Gustav Ritter von Kahr

Gustav Ritter von Kahr
Gustav von Kahr (vorn links) mit Erich Ludendorff (Mitte) im Jahr 1921

Gustav Ritter von Kahr (* 29. November 1862 in Weißenburg in Bayern; † 30. Juni 1934 in Dachau) war vom 16. März 1920 bis 11. September 1921 parteiloser bayerischer Ministerpräsident und am Scheitern des Hitlerputsches beteiligt.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Er war der Sohn des Präsidenten des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs Gustav von Kahr und dessen Frau Emilie, geborene Rüttel. 1877 bis 1882 besuchte er das Maxgymnasium in München. Kahr studierte 1882 bis 1888 Jura in München und war dabei Mitglied in der Studentenverbindung Akademischer Gesangverein München. Er arbeitete 1888 bis 1902 als Verwaltungsjurist in München und Kaufbeuren. 1890 heiratete er Ella Schübeck. Ab 1902 war er im Bayerischen Innenministerium beschäftigt, wo er für Volkskunst und Denkmalschutz zuständig war. 1911 erhielt er für seine Verdienste um die Pflege der Volkskunst den Verdienstorden der Bayerischen Krone, womit er in den bayerischen persönlichen Ritterstand erhoben wurde.

1917 wurde er Regierungspräsident von Oberbayern. Nach dem Kapp-Putsch wurde der protestantische Monarchist am 16. März 1920 zum Nachfolger des Ministerpräsidenten Johannes Hoffmann gewählt. Kahr stand einer bürgerlichen Rechtsregierung vor und betrieb eine eigenständige Stellung Bayerns innerhalb des Deutschen Reich. Gestützt auf seine Einwohnerwehr ließ er die Arbeiter- und Soldatenräte auflösen und begründete den Ruf Bayerns als „Ordnungszelle“. Nach dem Erlass der Republikschutz-Verordnung im Anschluss an die Ermordung Matthias Erzbergers durch republikfeindliche Extremisten trat er am 12. September 1921 aus Protest zurück, da er die Auflösung der Einwohnerwehr nicht verhindern konnte. Er kehrte auf seinen früheren Posten eines Regierungspräsidenten von Oberbayern zurück.

Kahr wurde aus Protest gegen den von der Reichsregierung abgebrochenen Ruhrkampf am 25. September 1923 von der bayerischen Staatsregierung nach Artikel 48 Weimarer Verfassung zum Generalstaatskommissar mit diktatorischen Vollmachten ernannt. Am 26. September verhängte er den Ausnahmezustand in Bayern. Die in Bayern stationierten Einheiten der Reichswehr unterstellte er seinem Kommando. Außerdem verbot er das Erscheinen der einzigen sozialistischen Zeitung Bayerns, der Münchener Post.[1].

Als Kahr am 8. November 1923 im Münchner Bürgerbräukeller vor rund 3.000 Zuhörern eine Rede hielt, wurde die Versammlung von Adolf Hitler, General Erich Ludendorff, Hermann Göring und weiteren Nationalsozialisten gestürmt. Hitler rief die „nationale Revolution“ aus und bat Kahr, General Otto Hermann von Lossow und Polizeioberst Hans Ritter von Seißer zu einer Besprechung in ein Hinterzimmer. Dort überzeugte er Kahr und die anderen, sich einer nationalen Erhebung anzuschließen. In den Saal zurückgekehrt, forderten diese die Anwesenden auf, Hitlers Staatsstreich zu unterstützen, der für den nächsten Tag geplant war. Angesichts ihres gegebenen Ehrenwortes, nichts gegen Hitlers Plan zu unternehmen, sah Ludendorff von einer Inhaftierung Kahrs, Lossows und Seißers ab. Die beiden letzteren leiteten im Anschluss sogleich Gegenmaßnahmen ein, um den Staatsstreich niederzuschlagen. Nach einigen Stunden des inneren Ringens wandte sich auch Kahr gegen Hitler und gab um 2.55 Uhr früh eine Rundfunkerklärung über alle Stationen ab, in der er unter anderem die Auflösung der NSDAP verkündete sowie der Bünde Oberland und Reichskriegsflagge.

Am darauffolgenden Tag, dem 9. November 1923, eskalierte der Hitler-Ludendorff-Putsch, als sich bei einem Handgemenge am Ende der Residenzstraße auf der Höhe der Feldherrnhalle ein Schuss löste (ob von einem Putschisten oder von einem Landespolizisten abgefeuert, konnte nie geklärt werden). Im sich entspinnenden Schusswechsel kamen 16 Putschisten, vier Polizisten und ein Unbeteiligter ums Leben. Für diese Tode machte Hitler zeitlebens Kahr verantwortlich, und sie sind im Zusammenhang mit dessen späterer Ermordung zu sehen.

Am 17. Februar 1924 trat Ritter von Kahr vom Posten des Generalstaatskommissars zurück und wurde Präsident des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes, ein Amt, das er bis 1927 behielt.

Am 30. Juni 1934 wurde er im Rahmen des so genannten Röhm-Putsches von einem NS-Kommando in seiner Wohnung in München festgenommen, auf dem Weg ins Konzentrationslager von zwei SS-Männern schwer misshandelt und dann auf Befehl des Kommandanten des Konzentrationslagers Dachau, Theodor Eicke, im Arrestraum der Kommandantur erschossen.[2][3] Am 7. Juli 1934 schrieb der NS-Chefideologe Alfred Rosenberg in sein Tagebuch, dass die „Verräter des 9. XI. [19]23“ nach Dachau gebracht worden seien, so dass sie nun „ehrlicher Arbeit nachgehen“ könnten.[4] Und: „So wurde der 9. XI. [19]23 doch noch gesühnt u.[nd] Kahr hat sein längst verdientes Los ereilt.“[4] Ob Theodor Eicke mit oder ohne Befehl von Hitler Kahr ermordete, konnte nie geklärt werden.

Auszeichnungen

Gustav Ritter von Kahr war Träger des Verdienstordens der Bayerischen Krone. Dieser Orden, wie der Militär-Max-Joseph-Orden, war mit dem persönlichen, nicht vererbbaren Adel verbunden, und als Ordensritter erhielt Kahr den Zusatz „Ritter von“.

Einzelnachweise

  1. The Times, 31. Oktober 1923
  2. Otto Gritschneder: Der Führer hat Sie zum Tode verurteilt … München 1993, S. 136. ISBN 3-406-37651-7
  3. Johannes Tuchel: Konzentrationslager. Boppard am Rhein 1991, S. 179. ISBN 3-7646-1902-3
  4. a b Hans-Günther Seraphim (Hrsg.): Das politische Tagebuch Alfred Rosenbergs. 1934/35 und 1939/40. Dokumentation. München 1964, S. 47. (Der Herausgeber war der Bruder von Peter-Heinz Seraphim.)

Weblinks

Siehe auch


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