Gianfranco Fini

Gianfranco Fini
Gianfranco Fini 2008

Gianfranco Fini (* 3. Januar 1952 in Bologna) ist ein italienischer Politiker und seit 2008 Präsident der italienischen Abgeordnetenkammer.

Von 2004 bis 2006 war er italienischer Außenminister und von 1995 bis 2008 Vorsitzender der Partei Alleanza Nazionale (AN), die 1995 aus der neofaschistischen Partei Movimento Sociale Italiano (MSI) hervorgegangen ist, und im März 2009 Teil der Partei Popolo della Libertà (PdL) wurde.

Inhaltsverzeichnis

Politische Karriere

Am 18. November 2004 wurde Fini von Ministerpräsident Berlusconi zum Außenminister ernannt. Er wurde Nachfolger des in die EU-Kommission berufenen Franco Frattini. Seine Ernennung war weitgehend erwartet worden und markierte Finis bisherigen Höhepunkt in seiner politischen Karriere. Fini war zuvor stellvertretender Regierungschef ohne eigenes Ressort gewesen. Der Posten krönte Finis Wandlung vom selbst ernannten Post-Faschisten zu einem respektierten, mehrheitsfähigen Politiker. Im Gegenzug soll Fini umstrittenen Steuersenkungen zugestimmt haben. Eine Änderung der italienischen Außenpolitik wurde von den Kommentatoren der Medien nicht erwartet. "Wir sind wieder wer!" war dabei die zentrale Botschaft Finis und Berlusconis an ihr eigenes Volk. Italien orientierte sich außenpolitisch stark an den USA. Im Irak stationierte Italien dementsprechend 3000 Soldaten.

Fini hat als Vertreter Italiens an der europäischen Verfassung mitgearbeitet und damit seinen Ruf als überzeugter Europäer gefestigt. Seine Idealvorstellung sei allerdings ein "Europa der Vaterländer" (siehe auch Charles de Gaulle). Fini brüskierte aber im letzten Jahr die EU, indem er ganz im Gegensatz zur offiziellen Außenpolitik der Gemeinschaft den israelischen Mauerbau als "legitimen Selbstverteidigungsakt" guthieß.

Seine politischen Gegner überraschte der wortgewandte und stets adrett gekleidete Fini immer wieder mal. Etwa als er im vergangenen Jahr das Wahlrecht für Immigranten forderte - ein Vorschlag, der sonst eher von Italiens linken Parteien unterstützt wird. Trotzdem leistete er sich "Ausrutscher" wie Aussagen über die "italienische" Küste Kroatiens (siehe auch Irredentismus).

Nicht vergessen ist seine neofaschistische Vergangenheit in Südtirol, wo man sich noch immer an seine Unterstützung der nationalistischen Kreise erinnert; so ist er beim letzten Gemeinderatswahlkampf in Bozen vor dem Siegesdenkmal aufgetreten.

Bei den Parlamentswahlen 2006 trat Fini landesweit als Spitzenkandidat seiner Partei an, die auch mit seinem Namen als Parteisymbol antritt. Fini hat dazu erklärt, dass er Ministerpräsident werden wolle, wenn er eine Stimme mehr erhalte als Silvio Berlusconi, der auch in allen Wahlkreisen als Spitzenkandidat antrat.

Obwohl Fini die gleichberechtigte Führung der durch die Fusion der AN mit der Forza Italia im März 2009 entstandenen Partei Popolo della Libertà beanspruchte, übernahm er mit Hinweis auf sein überparteiliches Amt des Präsidenten der italienischen Abgeordnetenkammer kein Parteiamt.

Als Ende 2009 das politische Ende des italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi möglich erschien, wurden Rufe nach Fini laut.

"Die Zeit" schrieb dazu: Vieles deutet darauf hin, dass Fini nicht weitere drei Jahre warten will, bis er die Macht in der Partei und im Land übernehmen kann. Er ahnt, dass es dann für ihn und sein Projekt zu spät sein könnte: den Abschied von dem ebenso antidemokratischen wie anachronistischen Führerkult und den Aufbau einer modernen, europäisch ausgerichteten, konservativen Partei.[1]

Im April 2010 lieferten sich Fini und Berlusconi einen vielbeachteten öffentlichen Schlagabtausch, in dem Fini Berlusconi einen autoritären Führungsstil vorgeworfen hatte und mit der Gründung eines eigenen Flügels in der PdL gedroht hatte.[2] Am 29. Juli 2010 beschloss der Parteivorstand der PdL eine Resulution, die aussagte, dass eine Zusammenarbeit mit Fini nicht mehr möglich sei.[3] Zudem forderte Berlusconi Fini zum Rücktritt vom Amt des Parlamentspräsidenten auf.[4] Als Reaktion gründeten Anhänger Finis am 30. Juli 2010 eine neue Fraktion mit dem Namen Futuro e Libertà. Per l’Italia (Zukunft und Freiheit für Italien) in der Abgeordnetenkammer und im Senat, die zwar in der Regierungskoalition bleiben will, aber keine Gesetze zum persönlichen Nutzen Berlusconis unterstützen will.[5][6]

Leben

Schon 1969, mit 17 Jahren trat Fini in die MSI ein, weil ihm, wie er häufig erzählte, die Kommunisten den Zutritt zum Kino verwehrt hätten. Gezeigt wurde "Green Berets", eine "Ode" auf den Vietnamkrieg. Fünf Jahre lang leitete er die Jugendorganisation der rechtsextremen MSI, die "Fronte della Gioventù", und schrieb gleichzeitig für das Parteiblatt "Il Secolo d'Italia". Er wurde zum Kronprinzen des Neofaschistenführers Giorgio Almirante, eines ehemaligen Gefolgsmannes von Benito Mussolini.

1987 trat Fini als Nachfolger Almirantes an die Spitze der MSI. Der "römische Gruß" mit hochgerecktem Arm verlor unter Fini an Bedeutung und er brachte seine Parteifreunde dazu, die Schwarzhemden im Schrank zu lassen. Es gelang ihm den neofaschistischen MSI, die jahrzehntelang am äußersten rechten Rand der italienischen Parteienlandschaft positioniert und international entsprechend isoliert war, in die konservative Rechtsbewegung Alleanza Nazionale (AN) umzuwandeln, die sich eigenen Angaben zufolge nun an den französischen Gaullisten orientiert. Antisemitismus und offene Faschismus-Nostalgie sind seitdem tabu, auch wenn sie an der Basis noch weit verbreitet sind. In den Reihen der Alleanza Nazionale, auch in ihren inneren Führungszirkeln, finden sich allerdings noch viele "Nostalgiker". In den von ihnen regierten Kommunen werden Straßen nach Größen des faschistischen Regimes benannt und es werden Tagungen finanziert, die dem Faschismus endlich "historische Gerechtigkeit" widerfahren lassen sollen. Zwischen Faschismus und Antifaschismus gäbe es noch eine dritte Option, "A-Faschismus" genannt. Das Ende der Isolation der Nationalen zeigte auch die Regierungsbeteiligung in der Regierung Berlusconi seit 2001, die weit weniger kritisiert wurde als die der rechtsnationalen FPÖ in Österreich, welche sogar Sanktionen der Europäischen Union nach sich zog.

Noch 1994 bezeichnete Fini Ex-Diktator Benito Mussolini als "größten Staatsmann des Jahrhunderts". Heute will Italiens ehemaliger Außenminister davon nichts mehr wissen: "Mussolini hat ein autoritäres Regime ermöglicht. Ich würde heute das, was ich damals gesagt habe, nicht mehr sagen. In der Tat habe ich es nicht mehr gesagt." Das neue Image: demokratisch, liberal-konservativ, national. Er nennt sich heute "Postfaschist und Demokrat" und bemühte sich um Öffnung zur Mitte. Die meisten Italiener finden laut Umfrageergebnissen Finis Wandel vom Neofaschisten zum demokratischen Rechtskonservativen glaubhaft, von Sozialdemokraten und Kommunisten wird er nach wie vor heftig kritisiert.

2003 nannte er den Faschismus anlässlich eines Besuchs in Israel, die "Verkörperung des absoluten Übels", besuchte die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem und klagte öffentlich über mangelnden Widerstand der Italiener gegen die „schändlichen Rassengesetze“. „Angesichts des Schreckens der Shoa, des Holocaust, fühlt man zutiefst die Verpflichtung die Erinnerung wach zu halten und alles dafür zu tun, um in Zukunft zu verhindern, dass auch nur einem einzigen Menschen das widerfährt, was der Nazismus dem gesamten jüdischen Volk angetan hat“, so Fini weiter. Der israelische Ministerpräsident Ariel Scharon nannte Fini einen „guten und freundlichen Anführer“.

Das ehemalige Konzentrationslager Auschwitz hatte der neue italienische Außenminister bereits 1999 besucht. Einigen Parteifreunden war das zu viel, etwa der Enkelin des „Duce“, Alessandra Mussolini, die Fini "einen Politiker ohne Herz und Seele" nannte. Alessandra Mussolini und viele weitere Mitglieder machten Fini den Vorwurf, mehr von Karriere-Ambitionen getrieben zu werden, als von Überzeugungen und verließen die Partei. Die von Mussolini begründete Alternativa Sociale ist inzwischen die Partei des „harten Kerns“ der ehemaligen MSI, mit Stimmenanteilen unter einem Prozent (z.B. bei der Europawahl 2004). Vor allem jüngere AN-Mitglieder begrüßten jedoch Finis öffentlich inszenierten Bruch mit der Vergangenheit.

Auch jetzt noch trägt das Parteiwappen der AN die faschistische Flamme der MSI. „Fini kann unsere Vergangenheit nicht auslöschen. Ich werde meine Identität nie verleugnen“, sagt Mirko Tremaglia. Der für die Auslandsitaliener zuständige Minister ist ein typischer Vertreter der „alten Garde“, die die AN noch immer als politische und kulturelle Erbin des Faschismus sieht. Viele der heutigen AN-Mitglieder waren selbst aktive Faschisten oder stammen aus faschistischen Familien. Tremaglia kämpfte als Freikorpsler für die Republik von Salò.

Bei den Parlamentswahlen 1994 erhielt die AN 13,5 Prozent der Stimmen, und wurde damit zur drittstärksten Partei in Italien, 1996 gar 15,7, was auch mit dem Vakuum auf der Rechten seit dem Zusammenbruch der traditionsreichen Democrazia Cristiana 1993 zu tun hat, das von Berlusconis Forza Italia nicht vollständig gefüllt werden konnte. Bei den vorletzten italienischen Parlamentswahlen am 13. Mai 2001 erhielt die AN 12 Prozent der Stimmen. Bei den letzten italienischen Parlamentswahlen am 10. April 2006 erhielt die AN 12,3 Prozent der Stimmen. Vor 1992 hatten die Postfaschisten stets etwa fünf bis sieben Prozent der Stimmen erhalten, seither etablieren sie sich mit 12% als „dritte Kraft“ neben der Democratici di Sinistra, der Forza Italia und vor der zentristischen Margherita.

Nach dem deutlichen Wahlsieg von Berlusconis neuem Parteienbündnis Popolo della Libertà bei den Parlamentswahlen 2008 wurde Gianfranco Fini auf der konstituierenden Sitzung der italienischen Abgeordnetenkammer am 30. April 2008 im vierten Wahlgang mit den Stimmen der neuen Mehrheit (335 von 611 Stimmen) zu deren Präsidenten gewählt.[7]

Auszeichnungen

Einzelnachweise

  1. zeit.de vom 10. Dezember 2009.
  2. sueddeutsche.de vom 23. April 2010: "Politische Strömungen sind Metastasen".
  3. Die Welt vom 30. Juli 2010: Streit in Berlusconis Regierung eskaliert
  4. Berlusconi bricht mit Fini, Tagesschau (ARD). 30. Juli 2010. Abgerufen am 31. Juli 2010. 
  5. Corriere della Sera vom 30. Juli 2010: Fini: non mi dimetto, premier illiberale
  6. La Repubblica vom 30. Juli 2010: Fini: Berlusconi illiberale, non lascio
  7. Camera, Fini eletto presidente. «La XVI sia la legislatura costituente» Corriere della Sera, 30. April 2008
  8. [1] Corriere della sera 21 novembre 2005

Literatur

  • Roland Höhne - Der Sieg der Demokratie. Die Transformation der neofaschistischen italienischen Sozialbewegung MSI in die rechtsnationale Alleanza Nazionale, in: Backes, Uwe / Jesse, Eckhard (Hg.): Jahrbuch Extremismus & Demokratie, 19. Jg., Baden-Baden 2008, S. 89-114
  • Stefano Fella - From Fiuggi to the Farnesina: Gianfranco Fini’s Remarkable Journey, in: Journal of Contemporary European Studies 14 (2006), Nr. 1, S. 11-23

Weblinks


Vorgänger Amt Nachfolger
Franco Frattini Italienischer Außenminister
2004–2006
Massimo D'Alema

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