dieser Theorie sehen, hier dem Marxismus folgend, im Kapitalismus einen Zwang zur Akkumulation des Kapitals gegeben; diese kann aber zu verschiedenen Zeiten verschiedenen Formen annehmen, die sich im Nachhinein einem bestimmten Typus zuordnen lassen, dem Akkumulationsregime. Es gab nie die eine homogene Theorie, es wurden aber verschiedene Ansätze als Regulationstheorie oder Regulationsschule bezeichnet. Bedeutende Vertreter sind Alain Lipietz, Michel Aglietta und Robert Boyer.
Kernkonzepte
Die zentralen Kategorien dieses Theorieansatzes sind:
- das Akkumulationsregime, bezeichnet die Organisation der Produktion und der Kapitalflüsse
- der Regulationsmodus, bezeichnet jenen Komplex von Institutionen und Normen, der das Akkumulationsregime stützt.
- die hegemoniale Struktur bezeichnet die spezifische gesellschaftliche Ordnung, die sich aus Akkumulationsregime und Regulationsmodus ergibt.
Akkumulationsregime
Ein Akkumulationsregime ist die Organisation der Produktion und der Kapitalflüsse einschließlich des Modus der Entlohnung, der Mehrwerterzeugung und Verteilung, der Staatsquote und deren Flexibilität. [2]
Das Akkumulations-Regime beschreibt die Wachstumsperioden der Entwicklung eines kapitalistischen Wirtschaftssystems mit dem Wechselspiel von Transformation, Normen der Produktion und Konsumption sowie der Organisation der Ökonomie und Gesellschaft. Es soll über eine bestimmte Produktionsweise von Gütern die Bedürfnisbefriedigung der Menschen sichern.
Historisch beispielhaft ist das fordistische Akkumulationsregime, wo standardisierte Produkte (z.B das Automodell "T5") mit Vollbeschäftigung und einem hohen Lohnniveau einhergingen. Arbeiter mit hohem Lohn konnten sich einen "Ford" leicht leisten; ihr Konsum kurbelte die Produktion weiter an (positive Rückkopplung). Auch in den Zeiten des Wirtschaftswunders war die Produktion ein Garant für Wohlstand; Arbeiter wurden sogar anteilsmäßig zum Gewinn entlohnt.
Da heute viele Bedürfnisse in den Industrieländern warenförmig gestillt sind (Fernseher, Kühlschrank, Telefon, Auto), findet sich schwer ein neues Akkumulationsregime. Bedürfnisse im Sozialen, die zweifelsfrei bestehen, wie Altersversorgung, Pflege, Bildung und Kinderbetreuung können ohne Intervention von außerhalb des Marktes nicht von selbst zu einem neuen Akkumulationsregime führen. Unabsehbar ist die Bedeutung der Biotechnologie als eventueller Leittechnologie eines neuen Akkumulationsregimes, das vage als Postfordismus bezeichnet wird. Das Wechseln eines Akkumulationsregimes ging bis dato krisenhaft vor sich.
Regulationsweise
Die Regulationsweise soll durch staatliche Institutionen, Apparate, soziale Netzwerke, Formen des Massenkonsums und des Lebensstils und auch anderen Normen dafür sorgen, dass die Fortexistenz und Weiterentwicklung der Ökonomie garantiert ist. Die Ausgestaltung der Regulationsweise ist grundsätzlich offen und unterliegt den gesellschaftlichen Machtverhältnissen und der kulturellen Hegemonie. Die Stabilisierung des Fordismus etwa wäre in dieser Weise undenkbar gewesen ohne das staatliche Modell des Wohlfahrtsstaates im Einhergang mit einflussreichen Gewerkschaften (siehe auch: Korporatismus). Die sich historisch nun jeweils herausbildende konkrete Verbindung von Akkumulations- und Regulationsweise - also die Art der Verwertung des Kapitals und der Art, wie diese Verwertung politisch und ideologisch gesichert wird - wird schließlich als die jeweilige hegemoniale Struktur bezeichnet.
Historische Abfolge aus regulationstheoretischer Perspektive
erweitert nach dem Entwurf: H. H. BLOTEVOGEL 1998 [3]
Zeit Logik Akkumulationsregime Regulationsmodus Ära Leittechnologie ~1850 Handwerkliche Einzelfertigung Nachtwächterstaat; ständische Gesellschaft Maschinisierung ~1923 Extensivierung Kleinindustrielle Serienfertigung Liberalismus; Klassengesellschaft Manchester-Kapitalismus Elektrifizierung; Chemie ~1975 Intensivierung Großindustrielle Massenfertigung Wohlfahrtsstaat; Korporatismus Fordismus Erdöl; Auto 1975~ Flexibilisierung Netzwerkunternehmen; Outsourcing Individualisierung; Neoliberalismus; Lebensstil Postfordismus Mikroelektronik; Informationstechnik Kritik
In dem analysierten Zeitrahmen wird die Neugestaltung des neoliberalen Diskurses nicht erfasst, sondern über eine seit den 1970er Jahren anhaltende Krise des Fordismus. Auch die Neugestaltung und Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse wird nicht thematisiert. Die Beschränkungen dieser Theorie stehen deswegen auch im Mittelpunkt der Diskussion um die Regulationstheorie. Erik Borg hat sich kritisch mit der Regulationstheorie auf dem Hintergrund des Hegemonie-Begriffs von Antonio Gramsci auseinandergesetzt (vgl. auch den Neogramscianismus in den Internationalen Beziehungen).
Literatur
- Aglietta, Michel (1976) Régulation et crises du capitalisme. L'expériences des Etats-Unis, Calmann-Lévy, Paris. ISBN 2-7021-0161-5
- Aglietta, Michel (2001 [1976]): A Theory of Capitalist Regulation, Neuauflage, London (Übersetzung aus dem Französischen). ISBN 1859842682
- Becker, Joachim Akkumulation, Regulation, Territorium. Zur kritischen Rekonstruktion der französischen Regulationstheorie ISBN 3-89518-375-X
- Borg, Erik (2001) Projekt Globalisierung. Soziale Kräfte im Konflikt um Hegemonie, Offizin, Hannover. ISBN 3-930345-26-9
- Boyer, Robert (1986) La théorie de la régulation: une analyse critique, La Découverte, Paris.
- Candeias, Mario Neoliberalismus, Hochtechnologie, Hegemonie Argument Verlag ISBN 3886192997
- Hirsch, Joachim (1990): Kapitalismus ohne Alternative? VSA-Verlag, ISBN 3879755191
- Hirsch, Joachim und Roth, Roland (1986) Das neue Gesicht des Kapitalismus - Vom Fordismus zum Post-Fordismus, Frankfurt am Main. ISBN 3879753741
- Kohlmorgen, Lars (2004) Regulation, Klasse, Geschlecht - Die Konstituierung der Sozialstruktur im Fordismus und Postfordismus, Münster, ISBN 3896915630
Weblinks
- Regulationstheorie auf Lateinamerika-Studien Online (Wirtschaftsuniversität Wien)
- Atzmüller, Roland (2004): Fit mach mit? Theoretisch-politische Perspektiven des Regulationsansatzes - ein Rezensionsessay, in: grundrisse.zeitschrift für linke theorie & debatte, Nr. 10, Wien 2004
- Scherrer, Christoph (1995): Eine diskursanalytische Kritik der Regulationstheorie, in: Prokla 25(3) Heft 100, S. 457-482 (PDF)
Einzelnachweise
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