- Gnotschaft
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Gnotschaft ist die ausschließlich im Kernland der ehemaligen Fürstpropstei Berchtesgaden, dem südlichen Teil des heutigen Landkreises Berchtesgadener Land, verbreitete Bezeichnung für einen Ortsteil. Sie geht auf Ende des 14. Jahrhunderts im „Berchtesgadener Land“ entstandene bäuerliche Zusammenschlüsse zurück. Nach Übernahme ihrer Kernaufgaben durch die Gemeindeverwaltungen werden seit Mitte des 20. Jahrhunderts keine Gnotschafter mehr gewählt und die Bezeichnung Gnotschaft steht nur noch für eine Ortsteilbezeichnung.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
→ Siehe zu diesen Absätzen auch den Abschnitt: Geschichte in Fürstpropstei Berchtesgaden
Mit dem 1377 ausgestellten „Landbrief“ des Propstes Ulrich Wulp begann das Klosterstift Berchtesgaden – wegen seiner hohen Schulden notgedrungen – den leibeigenen Bauern deren Höfe als Lehen mit eingeschränkten Eigentumsrechten zu überlassen. Die Bauern schlossen sich daraufhin in Gnotschaften (vermutlich für: Genossenschaften) zusammen, was damals zumindest dem Begriff nach bereits auf etwas „mildere Untertansverhältnisse“ deutete.[1] Die Gnotschaften suchten nach und nach auch Grundsätze der Selbsthilfe zu verwirklichen, wie es sich im nachbarschaftlichen Zusammenstehen bei Hochzeiten und Beerdigungen, der gemeinsamen Brauchtums- und Festtagspflege sowie bei Zusammenkünften nach Art der „Heimgartenbesuche“ zeigte.[2] Ob jedoch die Gnotschaften in freien genossenschaftlichen Zusammenschlüssen der jeweils benachbarten Einödhöfe oder in einem „Organisationsakt der Landesherrschaft“ begründet waren, ist nicht mehr nachweisbar.[3]
Bereits in dem ersten Steuerbuch des Berchtesgadener Landes von 1456 werden die acht „Urgnotschaften“ Au, Salzberg, Bischofswiesen, Ettenberg, Gern, Ramsau, Scheffau und Schönau sowie als deren Unterabteilungen „Gnotschaftsbezirke“ und die sie betreuenden „Gnotschafter“ (Schreibweise lt. Feulner auch: Gnotschäfter) aufgeführt. Diese acht Gnotschaften im „Land Berchtesgaden“ gruppierten sich um die Hauptorte des Berchtesgadener Kernlandes, dem zentralen Markt Berchtesgaden und dem Markt Schellenberg, und hatten bis zur Säkularisation im Jahre 1803 Bestand. Die Anzahl ihrer „Gnotschafterbezirke“ variierte im Laufe der Jahrhunderte und betrug zuletzt 32.[4][5]
Die Gnotschafter wurden von den Bauern ohne Mitwirkung der Landesherren in der Regel alljährlich neu gewählt, in der Gnotschaft Gern laut einer Liste von 1802 alle zwei Jahre. Ihr wissenschaftlich bislang kaum untersuchtes Aufgabenfeld lag unter anderem in der Mitwirkung bei der Besprechung von Wege- und Brückenbaumaßnahmen, Bachregulierungen, Nutzung der Gemeindewälder, aber auch beim Abfassen der Steuerrollen für das Landgericht und in der Weiterleitung regierungsamtlicher Anordnungen. Ab dem 17. Jahrhundert hatten sie zudem als „Armenpfleger“ bedürftige Personen zu unterstützen. Über die Jahrhunderte hinweg waren nichtsdestotrotz auch die „Gnotschafter“ als deren Leibeigene zuallererst der Regentschaft des Stifts verpflichtet gewesen.[5] Dieter Albrecht vermutet, dass zwischen Landschaftausschuss und Gnotschaftern ein Zusammenhang bestand und die Ausbildung der Gnotschaften zumindest „das genossenschaftlich-kooperative Bewusstsein der Bauernschaft befördert“ hat.[3]
1803 wurde die Fürstpropstei Berchtesgaden aufgelöst und das Berchtesgadener Land verlor damit seine politische Eigenständigkeit. Nach drei kurz hintereinander folgenden Herrschaftswechseln wurden 1810 dessen Gebiet und seine Gnotschaften dem Königreich Bayern angegliedert.[4]
Gnotschaften nach 1817
In den Gemeindeverzeichnissen ab 1817 sind die acht „Urgnotschaften“ nunmehr als „Gemeinden“, die einstigen 32 „Gnotschafterbezirke“ – nach Splittung der zwei bisherigen Bezirke in Ramsau und Umverteilung von vier Schellenberger Ortsteilen – als deren nunmehr 38 „Gnotschaften“ aufgeführt.[4][5] Hinzu kommen noch der Markt Berchtesgaden mit seinem Landgericht als Hauptort sowie das „Marktgericht“ Schellenberg Markt, das nur noch den Marktkern selbst behielt und seine „Bürgerlehen“ außerhalb als neue Gnotschaften Götschen, Schaden, Schneefelden, Unterstein 1818 an die neu gebildete Gemeinde Schellenberg Land abtrat.[6]
Von „Urgnotschaften“ und Gnotschafterbezirken zu Gemeinden und Gnotschaften „Urgnotschaften“ bis 1803
Gemeinden ab 1817Gnotschafterbezirke bis 1803 Gnotschaften ab 1817 Au 1. Gnotschafterbezirk Unterau 2. Gnotschafterbezirk Oberau 3. Gnotschafterbezirk Resten Bischofswiesen 1. Gnotschafterbezirk Loipl 2. Gnotschafterbezirk Stanggaß 3. Gnotschafterbezirk Strub 4. Gnotschafterbezirk Bischofswiesen 5. Gnotschafterbezirk Winkl 6. Gnotschafterbezirk Engedey Ettenberg 1. Gnotschafterbezirk Vorderettenberg 2. Gnotschafterbezirk Hinterettenberg vorm. Schellenberg Markt Schneefelden
(ab 1818 in neuer Gemeinde
Schellenberg Land)vorm. Schellenberg Markt Schaden
(ab 1818 in neuer Gemeinde
Schellenberg Land)Gern 1. Gnotschafterbezirk Vordergern 2. Gnotschafterbezirk Obergern 3. Gnotschafterbezirk Hintergern Ramsau 1. Gnotschafterbezirk Au Schwarzeck 2. Gnotschafterbezirk Antenbichl Taubensee
ab 1824 inkl. Weiler RamsauSalzberg 1. Gnotschafterbezirk Anzenbach
(von 1817–1818 bei Gern)2. Gnotschafterbezirk Metzenleiten
(von 1817–1818 bei Gern)3. Gnotschafterbezirk Untersalzberg I 4. Gnotschafterbezirk Untersalzberg II 5. Gnotschafterbezirk Obersalzberg 6. Gnotschafterbezirk Mitterbach Scheffau 1. Gnotschafterbezirk Oberstein 2. Gnotschafterbezirk Neusieden vorm. Schellenberg Markt Götschen
(ab 1818 in neuer Gemeinde
Schellenberg Land)vorm. Schellenberg Markt Unterstein
(ab 1818 in neuer Gemeinde
Schellenberg Land)Schönau 1. Gnotschafterbezirk Königssee
(ab 1817 eigenständige Gemeinde
inkl. 2 weitere Gnotschaften s.u.)2. Gnotschafterbezirk Oberschönau I 3. Gnotschafterbezirk Hinterschönau 4. Gnotschafterbezirk Königssee: Schwöb 5. Gnotschafterbezirk Unterschönau II 6. Gnotschafterbezirk Oberschönau II 7. Gnotschafterbezirk Unterschönau I 8. Gnotschafterbezirk Königssee: Faselsberg Gnotschaften als Ortsteile heute
Nach der Gebietsreform in Bayern von 1971 bis 1980 sind die vormals acht Urgnotschaften bzw. Gemeinden in den fünf Gemeinden Berchtesgaden, Bischofswiesen, Marktschellenberg, Ramsau bei Berchtesgaden und Schönau am Königssee aufgegangen. Die Gnotschafter verrichteten ihre Gemeindedienste bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts. Die einstigen „Gnotschafterbezirke“ dienen jetzt nur noch als kleinteilige Ortsteilbezeichnung der fünf Gemeinden, werden aber von den Einheimischen noch immer als „Gnotschaften“ bezeichnet.[4][5]
Im Amtlichen Ortsverzeichnis für Bayern wurden zuletzt 38 Gnotschaften aufgeführt, die sich auf die Gemeinden Berchtesgaden (12), Bischofswiesen (6), Marktschellenberg (8), Ramsau bei Berchtesgaden (4) und Schönau am Königssee (8) verteilen. Sechs Ortsteile von vier dieser Gemeinden, darunter auch die beiden historischen Hauptorte, werden nicht als Gnotschaft bezeichnet.
Berchtesgaden
In die Gemeinde Berchtesgaden wurden im Rahmen der Gebietsreform in Bayern von 1971 bis 1980 die zuvor selbstständigen Gemeinden Au, Gern und Salzberg eingemeindet.
Ortsteile und Gnotschaften der Marktgemeinde Berchtesgaden Gemarkungen Ortsteile Art Anmerkungen Markt Berchtesgaden Markt Berchtesgaden Hauptort vormals fürstliche Residenz des Klosterstifts Berchtesgaden Au Unterau Gnotschaft Eigenständige Gemeinde bis 1972 Oberau Gnotschaft Resten Gnotschaft Maria Gern Hintergern Gnotschaft Eigenständige Gemeinde bis 1972, bis 1953 Ortsname: Gern Obergern Gnotschaft Vordergern Gnotschaft Salzberg Anzenbach Gnotschaft Eigenständige Gemeinde bis 1972 Metzenleiten Gnotschaft Mitterbach Gnotschaft Obersalzberg Gnotschaft Untersalzberg I Gnotschaft Untersalzberg II Gnotschaft Am Etzerschlößl Neuere Siedlung benannt nach dem von Fürstpropst Jakob Pütrich 1574 erbauten,
1960 abgerissenen „Lustschloss“ Etzerschlößl am Fuße der Gnotschaft GernBischofswiesen
In der Gemeinde Bischofswiesen entsprechen alle Ortsteile den einstigen Gnotschaften der „Urgnotschaft“ Bischofswiesen.
Marktschellenberg
1911 erfolgte eine Umbenennung: Aus Schellenberg Markt wurde Marktschellenberg; aus Schellenberg Land wurde Landschellenberg. Am 1. März 1911 wurde Ettenberg in die Gemeinde Landschellenberg eingemeindet. Am 1. Oktober 1969 wurden Marktschellenberg, Landschellenberg und Scheffau zur neuen Gemeinde Marktschellenberg zusammengeschlossen.
Ortsteile und Gnotschaften der Gemeinde Marktschellenberg Gemarkungen Ortsteile Art Anmerkungen Marktschellenberg Marktschellenberg Hauptort der neuen Gemeinde mit „Bürgerhäusern“
vormals Sitz der „Hallinger“ der Fürstpropstei BerchtesgadenLandschellenberg Ettenberg
(Hinter- u. Vorderettenberg)Gnotschaft Eigenständige Gemeinde bis 1969 Götschen Gnotschaft Schaden Gnotschaft Schneefelden Gnotschaft Unterstein Gnotschaft Scheffau Neusieden Gnotschaft Eigenständige Gemeinde bis 1969 Oberstein Gnotschaft Scheffau ehem. Hauptort Mehlweg Neuere Siedlung Ramsau bei Berchtesgaden
Die Ortsteile der Gemeinde Ramsau bei Berchtesgaden entsprechen nahezu unverändert den einstigen Gnotschaften der „Urgnotschaft“ Ramsau.
Ortsteile / Gnotschaften der Gemeinde Ramsau bei Berchtesgaden Ortsteile Art Anmerkungen Antenbichl Gnotschaft Au Gnotschaft Schwarzeck Gnotschaft Taubensee Gnotschaft Hierzu gehört auch der einstige Weiler Ramsau Hintersee Neuere Siedlung am gleichnamigen See Schönau am Königssee
Die Gemeinden Schönau und Königssee wurden 1978 im Rahmen der Gebietsreform in Bayern zusammengelegt zur Gemeinde Schönau am Königssee.
Ortsteile und Gnotschaften der Gemeinde Schönau am Königssee Gemarkungen Ortsteile Art Anmerkungen St. Bartholomä Einöde vormals fürstliche Besitzung
und spätere Exklave der Gemeinde KönigsseeKönigssee Königssee Gnotschaft Eigenständige Gemeinde bis 1978 Faselsberg Gnotschaft Schwöb Gnotschaft Schönau Hinterschönau Gnotschaft Eigenständige Gemeinde bis 1978 Oberschönau Gnotschaft Unterschönau Gnotschaft Einzelnachweise
- ↑ Joseph Ernst von Koch-Sternfeld: Geschichte des Fürstenthums Berchtesgaden und seiner Salzwerke. Band 2, ab S. 28 f.
- ↑ gemeinde.bischofswiesen.de Festschrift zu „850 JAHRE Bischofswiesen 1155-2005“, PDF-Datei S. 8 f. (Prospektseite 12 f.) und S. 24 (Prospektseite 45)
- ↑ a b Dieter Albrecht: Die Fürstpropstei Berchtesgaden in Max Spindler, Andreas Kraus (hrsg.): Handbuch der bayerischen Geschichte. Seite 293
- ↑ a b c d Joseph Ernst von Koch-Sternfeld: Geschichte des Fürstenthums Berchtesgaden und seiner Salzwerke. Band 2, ab S. 145 f.
- ↑ a b c d Manfred Feulner: Maria Gern – Gnotschaft und Gemeinde im Auftrag der Blaskapelle Maria Gern. Literatur und Quellen: berchtesgadeninfo.de, Marktarchiv Berchtesgaden, Abt. Maria Gern.
- ↑ Historischer Atlas von Bayern - Vergriffene Bände; Band: Altbayern Reihe I Heft 7: Fürstpropstei Berchtesgaden. S. 34 f., geschichte.digitale-sammlungen.de
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