- Germania Lausanne
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Die nach örtlichem Sprachgebrauch so firmierende "Société d’Étudiants" Germania Lausanne ist eine Studentenverbindung in Lausanne in der französischsprachigen Schweiz. Ihre Mitglieder werden Lausanner Germanen genannt. Der Wahlspruch lautet „Furchtlos, selbstlos, rastlos!“
Die farbentragende Verbindung gehört keinem Dachverband an und ist aufgrund der seit ihrer Gründung 1887 bestehenden Prinzipien – unpolitisch und konfessionell neutral und tolerant – am stärksten mit den Corps des Kösener Senioren-Convents-Verbands (KSCV) verwandt.[1] Aufgrund der rechtlichen Lage und der seit jeher geübten Praxis in der französischsprachigen Schweiz wird allerdings von keiner der dort ansässigen Verbindungen in Lausanne gefochten. Die Mitglieder setzen sich größtenteils aus Jurastudenten der Université de Lausanne zusammen. Heute zählen aber auch Studenten und ehemalige Studenten anderer Fachrichtungen, welche vornehmlich an der Universität Lausanne, der Technischen Universität École polytechnique fédérale de Lausanne und der Fachhochschule École hôtelière de Lausanne studieren oder studiert haben, zu ihren Mitgliedern.
Inhaltsverzeichnis
Wappen und Farben
Das Wappen der Verbindung besteht aus fünf Feldern und zeigt in deren Mitte den Zirkel. Heraldisch (vom Träger aus gesehen) im oberen rechten Feld zeigt sich der Reichsadler des Deutschen Kaiserreichs von 1871, womit die Mitglieder bei der Gründung der Verbindung im Jahre 1887 einen Bezug zu ihrer Heimat herstellten. Heraldisch oben links befindet sich das Wappen der Schweiz, womit der Besonderheit der Lage der Verbindung in der Schweiz Rechnung getragen wurde. Heraldisch unten rechts befinden sich zwei gekreuzte Schläger und das Gründungsdatum, der 7. Juni 1887, welche von einem Lorbeerkranz umringt werden. Die gekreuzten Schläger symbolisierten die damalige Satisfaktionsfähigkeit der Mitglieder (bis 1956). Unten links befinden sich die Farben der Verbindung Schwarz, Weiß und Rot, welche bei der Gründung die Farben des Deutschen Kaiserreichs von 1871 gewesen sind. Die Füchse tragen ein Band mit den Farben schwarz und rot. Die Mütze ist schwarz. Im Sommer wurde früher ein weißer Stürmer getragen.
Geschichte
Die Société d’Étudiants Germania Lausanne wurde am 7. Juni 1887 von Studenten unter Beteiligung des Professors für römisches Recht Heinrich Erman an der Universität Lausanne gegründet. Zu den Gründern gehörte unter anderem auch der Student und spätere Professor für Theololgie Georg Grützmacher. Als ältester Verbindung deutscher Tradition im Ausland, ist ihre Geschichte eng mit der Gründung und Entwicklung der Université de Lausanne verbunden. In Folge der Reichsgründung von 1871 und der zunehmenden Internationalisierung von Industrie und Handel erfreuten sich Auslandsaufenthalte auch bei deutschen Studenten zunehmender Beliebtheit. Es wurde üblich einige Studiensemester im Ausland an den dortigen Hochschulen zu verbringen, um dort die eigenen Fremdsprachkenntnisse im Englischen oder Französischen zu verbessern. Im englischsprachigen Raum waren die Colleges in Cambridge oder Oxford gefragt. Ein bevorzugtes Ziel im französischsprachigen Raum wurde die Universitätsstadt Lausanne. Die Stadt lag ausgesprochen reizvoll, außerdem bot die Juristische Fakultät am Sitz des schweizerischen Bundesgerichts viele Möglichkeiten.
Nachdem die vormalige "Académie de Lausanne" um zahlreiche Fachbereiche und Fakultäten erweitert wurde und schließlich 1890 Namen und Status einer Universität bekam, stieg die Zahl der Studierenden stetig an. Im 1895 gab es erstmals Feriensprachkurse für nicht-französischsprachige Studierende, welche von der philosophischen Fakultät (Faculté des lettres) angeboten wurden. Zudem hielt der Berliner Heinrich Erman, seit 1883 Professor in Lausanne, seit dem Wintersemester 1886/87 deutschsprachige Vorlesungen zum Römischen Recht und nachdem 1896 in Deutschland das BGB verabschiedet worden war, erstmals auch zum neuen deutschen Zivilrecht. Fortan konnten neben dem Studium des schweizer Rechts, das in Deutschland begonnene Jurastudium während des Sprachaufenthalts in Lausanne fortgesetzt werden. Aus diesen Vorlesungen entwickelte sich eine Tradition, die bis zum heutigen Tag anhält, und es wurde - nachdem kleine und große Scheine gleichermaßen angeboten wurden - möglich, das Jurastudium in Lausanne nicht nur fortzusetzen, sondern direkt dort zu beginnen.
Schließlich wurde im Sommersemester 1887 die Germania Lausanne zunächst nach der Art der ältesten in Lausanne bestehenden schweizerischen Verbindung „Belles-Lettres“ von einigen Studenten an der Universität zu Lausanne gegründet. Das Gründungsdatum ist der 7. Juni 1887. Damit ist sie die älteste deutsche Studentenverbindung im Ausland. Die Lausanner Germania verstand sich anfangs nicht als Verbindung im deutsch-akademischen Sinne, sondern als Studentengesellschaft der Art, wie die an der Université de Lausanne bestehenden wissenschaftlich geselligen Vereine. Seit der Gründung besteht das Toleranzprinzip und der rein gesellschaftliche und unpolitische Charakter der Germania. In den beiden Weltkriegen musste die Germania suspendieren. Die erste Suspension während des Ersten Weltkrieges dauerte von 1914 bis 1924. Dies erfolgte aus Mitgliedermangel, da viele Studenten zum Kriegsdienst eingezogen wurden. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Germania kurzzeitig in Hamburg und in Würzburg rekonstituiert. Im Jahre 1924 konnte sie in Lausanne wiederentstehen, was insbesondere von den schweizerischen Verbindungen lebhaft begrüßt wurde. Die zweite Suspension während und nach dem Zweiten Weltkrieg dauerte von 1937 bis 1956. In der Zeit des sog. "Dritten Reichs" war Anfangs die Devisenbewirtschaftung in Deutschland der entscheidende Grund, der es deutschen Studenten finanziell nahezu unmöglich machte im Ausland zu studieren. Auch wurde ein Auslandsstudium staatlicherseits mit Argwohn betrachtet, war Weltoffenheit doch nicht mit den Vorstellungen des Regimes zu vereinbaren. Auch einer der Widerständler im engeren Kreis des 20. Juli 1944, Kurt Freiherr von Plettenberg − er gehörte zum engeren Freundeskreis von Claus Schenk Graf von Stauffenberg, war Lausanner Germane. Schließlich beanspruchte der Staat die jungen Männer abermals für den Kriegsdienst. Gleichwohl kam die Vorlesungstätigkeit in deutschem Recht in Lausanne nie ganz zum Erliegen.
Nach der Wiedergründung 1956 bestand die Verbindung allerdings ohne weitere Suspensionen fort und es wurde der gemeinnützige "Verein ehemaliger Studenten an der Universität Lausanne e.V.", der sog. Förderverein ins Leben gerufen. Zu den Aktivitäten des Vereins gehört u.a. die Herausgabe der Festschrift "Gratiae Fructus" zu Ehren der Universität Lausanne (1997) und seit 2005 die jährliche Auslobung eines Preises für eine am Lehrstuhl für deutsches Recht angefertigte, herausragende Promotion. Seitens der Université de Lausanne wurde der Unterricht im deutschen bürgerlichen Recht auf benachbarte Rechtsgebiete bis zum deutschen Öffentlichen Recht ausgeweitet. Darüber hinaus erstreckt sich das Angebot der juristischen Fakultät heute auch auf die Rechtsvergleichung, das Internationale Privatrecht, als auch auf weitere Studiengänge, die vorwiegend in französischer Sprache, neuerdings zum Teil auch auf Englisch angeboten werden.
Herausragende Mitglieder
- Theodor v. Heppe (1870-1954), Chef der Krongutsverwaltung Berlin und Vizepräsident der Königlich Preußischen Oberrechnungskammer in Potsdam-Sanssouci
- Otto Junghann (1873-1964), Regierungspräsident von Köslin, Vizepräsident des Weltverbands der Völkerbundsgesellschaften, Gründungs- und Ehrenmitglied der Gesellschaft für die Vereinten Nationen
- Helmuth Listemann (1872-1924), deutscher Konsul in Buschehr in Persien.
- Arnold Mannesmann (1881-1914), Großindustrieller (Mannesmann AG), Ingenieur in Remscheid
- Freiherr Heinrich v. Minnigerode (1885 - 1950), Jurist und Rechtshistoriker, Universitätsprofessor für Germanistik in Marburg
- Gerhard Moltmann (1912-n.e.), deutscher Diplomat in Rio de Janeiro und London, Botschafter der Bundesrepublik in Kabul, Tunis und Algier
- Karl Heinz Neumayer (1920-2009), deutscher Rechtswissenschaftler, Universitätsprofessor in Lausanne, Fribourg und Würzburg
- Freiherr Hans Hartmann v. Ow-Wachendorf (1882-1966), deutscher Jurist, preußischer Legationsrat und Gesandter
- Georg Paetel (1871-1936), Inhaber des Gebrüder Paetel Verlags, Verleger der literarisch-wissenschaftlichen Zeitschrift "Deutsche Rundschau"
- Freiherr Kurt v. Plettenberg (1891-1945), Forstmann, Generalbevollmächtigter des vormaligen Preußischen Königshauses, Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus, er gehörte zum engeren Kreis der Widerständler vom 20. Juli 1944
- Freiherr Maximilian Raitz v. Frentz (1885-1967), Abgeordneter im Westfälischen Parlament, Senatspräsident am Oberverwaltungsgericht und am Verfassungsgerichtshof von Rheinland-Pfalz
- Friedrich Rau (1916-2001), Jurist und Politiker, Bundestagsabgeordneter
- Ernst Thomas Maria Reimbold (1907-1994), deutscher Bildhauer, Religionswissenschaftler und Symbolforscher
- Otto Riese (1894-1977), Senatspräsident des BGH, Richter am Europäischen Gerichtshof und Dekan der juristischen Fakultät der Université de Lausanne
- Hugo Ferdinand Simon, Oberstleutnant a.D., Generalkonsul in Chicago, Professor des Staatsrechts an der Northwestern University in Chicago-Evanston
- Kunemund v. Stutterheim (1886-1957), erster Landesrat der ehemaligen Provinz Schlesien und Vorsitzender des schlesischen Roten Kreuzes
- Joachim Tiburtius (1889-1967), deutscher Kulturpolitiker, Senator für Volksbildung Berlins, ordentlicher Professor für Volks- und Betriebswirtschaftslehre in Leipzig und Berlin
Literatur
- Erwin Garvens: Germania-Lausanne 1887–1937. Hamburg 1937
- Olivier Meuwly: Histoire des sociétés d'etudiants à Lausanne. Université de Lausanne, Lausanne 1987
- Gratiae Fructus, Festschrift zu Ehren der Universität Lausanne – 100 Jahre deutscher Rechtsunterricht an der Universität Lausanne – 100 Jahre Korporation Germania Lausanne. (enthält u.a. Beiträge ehemaliger Inhaber des Lausanner Lehrstuhls für deutsches Recht, Professoren Karl Heinz Neumayer, Ulrich Immenga und Fritz Sturm)
- Georg Theuerkauf (Hrsg.): Reimbold in memoriam, Gedenkschrift für Ernst Thomas Reimbold (1907–1994). Im Auftrag des Altherrenverbandes der Studentenverbindung Germania Lausanne, Regensburg 1995
Einzelnachweise
- ↑ Vgl.: Vorstand des Verbandes Alter Corpsstudenten e.V. (VAC) (Hrsg.): Handbuch des Kösener Corpsstudenten, Band II. 6. Auflage, Stamsried 1985 (dort wird die Germania Lausanne unter „mit dem KSCV verbunden (...) durch gegenseitige Mitgliedschaften“ geführt).
Siehe auch
Weblinks
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