- Gottfried von Cramm
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Gottfried Freiherr von Cramm, auch genannt der Tennis-Baron (* 7. Juli 1909 in Nettlingen im Landkreis Hildesheim, nahe Hannover; † 9. November 1976 bei Kairo, Ägypten), war ein deutscher Tennisspieler, der dem südost-niedersächsischen Adelsgeschlecht derer von Cramm entstammte. Er spielte 101 mal für Deutschland im Davis Cup und konnte dabei 82 Spiele im Einzel und Doppel gewinnen. In den 1930er Jahren war er trotz kritischer Haltung zum Nationalsozialismus ein außerordentlich populärer Sportler.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Jugend
Gottfried von Cramm kam als drittältester Sohn von Burghard von Cramm und Ehefrau Jutta, geborene von Steinberg, im Schloss Nettlingen auf die Welt. Er hatte sechs Brüder und wuchs auf dem elterlichen Schloss und Rittergut in Brüggen auf. Er erhielt Privatunterricht auf dem Schloss und legte das Abitur ab. Schon früh war der Berufswunsch des Tennisspielers vorhanden.
Sportliche Laufbahn
Von Cramm begann mit dem Tennisspiel im Alter von elf Jahren. Der Verlust der rechten Zeigefingerkuppe durch einen Pferdebiss beeinträchtigte ihn dabei nicht. Mit 15 Jahren nahm er an der Deutschen Juniorenmeisterschaft teil, bei der er im Einzel bereits in der ersten Runde ausschied, im Doppel jedoch deutscher Juniorenmeister wurde. Nach dem Abitur im Jahr 1928 zog er nach Berlin, um zur Vorbereitung auf die von ihm angestrebte Diplomatenlaufbahn Jura zu studieren. Beim Tennis im Spitzenclub Rot-Weiß wurde sein Talent erkannt; schon 1929 war er die Nummer 10 der deutschen Rangliste und begann bei internationalen Turnieren auf sich aufmerksam zu machen. 1931 gewann er seinen ersten internationalen Titel in Athen. Aufgrund seiner Turniererfolge brach er 21-jährig mit Einverständnis seiner Eltern sein Studium ab, um sich ganz dem Tennis zu widmen. In der Folge verbesserte er sich kontinuierlich und wurde zu einem Weltspitzenspieler. 1934 gewann er die Internationalen Meisterschaften von Paris und war nach Fred Perry aus England und Jack Crawford aus Australien die Nummer 3 der Weltrangliste. Im Jahr 1935 erreichte er das Finale von Wimbledon, unterlag aber Perry im Endspiel.
Von Cramm rückte nun auf Position 2 der Weltrangliste vor, die er bis 1937 innehatte. In dieser Zeit war er neben Max Schmeling der populärste Sportler Deutschlands.
1937 stand von Cramm erneut im Finale von Wimbledon, wo er jedoch dem Amerikaner Donald Budge unterlag. Im selben Jahr ging er im Auftrag des Deutschen Tennis-Bundes mit anderen Spitzenspielern per Schiff auf eine 200-tägige Weltreise und spielte Turniere in den USA, Japan, Indonesien und Australien. 1938 kehrten die Sportler nach Deutschland zurück. Der geplante Empfang in Berlin durch den Reichssportführer wurde jedoch abgesagt. Einen Tag nach der Ankunft wurde von Cramm verhaftet, wegen Verstoßes gegen den § 175 angeklagt und zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Nach seiner Haftentlassung verweigerten die Verantwortlichen in Wimbledon ihm als Vorbestraften die Teilnahme am Turnier von 1939, dem letzten vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. Kurz zuvor hatte er beim Vorbereitungsturnier im Queens Club in London im Finale den späteren Wimbledonsieger Bobby Riggs mit 6:0 und 6:1 besiegt.
Nach dem Krieg setzte er seine Tennislaufbahn fort und wurde 1947 und 1948 zum ersten Sportler des Jahres in Deutschland gewählt. Als fast Zweiundvierzigjähriger nahm er 1951 noch einmal (erfolglos) am Wimbledon-Turnier teil. Sein letztes Davis-Cup-Match bestritt er im Jahr 1953.[1]
Zeit des Nationalsozialismus
Seine erste Ehe mit Baroness Elisabeth „Lisa“ von Dobeneck (1912–1975) hielt nur von 1930 bis zur Scheidung 1937. Zu dieser Zeit hatte er in Ägypten eine kurze Romanze mit der Woolworth-Erbin Barbara Hutton. Am 5. März 1938 wurde er von der Gestapo inhaftiert und zu einem Jahr Freiheitsstrafe verurteilt. In der Urteilsbegründung vom 14. Mai 1938 heißt es, er habe gegen den § 175 des Reichsstrafgesetzbuches verstoßen, indem er eine homosexuelle Beziehung zu dem jüdischen Schauspieler Manasse Herbst unterhalten habe. Außerdem habe er ihm durch finanzielle Unterstützung die Flucht aus Deutschland ermöglicht. Es ist aber durchaus möglich, dass die Nazis mit dieser Verurteilung in erster Linie gegen eine politisch unliebsame Person vorgehen wollten. Von Cramm stand nicht hinter dem Regime und weigerte sich der NSDAP beizutreten. Auch während seiner Tennis-Weltreise 1937/38 vertrat er nicht in gewünschter Weise den nationalsozialistischen Sport und erweckte beim Regime den Eindruck politischer Unzuverlässigkeit. Trotz seiner möglichen Homo- oder Bisexualität ist es eher unwahrscheinlich, dass ein derart populärer Sportler vom nationalsozialistischen Regime ausschließlich wegen dieses Vorwurfs inhaftiert worden wäre. Andere homosexuelle Prominente, die sich mit dem Regime arrangiert hatten, wie Gustav Gründgens, wurden nicht strafrechtlich verfolgt. Von Cramm wurde in das Strafgefangenenlager Rollwald verbracht. Nach einem halben Jahr Haft wurde er wegen guter Führung auf Bewährung vorzeitig entlassen.
Wie alle wegen § 175 Verurteilten blieb er auch nach dem Ende des nationalsozialistischen Regimes vorbestraft. Erst am 17. Mai 2002 wurden durch den Deutschen Bundestag alle in der Zeit vor 1945 wegen dieses Paragraphen verhängten Urteile für nichtig erklärt und Gottfried von Cramm damit posthum rehabilitiert.[2]
1940 wurde von Cramm zur Wehrmacht einberufen und an die Ostfront geschickt. Als Vorbestraftem blieb ihm die Offizierslaufbahn verschlossen. Nach schweren Erfrierungen an beiden Beinen erhielt er 1942 zunächst Heimaturlaub und wurde dann als unzuverlässiges „Element“ aus der Wehrmacht entlassen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg
Das Kriegsende im Mai 1945 und die erste Nachkriegszeit erlebte Gottfried von Cramm bei seiner Familie in Bodenburg. Seine internationale Bekanntheit sorgte bei den Besatzungsmächten für Vertrauen und ermöglichte ihm den Wiederaufbau des deutschen Tennis. Am 9. April 1946 war er der erste deutsche Sportler, der von der britischen Besatzung die Genehmigung zu einer Auslandsreise erhielt.[3] Im Jahr 1948 war er einer der Mitbegründer des Deutschen Tennis Bundes (DTB), 1950 sorgte sein Engagement maßgeblich dafür, dass der DTB wieder in den Internationalen Tennisverband (ITF) aufgenommen wurde.[4] Im Jahr 1948 wurde er Besitzer des Rittergutes Wispenstein bei Alfeld, wo er seinen Wohnsitz nahm. Die von Cramms hatten ihren Besitz an die sieben Söhne aufgeteilt, weil sie Besitzverlust durch eine Bodenreform befürchteten. Das Gut ließ von Cramm verwalten und verbrachte wegen seiner sportlichen Karriere dort nur wenig Zeit.
1951 gründete von Cramm in Hamburg eine Importfirma für ägyptische Baumwolle. Im selben Jahr begegnete er Barbara Hutton in Deutschland wieder und machte sie 1955 als fünfter Ehemann zur Freifrau von Cramm. Die Ehepartner waren jedoch aus geschäftlichen Gründen viel getrennt unterwegs, und die Ehe scheiterte schon zwei Jahre später, wurde aber erst 1960 geschieden.
Gottfried von Cramm starb 1976 während einer Geschäftsreise bei einem Autounfall in der Nähe von Kairo. Nach ihm ist ein Weg in Berlin benannt, an dem die Tennisanlage des Vereins LTTC Rot-Weiß Berlin liegt, dem von Cramm angehörte. Sein Grab befindet sich bei der Familienkapelle derer von Cramm in Oelber am weißen Wege nahe dem Schloss Oelber. Posthum wurde er 1977 als erster Deutscher in die International Tennis Hall of Fame aufgenommen.
Fair Play
Als populärster Tennisspieler seiner Zeit war von Cramm ein großer Vertreter von Fair Play. Die Presse bezeichnete ihn als würdevollen Verlierer und als elegantesten sowie anmutigsten Spieler aller Zeiten.
Nach seiner Finalniederlage bei den US-amerikanischen Meisterschaften in Forest Hills 1937 lobte ihn der siegreiche Donald Budge: „Er spielte schönes, einfach beneidenswert schönes Tennis, das war ihm wichtiger als der Sieg!“
Größte Erfolge
Von Cramm war dreimal unterlegener Finalist im Herreneinzel in Wimbledon (1935, 1936, 1937), gewann aber 1933 mit Hilde Krahwinkel das Mixed. Zweimal gewann er die French Open (1934, 1936). Sechs Mal gewann er das Turnier am Hamburger Rothenbaum (1932, 1933, 1934, 1935, 1948, 1949).
Die US Open konnte er 1937 im Doppel gewinnen (zusammen mit Henner Henkel).
Literatur
- Egon Steinkamp: Gottfried von Cramm. Der Tennisbaron. Eine Biographie. Mit Dokumenten. Herbig, München u. a. 1990, ISBN 3-7766-1631-8.
- Marshall Jon Fisher: Ich spiele um mein Leben. Gottfried von Cramm und das beste Tennis-Match aller Zeiten. Osburg-Verlag, Berlin 2009, ISBN 978-3-940731-31-9.
- Dirk Böttcher. In: Klaus Mlynek, Waldemar R. Röhrbein (Hrsg.): Stadtlexikon Hannover. Von den Anfängen bis in die Gegenwart. Schlütersche, Hannover 2009, ISBN 978-3-89993-662-9, S. 119.
Weblinks
- ITF-Profil von Gottfried von Cramm (englisch)
- Davis-Cup-Statistik von Gottfried von Cramm (englisch)
- Literatur von und über Gottfried von Cramm im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Gottfried von Cramm in der „International Tennis Hall of Fame“ (englisch; mit Bild)
- Ralf Klee: „Spiel, Knast und kein Sieg“, in: einestages – Zeitgeschichten auf Spiegel-Online, 3. Juli 2009
Einzelnachweise
- ↑ Kurzbiografie von Gottfried von Cramm: aus Sicht von Roland Kernchen, einem Bürger der Heimatstadt von Cramms, Wispenstein
- ↑ BT-Drs. 14/8276
- ↑ „Rückblick – Das war los im Sport…“, Sport-Bild vom 9. April 1997, S. 46
- ↑ Deutscher Tennis Bund 2009
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