Grips-Theater

Grips-Theater
Das Grips-Theater am Hansaplatz

Das Grips-Theater (Eigenschreibweise GRIPS Theater) ist ein Kinder- und Jugendtheater am Hansaplatz im Berliner Ortsteil Hansaviertel des Bezirks Mitte.

Inhaltsverzeichnis

Entstehungsgeschichte des Grips-Theaters

1966 entstand das Theater für Kinder im Reichskabarett in Berlin. Das Reichskabarett war damals eine bekannte und erfolgreiche links gerichtete Kabarettgruppe. Einer der Autoren der Reichskabarett-Gruppe war Volker Ludwig. Im Sommer 1966 begann man damit, an den Wochenenden Theater für Kinder stattfinden zu lassen. Es begann damit, dass man das Märchen Der Teufel mit den drei goldenen Haaren kabarettistisch aufbereitete.

Nach und nach entwickelte man weitere für Kinder aufbereitete Stücke und immer mehr Aufführungen für Kinder fanden statt. Die Idee war, nicht einfach nur Märchen auf die Bühne zu bringen (das war zu der damaligen Zeit Standard-Programm beim Theater für Kinder), sondern Stücke aufzuführen, die eigens für Kinder geschrieben worden waren und den direkten Bezug der aktuellen Welt der Kinder mit in das Geschehen einbezog. Die Märchenvorlagen boten dies nur wenig bis gar nicht an. Man wollte phantasievolle Stücke aufführen, die sich an der Lebenssituation der Kinder im Hier und Jetzt orientierte.

1968 schrieben Volker Ludwig und sein Bruder, der Karikaturist Rainer Hachfeld, das erste Kinderstück. Das vom Publikum viel beachtete Stück hieß Die Reise nach Pitschepatsch.

1969 einigte man sich darauf, Theater für Kinder mehr gesellschaftskritisch aufzubereiten. Daraus entstand das erste sozialkritische Kinderstück Stokkerlok und Millipilli, ebenfalls von Volker Ludwig und Rainer Hachfeld. Dies war das erste Kinderstück des Ur-Grips-Theaters. Stokkerlok und Millipilli war ein großer Erfolg. Es wurde auf vielen Bühnen Deutschlands nachinszeniert und auch im Ausland aufgeführt. 1969 erhielt das Stück den Brüder-Grimm-Preis des Landes Berlin.

Das damals noch recht neue Konzept des modernen Kindertheaters mit sozialkritischem Hintergrund wurde nicht von allen positiv aufgefasst. In den Anfängen musste sich das Theater großer Kritik stellen. So wurde oft darauf verwiesen, dass die Kinder in den Stücken des Reichskabarett-Theaters für Kinder frech und respektlos gegenüber Erwachsenen waren. Doch die Emanzipation der Kinder und auch das Hinweisen auf ihre Rechte war konzeptionell so beabsichtigt. Besonders im konservativen Lager stieß dies nicht immer auf Gegenliebe.

Das Ensemble des Kindertheaters befragte oft sein Publikum (also die Kinder und Jugendlichen), um herauszufinden, was sie momentan beschäftigt. Die Rolle der Geschlechter (beispielsweise die typische Berufswahl der Mädchen: Hausfrau) in der Gesellschaft war ein großer Themenbereich. Dies griff die Truppe in den 1970er Jahren verstärkt auf. So entstanden Stücke, die sich stark mit den Problemen der Geschlechterrollen beschäftigten.

Abspaltungen

1971 spalteten sich einige Schauspieler des Kindertheaters ab. Sie wollten ein Aufklärungsstück für Kinder erarbeiten. Die erste Aufführung wurde zum öffentlichen Eklat. Die Schauspieler nannten sexuelle Tabu-Wörter und versuchten einen recht hemmungslosen Umgang mit Sexualität aufzuzeigen. Die Truppe machte sich selbstständig. So entstand das Berliner Kindertheater Rote Grütze und ihr Theaterstück Darüber spricht man nicht. Und vor 30 Jahren das Erfolgsstück zur Aufklärung Jugendlicher: Was heißt hier Liebe? Die Geschichte von Paul und Paula.

Der Name GRIPS wird erfunden

1972 zog das Kindertheater in das Forum-Theater am Kurfürstendamm um. Da man nun nicht mehr in den Räumen des Reichskabaretts spielte, stand auch eine Namensänderung an. Ende Mai 1972 entschied man sich für den Namen GRIPS, der Spaß am Denken symbolisieren sollte. Der Grafiker Jürgen Spohn schuf das Logo dazu: ein schwarzes Gesicht mit dicker Nase, das aus einem Karton hervorlugt, auf dem das Wort GRIPS steht.

Umzug an den Hansaplatz

1974 stand ein weiterer Umzug an. Man zog an den Hansaplatz, das Zentrum des südlichen Hansaviertels, einer Mustersiedlung der Nachkriegsmoderne. Das Gebäude war 1957 nach Plänen von Ernst Zinsser und Hansrudi Plarre im Rahmen der Internationalen BauausstellungInterbau“ errichtet worden; vor dem Kindertheater beherbergte es das Kino „Bellevue“. Am 30. September 1974 wurde das neue Haus eröffnet.

Die Räumlichkeiten wurden nach eigenen Vorstellungen umgebaut. Die Bühne wurde von den Zuschauerbänken umrahmt; es entstand eine Art Arena. Die Schauspieler waren somit mitten unter den Zuschauern. Es ist möglich, die Zuschauer an allen vier Seiten der Bühne zu platzieren; jedoch wird normalerweise eine Seite für die Hintergrundkulisse genutzt und die Zuschauer sind an drei Seiten platziert. Die Bühne ist nicht erhöht. Die Schauspieler und die Zuschauer in der ersten Reihe befinden sich somit auf einer Ebene. Das Haus kann um die 360 bis 400 Zuschauer aufnehmen. Den Eingang schmückt ein Mosaik mit einer Karikatur von Rainer Hachfeld.

Da das neue Gebäude räumlich mit der U-Bahn-Station Hansaplatz integriert ist, ist es Schulklassen und anderen Besuchern problemlos möglich, das Theater aufzusuchen.

Erste Theaterstücke für Jugendliche

Man konzentrierte sich in der Vergangenheit eher auf Stücke für Kinder. Doch auch die Probleme der Jugendlichen sollte Teil des Konzeptes werden. So entstand im Jahre 1975 das erste Theaterstück für Jugendliche mit dem Namen Das hältste ja im Kopf nicht aus.

Konflikte

Mit diesem Stück begann eine öffentliche politische Diskussion über das Grips-Theater. So sprach die damalige Berliner CDU (damals Opposition) über das Grips-Theater als kommunistischen Kinderverderber. Auch in den Zeitungen des Springer-Verlages wurde das Theater damals stark angegriffen. Durch diese öffentlichen Diskussionen gab es einen interessanten Nebeneffekt für das Grips-Theater – es war in aller Munde. Das Grips-Theater wurde sehr bekannt. Das Publikum bescherte dem Haus fast allabendlich ausverkaufte Vorführungen.

Im Jahre 1981 wurde das Thema Hausbesetzer im Jugendstück: Alles Plastik angeschnitten. Doch schon das reine Anschneiden dieses Themas reichte, um die Wogen der öffentlichen Diskussion (besonders im konservativen Lager) wieder aufsteigen zu lassen.

Stücke für Erwachsene

1980 gab es dann ein Stück für Erwachsene: Eine linke Geschichte ist ein kabarettistisch angelegtes Stück, in dem die Geschichte von drei Studenten nachgezeichnet wird, die geprägt wurde von der Studentenbewegung und dem „Deutschen Herbst“. Entsprechend der zeitgeschichtlichen Entwicklung wurde das Stück kontinuierlich fortgeschrieben und thematisierte so auch nachfolgende Ereignisse wie beispielsweise die deutsche Wiedervereinigung. Seit Herbst 2007 steht allerdings wieder die Urfassung von 1980 auf dem Spielplan.[1]

Linie 1

Hauptartikel: Linie 1

1985 schrieb Volker Ludwig die musikalische Revue Linie 1. Die Musik schrieben sein langjähriger Freund und musikalischer Kopf des Grips-Theaters Birger Heymann, sowie die Band No Ticket (Kranz, Keller, Kottman, Brandt, Wester, Witting). Die Premiere fand am 30. April 1986 statt. Es wurde der größte Erfolg des Grips-Theaters.

Das Stück handelt von einer jungen Frau, die in Berlin ihren Freund sucht. Dabei fährt sie mit der Linie U1 der Berliner U-Bahn und trifft dort auf die verschiedensten Charaktere. Dies wird noch dadurch verschärft, dass die U1 damals den Spitznamen ‚Orient Express‘ trug, da sie am U-Bahnhof Schlesisches Tor endet, der mitten im damals noch von türkischen Einwanderern dominierten Ortsteil Kreuzberg liegt. Somit enthält Linie 1 – wie üblich für Grips-Stücke – auch sozialkritische Elemente. Allgemein stellt es aber ein höchst amüsantes Porträt der Berliner Gesellschaft zur Mauerzeit dar.

Der Erfolg war riesig. Um an Karten zu kommen, standen die Menschen Schlange. Jedoch hatte der Erfolg auch seine Schattenseiten: Wegen der technisch recht aufwendigen und teuren Show konnte man mit dem Reinerlös der Kartenverkäufe die Kosten nicht mehr decken. Nachdem Volker Ludwig in einer Talkshow erwähnte, dass das Haus schließen müsse, wenn von politischer Seite keine Unterstützung käme, erhöhten die Behörden die Grundsubvention.

Das Stück wurde anfangs von allen großen Bühnen Deutschlands unbeachtet gelassen. Erst als das Stuttgarter Staatsschauspiel das Stück aufführte und damit einen großen Erfolg erzielte, zogen andere Bühnen nach. Bundesweit bekannt wurde Linie 1 dadurch, dass mehrere Lieder in der Satire-Sendung Scheibenwischer aufgeführt wurden. Später wurde es auch sehr erfolgreich in anderen Ländern aufgeführt.

Linie 1 war das meistgespielte deutsche Theaterstück seiner Zeit. Nach der Dreigroschenoper von Bertolt Brecht ist es das erfolgreichste deutsche Musical. Volker Ludwig erhielt als Autor 1987 den Mülheimer Dramatikerpreis, die bedeutendste Auszeichnung für deutschsprachige Autoren.

Grips heute

Neben dem großen Theater am Hansaplatz besitzt das Haus seit 1992 noch eine sogenannte ‚Studio- und Probenbühne‘. Bis 2009 wurden kleinere Inszenierungen noch in der Schillertheater-Werkstatt an der Bismarckstraße aufgeführt, doch seit 2009 befindet sich die zweite Spielstätte als „GRIPS MITTE im Podwil“ in der Klosterstraße. Pro Jahr veröffentlicht das Grips-Theater meist vier neue Stücke. Es gibt etwa 300 Vorstellungen im Jahr.

Schauspieler

Das Grips-Theater hat auch bekannte Fernsehdarsteller hervorgebracht. So waren beispielsweise Dieter Landuris, Petra Zieser, Heinz Hoenig und Axel Prahl Schauspieler im Ensemble des Grips-Theaters. Auch Julia Blankenburg, Nadine Warmuth und Mathias Schlung gehörten zum Ensemble des Grips-Theaters.

Musiker

Axel Kottmann, George Kranz und Matthias Witting, die zwischen 1978 und 1986 zum Ensemble stießen, bildeten von 1980 bis 1983 die Band Zeitgeist. Kranz ist darüber hinaus als Solomusiker erfolgreich. Weiterhin sind in der festen Grips-Band seit 1986, dem Start von Linie 1, Thomas Keller am Saxophon und Michael Brandt an der Gitarre zu hören. All diese Musiker haben die Musik von Linie 1 mitkomponiert und arrangiert.

Literatur

  • Gerhard Fischer: Das Grips-Theater und die Macht. In Birgit Haas (Hrsg): Macht: Performativität, Performanz und Polittheater seit 1990. Königshausen & Neumann 2005, ISBN 3826030400, S.183-196
  • Gerhard Fischer: GRIPS. Geschichte eines populären Theaters (1966–2000). Iudicum Verlag 2002, ISBN 978-3-89129-741-4
  • Nackter Mann. In: Der Spiegel. Nr. 15, 1972, S. 60 (online).

Film

Weblinks

Einzelnachweise

  1. repertoire
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