Fritz Ries

Fritz Ries

Fritz Ries (* 4. Februar 1907 in Saarbrücken; † 20. Juli 1977 in Frankenthal) war ein deutscher Industrieller.

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Familie

Ries hat zwei Kinder aus erster Ehe mit Rita Ries geb. Heinemann. Seine Tochter Ingrid ist seit 1979 mit Kurt Biedenkopf verheiratet. Sein Sohn Thomas Ries ist am 14. Februar 1944 in Krakau geboren. Ab 1949 war Ries verheiratet mit Dora Ries geb. Apitzsch.

Leben

Fritz Karl Ries war Sohn des Inhabers einer Möbelhandlung. Nach dem Abitur studierte er Rechtswissenschaft, erst an der Universität Köln, dann an der Universität Heidelberg, wo er 1930 promovierte.[1] Dort lernte er später Hanns Martin Schleyer in der Studentenverbindung Corps Suevia Heidelberg kennen.

Ab 1933 war Ries Mitglied der NSDAP. 1936 war er als „Vertrauensmann für besondere Angelegenheiten“ der Geheimen Staatspolizei vorgesehen, eine tatsächliche Tätigkeit ist aber nicht nachweisbar. 1942 erhielt Ries das Kriegsverdienstkreuz.

Ries war seit 1934 persönlich haftender Gesellschafter der Flügel & Polter KG, Leipzig. Durch Arisierungen und „Übernahmen“ erweiterte er diesen 120-Mann-Betrieb zu einem Konzern mit über 10.000 Beschäftigten und wurde dessen Hauptgesellschafter. Alleine bei den von ihm „übernommenen“ Betrieben der Oberschlesischen Gummiwerke in Trzebinia (Westgalizien) beschäftigte er, laut einer „Gefolgschaftsübersicht“ vom 30. Juni 1942, insgesamt 2653 jüdische Zwangsarbeiter, davon 2160 Frauen und Mädchen. Mit deren Ausbeutung stieg der Umsatz in Trzebinia um das Zwölffache. Im polnischen Łódź übernahm Ries einen „arisierten“ Großbetrieb mit 15 Walzwerken. Auf der Flucht vor der Roten Armee setzte er sich mit einem Großteil seines liquiden Kapitals nach Westdeutschland ab.

Nach der Kapitulation Deutschlands meldete Ries Ansprüche als Vertriebener an. Unter der Regierung von Adenauer beantragte er Entschädigung für seine von der Roten Armee besetzten Produktionsstätten – die tatsächlich bewilligt wurde. Mit dem Geld gründete er die Pfälzischen Gummiwerke in der Pfalz sowie die Badischen Plastic-Werke (heute: Peguform) in Baden.

Aus den Pfälzischen Gummiwerken ging die Pegulan-Werke AG in Frankenthal hervor (heute: Tarkett). Ries war deren Mehrheitsaktionär und Vorstandsvorsitzender. Die Pfälzischen Gummiwerke waren besonders im Präservative-Markt sehr erfolgreich. Er war Ehrenvorsitzender des Verbands der Deutschen Bodenbelags-, Kunststoff-Folien- und Beschichtungsindustrie, Aufsichtsratsvorsitzender der Badischen Plastic-Werke in Bötzingen und Mitglied des Beirats der Commerzbank AG. Sein Corpsbruder Hanns Martin Schleyer war stellvertretender Vorsitzer des Aufsichtsrats der Pegulan-Werke AG.[2]

Ries förderte in den Jahrzehnten nach dem Krieg systematisch konservative Politiker. Dazu gehörten neben Kurt Biedenkopf auch der spätere Bundeskanzler Helmut Kohl sowie der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Franz Josef Strauß, dessen Ehefrau Marianne Strauß an den Pegulan-Werken beteiligt war. In Anerkennung seiner „unternehmerischen Leistung und seines Engagements für die Gesellschaft“ wurde Ries 1967 mit dem Großen Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. 1972 erhielt er den Stern dazu.

Fritz Ries errichtete im österreichischen Städtchen Hartberg Anfang der 1970er-Jahre ein Teppichbodenwerk der Pegulan-Werke (ab 1977 Durmont). Der damalige steirische Landeshauptmann bemühte sich, die damals wirtschaftlich schwache Steiermark zu stärken, und warb um Ries, der in der Folge das Schloss Pichlarn in der Nähe erwarb. Er baute es zu einem Luxushotel mit Golfplatz um. Der Spiegel-Artikel „Korruption. Besuch im Schloß“ im Oktober 1972 legte nahe, dass dort die Machtübernahme der CDU geplant wurde, im Zuge derer angeblich gezielt FDP- und SPD-Politiker zum Überlaufen bestochen werden sollten.[3] Die Affäre mit umstrittenen Persönlichkeiten wie Siegfried Zoglmann, befreundet mit CSU-Chef Franz Josef Strauß (der seinerseits mit Ries befreundet war), wurde trotz der Bemühungen von Günther Metzger und Hans Bardens nie restlos aufgeklärt, nicht zuletzt aufgrund der Zurückhaltung des damaligen CDU-Bundestagspräsidenten Kai-Uwe von Hassel.

Bernt Engelmann hat in zahlreichen Veröffentlichungen dazu beigetragen, die Öffentlichkeit über den Kreis um Ries, Strauß, Kohl und Schleyer zu informieren, erstmals 1974 mit dem Dokumentarroman Großes Bundesverdienstkreuz. Er schildert Karrieren der Nachkriegszeit, vor allem die Geschichte von Fritz Ries, der die Pegulan-Werke in Frankenthal gründete – mit Kautschuk, den er per Verwundetentransport von Polen in den Westen schaffte. Ries klagte gegen Engelmann, der jedoch keine der Aussagen des Romans widerrufen musste. Engelmann erhob im Gegenzug Klage gegen Ries, und zwar auf Feststellung der Richtigkeit all jener Punkte, auf die es ihm ankam. Von den am Ende zweiundvierzig strittigen Tatsachenbehauptungen sahen die Richter vierzig als voll erwiesen an. Lediglich bei zwei Behauptungen konnte der Wahrheitsbeweis nicht erbracht werden.[4] Dies betrifft zum einen die Schlussfolgerung, Fritz Ries habe tatsächlich die ihm zugedachte Tätigkeit als V-Mann der Gestapo ausgeführt, und zum anderen die Behauptung, ein Reichsbahnbeamter sei von Ries bestochen worden, um die Heimtransporte der Kriegsbeute von Ries zu organisieren. Bereits zu Prozessbeginn gab der Vorsitzende Richter zu erkennen, dass Ries wohl den Vorwurf hinnehmen müsse, er sei der Unternehmer gewesen, der im NS-Reich jüdische Betriebe arisiert habe, dem es gelungen sei, Vermögenswerte in den Westen zu bringen, und dem es gelungen sei, im Nachkriegsdeutschland abermals zum erfolgreichen Unternehmer aufzusteigen. Beachtung fand auch die Aussage von Ries, dass er sein damaliges Verhalten moralisch nicht für verwerflich halte.[5]

Vor der 10. Zivilkammer des Frankenthaler Landgerichts war nahezu gleichzeitig in einem Rechtfertigungsverfahren zu prüfen, ob die einstweilige Verfügung von Ries gegen die Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend zu Recht ergangen war. Ries habe über Helmut Kohl gesagt: „Auch wenn ich ihn nachts um drei anrufe, muß er springen.“ Dieses Zitat enthüllte ein Plakat der SDAJ . Nach Aussage von Ries’ Schwiegersohn Herbert Krall, der samt seiner Ehefrau, Ries’ Tochter Monika, bereit war, gegen Ries in den Zeugenstand zu treten, hatte Ries den CDU-Chef noch ganz anders bewertet: als „Hauspolitiker“ der eigenen Firma, als „Proleten, den man freilich nötig hat“.[6]

1977 kam die Firmengruppe Ries’ in wirtschaftliche Schwierigkeiten, in deren Folge sich Fritz Ries am 20. Juli 1977 in seinem Haus in Frankenthal erschoss.[7][8] Die Sanierung und erfolgreiche Weiterführung der Firmengruppe Pegulan erfolgte unter Dieter H. Vogel (später Thyssen und Aufsichtsratsvorsitzender der Bertelsmann AG) sowie Thomas Ries, dem Sohn des Gründers, der stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Pegulan AG wurde.

Ries war königlich marokkanischer Honorar-Konsul für die Länder Hessen und Pfalz. In Kirchberg gibt es eine „Dr.-Fritz-Ries-Straße“.[9] Die „Dr.-Fritz-Ries-Straße“ in Bötzingen hingegen, dem Sitz einer von Ries’ Firmen, wurde umbenannt. Engelmanns Roman Großes Bundesverdienstkreuz, für dessen Leistung der ehemalige Präsident des Oberlandesgerichts Stuttgart Richard Schmid den Autor selbst für das Bundesverdienstkreuz vorschlug,[10] erscheint immer noch unverändert. Er inspirierte Nico Hofmann zu seinem mehrfach ausgezeichneten Film Land der Väter, Land der Söhne (1988).[11]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Fritz Ries: Der preußische Staatsrat.
  2. Heinz-Klaus Mertes: Der Bund fürs Leben. In: Manager-Magazin. Nr. 6, 1975, S. 74–77.
  3. Besuch im Schloß. In: Der Spiegel. Nr. 43, 1972 (online).
  4. Bernt Engelmann: Großes Bundesverdienstkreuz. Steidl, Göttingen 2002, ISBN 3-88243-314-0.
  5. Rudolf Gerhardt: Der Engelmann-Prozeß. Streit um einen Tatsachenroman. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 23. Januar 1975.
  6. Hans-Joachim Noack: Die stummen Zeugen lagen in einer Kapelle bei Auschwitz. Der Einfluß des Unternehmers Fritz Ries und ein Prozeß um seine Vergangenheit. In: Frankfurter Rundschau, 21. Mai 1975.
  7. Friedrich Georg Jünger. In: Der Spiegel. Nr. 31, 1977, S. 152 (online).
  8. Lutz Hachmeister: Schleyer: eine deutsche Geschichte. C.H.Beck, 2004, S. 108
  9. Google Maps
  10. Richard Schmid: Mittlerer Blitz. In: Die Zeit, Nr. 39/1974.
  11. Interview mit Nico Hofmann in der Berliner Morgenpost, 7. November 2006.

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