Herzogtum Kurland und Semgallen

Herzogtum Kurland und Semgallen
Herzogtum Kurland und Semgallen
Ducatus Curlandiae et Semigalliae
Coat of Arms of Duchy of Courland.jpg
Wappen des Herzogtums unter Gotthard Kettler
Duchy of Courland & Semigallia 1740.svg
Das Herzogtum Kurland und Semgallen um 1740
Hauptstadt Mitau
Gegründet von Gotthard Kettler
Existierte 1561 - 3. März 1795
Gebiet war vorher Teil des Meistertum Livland des Deutschen Ordens
Aufgegangen in Gouvernement Kurland, Russisches Kaiserreich
Gründungsereignis Umwandlung des Ordensstaates in Livland in ein weltliches Herzogtum
Hauptsprachen Lettisch, Deutsch
Hauptreligion evangelisch-lutherisch
Der Ordensstaat um 1260
Das Baltikum um 1686: Kurland ist das obere rot-weiß gestreifte Gebiet, das untere gestreifte ist das Herzogtum Preußen

Das Herzogtum Kurland und Semgallen war ein Fürstentum im heutigen Lettland, das von 1561 bis zur Dritten Teilung Polens 1795 existierte und danach vom russischen Reich annektiert wurde. Es umfasste die heutigen Landschaften Kurland und Semgallen. Das Herzogtum wurde integriert in der Polen-Litauen auf dem Sejm in 1726.[1]

Das Herzogtum entstand, als der ehemalige baltische Teil des Ordensstaats 1561 durch den letzten livländischen Landmeister des Deutschen Ordens, Gotthard Kettler, in ein weltliches Herzogtum umgewandelt wurde.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Entstehung

Ein russischer Vorstoß nach Livland 1558 durch Iwan IV. („der Schreckliche“) eröffnete den Livländischen Krieg. Als Friedrich II. von Dänemark für seinen Bruder Magnus von Holstein die Bistümer Ösel-Wiek und Kurland erwarb, griff Schweden ein, dem sich Estland mit Reval unterstellte. Der Staat des Deutschen Ordens war den Gegnern nicht gewachsen und suchte in Litauen eine Schutzmacht. Gotthard Kettler wurde 1559 Landmeister in Livland. Nach Abschluss der Union von Wilna 1561, ließ sich Kettler von Polen-Litauen mit dem zum Herzogtum erhobenen Kurland, zu dem auch Semgallen gehörte, belehnen. Nicht zum Herzogtum gehörte die Gegend um Pilten, die das Territorium der Bischöfe von Kurland gebildet hatte und nach dem Tod von Bischof Magnus von Dänemark als Teil des Herzogtum Livland direkt an Polen fiel. Kettler starb am 17. Mai 1587 in Mitau, seine Nachkommen herrschten in Kurland bis 1737.

Nach dem Tod Herzog Gotthard Kettlers teilten sich seine Söhne Wilhelm Kettler und Friedrich Kettler 1595 das Herzogtum in das westliche Kurland und das östliche Semgallen. Wilhelm überwarf sich mit dem Landadel, der durch die polnischen Oberherren unterstützt wurde und musste schließlich das Land verlassen. Friedrich konnte damit 1616 beide Landesteile wieder vereinen. Durch die Polnisch-schwedischen Kriege von 1600–1629 um die Vorherrschaft im Baltikum war Kurland im Ergebnis weniger betroffen. 1629 eroberte Gustav II. Adolf von Schweden Livland bis auf die Gegend um Dünaburg also Polnisch-Livland. Kurland aber blieb weiterhin ein selbständiges Herzogtum unter polnischer Oberhoheit.

Blütezeit und schwedische Besetzung

Unter Herzog Jakob Kettler (Regierungszeit 1642-1682) erreichte Kurland seine höchste wirtschaftliche Blüte. Der weltgewandte Herzog war ein Anhänger merkantiler Ideen und suchte Handelsbeziehungen nicht nur zu den direkten Nachbarn, sondern auch nach England, Frankreich, Portugal und anderen. Schiffbau und Metallverarbeitung wurden gefördert. Die kurländischen Hafenstädte Windau (Ventspils) und Liebau (Liepaja) wurden Heimathäfen einer der größten europäischen Handelsflotten. Mehrfach versuchte Kurland, Kolonien in Tobago (Neukurland) und am Gambia-Fluss (James Island) aufzubauen. Dies führte zu Konflikten mit anderen Kolonialmächten und Einheimischen, die das kleine Kurland nur mit Schwierigkeiten bewältigte.

Das Ende des kurländischen Kolonialismus kam mit dem zweiten schwedisch-polnischen Krieg 1655–1660: 1655 fiel die schwedische Armee in das reiche Kurland ein, 1658 geriet der Herzog in schwedische Gefangenschaft. Die Kolonien fielen an die Niederlande und England, die Handelsflotte wurde weitgehend vernichtet. Nach dem Friedensschluss konnte Tobago zwar zurückgewonnen werden, aber die Wirtschaftskraft Kurlands war zerstört.

Der Sohn von Herzog Jakob, Friedrich Kasimir Kettler (Regierungszeit 1682-1698), führte zwar die handelspolitischen Ansätze seines Vaters fort, konnte aber den weiteren Niedergang der Wirtschaft nicht verhindern, zumal er eine aufwändige Hofhaltung betrieb. Zur Finanzierung verkaufte er Tobago an britische Kolonisten. Unter Friedrich Kasimirs Sohn Friedrich Wilhelm Kettler (Regierungszeit 1698-1711), der minderjährig unter der Vormundschaft seines Onkels Ferdinand und seiner Mutter regierte, hatte das Land während des Nordischen Kriegs infolge der Invasion der Schweden (1700-1703 und 1704-1709) stark zu leiden und wurde sogar von einem schwedischen Statthalter verwaltet.

Im Spannungsfeld zwischen Polen und Russland

Der junge Herzog, der inzwischen in Deutschland erzogen wurde, hatte kaum sein Land zurückerhalten, als er 1711 unmittelbar nach seiner Vermählung mit der russischen Prinzessin Anna Iwanowna starb. Die verwitwete Herzogin Anna nahm unter dem Schutz von Peter I., ihrem Onkel, ihren Witwensitz zu Mitau.

Zwar trat nun der Onkel ihres Gemahls, Herzog Ferdinand Kettler, die Regierung an, lebte aber fortwährend im Ausland. Als die herzogliche Kammer ein verpfändetes Gut einziehen wollte und dabei der Pfandinhaber, Oberst v. Fircks, erschossen wurde, beschwerte sich der Adel in Warschau, und der polnische Oberlehnshof ordnete eine Landesverwaltung an, deren Endzweck es war, Kurland nach dem Tode des kinderlosen Ferdinand als ein eröffnetes Lehen förmlich mit Polen zu vereinigen. Um dies zu verhindern, wählten die kurländischen Stände 1726 den Sohn des Königs von Polen, Moritz Graf von Sachsen, zum Herzog. Diese Wahl blieb jedoch, weil Russland und Polen sich dagegen stellten, ohne Wirkung. Als dann auf dem Reichstag zu Grodno die Vereinigung Kurlands mit Polen dekretiert wurde, sobald Ferdinand gestorben sei, stimmte Russland dieser Einverleibung nicht zu.

Im Jahr 1731 endlich ließ sich August II. von Polen dazu herbei, Ferdinand Kettler mit Kurland zu belehnen. Da dieser aber im Ausland bleiben wollte, hatte sich im Wesentlichen nichts gebessert. Als er 1737 starb und mit ihm das herzogliche Haus Kettler erlosch, setzte Herzogin Anna, die inzwischen den russischen Thron bestiegen hatte, mit Zustimmung Augusts III., der ihr die polnische Krone verdankte, die Wahl ihres Günstlings Ernst Johann von Biron seitens der kurländischen Stände zum Herzog durch. Dieser blieb jedoch in Petersburg und wurde nach dem Tod seiner Beschützerin (1740) während der Regierung des minderjährigen Kaisers Iwan, für welchen er die Regentschaft führte, von Münnich verhaftet und von der Mutter Iwans, der zur Regentin erhobenen Anna Leopoldowna, nach Sibirien verbannt.

Die kurländischen Stände wählten darauf 1758 den Prinzen Karl von Sachsen zum Herzog, zu dessen Gunsten die Kaiserin allen Forderungen an Kurland entsagte. Nach der Thronbesteigung Peters III. erhielt indessen Ernst Johann von Biron seine Freiheit wieder, und als Katharina die Große an die Macht gekommen war, wurde er von dieser 1763 wieder als Herzog von Kurland eingesetzt. Das Jahr 1768 brachte dann dem Land eine neue Konstitution, welche von den Mächten Nordeuropas garantiert und 1774 erneuert wurde. Ernst Johann von Biron starb 1772, nachdem er schon 1769 die Regierung an seinen Sohn Peter von Biron abgetreten hatte.

Das Ende des Herzogtums

Die Zerwürfnisse zwischen Adel und Bürgerstand sowie das Misstrauen gegen den Herzog waren in Kurland nicht zu beseitigen - abwechselnd suchte man bald in Petersburg, bald in Warschau Schutz. Nach der dritten Teilung Polens beschloss dann der kurländische Landtag, das Land dem russischen Zepter zu unterwerfen. Dieser Beschluss wurde dem Herzog zur Bestätigung mitgeteilt und von diesem am 28. März zu Petersburg, gegen eine Pension für sich und seine Töchter, in einer besondern Abtretungsurkunde genehmigt. Auf diese Weise wurde Kurland eine russische Provinz (Gouvernement Kurland) und bildete neben dem damaligen Gouvernement Estland (dem heutigen Nordteil der Republik Estland) und Livland eines der drei Ostseegouvernements, die vom deutsch-baltischen Adel zunächst jeweils autonom verwaltet wurden.

Versuche einer Erneuerung

Während des Russlandfeldzug 1812 errichtete Napoleon ein kurzlebiges Herzogtum von Kurland, Semgallen und Piltene.

Im Ersten Weltkrieg wurde 1918 erneut ein Herzogtum Kurland und Semgallen proklamiert, das aber noch im gleichen Jahr als Teil des Vereinigten Herzogtums Baltikum bezeichnet wurde. Es blieb bei reinen Willenskundgebungen, eigene Staatlichkeit wurde infolge der Deutschen Kriegsniederlage nicht erreicht.

Städte in Kurland und Semgallen

Herzöge von Kurland und Semgallen

1561–1587 Gotthard
1587–1595 Friedrich

Teilung

1595–1616 und 1617–1618 Friedrich I. (in Semgallen)
1595–1616 Wilhelm (in Kurland)

Wiedervereinigung

1618–1642 Friedrich I.
1642–1681 Jakob (bereits seit 1638 Mitregent)
1681–1698 Friedrich Kasimir
1698–1711 Friedrich Wilhelm
1711–1730 Anna (Regentin)
1726–1729 Hermann Moritz (nur gewählt, trat die Regierung nie an)
1730–1737 Ferdinand
1737–1758 Ernst Johann
1758–1763 Karl Christian
1763–1769 Ernst Johann (erneut)
1769–1795 Peter

Siehe auch

Literatur

  1. Volumina Legum, t. VI, Petersburg 1860, s. 209.

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