- Harry Domela
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Harry Domela (lettisch Harijs Domela; * 1904/05 in Grusche bei Riga, Lettland; † nach 1977) war ein deutschbaltischer Hochstapler, Autor und Spanienkämpfer.
Biographie
Harry Domela wird in dem Dörfchen Grusche in Livland (Lettland) als Deutschbalte geboren und verlebte seine Kindheit in Bauske. 1919 wurde er mit 14 Jahren Kindersoldat in dem nach dem Ersten Weltkrieg im Baltikum kämpfenden Freikorps „Brandis“. Die Truppe wird 1920 in Brandenburg aufgelöst. Domela gilt in der Heimat als Hochverräter und in Deutschland als Ausländer. Die deutschen Behörden verweigern ihm einen Pass, den er aber braucht, um Arbeit zu bekommen. Er nimmt in den Goldenen Zwanzigern Arbeiten an, bei denen nicht nach einem Pass gefragt wird. Er ist Ziegeleiarbeiter, Hausbursche, Bettler, Vertreter, Schnellzeichner und Gärtner.
Domela legt sich, um seine Chancen zu verbessern, den Namen „von Liven“ zu. Ein in Darmstadt wegen einer Beschäftigung angesprochener Graf von Hardenberg bietet dem vermeintlichen Standesgenossen Unterstützung an. Damit beginnt Domelas Hochstaplerkarriere. Im Herbst 1926 stellt er sich in Heidelberg im Verbindungslokal des Corps der „Saxo-Borussen“ als „Prinz Liven, Leutnant im 4. Reiterregiment Potsdam“ vor und wird begeistert empfangen. Wenige Wochen später logiert er in Erfurt als „Baron Korff“ im Hotel Erfurter Hof. Der Hoteldirektor hält ihn für den Hohenzollern-Prinzen Wilhelm, den ältesten Sohn des ehemaligen deutschen Kronprinzen.
Domela steigt in der Gesellschaft Thüringens binnen weniger Tage in schwindelnde Höhen auf. Er hält sich u.a. in Gotha, Weimar und auf der Creutzburg bei Eisenach auf, besucht als "Königliche Hoheit" Oberbürgermeister, Jagden, Opernaufführungen und private Gesellschaften. Als er mitbekommt, dass er kriminalpolizeilich gesucht wird, setzt er sich mit der Eisenbahn Richtung Rheinland ab, um in die französische Fremdenlegion einzutreten. Er wird jedoch im Januar 1927 in Köln festgenommen, als er den Zug Richtung Frankreich besteigen will. Noch im gleichen Monat wird ihm unter größtem öffentlichen Interesse der Prozess gemacht.
Während seiner siebenmonatigen Haft schreibt er das Buch Der falsche Prinz. Leben und Abenteuer des Harry Domela. Wieland Herzfelde bringt das Buch in seinem Malik-Verlag heraus, wo es mit 120.000 Exemplaren ein gewaltiger Erfolg wird. Die literarische Prominenz, darunter Thomas Mann, Kurt Tucholsky und Carl von Ossietzky, feiert ihn, er tritt in Theatern und Revues auf, Zeitschriften bringen Artikel über ihn.
Im Sommer 1929 eröffnet der 24-Jährige in der Rostocker Straße im Norden Berlins ein kleines Kino. Es läuft immer der gleiche Film: Der falsche Prinz. 6 Akte mit Harry Domela. Das Kino macht jedoch Pleite, Domela verliert all sein Geld. Er wird mehrfach verhaftet, meist unter obskuren Anschuldigungen, im Januar 1931 wegen „Verdacht auf Landesverrat“. Er sympathisiert mit der KPD und geht nach Hitlers Machtergreifung vorsichtshalber mit falschem Pass nach Holland. Er nennt sich jetzt „Victor Zsajka, geboren am 12. August 1908 in Wien, wohnhaft in Wien, Matteottiplatz 2“.
Im Sommer 1936 ist er mit seinem neuen Freund Jef Last in Paris. Der ist Sozialist und Homosexueller wie er, Schriftsteller und gut bekannt mit dem angeblichen Reichstagsbrandstifter Marinus van der Lubbe. Als der Spanische Bürgerkrieg ausbricht, sind Domela und Last unter den ersten Ausländern, die der Spanischen Republik zu Hilfe eilen. Am 20. September 1936 sind sie in Madrid und dienen in der regulären spanischen Volksarmee im 5. Regiment Enrique Listers. Harry Domela dient in den ersten Kriegstagen Ludwig Renn als Adjutant. Er trifft Franz Dahlem als Leiter der Politischen Kommission der Internationalen Brigaden. Als die Volksarmee im Januar 1939 zusammenbricht, flieht auch Domela Richtung Frankreich. Als ab dem 5. Februar 1939 auch spanische Soldaten die Grenze passieren dürfen, wird Harry Domela als Offizier eines Divisionsstabes in Saint-Cyprien unter menschenunwürdigen Bedingungen interniert. Auf Bitten Jef Lasts bekommt André Gide Domela im Mai frei.
Gide vermittelt ihn an Aline Mayrisch-de Saint-Huber, die Witwe des luxemburgischen Stahlindustriellen Emil Mayrisch. Domela gibt sich immer noch als Victor Zsajska aus. Die luxemburgische Fremdenpolizei überprüft im Juli 1939 seine Identität. Domela setzt sich sicherheitshalber nach Belgien ab, wird verhaftet, kann jedoch dem deutschen Einmarsch entkommen und taucht unter. Im Frühling des Jahres 1941 trifft er in der Christi Bar in Nizza, in der unbesetzten Zone Frankreichs, André Gide und Roger Martin du Gard und rät ihnen, nicht nach Paris zu gehen, woher er gerade kommt. Domela wird im Sommer verhaftet und im Lager Vernet eingesperrt. Er entkommt der Auslieferung an die deutschen Behörden dank Gide, der ihm ein Visum und ein Schiffsticket nach Mexiko besorgt. Dort kommt er jedoch nie an und bleibt für viele für immer verschollen.
Im September 1965 erhält sein Exfreund Jef Last aus Maracaibo jedoch einen Brief von Domela: Er sei auf abenteuerlichen Wegen nach Venezuela gelangt und habe sich eine einfache Existenz als Gymnasiallehrer aufgebaut. Last solle jedoch nichts über ihn verlauten lassen, da er immer noch mit falscher Identität lebe und auch keine Möglichkeit sehe, je wieder einen regulären Pass zu erhalten. Ein Brief an Tom Rot, datiert vom März 1978, ist Domelas letztes bekanntes Lebenszeichen, danach verliert sich seine Spur.
Literatur
- Harry Domela: Der falsche Prinz. Leben und Abenteuer des Harry Domela. ISBN 3-934189-49-0.
- Steffen Raßloff: „Der falsche Prinz“. Harry Domela zu Gast im „Erfurter Hof“ 1926. In: Steffen Raßloff (Hg.): Das Erfurter Gipfeltreffen 1970 und die Geschichte des „Erfurter Hofes“. (Schriften des Vereins für die Geschichte und Altertumskunde von Erfurt. Bd. 6). Jena 2007 (S. 137–145), ISBN 978-3-940265-05-0.
- Kurt U. Bertrams: Der falsche Prinz und die Saxo-Borussia. Hilden 2007, ISBN 3-933892-77-5.
- Jens Kirsten: Nennen Sie mich einfach Prinz – Das Lebensabenteuer des Harry Domela. Weimar 2010, ISBN 978-3-910053-47-5 (formal falsche ISBN).
Weblinks
- Literatur von und über Harry Domela im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Jens Bisky: Besuch beim Pöbel der höheren Stände. Die Erinnerungen des Hochstaplers Harry Domela (Berliner Zeitung, 13. Mai 2000)
- Werner Liersch: Der Mann, der sich verschwinden ließ. Die Jahrhundertgeschichte des Harry Domela (Berliner Zeitung, 30. April 2004)
- Harry Domela Collection (International Institute of Social History, Amsterdam)
- Harry Domela und Erfurt
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