Hauptkirche Sankt Michaelis (Hamburg)

Hauptkirche Sankt Michaelis (Hamburg)
St. Michaelis

Die evangelische Hauptkirche Sankt Michaelis, genannt „Michel“, ist die bekannteste Kirche Hamburgs und ein Wahrzeichen der Hansestadt, da sie für Seeleute auf einlaufenden Schiffen gut sichtbar ist. Sie gilt als bedeutendste Barockkirche Norddeutschlands und ist dem Erzengel Michael geweiht, der als große Bronzestatue über dem Hauptportal steht. Er ist dargestellt in Siegerpose über dem Satan. Der Michel steht in der südlichen Neustadt zwischen Ludwig-Erhard-Straße, Krayenkamp und Englischer Planke.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Erzengel Michael von August Vogel
Innenraum mit Blick zur Orgel

Der heutige Bau ist der dritte Kirchenbau an dieser Stelle.

Erster Bau (1647–1750)

Der erste Bau wurde von 1647 bis 1669 von Peter Marquardt und Christoph Corbinus in der Neustadt errichtet, die seit 1625 innerhalb der neuen Wallanlagen entstanden war. 1687 wurde der Michel Hamburgs fünfte Hauptkirche und die Neustadt ein eigenes Kirchspiel.

Am 10. März 1750 gegen 11:00 Uhr wurde die Kirche mit ungewöhnlich lautem Donner vom Blitz getroffen. Rauch und Flammen wurden ab 12:45 Uhr bemerkt. Der Brand konnte nicht mehr gelöscht werden, der Kirchturm brach im Zickzack zusammen. „Der Hauptteil des Turmes fiel auf das Kirchendach und setzte das Gotteshaus in Brand, das dadurch völlig vernichtet wurde.“ [1]

Zweiter Bau (1762–1906)

1786 wurde der Neubau nach einem Entwurf von Johann Leonhard Prey und Ernst Georg Sonnin in der heutigen Form abgeschlossen. 1802 nutzte Johann Friedrich Benzenberg den Turm mit Erfolg für Fallexperimente zum Nachweis der Erdrotation und kam damit Léon Foucault mit seinem berühmten Pendelversuch um fast 50 Jahre zuvor. Am 3. Juli 1906 fing der Turm bei Bauarbeiten am Dachstuhl Feuer und brannte vollständig nieder. Auch das Kirchenschiff brannte bis auf die Grundmauern ab.

Dritter Bau (1906–1945)

Über die Art des Wiederaufbaus gab es heftige Diskussionen. In einer Enquete von 1906/07 sprachen sich Cornelius Gurlitt, Fritz Schumacher und Peter Behrens gegen eine Rekonstruktion aus. Trotzdem erfolgte mit Rücksicht auf den Wahrzeichencharakter des „Michel“ und den Wunsch der Bevölkerung eine Wiederherstellung in der alten äußeren Form, allerdings mit Stahl und Beton anstelle der früheren Holzkonstruktion [2]. Die Bauarbeiten dauerten sechs Jahre. Am 19. Oktober 1912 wurde der Michel wiedereröffnet.

Im Zweiten Weltkrieg wurde die gesamte Umgebung durch alliierte Bombenangriffe (Operation Gomorrha) stark zerstört, während die Kirche selbst zunächst fast unbeschädigt blieb. Erst 1944 und 1945 wurde schließlich auch das Hauptschiff getroffen. Die Schäden wurden bis etwa 1952 beseitigt.

Renovierung seit 1983

Seit 1983 wird der Michel fast kontinuierlich renoviert. Von 2002 bis um die Jahreswende 2009/10 wurden Sanierungen des Kirchenschiffs, Instandhaltungsarbeiten, eine Dacherneuerung sowie die Digitalisierung der Baupläne unter der Leitung des Hamburger Architektenbüros Plan-R vorgenommen.

Exkurs: Der Kleine Michel

Der Kleine Michel wurde als Vorläuferkirche zum Michel und als Notkirche nach dem Brand des Michels benutzt.

Architektur und Ausstattung

Grundriss

Sankt Michaelis ist ein in Backsteinbauweise errichteter, barocker Zentralbau mit monumentalem Westturm. Als Wiederherstellung des Baus von 1762/86 ist sie die jüngste der fünf Hamburger Hauptkirchen und mit 2500 Sitzplätzen auch die größte. Der Kirchenraum hat einen kreuzförmigen Grundriss mit 44 m Breite, 52 m Länge und 27 m Höhe. Die marmorne Kanzel bildet das Zentrum des Raumes. In der Krypta befindet sich eine Ausstellung zur Baugeschichte mit Modellen der Kirche.

Turm

Turm

Der 132 Meter hohe, charakteristische Kirchturm ist der zweithöchste in Hamburg. Er prägt die Silhouette der Stadt und galt schon früh als Orientierungsmarke für die auf der Elbe nach Hamburg segelnden Schiffe. In 106 m Höhe[3] ist die Turmplattform, die einen weiten Ausblick über die Stadt bietet, man kann sie zu Fuß über 453 Stufen oder mit einem Fahrstuhl erreichen.

Turmuhr

Die Uhr im Kirchturm ist die größte ihrer Art in Deutschland. Sie wurde von der Straßburger Firma Ungerer hergestellt, deren Inhaber der Großvater des bekannten Grafikers Tomi Ungerer war. Jedes der vier Zifferblätter misst acht Meter im Durchmesser, ein großer Zeiger hat eine Länge von 4,91 Metern und ein kleiner 3,60 m. Jeder dieser Zeiger wiegt 130 Kilogramm und ist mit Blattgold belegt, genauso wie die umgebenden Ziffern.

Glocken

Als Ersatz für die große Michel-Glocke, die 1917 zu Kriegszwecken eingeschmolzen worden war, wurde am 31. März 2000 die große Jahrtausendglocke in der Glockengießerei A. Bachert in Heilbronn gegossen. Allerdings entwickelte sich aufgrund schlechter Gussqualität am unteren Rand ein Sprung,[4] weshalb 2008 in Karlsruhe ein Neuguss erfolgte. Die anderen Glocken wurden von der Glockengießerei Schilling (Apolda) gegossen.

Nr.
 
Name
 
Gussjahr
 
Gießer
 
Durchmesser
(mm)
Masse
(kg)
Schlagton
(HT-1/16)
Inschrift
 
1 Jahrtausendglocke 2008 A. Bachert, Karlsruhe 2.400 9.040 f0 +3 AUS DER TIEFE RUFE ICH • HERR • ZU DIR • DENN BEI DIR IST DIE VERGEBUNG DASS MAN DICH FUERCHTE • –– Denn tausend Jahre sind vor dir wie der Tag, der gestern vergangen ist.
2 Bürgerglocke 1924 F. Schilling Söhne, Apolda 1.960 4.911 a0 +2 Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit.
3 Schifffahrtsglocke 1924 1.660 2.850 c1 +4 Fahret auf in die Höhe.
4 Gemeindeältestenglocke 1909 1.450 2.012 d1 +3 Lobet, ihr Völker, unsern Gott; lasst seinen Ruhm weit erschallen.
5 Pastorenglocke 1924 1.280 1.350 e1 +2 Selig sind die Knechte, die der Herr, so er kommt, wachend findet.
6 Kirchenvorsteherglocke 1909 1.220 1.103 f1 ±0 Das ist ein köstlich Ding, dem Herrn danken und lobsingen deinen Namen, du Höchster.

[5]

Orgeln

Innenraum mit Orgel

Der Michel besitzt fünf Orgeln: Eine romantische Orgel in der Krypta, die Marcussen-Orgel auf der Konzertempore, die große Steinmeyer-Orgel mit ihren 85 Registern, 5 Manualen und 6674 Pfeifen, sowie ein Fernwerk. 2009 wurden die Orgeln durch die Firmen „Freiburger Orgelbau, Hartwig und Tilmann Späth“ und „Orgelbau Klais“ überholt sowie ein Fernwerk auf dem Dachboden eingebaut und ein Generalspieltisch eingerichtet. Am 1. Advent 2010 wurde auf der Südempore die „Carl-Phillip-Emanuel-Bach“-Orgel eingeweiht. Mit 676 Orgelpfeifen, 2 Manualen und 18 Registern.

Literatur

Chronologisch

Martin-Luther-Denkmal vor dem Turm von Otto Lessing (1912)
  • Johann Theodor Reinke: Lebensbeschreibung des ehrenwerthen Ernst Georg Sonnin, Baumeisters und Gelehrten in Hamburg, Hamburg 1824.
  • Julius Faulwasser: Die St. Michaelis-Kirche zu Hamburg. Eine vaterländische Studie, Hamburg 1886.
  • Julius Faulwasser: Die St. Michaeliskirche zu Hamburg, Hamburg 1901.
  • Karl Reimer: St. Michaelis 1604-1904. Ein Überblick über die Geschichte der neustädtischen Gemeinde in Hamburg, Hamburg 1904.
  • Walter H. Dammann: Die St. Michaeliskirche zu Hamburg und ihre Erbauer. Ein Beitrag zur Geschichte der neueren Protestantischen Kirchenbaukunst, Leipzig 1909.
  • Horst Lutter: Die St. Michaeliskirche in Hamburg. Der Anteil der Baumeister Prey, Sonnin und Heumann an ihrer Gestaltung, Hamburg 1966 (Arbeiten zur Kirchengeschichte Hamburgs; 9).
  • Reinhold Pabel: Der Kleine und der Große Hamburger Michel, Hamburg 1986, ISBN 3-7672-0939-X.
  • Dieter Haas (Hg.): Der Turm. Hamburgs Michel, Gestalt und Geschichte. Beiträge von sechzehn Autoren, Festschrift, Hamburg 1986.
  • Hermann Hipp: Freie und Hansestadt Hamburg. Geschichte, Kultur- und Stadtbaukunst an Elbe und Alster, Köln 1989 (Dumont-Dokumente: Dumont-Kunst-Reiseführer).
  • Johannes Habich: Die grosse St.-Michaelis-Kirche zu Hamburg, 4. Aufl., München [u. a.], 1993 (Große Baudenkmäler; H. 310).
  • Matthias Gretzschel: St. Michaelis. Der Hamburger Michel, Hamburg 1996.
  • Hermann Heckmann: Baumeister des Barock und Rokoko in Mecklenburg, Schleswig-Holstein, Lübeck, Hamburg, Berlin 2000.

Gegenwärtig im Buchhandel erhältlich

  • Helge Adolphsen: O, wie so herrlich stehst Du da. Predigten im Hamburger Michel aus fünf Jahrhunderten, Murmann-Verlag, Hamburg 2006, ISBN 3-938017-79-1
  • Semjon Aron Dreiling: Pompöser Leichenzug zur schlichten Grabstätte. Die vergessenen Toten im Gruftgewölbe der Hamburger St.-Michaelis-Kirche 1762-1813, Medien-Verlag Schubert, Hamburg 2006, ISBN 3-937843-09-4 [1]
  • Joachim W. Frank, Iris Groschek, Rainer Hering, Volker Reissmann: Der Michel brennt! Die Geschichte des Hamburger Wahrzeichens, Edition Temmen, Bremen 2006, ISBN 3-86108-085-0 [2]
  • Bild Hamburg (Hrsg.): Der neue Michel. Sonderproduktion von ca. 2010

Weblinks

 Commons: Michaeliskirche – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Georg Wiarda: Die erste Große St. Michaeliskirche wird durch Blitzschlag zerstört. In: St. Michaelis aktuell. Ihr Gemeindebrief Februar bis April 2010, S. 7
  2. Vgl: Jan Friedrich Hanselmann (Hg):Rekonstruktion in der Denkmalpflege. Texte aus Geschichte und Gegenwart, Stuttgart 2009 S 38ff
  3. laut Bauzeichnung: 105,90 m.
  4. Ihre Maße waren 7 542 kg; Durchmesser: 234 cm.
  5. Hamburger Michel Teilgeläut f° / a° / c´ / e´ / f´ (YouTube-Video)

Siehe auch


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