- Mannesmann AG
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Die Mannesmann AG war ein deutsches Industrieunternehmen in Rechtsform einer Aktiengesellschaft mit Sitz in Düsseldorf; die AG gehörte bis zum Jahr 2000 dem DAX an.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Anfangszeit
Die Geschichte des Industriekonzerns Mannesmann geht zurück auf die Brüder Reinhard (1856–1922) und Max Mannesmann (1857–1915) aus Remscheid, die 1885 das erste Verfahren zur Herstellung nahtloser Stahlrohre durch Walzen erfanden – das Schrägwalzverfahren. Dazu experimentierten sie jahrelang in der von ihrem Vater, Reinhard Mannesmann sen. (1814–1894), geleiteten Feilenfabrik (Firma A.MANNESMANN, gegr. 1776 von Arnold Mannesmann, heute A.MANNESMANN Maschinenfabrik GmbH) in Remscheid-Bliedinghausen. Reinhard Mannesmann, der Vater, war von der Erfindung seiner Söhne überzeugt und gründete mit der Fa. Hardt & Co. eine Kommanditgesellschaft (1886), Komotau/Böhmen und verschiedenen Geldgebern und deren Erfindungen als Einlage in der Folge Werke zur Produktion nahtloser Stahlrohre in Bous (1887), Landore/Großbritannien (1887) und in Remscheid (1888). Diese Werke gerieten jedoch schnell in finanzielle Schwierigkeiten, u. a. weil das Verfahren technisch noch nicht für die industrielle Produktion ausgereift war. Der endgültige technische Durchbruch gelang den Brüdern Mannesmann erst 1890 mit der Erfindung des sog. Pilgerschrittverfahrens durch Max Mannesmann, mit dem die durch Schrägwalzen hergestellten nahtlosen, dickwandigen Hohlkörper industriell zum marktfähigen Rohr ausgewalzt wurden. Die Kombination beider Walzverfahren wurde als Mannesmann-Verfahren weltweit berühmt. Noch heute werden nach dem Mannesmann-Verfahren oder nach dem Schrägwalzverfahren in Kombination mit dem später entstandenen Stopfen- und Rohrkontiwalzen weltweit nahtlose Stahlrohre produziert.
Die u. a. durch die technischen Anfangsschwierigkeiten verursachten Finanzprobleme der so schnell gegründeten Mannesmannröhren-Werke erzwangen 1890 einen unternehmerischen Neuanfang. Am 16. Juli 1890 wurden die bestehenden Röhrenwerke – mit Ausnahme des britischen Werkes, das erst einige Jahre später eingegliedert wurde – in der Deutsch-Österreichische Mannesmannröhren-Werke AG mit Sitz in Berlin zusammengefasst. Dieses Datum gilt als Gründungsdatum des Mannesmann-Konzerns. 1893 verlegte das Unternehmen seine Verwaltung und später auch seinen Sitz nach Düsseldorf, damals das Zentrum der deutschen Stahlröhrenindustrie. Reinhard und Max Mannesmann schieden aus dem Unternehmensvorstand aus, wenige Jahre später auch aus dem Aufsichtsrat. Ebenfalls um die Jahrhundertwende nahm das Unternehmen die Produktion geschweißter Stahlrohre auf.
Viele Jahrzehnte lang wurde die Bezeichnung „Mannesmannrohr“ als Synonym für das nahtlose Stahlrohr benutzt. Es war den damals verbreiteten Guss- und Schweißrohren weit überlegen und eröffnete vielen Bereichen der Technik, vor allem dem Fahrzeug-, sowie dem Maschinen- und Anlagenbau, neue Möglichkeiten. Noch im Gründungsjahr des Unternehmens verlegte Siemens im Kaukasus mit Mannesmannröhren die weltweit erste moderne Öldruckleitung. Heute werden für Pipelines in der Regel geschweißte Großrohre verwendet. Es folgten weltweite Lieferungen, u. a. für Wasserversorgungsanlagen, Öl- und Gaspipelines, Leitungs- und Straßenbeleuchtungsmasten.
1908 benannte sich das Unternehmen in Mannesmannröhren-Werke AG um. Die Mannesmannröhren-Werke AG entwickelte sich in den folgenden Jahrzehnten zur Sicherung der Unabhängigkeit vom reinen Stahlverarbeiter zum vertikal strukturierten Eisen- und Stahlkonzern. Sie übernahm u. a. Erz- und Kohlezechen, und errichtete eigene Stahlproduktionen in Saarbrücken, Gelsenkirchen und Duisburg-Huckingen. Es folgten mit Maschinenfabriken (Produktion von Rohrwalzwerken) und Rohrleitungsbau auch erste Investitionen im Bereich der Weiterverarbeitung. Außerdem besaß der Konzern eine eigene weltweite Handelsorganisation mit Binnen-Reederei.
Nachkriegszeit
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Mannesmann-Konzern, wie alle großen deutschen Industriekonzerne, von den Alliierten „entflochten“, d. h. der Konzern wurde in drei selbstständige Unternehmen aufgeteilt: Mannesmann AG, Consolidation Bergbau AG und Stahlindustrie und Maschinenbau AG. Auf diese Weise sollte eine übermäßige wirtschaftliche Konzentration verhindert werden. Die Mannesmannröhren-Werke AG wurde liquidiert. Da die einzelnen Unternehmen allein wirtschaftlich jedoch nicht überlebensfähig waren, schlossen sie sich bis 1955 unter Führung der Mannesmann AG wieder zusammen.
Dreiecksgeschäft mit Ruhrkohle und Thyssen
1960 erwirtschaftete die Mannesmann AG mit ihren in- und ausländischen Tochtergesellschaften und weltweit rund 76.700 Beschäftigten einen Umsatz von 4,57 Milliarden DM. Sie war einer der bekanntesten deutschen Industriekonzerne. Ende der 1960er-Jahre leitete Mannesmann eine tiefgreifende Umstrukturierung ein. Der Steinkohlen-Bergbau wurde an die Ruhrkohle AG abgegeben und 1969/1970 kam es zu einer Arbeitsteilung mit Thyssen. Mannesmann gab, abgesehen vom eigenen Unternehmensbedarf, seine Stahlherstellung und Blechverarbeitung an Thyssen ab, Thyssen wiederum gab seine Rohrherstellung und Rohrverlegung an Mannesmann ab. Die Rohrproduktion wurde in der neu gegründeten Mannesmannröhren-Werke AG konzentriert, die damit einer der größten Röhrenproduzenten der Welt wurde. Thyssen wurde als Minderheitsaktionär an der Mannesmannröhren-Werke AG beteiligt. Die Aktivitäten der Rohrverlegung und des Rohrleitungsbaus wurden in der aus Mannesmann- und Thyssen-Rohrleitungsbau gebildeten Mannesmann Rohrbau AG zusammengefasst. Diese wurde später in die Mannesmann Anlagenbau AG umgewandelt.
Noch heute ist vielen Menschen das sog. Erdgas-Röhrengeschäft aus den 1970er-Jahren in Erinnerung, ein spektakuläres Dreiecksgeschäft, bei dem – vorfinanziert durch die Deutsche Bank – Großrohre von Mannesmann für den Pipelinebau in die Sowjetunion geliefert wurden und der Ruhrgas-Konzern im Gegenzug mit Gas aus der damaligen Sowjetunion beliefert wurde (Barter-Geschäft).
Neue Geschäftsfelder
Parallel investierte der Mannesmann-Konzern intensiv in neue Geschäftsfelder. Im Maschinen- und Anlagenbau wurden Rexroth, Demag, und Krauss-Maffei erworben, im Automobilzuliefererbereich Kienzle Apparate, Fichtel & Sachs, VDO und Boge. 1990, im einhundertsten Jahr seines Bestehens, präsentierte sich der Mannesmann-Konzern als breit diversifizierter Technologiekonzern.
Fahrradtechnik
Eine Zeit lang engagierte sich Mannesmann intensiv im Fahrradbereich mit dem Ziel, eine bedeutende Stellung im weltweiten Geschäft zu erreichen. Zu diesem Zweck wurden unter anderem die Hersteller Fichtel & Sachs, Kronprinz AG sowie HERCULES-Fahrrad erworben.
Telekommunikation
1990 stieg der Mannesmann-Konzern in ein weiteres neues Geschäftsfeld ein. Er erwarb die Lizenz zum Aufbau und Betrieb des ersten privaten Mobilfunknetzes D2 in Deutschland. Dieser Geschäftsbereich entwickelte sich überaus erfolgreich und dehnte sich in den Folgejahren auf ganz Europa aus. Mit seinen damals atemberaubenden Gewinnspannen dominierte er bald alle anderen Geschäftsbereiche. Der Mannesmann-Vorstand beschloss daher 1999, den Konzern auf den Geschäftsbereich Telekommunikation (Mobilfunk und Festnetz) zu konzentrieren und fasste die industriellen Aktivitäten, mit Ausnahme der Mannesmannröhren-Werke AG, in der Atecs Mannesmann AG zusammen, die an der Börse verselbstständigt werden sollte. Der Geschäftsbereich Mannesmann Anlagenbau AG war vorab bereits Anfang 1999 an die französische Technip verkauft worden.
Übernahme durch Vodafone
Bevor dieser Plan jedoch umgesetzt werden konnte, erwarb das britische Telekommunikationsunternehmen Vodafone im Rahmen einer spektakulären Übernahmeschlacht Anfang 2000 die Aktienmehrheit der Mannesmann AG. Der Mannesmann-Konzern verlor nach dem erfolgreichsten Geschäftsjahr seiner Unternehmensgeschichte (Geschäftsbericht 1999: Umsatz 23,27 Mrd. €, 130.860 Beschäftigte weltweit) seine Selbstständigkeit und wurde in der Folge aufgespalten. Die letzte Hauptversammlung unter der Firma Mannesmann AG fand am 22. August 2001 statt.
Zerschlagung
Die Aktivitäten im Bereich Telekommunikation wurden in die Vodafone Group eingegliedert. Die traditionellen Sparten des Mannesmann-Konzerns wurden durch Vodafone verkauft.
Der frühere Mannesmann-Vorstand hatte geplant, die Geschäftsbereiche Maschinen- und Anlagenbau sowie Automotive unter der Firmierung Atecs Mannesmann AG an die Börse zu bringen. Das neue Unternehmen wäre sofort eines der größten Unternehmen im DAX geworden. Statt dessen wurde die Atecs Mannesmann AG an ein Konsortium von Siemens und Bosch verkauft. Dieses Konsortium teilte die einzelnen Gesellschaften dann auf und gliederte sie jeweils zum Teil in die neuen Muttergesellschaften Siemens und Bosch ein.
Andere Gesellschaften wurden weiterverkauft, z. T. auch aufgespalten. Es ist heute für Außenstehende schwer, den Verbleib der einzelnen Unternehmen nachzuvollziehen.
Die Mannesmannröhren-Werke AG wurde von der Salzgitter AG erworben, die sie heute als Mannesmannröhren-Werke GmbH im Unternehmensbereich Röhren führt. Später verkaufte Salzgitter die Warmrohrsparte an die Vallourec-Gruppe, die heute als Vallourec & Mannesmann Tubes (V & M Tubes) firmiert.
Teile der Demag wurden bereits vor der Vodafone-Übernahme von der Schloemann-Siemag AG/SMS-Gruppe übernommen, die größeren Teile der Demag kamen zunächst zu Siemens.
Der Automobilzulieferer Mannesmann Sachs, hervorgegangen aus Fichtel & Sachs und Boge, wanderte zu ZF Friedrichshafen und firmiert heute als ZF Sachs.
Das ehemalige Zentrallager, die Mannesmannröhren Service GmbH, gehört heute zu Vallourec-Mannesmann Tubes, Hüttenwerke Krupp Mannesmann und der Induser-Gruppe und firmiert als Mannesmannröhren Logistic GmbH.
Übernahme durch Vodafone
Ende 1999 begann das britische Mobilfunkunternehmen Vodafone plc mit Bestrebungen zu einer feindlichen Übernahme von Mannesmann (der bis dahin größten in Deutschland). Nach einer monatelangen Übernahmeschlacht stimmte der Aufsichtsrat am 4. Februar 2000 dem Aufkauf zu. Die Minderheitsaktionäre wurden per Squeeze-Out zwangsweise abgefunden.
Die Umstände der Übernahme und die für deutsche Verhältnisse hohen Abfindungen an führende Köpfe des Unternehmens führten 2004 zur Eröffnung eines strafrechtlichen Verfahrens vor dem Landgericht Düsseldorf (sog. „Mannesmann-Prozess“). Die Angeklagten, darunter der zum Zeitpunkt der Übernahme amtierende Vorsitzende des Aufsichtsrats Josef Ackermann und der Vorstandsvorsitzende Klaus Esser wurden am 22. Juli 2004 vom Landgericht freigesprochen. Nach einem Revisionsverfahren hob der Bundesgerichtshof am 21. Dezember 2005 die Freisprüche wieder auf und verwies das Verfahren zur Neuverhandlung an das Landgericht zurück. Am 29. November 2006 wurde das Verfahren jedoch gegen Zahlung einer Geldauflage in Millionenhöhe eingestellt.
Nach der Übernahme verblieben lediglich die Festnetz- und Internetsparte um Arcor, der Mobilfunkbereich D2 sowie die europäischen Telekommunikationsbeteiligungen bei Vodafone. Der konkurrierende britische Mobilfunkanbieter Orange, dessen Kauf durch Mannesmann die Übernahme eigentlich verhindern sollte (Giftpille), wurde aufgrund von Auflagen der Wettbewerbsbehörden an die France Télécom verkauft.
Siehe auch: Persönlichkeiten
- Reinhard Mannesmann (Gründer, Vorstand 1890–1893)
- Hermann Winkhaus (Vorstand 1935–1962)
- Wilhelm Zangen (Vorstand 1952–1957), (Aufsichtsrat 1957–1969)
- Wolfgang Pohle (Vorstand 1954–1959)
- Dr. Egon Overbeck (Vorstandsvorsitz 1962–1983)
- Dr. Franz Josef Weisweiler (Vorstandsvorsitz 1983–1985)
- Dr. Werner H. Dieter (Vorstandsvorsitz 1985–1994)
- Joachim Funk (Vorstandsvorsitz 1994–1999), (Aufsichtsratsvorsitz 1999–2000)
- Klaus Esser (Vorstandsvorsitz 1999–2000)
Literatur
- Thomas Knipp: DER DEAL. Die Geschichte der größten Übernahme aller Zeiten. Murmann-Verlag, Hamburg 2007, ISBN 3-938017-88-0
Weblinks
- Mannesmann-Archiv
- Mannesmann heute
- Hüttenwerke Krupp Mannesmann GmbH, Duisburg-Huckingen
- Vallourec & Mannesmann Tubes
- Vallourec
- Fotodokumentation des Röhrenwerkes in Mülheim
- Fotos des Röhrenwerks Vallourec & Mannesmann Tubes in Düsseldorf-Rath von Harald Finster
- Reinhard-und-Max-Mannesmann-Gymnasium, Duisburg-Huckingen
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