Altona-Kieler Eisenbahn-Gesellschaft

Altona-Kieler Eisenbahn-Gesellschaft
Streckennetz der AKE im Jahr 1884

Die Altona-Kieler Eisenbahn-Gesellschaft (AKE) war eine Aktiengesellschaft im mit dem Königreich Dänemark in Personalunion verbundenen Herzogtum Holstein, die die Eisenbahn zwischen Altona/Elbe und der Ostseehafenstadt Kiel baute und betrieb. Damals war Altona die zweitgrößte Stadt und die 1844 eröffnete Bahnlinie die erste unter dänischer Hoheit.

Inhaltsverzeichnis

Entstehung

Streckenalternativen: über Segeberg oder Neumünster

Hintergrund

Die AG wurde im Dezember 1840 auf Betreiben von Kaufleuten aus Altona und Kiel gegründet. Zu den Kieler Initiatoren zählten Georg Hanssen und Johann Christian Kruse. Die Betreiber versprachen sich durch die Verbindung von Nord- und Ostsee eine Verbesserung der Transport- und Absatzmöglichkeiten ihrer Waren, und sie hatte sich zur Förderung dieses Ziels im Altona-Kieler Eisenbahnkomitee zusammengeschlossen.

Einer zuvor bereits von Friedrich List angeregten Bahnverbindung zwischen den Hansestädten Hamburg und Lübeck hatte die Königliche Eisenbahn-Commission, die 1835 von Dänemarks König Friedrich VI. eingesetzt worden war, die Konzessionierung verweigert, da der Thronfolger Christian VIII. eine Bahnverbindung zwischen Elbe und Ostsee aus fiskalischen Gründen nur auf dänischem Territorium dulden wollte.

Titelblatt des „Unentbehrlichen Begleiters für Eisenbahnreisende auf König Christian VIII. Ostseebahn zwischen Altona und Kiel“

Finanzierung

Das Gesellschaftskapital verteilte sich 1844 wie folgt (in Prozent):

  • 27,0 %: Dänischer Gesamtstaat
  • 21,6 %: Stadt Altona
  • 19,2 %: Privater Streubesitz
  • 16,2 %: Stadt Kiel
  • 13,1 %: Aktien im Besitz der Gesellschaft
  • 01,1 %: Stadt Neumünster
  • 01,1 %: Altonaisches Unterstützungsinstitut
  • 00,4 %: Stadt Elmshorn
  • 00,3 %: Stadt Pinneberg

Trassenbestimmung

Mit der Trassenplanung wurde der englische Ingenieur Geo W. Buck beauftragt. Er kam zu dem Ergebnis, dass wegen des geringeren Reliefunterschiedes die Strecke nicht über Segeberg, sondern über Barmstedt und Neumünster geführt werden solle. Nachdem infolge des Einflusses des Elmshorner Bürgers Klaus Panje eine höhere Beteiligung am Aktienkapital angeboten wurde und sich von dort auch die Erschließung einer weiteren westholsteinischen Strecke wirtschaftlicher vornehmen ließ, entschied sich die Generalversammlung der Gesellschaft im Mai 1842 für diese westlichste Trassenvariante. Christian VIII. erteilte die Konzession dafür am 28. Juni 1842. Die Endbahnhöfe sollten in unmittelbarer Nähe des jeweiligen Hafens errichtet werden. Weitere Bahnhöfe lagen in Pinneberg, Tornesch, Elmshorn, Wrist, Neumünster und Bordesholm, dazu Anhaltestellen in Stellingen, Eidelstedt, Halstenbeck, Priesdorf, Horst, Dauenhof, Siebenecksknöll, Brockstedt, Pahdenstedt, Fohrde und Meimersdorf (in der Schreibweise von 1844).

Bau und Eröffnung

Lageplan Bahnhof Altona mit Verbindungsbahn um 1890

Baubeginn der 105 Kilometer langen, außer in Kiel, Neumünster und Altona zunächst eingleisigen Strecke war im März 1843; Oberingenieur (ab 1845 zum ausführenden Direktor der Gesellschaft befördert) wurde Eduard Dietz, der vorher bei der Leipzig-Dresdner Eisenbahn-Compagnie gearbeitet hatte. Eröffnet wurde sie unter dem Namen Christian VIII. Østersø Jernbane („König Christian VIII. Ostseebahn“)[1] [2] [3] am 18. September 1844, dem Geburtstag des Königs. Es gab eine Feier in der Wagenhalle des noch nicht fertiggestellten Altonaer Bahnhofs und die ersten Fahrt nach Kiel in einer Fahrtzeit von drei Stunden. Dies war die erste Bahnstrecke im dänischen Gesamtstaat.[3] Für den Betrieb standen anfangs zehn Lokomotiven, acht Tender, 37 Personen- und 50 Güterwagen zur Verfügung. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit betrug bei Tageslicht 45 km/h, bei Dunkelheit 30 km/h.

Das rollende Material wurde nach einer internationalen Ausschreibung geordert: je fünf Dampflokomotiven mit der Achsfolge „1A1“ kamen von den Firmen Kitson, Thompson & Lewison aus Leeds und Hawthorn aus Newcastle, die dazugehörigen Schlepptender von Wöhlert in Berlin, die Personenwagen von Röhe & Wienbarg (Altona), Pack- und Güterwagen von Meyer (Uetersen), Knupper (Altona) und Schweffel & Howaldt (Kiel).

Fahrplan und Uhrzeit

Aus der geografischen Lage der Strecken-Endpunkte Altona und Kiel ergab sich hinsichtlich der genauen astronomischen Ortszeit eine Differenz von etwa 40 Sekunden. Je nachdem, welche Ortszeit man zugrunde gelegt hätte, wäre ein Zug zwischen Altona und Kiel jeweils um fast eine Minute „zu früh“ oder „zu spät“ angekommen. Um diesem Problem zu begegnen, wurde in Zusammenarbeit mit der Altonaer Sternwarte und ihrem Leiter Heinrich Christian Schumacher eine künstliche mittlere Uhrzeit für die Angaben im Fahrplan bestimmt. Die danach verbleibende maximale Zeitdifferenz von 20 Sekunden zu den örtlichen Uhren wurde nicht mehr so auffällig als scheinbare Verspätung wahrgenommen.

Dieses Problem, das mit zunehmenden Streckenentfernungen und Reisegeschwindigkeiten auch bei anderen Eisenbahnen auftrat, war übrigens ein Anlass zur Einberufung der Internationalen Meridian-Konferenz im Oktober 1884 in Washington, D.C., auf der vereinbart wurde, die Erde in 24 Zeitzonen aufzuteilen, in denen jeweils unabhängig von der genauen astronomischen Ortszeit eine für alle in dieser Zone liegenden Orte geltende „Einheitszeit“ verwendet werden sollte. Nach den entsprechenden Vorbereitungen wurde daraufhin 1893 in Deutschland die „Mitteleuropäische Zeit“ eingeführt, die orts- und länderübergreifende korrekte Uhrzeitangaben in den Fahrplänen ermöglichte.

Erweiterung des Eisenbahnnetzes

Gleich nach der Fertigstellung der Hauptstrecke begann der Bau einer Verbindung vom tiefer gelegenen Elbufer zum Altonaer Bahnhof, bei der die Güterwagen per Seilaufzug über eine 210 Meter lange geneigte Ebene den Höhenunterschied von 30 Metern überwanden (siehe Schellfischtunnel/Altonaer Hafenbahn). Die Inbetriebnahme erfolgte 1845. Die Hafenbahn in Kiel hingegen, wo der Bahnhof nicht so hoch über dem Hafen liegt, hatte schon am 1. September 1844 den Verkehr aufgenommen.

Ebenfalls 1845 erweiterte die Gesellschaft ihr Netz, als sie die Betriebsführung der 34 Kilometer langen Strecke der Rendsburg-Neumünsterschen Eisenbahn-Gesellschaft übernahm, die über Nortorf und Bokelholm verlief. Zwar versuchte der englische Eisenbahnunternehmer Sir Samuel Morton Peto, diese Bahn durch Kauf in seinen Einflussbereich zu bringen; jedoch gelang es der AKE, von ihm dieses wertvolle Teilstück zum 1. Januar 1864 zu erwerben. Von da an zog sich Peto mehr und mehr aus Schleswig-Holstein zurück, und die AKE wurde hier die bedeutendste Eisenbahngesellschaft.

Der zusammen mit dem Senat der Hansestadt Hamburg vorgenommenen Bau der Hamburg-Altonaer Verbindungsbahn und des Bahnhofs Klosterthor führte die Strecke der AKE bis in die Nähe des Berliner Bahnhofs der Berlin-Hamburger Bahn und des „Lübecker Bahnhofs“ der Lübeck-Büchener Eisenbahn. An diesem Endpunkt kam 1872 nach Fertigstellung der Hamburger Elbbrücken der Venloer Bahnhof auf der Grasbrookinsel hinzu. Der Güterverkehr wurde am 30. September 1865 und der Personenverkehr am 16. Juli 1866 aufgenommen.

Vom Knotenpunkt Neumünster wurden am 31. Mai 1866 fast 90 Kilometer Strecken in Ostholstein eröffnet, nämlich Neumünster–Ascheberg–Eutin–Neustadt in Holstein, samt einer dortigen Hafenbahn, und die Querverbindung von Kiel über Preetz nach Ascheberg. Am 10. Dezember 1875 kam noch die 45 Kilometer lange Strecke Neumünster–Segeberg–Oldesloe hinzu.

Die Bahnstrecke von Altona nach Blankenese wurde am 19. Mai 1867 und deren 18 Kilometer lange Verlängerung bis Wedel am 2. Dezember 1883 eröffnet. Diese Strecke wurde ab 1907 Teil der Hamburg-Altonaer Stadt- und Vorortbahn und neben dem Güterverkehr (bis 1997) ab 1934 Teil der S-Bahn Hamburg.

Betriebsführungen und Beteiligungen

Die AKE führte bis zum 31. Dezember 1862 den Betrieb der Bahnlinie von Elmshorn nach Glückstadt, den die im März 1844 gegründete Glückstadt-Elmshorner Eisenbahn-Gesellschaft am 20. Juli 1845 eröffnet hatte. Die Strecke wurde zwölf Jahre später, am 15. Oktober 1857, nach Itzehoe verlängert.

Von 1870 bis 1884 führte die AKE den Betrieb der Schleswigschen Eisenbahnen, an denen sie auch kapitalmäßig beteiligt war.

Auch an der Kreis Oldenburger Eisenbahn AG war die AKE maßgeblich beteiligt. Sie führte den Betrieb, seit die erste Strecke Neustadt–Oldenburg in Holstein am 30. September 1881 eröffnet worden war.

Die AKE besaß ferner Aktien der Westholsteinischen Eisenbahn-Gesellschaft und der von dieser später erworbenen Wesselburen-Heider Eisenbahn-Gesellschaft.

Verstaatlichung

Als Folge des deutsch-dänischen Krieges wurde Holstein 1867 preußisch. Ab 1883 begannen Verhandlungen über den Ankauf der Altona-Kieler Eisenbahn durch den Staat Preußen, der bereits ab dem 1. März 1884 deren Verwaltung und Betriebsführung durch die Königliche Eisenbahndirektion Altona übernahm, die provisorische Räumlichkeiten der Stadt Altona bezog. Für einen Kaufpreis von 70,65 Millionen Mark wurden die Preußischen Staatseisenbahnen am 1. Januar 1887 (oder 1. Juli 1887) Eigentümer der AKE. Die Aktiengesellschaft wurde aufgelöst.

Die heutige Bahnstrecke Hamburg-Altona–Kiel befindet sich im Besitz der Deutschen Bahn AG (Stand 2009).

Literatur

  • Altonaer Museum (Hrsg.): Schienen zum Fortschritt. 150 Jahre Eisenbahn in Schleswig-Holstein. 38, Veröff. d. des Landesarchivs Schleswig-Holstein, Hamburg 1994.
  • Hajo Brandenburg; Altonaer Museum (Hrsg.): Der Altonaer Bahnhof im Wandel der Zeit. Dölling und Galitz, Hamburg/München 2001, ISBN 3-933374-98-7.
  • Christian L. Küster: Ein einmaliger Fall – das Rathaus war zunächst Bahnhof. In: Uwe Hornauer, Gerd Kaufmann (Hrsg.): Das Altonaer Rathaus 1898–1998.. Dölling und Galitz, Hamburg 1998, ISBN 3-930802-94-5.
  • Erich Staisch: Der Zug nach Norden. 150 Jahre Eisenbahnverkehr in Schleswig-Holstein von der Christianbahn bis zur Elektrifizierung. E. Kabel, Hamburg 1994, ISBN 3-8225-0298-7.
  • Unentbehrlicher Begleiter für Reisende auf König Christian VIII. Ostseebahn zwischen Altona und Kiel. Altona 1844 (Nachdruck 1994).
  • Hans Bock: Die Marschbahn von Altona nach Westerland. Boyens, Heide 1989, ISBN 3-8042-0458-9.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Heinrich Christian Schumacher, der Altonaer Astronom, Seite 5
  2. Erich Staisch, Die Christian-VIII.-Ostseebahn, Hamburger Blätter für alle Freunde der Eisenbahn 11.Jg. Heft 4
  3. a b in Den Store Danske Lexikon, „Danske Jernbaner“

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