- Gingo biloba
-
Gingo biloba (auch: Ginkgo biloba) ist ein Gedicht über das zweigeteilte (lateinisch: biloba) Blatt eines Ginkgo-Baumes, das Johann Wolfgang von Goethe im September 1815 schrieb und 1819 in seiner Sammlung West-östlicher Diwan veröffentlichte.
Die Schreibung „Gingo“ wählte Goethe in der Erstfassung bewusst, um dem Titel den harten Konsonanten „k“ auszusparen.
Inhaltsverzeichnis
Entstehung
Das Gedicht ist Goethes später Liebe, Marianne von Willemer, gewidmet und stellt das Ginkgoblatt aufgrund seiner Form als Sinnbild der Freundschaft dar. Die Erstfassung des Gedichts ist datiert auf den 15. September 1815, als Goethe während eines fünfwöchigen Aufenthaltes in Frankfurt und dort auch mehrmals mit Marianne von Willemer am Mainufer verabredet war; eine Woche lang sogar wohnte Goethe im Roten Männchen, der Willmerschen Stadtwohnung, die übrige Zeit in der Gerbermühle.
Es ist überliefert, dass Goethe die Blätter des Ginkgo betrachtete und über deren Form sinnierte. Eines der Blätter sandte er als Ausdruck seiner Zuneigung an Marianne von Willemer, der dritten Ehefrau seines Frankfurter Freundes, des Bankiers Johann Jakob von Willemer, die mehr als zwanzig Jahre jünger war als er selbst. Der mit Goethe befreundete Kunstsammler und Schriftsteller Sulpiz Boisserée erwähnt in einer Tagebucheintragung vom 15. September 1815 – er reiste am 18. September von der Gerbermühle aus mit Goethe nach Heidelberg – zur Entstehungsgeschichte des Gedichtes „Gin(k)go biloba“:
„Heitrer Abend. G. hatte der Wilemer ein Blatt der Ginkho (sic) biloba als Sinnbild der Freundschaft geschikt aus der Stadt. Man weiß nicht ob es eins das sich in 2 theilt, oder zwey die sich in eins verbinden. So war der Inhalt des Verses.“
Inhalt
Die Erstfassung des Gedichts lautet:
Gingo Biloba
Dieses Baums Blatt, der von Osten
Meinem Garten anvertraut,
Giebt geheimen Sinn zu kosten,
Wie's den Wissenden erbaut,
Ist es Ein lebendig Wesen,
Das sich in sich selbst getrennt?
Sind es zwei, die sich erlesen,
Daß man sie als Eines kennt?
Solche Frage zu erwidern,
Fand ich wohl den rechten Sinn,
Fühlst du nicht an meinen Liedern,
Daß ich Eins und doppelt bin?Die Überschrift und die erste Zeile deuten an, dass dieses Gedicht ein Naturblatt des Ginkgos sei, das dem „Buch Suleika“ des West-östlichen Divan beigelegt sei. Die ursprüngliche Fassung als kalligraphische Handschrift auf einem einzelnen Blatt Papier mit dem Datum 15. September 1815 verstärkt diese Vorstellung. In der Druckfassung geht dieser Einzelblattcharakter jedoch verloren.
Rezeption
Goethes Gedicht war lange Zeit nur bekannt aus einem Brief, den er am 27. September 1815 von Heidelberg aus an Rosine Städel nach Frankfurt am Main schickte. Von daher lag die Vermutung nahe, das Gingkoblatt stamme aus Heidelberg. Der Sinologe Günther Debon lokalisierte das Ginkgo-Gedicht Goethes auf der Stückterrasse des Heidelberger Schlosses. Der betreffende Ginkgo, dessen Blatt Goethe als Symbol der Freundschaft an Marianne von Willemer sandte, stand unmittelbar gegenüber der Goethegedenktafel und wurde 1795 gepflanzt. Noch 1928 hieß es, dass der Ginkgobaum im Heidelberger Schlossgarten wohl „noch derselbe ist, dem Goethe die Anregung zu seinem schönen Gedicht verdankte“. Wahrscheinlich stand der Baum sogar noch im Jahr 1936, heute existiert er nicht mehr. Allerdings liegt der Goethe-Forschung seit 1965 die Reinschrift des Gedichtes vor. Der Brief mit dem Gedicht, dem Goethe zwei Ginkgo-Blätter beilegte, ist heute im Goethe-Museum Düsseldorf zu sehen. Datum und Tagebucheinträge von Boisserée und Goethe belegen Frankfurt am Main als Ort der Abfassung, wobei unsicher bleibt, ob das Gingkoblatt aus dem Garten des Apothekers Salzwedel, aus den Gärten von Karl Andreae-Bansa, Schaumainkai 27, oder Peter Anton Brentano, Rödelheim, stammt.[1] In allen drei Gärten, die Goethe kannte und besuchte, sind Gingkos in jenem Alter belegt, das vom Blatt rückgeschlossen werden kann.
Einzelnachweise
- ↑ Hein/Andernacht: Garten, S. 308f.
Literatur
- Bernd Witte (Hg.): „Gedichte von Johann Wolfgang Goethe“ (Interpretationen). Stuttgart: Philipp Reclam jun., 1995. ISBN 3-15-017504-6
- Wolfgang-Hagen Hein/Dietrich Andernacht: Der Garten des Apothekers Peter Saltzwedel und Goethes Ginkgo biloba. In: Annaliese Ohm/Horst Reber: Festschrift für Peter Wilhelm Meister zum 65. Geburtstag am 16. Mai 1974. Hamburg 1975, S. 303-311.
Weblinks
Werke von Johann Wolfgang von GoetheRomane und Novellen
Die Leiden des jungen Werthers | Wilhelm Meisters theatralische Sendung | Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten | Wilhelm Meisters Lehrjahre | Novelle | Die Wahlverwandtschaften | Wilhelm Meisters WanderjahreDramen
Die Laune des Verliebten | Die Mitschuldigen | Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand | Ein Fastnachtsspiel vom Pater Brey | Jahrmarktsfest zu Plundersweilern | Götter, Helden und Wieland | Claudine von Villa Bella | Clavigo | Urfaust | Egmont | Erwin und Elmire | Die Geschwister | Der Triumph der Empfindsamkeit | Iphigenie auf Tauris | Torquato Tasso | Der Groß-Cophta | Der Bürgergeneral | Was wir bringen | Stella | Die natürliche Tochter | Faust I | Pandora | Faust IIGedichte, Lieder und Balladen
Mailied | Willkommen und Abschied | Mahomets Gesang | Prometheus | Geistesgruß | Der König in Thule | Der Fischer | An den Mond | Der Erlkönig | Wandrers Nachtlied | Römische Elegien | Venezianische Epigramme | Der Zauberlehrling | Xenien | Legende vom Hufeisen | Die erste Walpurgisnacht | Der Totentanz | Bei Betrachtung von Schillers Schädel | Marienbader Elegie | West-östlicher Divan | Gingo bilobaVersepen
Reineke Fuchs | Hermann und DorotheaÜbertragungen
Das Leben des Benvenuto Cellini | MahometÄsthetische Schriften
Über Kunst und AltertumNaturwissenschaftliche Schriften
Über den Zwischenkiefer der Menschen und der Tiere | Beiträge zur Optik | Zur FarbenlehreLibrettofragment
Der Zauberflöte zweyter TheilAutobiographische Prosa
Italienische Reise | Kampagne in Frankreich | Aus meinem Leben. Dichtung und WahrheitSonstiges
Die guten Weiber | Nähe des Geliebten | Über den Granit | Maximen und Reflexionen
Wikimedia Foundation.
Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:
Gingo biloba — (later: Ginkgo biloba) is a poem written by the German poet Johann Wolfgang von Goethe.The poem was published in his work West östlichen Divan, first published in 1819. In his work he changed Ginkgo into Gingo for literary reasons.Goethe sent… … Wikipedia
Gingo Biloba — geteiltes Ginkgo Blatt Gingo biloba (auch: Ginkgo biloba) ist ein Gedicht über das geteilte (lateinisch: biloba) Blatt eines Ginkgo Baumes, das Johann Wolfgang von Goethe im September 1815 schrieb und 1819 in seiner Sammlung West östlicher Diwan… … Deutsch Wikipedia
Ginkgo biloba — This article is about the tree. For the Goethe poem, see Gingo biloba. Ginkgo biloba Temporal range: 49.5–0 Ma … Wikipedia
Gingko biloba — Ginkgo Älterer Ginkgobaum (Ginkgo biloba) Systematik Unterreich: Gefäßpflanzen (Tracheobionta) … Deutsch Wikipedia
Ginkgo biloba — Ginkgo Älterer Ginkgobaum (Ginkgo biloba) Systematik Unterreich: Gefäßpflanzen (Tracheobionta) … Deutsch Wikipedia
Ginkgo biloba Linne — Ginkgo Älterer Ginkgobaum (Ginkgo biloba) Systematik Unterreich: Gefäßpflanzen (Tracheobionta) … Deutsch Wikipedia
Goethe — Johann Wolfgang von Goethe, Ölgemälde von Joseph Karl Stieler, 1828 (es handelt sich, wie der Dichter selbst anmerkte, um eine idealisierende Darstellung)[1] … Deutsch Wikipedia
Johann Wolfgang Goethe — Johann Wolfgang von Goethe, Ölgemälde von Joseph Karl Stieler, 1828 (es handelt sich, wie der Dichter selbst anmerkte, um eine idealisierende Darstellung)[1] … Deutsch Wikipedia
Mehr Licht — Johann Wolfgang von Goethe, Ölgemälde von Joseph Karl Stieler, 1828 (es handelt sich, wie der Dichter selbst anmerkte, um eine idealisierende Darstellung)[1] … Deutsch Wikipedia
Mehr Licht! — Johann Wolfgang von Goethe, Ölgemälde von Joseph Karl Stieler, 1828 (es handelt sich, wie der Dichter selbst anmerkte, um eine idealisierende Darstellung)[1] … Deutsch Wikipedia